Urteil des BGH vom 13.03.2017

Finanz-Sanierung Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
I ZR 166/06
Verkündet am:
29. Juli 2009
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Finanz-Sanierung
RDG §§ 3, 5
Eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, die ohne entsprechende Er-
laubnis erbracht wird, ist auch unter der Geltung des Rechtsdienstleistungsge-
setzes nicht deswegen gerechtfertigt, weil sich der Handelnde dabei der Hilfe
eines Rechtsanwalts bedient.
BGH, Versäumnisurteil vom 29. Juli 2009 - I ZR 166/06 - OLG Brandenburg
LG
Frankfurt
(Oder)
- 2 -
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 28. Mai 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Koch und Gröning
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des
Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 8. August 2006 auf-
gehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer
des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 17. Oktober 2005 wird zu-
rückgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers wird das genannte Urteil des Landge-
richts Frankfurt (Oder) abgeändert:
Die Beklagte wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft
bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, weiterhin
verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbe-
werbs
1. wie folgt zu werben bzw. werben zu lassen:
„… Erfolgreich vermittelt unsere renommierte Gesellschaft Lösungen für Ihre
finanziellen Probleme … dass Ihnen die Finanzsanierung ab sofort zur Verfü-
gung steht … Finanzsanierungsvertrag“,
ohne darauf hinzuweisen, dass die Verbraucher an ein Unternehmen vermit-
telt werden, das nicht zur Rechtsberatung zugelassen ist und für die notwen-
digen rechtsberatenden und -besorgenden Tätigkeiten im Zusammenhang mit
den Entschuldungsbemühungen noch ein Rechtsanwalt zu beauftragen ist;
und/oder
2. Verbrauchern in Deutschland die Vermittlung einer Finanzsanierung gegen-
über Gläubigern in Deutschland wie nachstehend im Klageantrag zu 3 wie-
dergegeben anzubieten bzw. anbieten zu lassen, ohne darauf hinzuweisen,
dass an ein Unternehmen vermittelt wird, das nicht zur Rechtsberatung zuge-
lassen ist und für die notwendigen rechtsberatenden und -besorgenden Tätig-
keiten im Zusammenhang mit den Entschuldungsbemühungen noch ein
Rechtsanwalt zu beauftragen ist.
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Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Ver-
braucherverbände. Er nimmt die Beklagte, eine in Kufstein ansässige österrei-
chische Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die in Deutschland weder zur
Rechtsberatung zugelassen noch eine geeignete Stelle i.S. des § 305 InsO ist,
wegen irreführender Werbung und Verstoßes gegen das Rechtsberatungsge-
setz auf Unterlassung in Anspruch.
In einem von der Beklagten unter dem 20. Juli 2004 versandten Schrei-
ben an eine Verbraucherin im Bundesland Brandenburg war unter der Über-
schrift „Genehmigung in Höhe von 5.000,00 €“ Folgendes ausgeführt:
2
Sehr geehrte Frau …
sehr erfolgreich vermittelt unsere renommierte Gesellschaft Lösungen
für Ihre finanziellen Probleme und wir möchten Ihnen unsere Dienste
anbieten.
Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass Ihnen die Finanzsanie-
rung ab sofort zur Verfügung steht. Wir möchten Ihnen, lieber Kunde,
hiermit eine verbindliche Zusage für Ihren genehmigten Finanzsanie-
rungsvertrag wie folgt erteilen:
Vertragsvolumen: 5.000,00
monatliche Rate:
121,52 €
ca. Laufzeit:
48 Mon.
- 4 -
Dem Schreiben lag das nachstehend im Klageantrag zu 3 wiedergege-
bene Vertragsformular „VERMITTLERVERTRAG“ bei.
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Die Beklagte verweist die Verbraucher, die mit ihr einen entsprechenden
„Vermittlervertrag“ schließen, an die auch in K. ansässige C.
