Urteil des BGH vom 26.10.2006

Goldhase Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 37/04 Verkündet
am:
26. Oktober 2006
Führinger
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ
:
ja
BGHR
:
ja
Goldhase
Gemeinschaftsmarkenverordnung Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b
a) Es besteht kein Erfahrungssatz dahingehend, dass der Gesamteindruck ei-
ner aus einer Form, einer Farbe, Wort- und Bildbestandteilen sowie sonsti-
gen Ausstattungselementen zusammengesetzten dreidimensionalen Marke
unabhängig von der konkreten Anordnung und Gestaltung dieser Elemente
regelmäßig durch den Wortbestandteil bestimmt wird.
b) Form und Farbe einer derart zusammengesetzten Marke kann bei einer
(durch Benutzung) gesteigerten Kennzeichnungskraft eine den Gesamtein-
druck (mit)bestimmende Bedeutung zukommen.
BGH, Urt. v. 26. Oktober 2006 - I ZR 37/04 - OLG Frankfurt a.M.
LG Frankfurt a.M.
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 26. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann
und die Richter Pokrant, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 6. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29. Januar 2004
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückver-
wiesen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
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Die Klägerin zu 1 ist ein schweizerisches Unternehmen, das hochwertige
Schokoladenerzeugnisse und Süßwaren herstellt und vertreibt, darunter auch
Schokoladenhasen. Herstellung und Vertrieb in Deutschland erfolgen über ein
Tochterunternehmen, die Klägerin zu 2.
Die Klägerin zu 1 ist Inhaberin der am 8. Juni 2000 angemeldeten und
am 6. Juli 2001 für Schokolade und Schokoladenwaren eingetragenen dreidi-
mensionalen Gemeinschaftsmarke Nr. 1698885. Als Wiedergabe der Marke
sind beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt folgende in den Farben
gold, rot und braun gehaltene Abbildungen hinterlegt:
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3
Die Beklagte stellt ebenfalls Schokoladenhasen her und vertreibt diese.
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Mit der Klage wenden sich die Klägerinnen gegen einen von der Beklag-
ten hergestellten und vertriebenen Schokoladenhasen, wie er Gegenstand der
Abbildung im Klageantrag zu 1 ist. Die Klägerin zu 1 hat die Klägerin zu 2 er-
mächtigt, im eigenen Namen gemeinsam mit der Klägerin zu 1 aus deren Marke
vorzugehen.
Die Klägerinnen haben - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeu-
tung - beantragt,
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1. die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel
zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr
Schokoladenhasen gemäß der nachstehend wiedergegebenen
Abbildung anzubieten, zu vertreiben, zu bewerben oder sonstig
in den Verkehr zu bringen;
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2. die Beklagte zu verurteilen, den Klägerinnen Auskunft darüber
zu erteilen, in welchem Umfang sie den abgebildeten Schoko-
ladenhasen vertrieben hat; dies unter Angabe genauer Um-
satzzahlen und der gewerblichen Abnehmer sowie Auskunft
darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie für den abgebilde-
ten Schokoladenhasen Werbung betrieben hat;
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen
allen Schaden zu ersetzen, der diesen durch Handlungen ge-
mäß Nr. 1 entstanden ist oder noch entstehen wird.
Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie vertritt die Auffassung,
dass der auf der Klagemarke enthaltene deutlich sichtbare Schriftzug "Lindt
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GOLDHASE" sowie das rote Halsband mit Schleife und Glöckchen die Gefahr
der Verwechslung mit der angegriffenen Ausführungsform ausschlössen.
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Das Landgerichthat die Klage abgewiesen.
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Die Berufung der Klägerinnen ist erfolglos geblieben (OLG Frankfurt a.M.
GRUR-RR 2004, 136 = WRP 2004, 638).
