Urteil des BGH vom 04.04.2000

BGH (stgb, stpo, aufhebung, freiheitsstrafe, vergewaltigung, verschiebung, gesetz, sanktion, bemessung, raum)

5 StR 103/00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 4. April 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. April 2000
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Berlin vom 27. September 1999 nach § 349 Abs. 4
StPO im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revi-
sion, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück-
verwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei
Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, zu ei-
ner Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Die Revision des Angeklagten hat zum Strafausspruch mit der Sachrüge
Erfolg. Im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Im ersten Fall hat das Landgericht die gegen den unbestraften, in sei-
ner Steuerungsfähigkeit erheblich verminderten Angeklagten verhängte Ein-
zelstrafe von drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe dem Strafrah-
men des § 177 Abs. 1 StGB entnommen. Dabei war das Landgericht der
Überzeugung, daß angesichts der Voraussetzungen des § 21 StGB und ei-
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ner besonders kurzen Dauer des gewaltsam erzwungenen Beischlafs Um-
stände vorlägen, welche die Annahme eines minder schweren Falles recht-
fertigten; das Gesetz kenne indes „keinen minder schweren Fall des § 177
Abs. 2 StGB”. Damit hat das Landgericht die Strafrahmenmöglichkeiten des
§ 177 StGB n.F. nicht vollständig zutreffend erfaßt. Wenn der Tatrichter trotz
Vorliegens eines Regelbeispiels nach § 177 Abs. 2 Satz 2 StGB wegen er-
heblicher schuldmildernder Umstände den Strafrahmen des § 177 Abs. 2
Satz 1 StGB verwirft und so zum Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB ge-
langt, ist es nicht ausgeschlossen, die Tat bei schuldmildernden Umständen
von ganz außergewöhnlichem Ausmaß sogar als minder schweren Fall ge-
mäß § 177 Abs. 5 erster Halbsatz StGB zu beurteilen (BGHR StGB § 177
Abs. 5 – Strafrahmenwahl 1; vgl. auch BGH bei Pfister NStZ-RR 1999, 355;
soweit der Kommentierung von Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 177
Rdn. 35 Abweichendes zu entnehmen sein sollte, wäre dies unzutreffend,
vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2000 – 5 StR 30/00 –). Daß das Landgericht
bei zutreffender Sicht dieser Strafrahmenauswahl einen minder schweren
Fall angenommen oder sich jedenfalls nicht entsprechend § 50 StGB an ei-
ner weiteren Verschiebung des Strafrahmens des § 177 Abs. 1 StGB gemäß
§§ 21, 49 Abs. 1 StGB gehindert gesehen und infolgedessen möglicherwei-
se eine mildere Einzelstrafe verhängt hätte, läßt sich nicht ausschließen.
Der Senat schließt ferner nicht aus, daß die Einsatzstrafe von fünf Jahren
und sechs Monaten Freiheitsstrafe für den zweiten Fall auf eine Abstufung
zu der für den ersten Fall verhängten Sanktion zurückgeht und bei deren
geringerer Bemessung aufgrund zutreffender Sicht der in Betracht kommen-
den Strafrahmen ihrerseits milder bemessen worden wäre.
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Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei dem vorliegenden
Wertungsfehler nicht. Der neue Tatrichter wird Einzelstrafen und Gesamt-
strafe auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, die
allenfalls durch neue widerspruchsfreie zu ergänzen sind, zu treffen haben.
Harms Häger Basdorf
Gerhardt Raum