Urteil des BGH vom 24.07.2006

BGH (wiedereinsetzung in den vorigen stand, beschwerde, antragsteller, eigenes verschulden, antrag, frist, wiedereinsetzung, anordnung, belastung, hauptsache)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
NotZ 20/06
vom
24. Juli 2006
in dem Verfahren
wegen endgültiger Amtsenthebung
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzenden
Richter Schlick, den Richter Streck und die Richterin Dr. Kessal-Wulf sowie die
Notare Dr. Doyé und Dr. Ebner am 24. Juli 2006
beschlossen:
Der Antrag des Antragstellers, ihm wegen der Versäumung der
Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Be-
schluss des Senats für Notarsachen bei dem Oberlandesgericht
Celle vom 20. April 2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
zu gewähren, wird zurückgewiesen.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen diesen Be-
schluss wird als unzulässig verworfen.
Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdever-
fahrens zu tragen und der Antragsgegnerin ihre notwendigen
außergerichtlichen Auslagen im Beschwerdeverfahren zu erstat-
ten.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 50.000 €
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Gründe:
I.
Mit Verfügung vom 3. Januar 2005 eröffnete die Antragsgegnerin dem
Antragsteller, dass sie beabsichtige, ihn seines Amtes zu entheben, weil er in
Vermögensverfall geraten sei und seine wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die
Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährdeten
(§ 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8 BNotO). Der dagegen gerichtete Antrag auf gerichtli-
che Entscheidung hatte keinen Erfolg. Die form- und fristgerecht beim Oberlan-
desgericht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers wies der be-
schließende Senat durch Beschluss vom 28. November 2005 zurück (NotZ
38/05).
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Mit Verfügung vom 27. Januar 2006 enthob die Antragsgegnerin den An-
tragsteller unter Bezugnahme auf die im Vorschaltverfahren ergangenen ge-
richtlichen Entscheidungen endgültig seines Amtes. Den dagegen gerichteten
Antrag auf gerichtliche Entscheidung wies das Oberlandesgericht durch Be-
schluss vom 20. April 2006 zurück.
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Gegen diesen, ihm am 4. Mai 2006 zugestellten Beschluss hat der An-
tragsteller mit am selben Tag eingegangenem Telefaxschreiben vom 18. Mai
2006 beim Bundesgerichtshof Beschwerde eingelegt und zugleich beantragt, im
Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 24 Abs. 3 FGG die Vollziehung der
endgültigen Amtsenthebung bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszuset-
zen.
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Auf Hinweis des Vorsitzenden des beschließenden Senats vom 31. Mai
2006, dass die Beschwerde beim Oberlandesgericht hätte eingelegt werden
müssen, hat der Antragsteller mit Telefaxschreiben vom 15. Juni 2006 beim
Oberlandesgericht erneut Beschwerde eingelegt und zugleich Antrag auf Wie-
dereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einle-
gung der Beschwerde gestellt.
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II.
1.
Der Antragsteller hat die Frist zur Einreichung der sofortigen Beschwerde
versäumt. Die angefochtene Entscheidung des Senats für Notarsachen beim
Oberlandesgericht ist dem Antragsteller am Donnerstag, dem 4. Mai 2006, zu-
gestellt worden. Die Frist von zwei Wochen, binnen deren die sofortige Be-
schwerde schriftlich beim Oberlandesgericht (§ 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO i.V.m.
§ 42 Abs. 4 Satz 1 BRAO) einzulegen war, ist somit am Donnerstag, dem
18. Mai 2006, abgelaufen. Die an diesem Tage beim Bundesgerichtshof einge-
legte Beschwerde reichte zur Fristwahrung nicht aus (st. Senatsrspr., vgl. nur
Beschlüsse vom 14. August 1989 - NotZ 13/88 - DNotZ 1990, 517 f und vom
29. November 1999 - NotZ 10/99 - NJW 2000, 737).
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2.
Das Wiedereinsetzungsgesuch vom 15. Juni 2006 ist unbegründet, weil
das Vorbringen des Antragstellers nicht ausreicht, ein eigenes Verschulden an
der Versäumung der Beschwerdefrist auszuräumen (§ 233 ZPO i.V.m. § 111
Abs. 4 Satz 2 BNotO, § 42 Abs. 6 BRAO, § 22 Abs. 2 FGG).
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Ungeachtet dessen, dass ein Notar sich ohnehin nicht auf Unkenntnis
der für ihn maßgebenden Gesetze und Dienstvorschriften berufen kann (vgl.
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Senatsbeschluss vom 29. März 1993 - NotZ 14/92 - BGHR BNotO § 111 Abs. 4
Satz 2 - Wiedereinsetzung 2), war dem Antragsteller, wie der Verfahrensablauf
des Vorschaltverfahrens zeigt, an sich durchaus bekannt, dass die Beschwerde
gegen Entscheidungen des Notarsenats des Oberlandesgerichts bei diesem
Gericht einzulegen ist.
Den Wiedereinsetzungsantrag hat der Antragsteller damit begründet,
dass er durch die berufsrechtlichen Verfahren, die Eröffnung des Insolvenzver-
fahrens und den Fortgang des Verkaufs seines Hausgrundstücks und der dar-
aus folgenden Umzugsplanung der Familie "am 18.05.2006 schlicht gesagt
überfordert gewesen" sei und die Beschwerde sowie den Eilantrag beim Bun-
desgerichtshof eingereicht habe, dessen Entscheidung er herbeiführen wollte.
Dieses Vorbringen entschuldigt den Antragsteller nicht. Es liegt auf der Hand,
dass ein Amtsenthebungsverfahren, insbesondere ein solches nach § 50 Abs. 1
Nr. 6 und 8 BNotO, für den Betroffenen eine Belastung im beruflichen und viel-
fach auch im privaten Bereich darstellt, da er regelmäßig neben der Fortführung
seiner beruflichen Tätigkeiten damit befasst ist, etwa durch Verhandlungen mit
Kaufinteressenten über die Veräußerung verwertbarer Vermögensgegenstände
(insbesondere Immobilien) oder mit Gläubigern wie Banken und Behörden (Fi-
nanzamt) über einen Zahlungsaufschub, eine Konsolidierung seiner wirtschaftli-
chen Verhältnisse herbeizuführen. Diese Belastung stellt jedoch, wie jede sons-
tige berufliche Überbeanspruchung auch, im Regelfall keinen Entschuldigungs-
grund im Sinne des § 233 ZPO dar (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November
1995 -
V
ZB 20/95
- NJW 1996, 997, 998; s. auch Sternal, in Kei-
del/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 22 Rn. 59), insbesondere ist sie nicht, wie
der Antragsteller meint, "wie eine eigene Erkrankung" zu bewerten. Im Übrigen
zeigt der Inhalt der Beschwerdeschrift, dass der Antragsteller trotz der von ihm
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geltend gemachten Belastungssituation durchaus in der Lage war und ist, seine
Interessen sachgerecht wahrzunehmen.
III.
Die demnach unzulässige Beschwerde kann der Senat ohne mündliche
Verhandlung verwerfen (BGHZ 44, 25). Mit dieser Entscheidung in der Haupt-
sache wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 22
Abs. 3 FGG gegenstandslos.
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Schlick
Streck
Kessal-Wulf
Doyé
Ebner
Vorinstanz:
OLG Celle, Entscheidung vom 20.04.2006 - Not 7/06 -