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihr
Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
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Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgerichthat einen Anspruch der Klägerinnen gemäß
Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b GMV mangels Bestehens einer Verwechslungsgefahr
verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
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Zwar bestehe Warenidentität und komme der Klagemarke auch eine ge-
steigerte Kennzeichnungskraft zu. Der Schutz der Klagemarke müsse dabei an
der Kennzeichnung festmachen, wie sie eingetragen sei, d. h. als Warenform
mit weiteren Ausstattungsmerkmalen wie dem roten Halsband mit Schleife und
Glöckchen sowie dem Wort-/Bildzeichen "Lindt GOLDHASE". Von dieser Kom-
binationswirkung sei auch bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit auszuge-
hen, bei der auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden
Zeichen abzustellen sei. Es sei bei dreidimensionalen Marken, nicht anders als
bei Wort-/Bildzeichen, von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass sich der Ver-
kehr bei solchen Bezeichnungen eher am Wort- als am Bildbestandteil orientie-
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re, wenn das Bildelement keine ins Gewicht fallende graphische Gestaltung
aufweise. Dieser Erfahrungssatz gelte auch hier, da der Waren- bzw. Verpa-
ckungsform der Klagemarke jedenfalls keine derart prägende Bedeutung zu-
komme, dass der Verkehr den übrigen Gestaltungsmitteln und vor allem der
Wort-Kennzeichnung keine herkunftshinweisende Funktion beimesse. Es han-
dele sich um die Form eines sitzenden Hasen, die für Osterhasen aus Schoko-
lade zwar nicht allein üblich, aber typisch sei. Der Verkehr nehme diese Form
zunächst nur als ästhetische Gestaltung einer aus Anlass des Osterfestes tradi-
tionell vertriebenen Schokoladenware wahr, ohne daraus auf deren Herkunft zu
schließen.
Nichts anderes ergebe sich aus dem von den Klägerinnen vorgelegten
Gutachten der GfK Marktforschung vom Mai 2003. Zwar hätten 65 % der be-
fragten Konsumenten von Schokolade die Frage, ob der ihnen gezeigte Hase
einem bestimmten Unternehmen zuzuordnen sei, bejaht und 58 % der Befrag-
ten die Frage, ob sie den Namen dieses Unternehmens nennen könnten, zu-
treffend mit "Lindt" beantwortet. Daraus könne jedoch nicht geschlossen wer-
den, dass die Gestalt des Schokoladenhasen für 58 % der Befragten eine Her-
kunftsfunktion besitze dergestalt, dass seine bloße Gestalt ihnen die Unter-
scheidung des Produkts der Klägerinnen von Schokoladenhasen anderer be-
trieblicher Herkunft ermöglichte. Gerade wegen der Bekanntheit des Produkts
"Lindt Goldhase" liege es nicht fern, dass ein erheblicher Teil dieser 58 % der
Befragten mit "Lindt" geantwortet habe, weil ihm dieses Unternehmen als Pro-
duzent derartiger Osterhasen aus Schokolade als erstes eingefallen sei, er je-
doch nicht in der Lage wäre, in bloße Goldfolie eingewickelte Schokoladenha-
sen anderer Unternehmen als nicht aus dem Hause der Klägerinnen stammend
zu erkennen.
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Dahinstehen könne, ob möglicherweise ein gewisser Teil der Befragten
zu dieser Abgrenzung in der Lage wäre, da eine gewisse herkunftshinweisende
Funktion der reinen Form des "Lindt-Goldhasen" zu Gunsten der Klägerinnen
unterstellt werden könne. Diese Funktion bleibe jedenfalls hinter dem Wortbe-
standteil "Lindt GOLDHASE" wie auch gegenüber dem weiteren Gestaltungs-
element des roten Halsbandes mit Schleife und Glöckchen zurück. Das letztere
Gestaltungselement weise auch deshalb eine nicht völlig unbedeutende her-
kunftshinweisende Funktion auf, weil es in der Werbung der Klägerinnen als
Qualitäts- und Erkennungsmerkmal besonders herausgestellt werde.
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Im Hinblick darauf, dass die Klagemarke in erster Linie durch den Wort-
bestandteil "Lindt GOLDHASE" und in zweiter Linie durch das rote Halsband
mit Schleife und Glöckchen geprägt werde, bestehe keine Ähnlichkeit mit der
angegriffenen Form. Dieser ebenfalls in Goldfolie eingewickelte Schokoladen-
Osterhase zeichne sich zunächst dadurch aus, dass sich an der Seite vor ei-
nem weißen und damit hervorgehobenen Hintergrund eingerahmt die Wörter
"RIEGELEIN CONFISERIE" befänden. Außerdem trage dieser Schokoladenha-
se kein rotes Band mit einem Glöckchen; stattdessen sei an der Seite eine
bräunlich-rötliche Schleife aufgedruckt. Damit bestehe ein so großer Abstand
zu den maßgeblich herkunftshinweisenden Elementen der Klagemarke, dass
eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen sei.
