Urteil des BGH vom 18.04.2005

BGH (höhe, einlage, gesellschaftsvertrag, auszahlung, sache, rückzahlung, verhandlung, aufhebung, inkrafttreten, gesellschaft)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 377/03
Verkündet am:
25. Juli 2005
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 18. April 2005 durch die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly,
Kraemer, Prof. Dr. Gehrlein und Dr. Strohn
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird unter Zurückweisung des wei-
tergehenden Rechtsmittels das Urteil des 3. Zivilsenats des Ober-
landesgerichts Braunschweig vom 19. November 2003 im Kosten-
punkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von
6.895,02 € nebst Zinsen abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die beklagte Aktiengesellschaft beschäftigt sich u.a. mit dem Erwerb, der
Verwaltung und der Verwertung von Immobilien und anderen Anlageobjekten.
Die Klägerin beteiligte sich mit Erklärung vom 29. Dezember 1998 als stille Ge-
sellschafterin an dem Unternehmenssegment VII der Beklagten. Ihre Einlage
hatte sie in Höhe von 10.500,00 DM sofort und in Höhe weiterer 63.000,00 DM
in monatlichen Raten zu je 210,00 DM über 25 Jahre zu zahlen. Am Ende der
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Laufzeit sollte das Auseinandersetzungsguthaben über einen Zeitraum von 15
Jahren in monatlichen Raten ausgezahlt werden.
Im Oktober 1999 untersagte das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwe-
sen der Beklagten, die Auseinandersetzungsguthaben ihrer stillen Gesellschaf-
ter in Raten auszuzahlen, weil das nach der Auffassung des Amtes gegen § 32
Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG verstößt. In dem daraufhin geführ-
ten verwaltungsgerichtlichen Prozeß verpflichtete sich die Beklagte vergleichs-
weise, die Auseinandersetzungsguthaben in jeweils einer Summe auszuzahlen.
Mit Schreiben vom 11. Januar 2002 kündigte die Klägerin den Gesell-
schaftsvertrag wegen des Wegfalls der ratierlichen Auszahlung des Auseinan-
dersetzungsguthabens und verlangte von der Beklagten die Rückzahlung ihrer
geleisteten Einlage in Höhe von 7.569,67 €.
Mit der Klage verlangt sie die Verurteilung der Beklagten zur Rückzah-
lung dieses Betrages, hilfsweise zur Erteilung einer Auskunft über die Höhe des
Auseinandersetzungsguthabens zum 31. Dezember 2000 und Zahlung des sich
daraus ergebenden Betrages. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos
geblieben. Dagegen richtet sich die von dem Berufungsgericht zugelassene
Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist überwiegend begründet und führt zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungs-
gericht, soweit die Klage in Höhe von 6.895,02 € nebst Zinsen abgewiesen wor-
den ist.
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I. Das Berufungsgericht hat gemeint, nach den Grundsätzen der fehler-
haften Gesellschaft könne die Klägerin selbst dann nicht die Rückzahlung ihrer
Einlage verlangen, wenn die in dem Gesellschaftsvertrag vereinbarte ratierliche
Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens tatsächlich gegen § 32 KWG
verstoße, und dieser Umstand sei auch kein Grund für eine Kündigung des Ge-
sellschaftsvertrages, weil es der Klägerin zumutbar sei, das Auseinanderset-
zungsguthaben statt in Raten in einer Summe ausgezahlt zu bekommen.
II. Dem kann nicht gefolgt werden. Wie der Senat bereits in seinem Urteil
vom 21. März 2005 (II ZR 149/03, ZIP 2005, 763) im einzelnen ausgeführt hat,
besteht unabhängig von den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft ein
Schadensersatzanspruch des stillen Gesellschafters gegen die Beklagte aus
Verschulden bei Vertragsschluß, wenn der Gesellschaftsvertrag nach Inkrafttre-
ten der 6. KWG-Novelle am 1. Januar 1998 geschlossen worden ist und die
Beklagte den Anleger nicht darauf hingewiesen hat, daß die bankrechtliche Zu-
lässigkeit einer ratenweisen Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens
aufgrund der Änderung des Kreditwesengesetzes durch die 6. KWG-Novelle
zweifelhaft geworden ist.
Diese Voraussetzungen sind nach dem bisherigen Vorbringen der Par-
teien erfüllt. Der Gesellschaftsvertrag ist aufgrund der Erklärung der Klägerin
vom 29. Dezember 1998 geschlossen worden, also nach dem Inkrafttreten der
6. KWG-Novelle. Daß die Beklagte die Klägerin über die rechtlichen Risiken der
Ratenzahlungsvereinbarung aufgeklärt hätte, was nach dem Vortrag der Partei-
en fernliegend erscheint, ist von dem Berufungsgericht - von seinem Stand-
punkt aus folgerichtig - nicht geprüft worden.
Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Aufklärung, ist die Beklagte ver-
pflichtet, die Klägerin im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, wie sie
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stehen würde, wenn sie den Vertrag nicht geschlossen hätte. Sie hätte dann
keine Einlage an die Beklagte gezahlt. Die Einlage ist daher ggf. an sie zurück-
zuzahlen. Daß der Klägerin trotz der Rückabwicklung Steuervorteile verbleiben
könnten, die im Wege des Vorteilsausgleichs auf den Schadensersatzanspruch
anzurechnen wären, ist von der Beklagten nicht geltend gemacht worden und
auch sonst nicht ersichtlich.
Die Klägerin hat auf die Einlage insgesamt 14.805,00 DM = 7.569,68 €
gezahlt. Sie muß sich allerdings ihre Entnahmen anrechnen lassen, da sie im
Ergebnis nicht besser stehen darf, als sie ohne den Vertragsschluß stehen
würde. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten hat die Klä-
gerin Entnahmen in Höhe von 674,66 € erhalten. Damit beläuft sich ihr ersatz-
fähiger Schaden auf 6.895,02 €.
III. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die
noch erforderlichen Feststellungen - ggf. nach ergänzendem Vortrag der Par-
teien - getroffen werden können.
Goette Kurzwelly Kraemer
Gehrlein Strohn