Schuldnerhilfe GmbH (im Weiteren: C. GmbH), die ebenfalls keine Erlaubnis
nach dem deutschen Rechtsberatungsgesetz besitzt. Diese bietet den Verbrau-
chern den Abschluss eines als „Dienstleistungsvertrag und Entgeltliche Bevoll-
mächtigung zur Schuldnerhilfe“ bezeichneten Vertrags gemäß dem nachste-
hend im Klageantrag zu 3 wiedergegebenen Formular an. Nach § 1 Nr. 3 die-
ses Vertrags ist die C. GmbH dem jeweiligen Auftraggeber „bei der Bewälti-
gung verschiedenster verwaltungstechnischer Aufgaben und Probleme im Zu-
sammenhang mit dessen Verschuldung behilflich“; insbesondere erfasst sie die
Schulden und Gläubiger, sichtet das Vermögen des Schuldners, erteilt Rat-
schläge zur Ausgabenreduzierung, berät den Schuldner bei der Schuldenrück-
führung, nimmt Sanierungsraten des Schuldners in Empfang und leitet diese
anteilig an die Gläubiger weiter. Des Weiteren umfasst ihre Tätigkeit danach
auch die „Empfehlung eines in Schuldenangelegenheiten versierten Rechtsan-
walts“, der die aufbereiteten Unterlagen und Daten des Auftraggebers erhält,
zusammen mit diesem und der C. GmbH ein Sanierungskonzept entwirft
und mit den Gläubigern möglichst günstige Stundungs-, Ratenzahlungs- und
Teilverzichtsvereinbarungen auszuhandeln versucht. Die C. GmbH selbst
erbringt gemäß § 1 Nr. 4 des Dienstleistungsvertrags keine rechtsbesorgenden
Tätigkeiten. Nach § 5 Nr. 4 des Vertrags trägt sie, wenn der Auftraggeber einen
von ihr empfohlenen Anwalt bevollmächtigt, dessen Kosten; bei einem vom Auf-
traggeber selbst gewählten Rechtsanwalt leistet sie lediglich einen pauschalen
Honorarzuschuss in Höhe von 50 € netto.
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Nach Ansicht des Klägers erweckt die Beklagte beim verschuldeten
Verbraucher den unzutreffenden Eindruck, dass sie für ihn ein Konzept zu sei-
ner wirtschaftlichen Sanierung anbiete und durchführe, obwohl sie ihn tatsäch-
lich nur weitervermittle. Auch die C. GmbH sei nicht zur Rechtsberatung
zugelassen und könne daher keine Schuldenregulierung betreiben. Zwischen
der Leistung der Beklagten und der Gegenleistung des Auftraggebers, der an
die Beklagte, die C. GmbH und den Rechtsanwalt Zahlungen leisten müs-
se, bestehe daher ein krasses Missverhältnis. Die C. GmbH verstoße ge-
gen das Rechtsberatungsgesetz, weil sie den Rechtsanwalt, der seinen Auftrag
und seine Informationen von ihr erhalte, vermittle.