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Da die Beklagte die Markenrechte der Klägerinnen nicht verletze, könn-
ten auch die Schadensersatzfeststellungsklage und die zur Vorbereitung der
Bezifferung eines Schadensersatzes geltend gemachten Auskunftsansprüche
keinen Erfolg haben.
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II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision führen
zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an
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das Berufungsgericht. Nach den bislang getroffenen Feststellungen können die
auf Verwechslungsgefahr gestützten Klageansprüche nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2
lit. b, Abs. 2 lit. a, Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GMV i.V. mit § 14 Abs. 5 und 6
MarkenG nicht verneint werden.
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1. Das Bestehen von Verwechslungsgefahr i.S. von Art. 9 Abs. 1 Satz 2
lit. b GMV ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten
Falles umfassend zu beurteilen. Nach der siebten Begründungserwägung der
Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 30. Dezember 1993 über die Ge-
meinschaftsmarke (ABl. Nr. L 11 vom 14.1.1994, S. 1) hängt das Vorliegen von
Verwechslungsgefahr insbesondere von dem Bekanntheitsgrad der Marke auf
dem Markt, der gedanklichen Verbindung, die das benutzte oder eingetragene
Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie dem Grad der Ähnlichkeit zwischen der
Marke und dem Zeichen und zwischen den damit gekennzeichneten Waren und
Dienstleistungen ab (vgl. EuGH, Urt. v. 12.1.2006 - C-361/04 P, GRUR 2006,
237 Tz. 18 - PICASSO/PICARO; Urt. v. 23.3.2006 - C-206/04 P, GRUR 2006,
413 Tz. 17/18 - ZIRH; BGH, Urt. v. 7.10.2004 - I ZR 91/02, GRUR 2005, 427,
429 = WRP 2005, 616 - Lila-Schokolade, m.w.N.).
a) Im Streitfall besteht zwischen den von der Klagemarke und den von
dem Zeichen der Beklagten erfassten Waren Identität.
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b) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Klagemarke
als Hinweis auf die Herkunft von in dieser Aufmachung vertriebenen Schokola-
denhasen eine gesteigerte Kennzeichnungskraft erlangt hat.
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c) Hinsichtlich der Ähnlichkeit zwischen der Klagemarke und der ange-
griffenen Gestaltung des von der Beklagten vertriebenen Schokoladenhasen
hat das Berufungsgericht angenommen, es bestehe ein so großer Abstand,
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dass eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen sei. Diese Beurteilung ist, wie
die Revision mit Recht beanstandet, nicht frei von Rechtsfehlern.
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aa) Bei der Beurteilung hinsichtlich der Ähnlichkeit der Zeichen im Bild,
im Klang oder in der Bedeutung ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den
die Zeichen hervorrufen (EuGH, Urt. v. 11.11.1997 - C-251/95, Slg. 1997,
I-6191 Tz. 23 = GRUR 1998, 387 = WRP 1998, 39 - Sabèl; EuGH GRUR 2006,
237 Tz. 19 - PICASSO/PICARO). Das Berufungsgericht ist mit Recht davon
ausgegangen, dass bei der Ermittlung des Gesamteindrucks der Klagemarke
die eingetragene Kombination der Warenform mit den weiteren Ausstattungs-
merkmalen zugrunde zu legen ist. Dieser Ansatz beachtet nicht nur den Grund-
satz, dass für den Umfang des Schutzes einer eingetragenen Marke der Ge-
genstand der Eintragung maßgeblich ist (vgl. BGHZ 153, 131, 142 - Abschluss-
stück, m.w.N.), sondern berücksichtigt auch den Erfahrungssatz, dass der
Durchschnittsverbraucher eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und
nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. EuGH GRUR 1998, 387
Tz. 23 - Sabèl; EuGH, Beschl. v. 28.4.2004 - C-3/03 P, Slg. 2004, I-3657 Tz. 29
= GRUR Int. 2004, 843 - Matratzen Concord; Urt. v. 6.10.2005 - C-120/04,
Slg. 2005, I-8551 Tz. 28 = GRUR 2005, 1042 = WRP 2005, 1505 - THOMSON
LIFE; BGH, Urt. v. 6.5.2004 - I ZR 223/01, GRUR 2004, 783, 784 f. = WRP
2004, 1043 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX, m.w.N.).
