Urteil des BFH vom 30.04.1964

BFH (bundesrepublik deutschland, gerichtshof der europäischen gemeinschaften, türkei, soziale sicherheit, deutschland, kläger, abkommen, rentner, republik, sohn)

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 19.9.2008, III B 113/07
Kein Kindergeld für das in der Türkei lebende Kind eines Rentners
Tatbestand
1 I. Der 1992 geborene Sohn des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) wurde im Mai 2005 von der Schule
abgemeldet und lebt seitdem in der Familie seines ältesten Bruders in der Türkei. Dort absolvierte er zunächst einen
Sprachkurs. Seit September 2005 besucht er in … eine private Ganztagsschule.
2 Der Beklagte und Beschwerdegegner (die Familienkasse) hob die Kindergeldfestsetzung ab Juni 2005 auf. Der
dagegen gerichtete Einspruch, zu dessen Begründung vorgetragen wurde, der Sohn sei lediglich wegen
pubertätsbedingter schulischer Probleme zum Schulbesuch in der Türkei geschickt worden und werde kurzfristig
wieder nach Deutschland zurückkehren, blieb ohne Erfolg.
3 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus, der Sohn könne mangels Wohnsitzes oder gewöhnlichen
Aufenthaltes in Deutschland nicht mehr als Kind berücksichtigt werden. Es, das FG, sei davon überzeugt, dass sich der
ausschließliche Wohnsitz des Sohnes seit Mai 2005 in der Türkei befinde und seine Aufenthalte in Deutschland
lediglich Besuchscharakter hätten. Ein Anspruch auf Gewährung von Kindergeld ergäbe sich auch nicht nach den
Bestimmungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über soziale
Sicherheit vom 30. April 1964 (BGBl II 1965, 1169) i.d.F. des Zusatzabkommens vom 2. November 1984 (BGBl II 1986,
1040). Dieses gelte nicht für den Kläger, der sich nicht in einem Beschäftigungsverhältnis befinde und auch keine
Leistungen wegen vorübergehender Arbeitsunfähigkeit oder aus der Arbeitslosenversicherung beziehe, sondern
Rentner sei.
4 Mit seiner auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--)
gestützten Nichtzulassungsbeschwerde trägt der Kläger vor, die Auffassung des FG, Rentner könnten sich auf das
Abkommen vom 30. April 1964 nicht berufen, sei unzutreffend. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften
(EuGH) habe zur Auslegung des Assoziationsratsbeschlusses EWG/Türkei (ARB I/80) wiederholt entschieden, dass
daraus abgeleitete Rechte nicht mit dem Renteneintritt endeten.
Entscheidungsgründe
5 II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).
6 Die Frage, ob Rentner sich auf das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei
vom 30. April 1964 berufen können, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist nicht klärungsbedürftig, da sie
offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat.
7 Die Verwaltung wendet die in Abkommen über soziale Sicherung enthaltenen Bestimmungen über Kindergeld auch auf
das als Steuervergütung gezahlte Kindergeld an (Dienstanweisung zur Durchführung des steuerlichen
Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes 63.6.2 Abs. 2; Helmke in
Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I. Kommentierung, § 63 EStG Rz 7.1, m.w.N.). Art. 33
Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei ist eingefügt worden, um
türkischen Arbeitnehmern einen Anspruch auf das deutsche Kindergeld für ihre in der Türkei lebenden Kinder zu
verschaffen (Helmke in Helmke/Bauer, a.a.O., Fach D, II. Kommentierung Abkommen, Abk. mit der Türkei Art. 33 Rz 4).
Der Wortlaut des Art. 33 Abs. 1 Satz 1 des Abkommens setzt dementsprechend voraus, dass die das Kindergeld
beanspruchende Person im Gebiet der einen Vertragspartei beschäftigt ist. Wer --wie der Kläger-- keine Berufstätigkeit
mehr ausübt, sondern eine Altersrente bezieht, ist zweifellos nicht mehr "beschäftigt" (vgl. Beschluss des
Bundesfinanzhofs vom 12. April 2000 VI B 142/99, BFH/NV 2000, 1193, betr. Bezug von Arbeitslosenhilfe). Rentner
gehören auch nicht zu der in Art. 33 Abs. 1 Satz 2 des Abkommens umschriebenen Personengruppe, die nach
Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses Geldleistungen der Krankenversicherung wegen vorübergehender
Arbeitsunfähigkeit oder Leistungen der Arbeitslosenversicherung oder Arbeitslosengeld erhält.
8 Der Vortrag des Klägers, die grundsätzliche Bedeutung der Sache ergebe sich aus der Rechtsprechung des EuGH zur
Auslegung des Assoziationsratsbeschlusses EWG/Türkei, genügt nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3
Satz 3 FGO.