Urteil des BFH vom 02.04.2017

BFH (kläger, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, vermietung, aufwand, mutter, verpachtung, leistungsfähigkeit, betrag, interesse, wohnung)

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 15.1.2008, IX R 45/07
Abziehbarer Aufwand bei abgekürztem Vertragsweg
Leitsätze
Erhaltungsaufwendungen sind auch dann Werbungskosten des Steuerpflichtigen bei den Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung, wenn sie auf einem von einem Dritten im eigenen Namen, aber im Interesse des Steuerpflichtigen
abgeschlossenen Werkvertrag beruhen und der Dritte dem Steuerpflichtigen den Betrag zuwendet (Bestätigung des BFH-
Urteils vom 15. November 2005 IX R 25/03, BFHE 211, 318, BStBl II 2006, 623; gegen BMF-Schreiben vom 9. August 2006,
BStBl I 2006, 492) .
Tatbestand
1 I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hatte im Jahr 1995 von seinen Eltern im Rahmen der
vorweggenommenen Erbfolge eine Wohnung erworben, die er vermietete und um die sich seine ca. 50 km entfernt
wohnende Mutter kümmerte. Im Streitjahr (2002) starb die langjährige Mieterin. Die Wohnung musste vor ihrer erneuten
Vermietung renoviert werden. Zu diesem Zweck beauftragte die Mutter des Klägers nach Rücksprache mit ihm
Handwerker und bezahlte nach Durchführung der Erhaltungsarbeiten auch die nicht an den Kläger gerichteten
Rechnungen.
2 Die durch die Erhaltungsarbeiten entstandenen Aufwendungen in Höhe von 4 358,67 EUR zog der Kläger in seiner
Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2002) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung ab.
3 Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte es ab, die von der Mutter des Klägers an die
Handwerker gezahlten Beträge zu berücksichtigen.
4 Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) berücksichtigte die geltend gemachten
Erhaltungsaufwendungen als Werbungskosten. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 1674,
veröffentlichtem Urteil schloss es sich der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 15. November
2005 IX R 25/03 (BFHE 211, 318, BStBl II 2006, 623) an und sah die Gründe des Bundesministeriums der Finanzen
(BMF) im Schreiben vom 9. August 2006 (BStBl I 2006, 492, Nichtanwendungserlass) als nicht überzeugend an.
5 Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die es auf die Verletzung des § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
stützt. Die Vorentscheidung verstoße wie auch die Rechtsprechung des BFH zum abgekürzten Vertragsweg gegen den
Grundsatz der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit, weil danach nicht mehr die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, sondern des Dritten maßgebend sei.
6 Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7 Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
8
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat
zutreffend die Erhaltungsaufwendungen von 4 358,67 EUR als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung
und Verpachtung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG berücksichtigt.
9
1. Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der
Einnahmen, die bei der Einkunftsart abzuziehen sind, bei der sie erwachsen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG), und das heißt,
durch die sie veranlasst sind. Im Streitfall stehen die Erhaltungsaufwendungen, um die es hier geht, mit der vom
Kläger verwirklichten Einkunftsart Vermietung und Verpachtung in wirtschaftlichem Zusammenhang. Die
Aufwendungen bilden damit Werbungskosten, auch wenn nicht der Kläger, sondern dessen Mutter die Kosten
getragen hat, indem sie im Interesse des Klägers mit den Handwerkern Verträge abschloss und die auf sie oder den
Vater des Klägers lautenden Rechnungen bezahlte.
10 Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 211, 318, BStBl II 2006, 623, entschieden hat, hindert dies
die Abziehbarkeit der Aufwendungen als Werbungskosten nicht: Schließt ein Dritter --wie im Streitfall die Mutter des
Klägers-- im eigenen Namen einen Werkvertrag über Erhaltungsarbeiten am vermieteten Grundstück des
Steuerpflichtigen ab und leistet er die vereinbarte Vergütung, so kann der Steuerpflichtige diesen Aufwand auch dann
bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen, wenn der Dritte dem Steuerpflichtigen den Betrag
zuwendet.
11 An dieser Auffassung hält der Senat fest. Soweit die Revision in Übereinstimmung mit dem BMF (in BStBl I 2006, 492)
hierin einen Verstoß gegen die Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit sieht, kann der BFH dieser
Argumentation, die auch im Schrifttum vertreten wird (vgl. Seitz, Finanz-Rundschau 2006, 201, 207 ff.; Li, Der
Steuerberater 2007, 377 ff.), nicht folgen (wie der BFH z.B. auch FG Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2007 4 K
280/06, EFG 2007, 832 ff. --rechtskräftig-- mit zustimmender Anmerkung von Adamek, EFG 2007, 834 f.; Dötsch,
jurisPR-SteuerR 4/2006 Anm. 4; G. Söffing, Deutsche Steuer-Zeitung 2007, 147 f.).
12 In seinem Urteil in BFHE 211, 318, BStBl II 2006, 623 (unter II. 1. a, aa) ist der BFH explizit vom Prinzip der
persönlichen Leistungsfähigkeit ausgegangen und hat --weil für den Ausgabenabzug die Mittelherkunft unerheblich
ist-- die Aufwendungen im Falle des abgekürzten Vertragswegs dem Steuerpflichtigen ebenso zugerechnet wie im
Fall des abgekürzten Zahlungsweges. Unabhängig davon, ob im Einzelfall die Voraussetzungen des § 328 des
Bürgerlichen Gesetzbuches vorliegen, wendet der Dritte nach dem Zuwendungsgedanken dem Steuerpflichtigen Geld
zu, indem er den in dessen Interesse geleisteten Betrag nicht zurückfordert und so das Vermögen des
Steuerpflichtigen vermehrt. Der Steuerpflichtige bestreitet mit dem derart zugewandten Betrag eigenen Aufwand;
seine Leistungsfähigkeit ist dadurch gemindert (so auch Söffing, a.a.O.). Folgerichtig überträgt der Dritte keinen
Aufwand auf den Steuerpflichtigen, den dieser dann als Drittaufwand geltend macht. Der Aufwand des Dritten
aufgrund des mit dem Handwerker geschlossenen Werkvertrags liegt allein in seiner Zuwendung an den
Steuerpflichtigen und ist mithin durch das Valutaverhältnis begründet. Der Steuerpflichtige macht danach eigenen
Aufwand und keinen Drittaufwand (Aufwand des Dritten) geltend.
13 2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zutreffend die Einnahmen des Klägers aus Vermietung und Verpachtung um
den Erhaltungsaufwand von 4 358,67 EUR gemindert. Diese Kosten sind dem Kläger zuzurechnen, obschon seine
Mutter die Werkverträge über die Erhaltungsarbeiten an der vermieteten Wohnung im eigenen Namen abgeschlossen
hatte. Denn sie hatte die Beträge vom Kläger nicht zurückgefordert und ihm damit zugewandt.