bb) Dementsprechend kann nicht angenommen werden, dass der Ge-
samteindruck der Klagemarke in erster Linie durch den Wortbestandteil "Lindt
GOLDHASE" geprägt wird. Das Berufungsgericht führt für seine gegenteilige
Auffassung den Erfahrungssatz an, der Verkehr orientiere sich bei dreidimensi-
onalen Marken nicht anders als bei Wort-/Bildzeichen eher am Wort- als am
Bildbestandteil. Dieser Erfahrungssatz entfaltet seine Wirkung jedoch im Regel-
fall, sofern es sich bei dem Bildbestandteil nicht lediglich um eine nichtssagen-
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de oder geläufige und nicht ins Gewicht fallende graphische Gestaltung (Verzie-
rung) handelt, lediglich bei der Prüfung der klanglichen Verwechslungsgefahr,
weil eine bildliche Gestaltung nicht die akustische, sondern allein die visuelle
Wahrnehmung anspricht (BGH, Urt. v. 13.1.2000 - I ZR 223/97, GRUR 2000,
506, 509 - ATTACHÉ/TISSERAND). Es ist kein Erfahrungssatz ersichtlich, nach
dem der Verkehr (auch) bei der rein visuellen Wahrnehmung einer Wort-
/Bildmarke in erster Linie die Wörter (gegebenenfalls in ihrer inhaltlichen Be-
deutung), nicht jedoch den Bildbestandteil in sein Erinnerungsbild aufnimmt
(vgl. BGH, Beschl. v. 11.2.1999 - I ZB 33/96, GRUR 1999, 733, 735 - LION
DRIVER; BGHZ 139, 340, 348 -
Lions; BGH GRUR 2000, 506, 509
- ATTACHÉ/TISSERAND; BGH, Beschl. v. 11.5.2006 - I ZB 28/04, GRUR
2006, 859 Tz. 30 = WRP 2006, 1227 - Malteserkreuz). Für eine dreidimensiona-
le Marke, die neben der Form aus einer bestimmten Farbe und weiteren Aus-
stattungsmerkmalen besteht, gilt nichts anderes. Das Berufungsgericht hat
nicht festgestellt, dass es sich bei den neben dem Wortbestandteil gegebenen
sonstigen Ausstattungsmerkmalen der durch die Klagemarke geschützten Ges-
taltung um nicht ins Gewicht fallende bloße Verzierungen handelt. Es ist viel-
mehr selbst davon ausgegangen, dass der Verkehr auch übrige Gestaltungs-
elemente als herkunftshinweisend auffasst.
cc) Der Form und der Farbe des durch die Klagemarke geschützten Ha-
sen hat das Berufungsgericht jedoch keine für den Gesamteindruck des Klage-
zeichens maßgebliche Bedeutung beigemessen. Es hat hierzu ausgeführt, es
handele sich um die Form eines sitzenden Hasen, die für Osterhasen zwar
nicht allein üblich, aber typisch sei. Der Verkehr nehme diese Form zunächst
nur als ästhetische Gestaltung einer aus Anlass des Osterfestes traditionell ver-
triebenen Schokoladenware wahr, ohne daraus auf deren Herkunft zu schlie-
ßen. Diese Erwägungen vermögen die Auffassung des Berufungsgerichts nicht
zu tragen, neben dem den Gesamteindruck in erster Linie prägenden Wortbe-
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standteil und dem in zweiter Linie prägenden Ausstattungsmerkmal des roten
Halsbands mit Schleife und Glöckchen komme der Form und der Farbe für den
Gesamteindruck keine Bedeutung zu. Sie beziehen sich nur auf die Form eines
sitzenden Hasen im Allgemeinen und besagen daher nichts darüber, ob die
Farbe oder die konkrete Form in Verbindung mit der Farbe eine den Gesamt-
eindruck der Klagemarke maßgeblich (mit)prägende Bedeutung hat.