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Der Kläger hat zuletzt beantragt,
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es der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel
zu untersagen,
1. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wie folgt zu
werben bzw. werben zu lassen:
„… Erfolgreich vermittelt unsere renommierte Gesellschaft Lösungen
für Ihre finanziellen Probleme … dass Ihnen die Finanzsanierung ab
sofort zur Verfügung steht … Finanzsanierungsvertrag“,
ohne darauf hinzuweisen, dass die Verbraucher an ein Unternehmen
vermittelt werden, das nicht zur Rechtsberatung zugelassen ist und
für die notwendigen rechtsberatenden und -besorgenden Tätigkeiten
im Zusammenhang mit den Entschuldungsbemühungen noch ein
Rechtsanwalt zu beauftragen ist;
und/oder
2. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Verbrau-
chern in Deutschland die Vermittlung einer Finanzsanierung gegen-
über Gläubigern in Deutschland wie nachfolgend abgebildet anzubie-
ten bzw. anbieten zu lassen, ohne darauf hinzuweisen, dass an ein
Unternehmen vermittelt wird, das nicht zur Rechtsberatung zugelas-
sen ist und für die notwendigen rechtsberatenden und -besorgenden
Tätigkeiten im Zusammenhang mit den Entschuldungsbemühungen
noch ein Rechtsanwalt zu beauftragen ist:
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- 7 -
und/oder
3. Verbrauchern in Deutschland die Vermittlung von Finanzsanierungen
gegenüber Gläubigern in Deutschland anzubieten, wenn der Finanz-
sanierungsfirma keine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz
erteilt wurde, insbesondere die Vermittlung sogenannter Dienstleis-
tungsverträge und entgeltliche Bevollmächtigung zur Schuldnerhilfe
wie nachfolgend abgebildet anzubieten, wenn es darin heißt, dass
der Verbraucher bei Beauftragung eines vom Finanzsanierer emp-
fohlenen Rechtsanwalts keine zusätzlichen Rechtsanwaltskosten zu
tragen hat, aber bei einer Beauftragung eines nicht empfohlenen
Rechtsanwalts nur ein Zuschuss in Höhe von 50 € gewährt wird:
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Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, die Klageanträge sei-
en nicht hinreichend bestimmt; zumindest aber reichten sie zu weit. Die Wer-
bung lasse zweifelsfrei erkennen, dass die Beklagte als Maklerin und Vermittle-
rin auftrete. Die C. GmbH gewähre ihren Kunden umfassende Hilfestellung
bei der Bewältigung ihrer wirtschaftlichen Probleme. Die eigentliche Schulden-
regulierung erfolge durch den vom Kunden selbst beauftragten Rechtsanwalt.
Das deutsche Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und das deutsche
Rechtsberatungsgesetz seien auf die Beklagte und die C. GmbH nicht an-
wendbar.
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Das Landgericht hat dem Klageantrag zu 3 stattgegeben und die Klage
im Übrigen abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers ist oh-
ne Erfolg geblieben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht
die Klage auch mit dem Klageantrag zu 3 abgewiesen (OLG Brandenburg, Urt.
v. 8.8.2006 – 6 U 122/05, juris).
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Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Klä-
ger seine Klageanträge weiter. Die Beklagte war in der Revisionsverhandlung
trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten. Der Kläger beantragt, über die
Revision durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
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Entscheidungsgründe:
I. Über die Revision ist, da die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung
in der Revisionsverhandlung nicht vertreten war, auf Antrag des Klägers durch
Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil ist jedoch keine Folge der Säum-
nis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81).
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- 11 -
II. Das Berufungsgericht hat in dem beanstandeten Verhalten weder eine
irreführende Werbung noch einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz
gesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
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Die Berufung des Klägers habe keinen Erfolg, weil weder das Schreiben
vom 20. Juli 2004 noch der von der Beklagten verwendete Vermittlungsvertrag
beim durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Angehöri-
gen der angesprochenen Zielgruppe der verschuldeten Verbraucher den unzu-
treffenden Eindruck erweckten, dass die Beklagte selbst ein Konzept zur Schul-
den-/Finanzsanierung anbiete und durchführe. Zwar lasse die Formulierung, die
Beklagte erteile eine „verbindliche Zusage“ für einen „Finanzsanierungsvertrag“,
darauf schließen, diese biete selbst eine Lösung der finanziellen Probleme der
verschuldeten Verbraucher an. Die Wendung, die Beklagte „vermittle“ Lösun-
gen und der Finanzsanierungsvertrag sei „genehmigt“, weise aber darauf hin,
dass die Beklagte noch ein weiteres Unternehmen beteilige. Die Zusammen-
schau von Anschreiben und Vermittlervertrag mache dem Verbraucher deutlich,
dass die Beklagte lediglich die Sanierung seiner Finanzen vermittle.