Das Berufungsgericht hat zudem nicht hinreichend beachtet, dass Ges-
taltungsmerkmalen, die über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügen,
regelmäßig eine für den Gesamteindruck der Gestaltung maßgebliche Bedeu-
tung zukommt (vgl. BGH, Urt. v. 18.6.1998 - I ZR 15/96, GRUR 1998, 942 =
WRP 1998, 990 - ALKA-SELTZER; Urt. v. 13.3.2003 - I ZR 122/00, GRUR
2003, 880, 881 = WRP 2003, 1228 - City Plus; Beschl. v. 24.2.2005 - I ZB 2/04,
GRUR 2005, 513, 514 = WRP 2005, 744 - MEY/Ella May; BGH GRUR 2006,
859 Tz. 31 - Malteserkreuz). Die Beurteilung, welche Bestandteile beim Ge-
samteindruck dominieren, kann dadurch beeinflußt sein, dass als Folge der
Präsentation und Bewerbung der Marke (in ihrer eingetragenen Form) dem
Verkehr einzelne Bestandteile als besonders herkunftshinweisend erscheinen
(vgl. BGHZ 153, 131, 140 f. - Abschlussstück; BGH, Urt. v. 28.11.2002
- I ZR 204/00, GRUR 2003, 712, 714 = WRP 2003, 889 - Goldbarren). Die Klä-
gerinnen haben zur Kennzeichnungskraft von Form und Farbe ihres "Goldha-
sen" eine "Verkehrsbefragung über die Bekanntheit des Produktes Goldhase"
der GfK Marktforschung vom Mai 2003 vorgelegt, bei der den Befragten ein in
Goldfolie eingewickelter Schokoladenhase in der durch die Klagemarke ge-
schützten Form ohne die übrigen Ausstattungsmerkmale (rotes Halsband mit
Glöckchen, Bemalung und Aufschrift "Lindt GOLDHASE") vorgelegt worden ist.
Danach ist 82 % aller Befragten und 86 % des engeren Verkehrskreises, d. h.
der Käufer oder Verwender von Schokoladenwaren, der gezeigte Schokola-
denhase bekannt. 61 % aller Befragten und 65 % des engeren Verkehrskreises
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haben die Frage, ob dieser Schokoladenhase auf ein ganz bestimmtes Unter-
nehmen hinweise, bejaht. 55 % aller Befragten und 58 % des engeren Ver-
kehrskreises haben auf die Frage, ob sie den Namen dieses Unternehmens
nennen könnten, das Unternehmen der Klägerinnen angegeben; 4,9 % haben
andere Unternehmen genannt.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann demgegenüber eine
gesteigerte Kennzeichnungskraft des in Goldfolie eingewickelten Hasen in der
durch die Klagemarke geschützten Form nicht deshalb verneint werden, weil es
wegen der Bekanntheit des Produkts "Lindt Goldhase" nicht fern liege, dass ein
erheblicher Teil der Befragten den gezeigten Hasen dem Unternehmen der
Klägerinnen zugeordnet habe, weil ihnen dieses Unternehmen als Produzent
derartiger Osterhasen aus Schokolade als erstes eingefallen sei. Diese Erwä-
gung spricht vielmehr dafür, dass ein erheblicher Teil des Verkehrs Form und
Farbe des Hasen in ihrer Kombination auch unabhängig von den sonstigen
Gestaltungsmerkmalen als Hinweis auf das Unternehmen der Klägerinnen ver-
steht. Dafür spricht auch, dass bei der Verkehrsbefragung vom Juli 2001, in der
den Befragten ein Schokoladenhase gezeigt wurde, der neben Form und Farbe
zusätzlich das rote Bändchen mit Glocke aufwies, keine wesentlich höheren
Kennzeichnungs- und Zuordnungsgrade ermittelt worden sind. Für die Frage, in
welchem Umfang Form und Farbe des Hasen vom Verkehr als Herkunftshin-
weis verstanden werden, kommt es zudem in erster Linie darauf an, welcher
Anteil der befragten Personen diese Gestaltungsmerkmale einem bestimmten
Unternehmen zuordnet. Dagegen ist es nicht erforderlich, dass das Unterneh-
men von ihnen auch richtig benannt wird (vgl. BGH, Urt. v. 15.9.2005
- I ZR 151/02, GRUR 2006, 79, 82 = WRP 2006, 75 - Jeans I). Ob die Befrag-
ten erkennen könnten, dass ein in Goldfolie eingewickelter Schokoladenhase
eines anderen Unternehmens nicht aus dem Hause der Klägerinnen stammte,
ist für die Feststellung, dass die Verkehrsbefragung eine hohe Kennzeich-
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nungskraft hinsichtlich Form und Farbe des "Goldhasen" der Klägerinnen erge-
ben hat, ohne Bedeutung.
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2. Da das Berufungsgericht demnach den Gesamteindruck des Klagezei-
chens nicht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, fehlt es an der tatsächlichen Grund-
lage für seine Beurteilung, trotz Warenidentität und gesteigerter Kennzeich-
nungskraft des Klagezeichens sei der Abstand der Zeichen so groß, dass eine
Verwechslungsgefahr ausgeschlossen sei. Den Umstand, dass der Schokola-
denhase der Beklagten kein rotes Band mit einem Glöckchen trägt, sondern
stattdessen bei ihm an der Seite eine bräunlich-rötliche Schleife aufgedruckt ist,
hat das Berufungsgericht nur im Zusammenhang mit den unterschiedlichen
Wortbestandteilen zur Verneinung der Verwechslungsgefahr ausreichen lassen.
Kommt dem Wortbestandteil die vom Berufungsgericht angenommene maß-
gebliche Bedeutung für den Gesamteindruck des Klagezeichens aber nicht zu
und ist außerdem die kennzeichnende Bedeutung von Form und Farbe des
Klagezeichens noch nicht hinreichend geklärt, kann allein wegen des Unter-
schieds hinsichtlich des Ausstattungsmerkmals der Schleife eine Verwechs-
lungsgefahr nicht ausgeschlossen werden.
3. Das Berufungsurteil kann bereits aus den vorgenannten Gründen kei-
nen Bestand haben. Das Berufungsgericht wird die Feststellungen zur Kenn-
zeichnungskraft der einzelnen Gestaltungselemente der Klagemarke und zu
deren Gesamteindruck nachzuholen haben.
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Mit der - an sich vorrangigen - Frage, ob die Beklagte die Gestaltung ih-
res Schokoladenhasen markenmäßig verwendet (vgl. dazu BGH, Urt. v.
3.2.2005 - I ZR 45/03, GRUR 2005, 414, 415 f. = WRP 2005, 610 - Russisches
Schaumgebäck), hat sich das Berufungsgericht nicht befasst. Insoweit ist dem
Senat eine eigene abschließende Entscheidung jedoch gleichfalls nicht mög-
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lich, weil die Frage der markenmäßigen Verwendung der angegriffenen Ausfüh-
rungsform davon abhängen kann, ob und in welchem Umfang Bestandteile des
Klagezeichens, die über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügen, von
der Beklagten in ihrer Gestaltung verwendet werden (vgl. BGH GRUR 2005,
427, 428 f. - Lila-Schokolade).
Soweit die Klageansprüche nur (noch) auf die für die Klägerin zu 1 einge-
tragene Gemeinschaftsmarke Nr. 1698885 gestützt werden, wird das Beru-
fungsgericht weiter der Frage nachzugehen haben, ob die Klägerin zu 2 neben
der Klägerin zu 1 klagebefugt ist (vgl. BGH, Urt. v. 19.1.1989 - I ZR 223/86,
GRUR 1989, 350, 353 - Abbo/Abo; Ullmann, Festschrift v. Gamm, S. 315, 316).
29
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III. Auf die Revision der Klägerinnen war danach das Berufungsurteil auf-
zuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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Ullmann
Pokrant Büscher
Schaffert
Bergmann
Vorinstanzen:
LG Frankfurt, Entscheidung vom 19.12.2002 - 2/3 O 443/02 -
OLG Frankfurt, Entscheidung vom 29.01.2004 - 6 U 10/03 -