Die Werbung der Beklagten sei auch nicht deshalb irreführend, weil der
Verbraucher erwarte, an ein Unternehmen vermittelt zu werden, das die erwar-
tete Hilfe erbringen könne, die C. GmbH hierzu aber mangels Zulassung
zur Rechtsberatung nicht in der Lage sei und ihn daher an einen Rechtsanwalt
weitervermittle, der ebenfalls bezahlt werden müsse. Die durch die Werbung
der Beklagten begründete Erwartung, nach der erfolgten Vermittlung nur noch
eine Zahlung an das Finanzsanierungsunternehmen erfolgen müsse, werde
erfüllt. Der Verbraucher müsse zwar, da die gewerbliche Schuldenregulierung
dem Rechtsberatungsgesetz unterfalle, neben dem Finanzsanierer auch noch
einen Rechtsanwalt beauftragen, müsse aber bei Beauftragung des von der
C. GmbH empfohlenen Anwalts keine weiteren Kosten tragen. Er werde
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auch nicht darüber getäuscht, dass er die Kosten eines selbst gewählten An-
walts im Wesentlichen tragen müsse.
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Die Verurteilung der Beklagten nach dem Klageantrag zu 3 sei schon
deshalb zu Unrecht erfolgt, weil der Kläger gar nicht geltend gemacht habe,
dass aufgrund der Verträge der unrichtige Eindruck erweckt werde, die C.
GmbH übernehme sämtliche mit der Schuldnerhilfe verbundenen Aufgaben.
Das Landgericht habe zudem nicht berücksichtigt, dass die C. GmbH ge-
mäß § 1 ihres Dienstleistungsvertrags lediglich die aufbereiteten Unterlagen an
einen Rechtsanwalt weitergebe, der dann Kontakt mit den Gläubigern aufneh-
me.
Der Klageantrag zu 3 habe aber auch mit der vom Kläger vorgetragenen
Begründung keinen Erfolg. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die
C. GmbH fremde Rechtsangelegenheiten besorge. Der Teil der Schuldner-
hilfe, den sie gemäß § 1 ihres Dienstleistungsvertrags selbst leiste, stelle eine
Besorgung wirtschaftlicher Belange dar, die im Wesentlichen der Ermittlung des
Sachverhalts diene und die Grundlage für eine Bewertung der wirtschaftlichen
Lage des Verbrauchers liefere. Ebensowenig handele es sich bei der Vermitt-
lung eines spezialisierten Rechtsanwalts und dessen Bezahlung um eine nach
dem Rechtsberatungsgesetz erlaubnispflichtige Tätigkeit.
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III. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht
stand. Das Berufungsgericht hat zwar mit Recht angenommen, dass die Klage-
anträge nicht unbestimmt sind, weil sie allein auf das Verbot der konkreten Ver-
haltensweisen der Beklagten gerichtet sind, der Kläger die erhobenen Unterlas-
sungsansprüche gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG i.V. mit § 4 UKlaG geltend ma-
chen kann und auf die beanstandete Verhaltensweise der Beklagten deutsches
Wettbewerbsrecht anzuwenden ist (vgl. BGH, Urt. v. 5.10.2006 – I ZR 7/04,
GRUR 2007, 245 Tz. 11 = WRP 2007, 174 – Schulden Hulp). Zu Recht ist es
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auch davon ausgegangen, dass das beanstandete Verhalten der Beklagten
ungeachtet dessen, dass diese von Österreich aus tätig wird, dem Anwen-
dungsbereich des Rechtsberatungsgesetzes unterfällt (vgl. BGH GRUR 2007,
245 Tz. 18 ff. – Schulden Hulp). Nicht zugestimmt werden kann aber der Auf-
fassung des Berufungsgerichts, die von der Beklagten zusammen mit ihrer ei-
genen (Vermittlungs-)Leistung angebotenen Dienstleistungen der C. GmbH
stellten keine nach dem Rechtsberatungsgesetz bzw. – nach der Neuregelung
des Rechtsdienstleistungsrechts – nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz er-
laubnispflichtige und daher, wenn sie ohne die erforderliche Erlaubnis erbracht
wird, rechts- und wettbewerbswidrige Tätigkeit dar (dazu unten unter III 1). Die
Klageanträge zu 1 und 2 erweisen sich unter dem Gesichtspunkt einer irrefüh-
renden Werbung als begründet (dazu unten unter III 2).
1. Der Klageantrag zu 3 ist gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG
2004 i.V. mit Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG, § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 und
2, § 4 Nr. 11 UWG 2008 i.V. mit § 3 RDG begründet.
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a) Der Kläger hat sein Unterlassungsbegehren auf Wiederholungsgefahr
nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG gestützt und dazu eine von der Beklagten am
20. Juli 2004, also nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gegen den unlauteren
Wettbewerb vom 3. Juli 2004 (BGBl. I S. 1414; im Folgenden: UWG 2004) am
8. Juli 2004 begangene Zuwiderhandlung vorgetragen. Das UWG 2004 ist nach
der Verkündung des Berufungsurteils durch das Erste Gesetz zur Änderung des
Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I
S. 2949), in Kraft getreten am 30. Dezember 2008 (im Folgenden: UWG 2008),
geändert worden. Auf das in die Zukunft gerichtete Unterlassungsbegehren des
Klägers sind die Bestimmungen des UWG 2008 anzuwenden. Der Unterlas-
sungsanspruch besteht aber nur, wenn das beanstandete Verhalten auch
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schon zur Zeit der Begehung am 20. Juli 2004, also nach der Beurteilung auf
der Grundlage des UWG 2004 wettbewerbswidrig war.
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b) Das Vermitteln der von der C. GmbH angebotenen Dienste erfüllt
sowohl die Voraussetzungen einer Wettbewerbshandlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1
UWG 2004 als auch diejenigen einer geschäftlichen Handlung nach § 2 Abs. 1
Nr. 1 UWG 2008.
c) Die Bestimmung des Art. 1 § 1 RBerG zählt zu den Vorschriften, die
dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Ver-
braucher, das Marktverhalten zu regeln (BGH GRUR 2007, 245 Tz. 15 – Schul-
den Hulp; BGH, Urt. v. 3.5.2007 – I ZR 19/05, GRUR 2007, 978 Tz. 19 = WRP
2007, 1334 – Rechtsberatung durch Haftpflichtversicherer, jeweils m.w.N.).
Dasselbe gilt für die am 1. Juli 2008 in Kraft getretene Bestimmung des § 3
RDG. Diese stellt klar, dass Rechtsdienstleistungen angesichts des fortbeste-
henden Verbotscharakters des neuen Gesetzes, das gemäß seinem § 1 Abs. 1
Satz 2 dazu dient, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsord-
nung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen, nur aufgrund ge-
setzlicher Erlaubnis erbracht werden dürfen und im Übrigen verboten sind (vgl.
Römermann in Grunewald/Römermann, RDG, § 3 Rdn. 1 und 10 f.; Kleine-
Cosack, RDG, 2. Aufl., Allg. Teil Rdn. 147; Franz, Das neue Rechtsdienstleis-
tungsgesetz, S. 29 f.).
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Der Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG steht nicht entgegen, dass nach Ar-
tikel 4 der mit der UWG-Novelle 2008 in das deutsche Recht umgesetzten
Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken diejenigen Vorschrif-
ten der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken vollständig harmoni-
siert werden sollen, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beein-
trächtigen. Denn nach Art. 3 Abs. 8 der Richtlinie 2005/29/EG bleiben alle spe-
zifischen Regeln für reglementierte Berufe unberührt, damit die strengen Integri-
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tätsstandards gewährleistet bleiben, die die Mitgliedstaaten den in dem Beruf
tätigen Personen nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts auferlegen können.
Dementsprechend ist die Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG auf berufsrechtliche
Bestimmungen, die – wie die Regelung des § 3 RDG – das Marktverhalten in
gemeinschaftsrechtskonformer Weise regeln, auch nach dem UWG 2008 zu-
lässig (vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27.
Aufl., §
4
Rdn. 11.6a).
d) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verstößt das von der
C. GmbH mit ihrem Dienstleistungsvertrag angebotene und von der Be-
klagten vermittelte Geschäftsmodell gegen das in Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1
RBerG, § 3 RDG geregelte Verbot der Erbringung von Rechtsdienstleistungen
ohne entsprechende Erlaubnis.
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aa) Der Senat hat bereits in der Entscheidung „Schuldenregulierung“
ausgesprochen, dass eine ohne entsprechende Erlaubnis vorgenommene Be-
sorgung fremder Rechtsangelegenheiten nicht dadurch gerechtfertigt wird, dass
der Handelnde sich dabei der Hilfe eines Rechtsberaters bedient (BGH, Urt. v.
24.6.1987 – I ZR 74/85, GRUR 1987, 714, 715 = WRP 1987, 726). Denn auch
dann, wenn er sich insofern eines Rechtsanwalts bedient, verpflichtet er sich
gegenüber dem Vertragspartner, die Rechtsbesorgung zu übernehmen. Entge-
gen der Annahme des Berufungsgerichts ist diese Entscheidung des Senats
nicht vereinzelt geblieben (vgl. etwa BGH, Urt. v. 16.3.1989 – I ZR 30/87,
GRUR 1989, 437, 440 = WRP 1989, 508 – Erbensucher), sondern auch von
anderen Senaten des Bundesgerichtshofs übernommen worden (BGH, Urt. v.
18.5.1995 – III ZR 109/94, NJW 1995, 3122, 3123; Urt. v. 8.10.2004 –
V ZR 18/04, NJW 2005, 820, 823; Urt. v. 22.2.2005 – XI ZR 41/04, NJW 2005,
1488; Urt. v. 10.10.2006 – XI ZR 265/05, NJW 2007, 1131 Tz. 14; BGHZ 167,
223 Tz. 12; BGH, Urt. v. 3.7.2008 – III ZR 260/07, NJW 2008, 3069 Tz. 19; zur
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steuerlichen Beratung BGHZ 98, 330, 335 – Unternehmensberatungsgesell-
schaft I; 132, 229, 232).
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Der Senat sieht auch unter der Geltung des Rechtsdienstleistungsgeset-
zes keinen Anlass, von dieser Auffassung abzurücken. Sie stellt im Interesse
der rechtsuchenden Bürger sicher, dass die gesetzliche Regelung nicht um-
gangen wird und nur Rechtsberater tätig werden, die selbst die erforderliche
persönliche und sachliche Zuverlässigkeit besitzen, und gewährleistet, dass im
Falle einer fehlerhaften Beratung Schadensersatzansprüche erfolgreich geltend
gemacht werden können (vgl. BGH NJW 2008, 3069 Tz. 20). Außerdem hat der
Rechtsberater, der vom ohne Erlaubnis handelnden Geschäftsbesorger zuge-
zogen wird, nach seinen vertraglichen Verpflichtungen in erster Linie die Inte-
ressen seines Auftraggebers und nicht die des zu beratenden Rechtsuchenden
wahrzunehmen, so dass die Gefahr von Interessenkollisionen besteht, die die
Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit des hinzugezogenen Rechtsbera-
ters gefährden können (BGH NJW 2008, 3069 Tz. 20). Die Bundesregierung
hat zwar im Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsge-
setzes vorgeschlagen, dem Dienstleistenden zu gestatten, die Rechtsdienstleis-
tung als Teil seines eigenen Leistungsangebots zu erbringen, solange er inso-
fern einen Anwalt hinzuzieht, der die Rechtsdienstleistung eigenverantwortlich
erbringt (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungs-
rechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 38, 56 f.; § 5 Abs. 3 RDG-E). Der Gesetzgeber
hat jedoch von der Einführung einer solchen Regelung Abstand genommen und
eine Tätigkeit des zugelassenen Rechtsberaters als Erfüllungsgehilfe eines
nichtanwaltlichen Unternehmens weiterhin nicht zugelassen. Danach besteht
das Erfordernis einer gesonderten Einschaltung eines zugelassenen Rechtsbe-
raters nach dem neuen Recht fort (so auch BGH NJW 2008, 3069 Tz. 20 mit
Hinweis auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses
zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-
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Drucks. 16/6634, S. 6, 51 f.). Der in diesem Sinne verstandene Erlaubnisvorbe-
halt ist auch durch ausreichende Belange des Gemeinwohls gedeckt und daher
in verfassungsrechtlicher Hinsicht unbedenklich (vgl. BGH NJW 2008, 3069
Tz. 22). Der der Berufsfreiheit Rechnung tragende Zweck der Regelung in Art. 1
§ 5 RBerG, § 5 RDG, Berufe, die ohne gleichzeitige Rechtsberatung nicht aus-
geübt werden können, nicht am Rechtsberatungsgesetz bzw. Rechtsdienstleis-
tungsgesetz scheitern zu lassen, bleibt von dem Erlaubnisvorbehalt unberührt
(vgl. BGH NJW 2008, 3069 Tz. 23).
bb) Der Streitfall unterscheidet sich insoweit auch maßgeblich von dem
Sachverhalt, der dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom
27. September 2002 (WRP 2002, 1423 = NJW 2002, 3531) zugrunde lag. Das
Bundesverfassungsgericht hatte dort über einen Fall zu entscheiden, in dem ein
Geschäftsbesorger, der sich auf die Durchsetzung von Rückübertragungsan-
sprüchen an in der ehemaligen DDR belegenen Grundstücken spezialisiert hat-
te, möglichen Anspruchsinhabern auf der Grundlage von zivilrechtlichen Verträ-
gen berufsmäßig die Ermittlung von Tatsachen anbot. Die Besonderheit jenes
Falles bestand darin, dass die Geschäftsbesorgung – wie auch im Rahmen der
Erbenermittlung (vgl. dazu BGH, Urt. v. 13.3.2003 – I ZR 143/00, GRUR 2003,
886, 888 = WRP 2003, 1103 – Erbenermittler) – zwingend eine Zusammenar-
beit zwischen dem Geschäftsbesorger, der allein vom maßgeblichen Lebens-
sachverhalt Kenntnis hatte, und dem von ihm zu beauftragenden Rechtsanwalt
erforderte. An einer solchen besonderen Sachverhaltsgestaltung fehlt es im
Streitfall.
25
cc) Nach diesen Grundsätzen verstößt die C. GmbH mit ihrem Ge-
schäftsmodell insoweit gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG und § 3 RDG, als
sie denjenigen ihrer Kunden, die – wie durch die Regelung der Kosten nahege-
legt – darauf verzichten, einen selbst gewählten Rechtsanwalt zu beauftragen,
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einen „in Schuldenangelegenheiten versierten Rechtsanwalt“ empfiehlt. Zwar
hat der Kunde den Anwalt gemäß § 5 Nr. 4 des Dienstleistungsvertrags auch in
solchen Fällen selbst zu beauftragen und zu bevollmächtigen. Diese formale
Bestimmung ändert aber nichts daran, dass dem Anwalt der Sache nach – wie
insbesondere die Regelung der Kostentragung zeigt – lediglich die Stellung ei-
nes Erfüllungsgehilfen der C. GmbH zukommt.
dd) Soweit die Beklagte der auf dieser Grundlage gesetzwidrig und in
wettbewerbsrechtlicher Hinsicht unlauter handelnden C. GmbH Kunden
vermittelt, unterstützt sie deren Verhalten. Dies löst ihre eigene wettbewerbs-
rechtliche Haftung gemäß § 830 Abs. 2 BGB i.V. mit § 27 StGB aus.
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e) Das nach allem verbotswidrige Verhalten der C. GmbH wie auch
der Beklagten stellt im Hinblick auf die von ihm ausgehenden Gefahren, wie sie
oben unter II 1 c dargestellt wurden, auch keinen Bagatellverstoß i.S. der § 3
UWG 2004, § 3 Abs. 1 und 2 UWG 2008 dar (vgl. BGH, Urt. v. 20.11.2003 –
I ZR 104/01, GRUR 2004, 253, 254 = WRP 2004, 487 – Rechtsberatung durch
Automobilclub [zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.]; Köhler in Hefermehl/Köhler/
Bornkamm aaO § 3 Rdn. 149).
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2. Im Hinblick auf die Ausführungen zu vorstehend III 1 erweisen sich
auch die Klageanträge zu 1 und 2 als gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit §§ 3, 5
UWG 2004 und 2008 begründet. Die von der Beklagten betriebene Werbung für
das von ihr vermittelte Finanz-Sanierungsmodell erweckt beim angesprochenen
Durchschnittsverbraucher den Eindruck, der vermittelte Sanierer sei berechtigt
und in der Lage, für seine Kunden umfassende Finanz-Sanierungen durchzu-
führen. Dieser Eindruck ist insofern unzutreffend, als der Sanierer nach den
Ausführungen zu vorstehend III 1 nicht berechtigt ist, bei Finanz-Sanierungen,
wenn nicht regelmäßig, so doch zumindest vielfach erforderliche rechtsberaten-
de und/oder rechtsbesorgende Tätigkeiten selbst zu erbringen oder immerhin
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durch von ihm in rechtmäßiger Weise beauftragte Dritte erbringen zu lassen.
Der im letzten Satz der Nummer 2 des von der Beklagten angebotenen Vermitt-
lervertrags enthaltene – pauschale – Hinweis darauf, dass „eine Rechtsbera-
tung durch den Auftragnehmer … ausgeschlossen“ sei, führt aus dieser Irrefüh-
rung schon deshalb nicht heraus, weil es sich nicht auf die Leistung des Finanz-
Sanierers, sondern allein auf die von der Beklagten selbst zu erbringende Leis-
tung bezieht.
Die gegebene Irreführung über die Befähigung der Person, die die von
der Beklagten vermittelte Dienstleistung ausführen soll, ist auch wettbewerbs-
rechtlich relevant; denn sie bezieht sich auf einen Gesichtspunkt, der für die
vom Werbeadressaten zu treffende Marktentscheidung von zentraler Bedeu-
tung und daher geeignet ist, ihn zu einer Entscheidung zu veranlassen, die er
ohne die Irreführung nicht getroffen hätte (vgl. BGH, Urt. v. 14.5.2009 –
I ZR 179/07 Tz. 29 – Die clevere Alternative; Bornkamm in Hefermehl/Köhler/
Bornkamm aaO § 5 Rdn. 2.179).
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IV. Nach allem ist der Klage unter Aufhebung des Berufungsurteils und
teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils stattzugeben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 und § 269
Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V. mit § 92 Abs. 2 ZPO analog.
32
- 20 -
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus
§ 708 Nr. 2 ZPO.
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Bornkamm
RiBGH Pokrant ist in
Schaffert
Urlaub
und
kann
da-
her
nicht
unterschreiben.
Bornkamm
Koch
Gröning
Vorinstanzen:
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 17.10.2005 - 12 O 585/04 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 08.08.2006 - 6 U 122/05 -