Urteil des BFH vom 20.01.0030

BFH (gesellschafter, stillen, beschwerde, vorinstanz, geschäftsführung, einlage, unternehmen, risiko, gewinn, praxis)

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 27.7.2009, IV B 124/08
Atypisch stiller Gesellschafter - Mitunternehmerrisiko - vereinfachte Ermittlung des Abfindungsanspruchs durch Anwendung
eines Ergebnismultiplikator auf den Gewinn nur eines Jahres - Mitunternehmerinitiative - Geschäftsführungsbefugnis
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) --X-GmbH (GmbH)-- betreibt den Handel mit Gütern aller Art,
insbesondere mit Lebensmitteln. Am Kapital der GmbH war der Beigeladene (D.) mit 33,3 % beteiligt. Nachdem D. den
Anteil unentgeltlich seiner Ehefrau übertragen hatte, beteiligte er sich aufgrund des Gesellschaftsvertrages vom 27.
September 1997 (GV) als stiller Gesellschafter mit einer Einlage von 300 000 DM am Unternehmen der GmbH. Nach
dem GV, der die Rechtsbeziehungen zwischen den Gesellschaftern abschließend regeln sollte (§ 2 GV), war
ausschließlich die GmbH geschäftsführungsbefugt (§ 4 GV) und der Beigeladene lediglich entsprechend § 233 des
Handelsgesetzbuchs (HGB) kontrollberechtigt (§ 5 GV). Am Gewinn und Verlust sollte D. entsprechend dem Verhältnis
seiner (stillen) Einlage zum gesamten Eigenkapital teilnehmen; für Verluste bestand jedoch keine Nachschusspflicht
des Stillen (§ 9 GV). Bei Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses stand D. ein Auseinandersetzungsanspruch in
Höhe des Werts seiner Einlage zu, der mit dem 5-fachen des zuletzt auf D. entfallenden Jahresgewinns anzusetzen
war; im Verlustfall sollte der Buchwert gelten (§ 15 GV). Nachdem die Klägerin erstmals im Jahre 2002 Erklärungen zur
einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung eingereicht hatte, nach denen der Beigeladene für die Jahre 1997
bis 2000 (Streitjahre) als Mitunternehmer (atypisch stiller Gesellschafter) zu qualifizieren sei, erließ der Beklagte und
Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Betriebsprüfung einen negativen
Feststellungsbescheid, mit dem das Bestehen einer mitunternehmerschaftlichen Verbindung nicht anerkannt wurde.
Während des Einspruchsverfahrens legte die Klägerin Kopien von zwei Vereinbarungen vor. Nach der Abrede vom 20.
September 1997 bevollmächtigte Frau D. den Beigeladenen unwiderruflich, die Stimmrechte in der
Gesellschafterversammlung der GmbH nach bestem Wissen und Gewissen auszuüben. Gemäß der weiteren Kopie
(Vereinbarung vom 30. September 1997 zwischen der GmbH und dem Beigeladenen) sollten über den üblichen
Geschäftsbetrieb hinausgehende sowie im Einzelnen genannte (Grundlagen-)Geschäfte nur mit Zustimmung des
Beigeladenen vorgenommen werden können.
2 Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Der Mitunternehmerstellung des D. stehe --so das Finanzgericht (FG)-- zum
einen entgegen, dass er bei Beendigung der Gesellschaft nicht am tatsächlichen Zuwachs des
Gesellschaftsvermögens unter Einschluss der stillen Reserven und eines Geschäftswerts beteiligt gewesen sei;
Letzteres erfordere die Bestimmung des Auseinandersetzungsanspruchs auf der Grundlage einer bei der
Unternehmensbewertung üblichen Methode, im Streitfall sei hingegen lediglich im Sinne einer Globalabfindung ein
pauschaler Multiplikator vereinbart worden (§ 15 GV). Das hiernach schwach ausgeprägte unternehmerische Risiko sei
zum anderen --so die Vorinstanz weiter-- auch nicht durch signifikante Initiativrechte des D. ausgeglichen worden, da
dies nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) voraussetze, dass der stille Gesellschafter wie ein
Unternehmer auf das Schicksal des Unternehmens Einfluss nehmen könne und ihm --sei es als Prokurist oder leitender
Angestellter, sei es auf der Grundlage umfassender Weisungsrechte-- typische unternehmerische Entscheidungen im
Bereich der laufenden Geschäftsführung eingeräumt werden; nicht ausreichend seien hingegen bloße
Zustimmungsvorbehalte oder nur faktische Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Geschäftsführung. Da dem
Beigeladenen solche Initiativ- oder Weisungsrechte auch durch die im Einspruchsverfahren vorgelegten
Vereinbarungen nicht vermittelt worden seien, bestehe --so das FG sinngemäß-- auch keine Veranlassung, den vom FA
"nicht ohne Grund geäußerten Zweifeln" an den Schriftstücken vom 20. und 30. September 1997 nachzugehen.
Entscheidungsgründe
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II. Die von der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
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1. Die Rüge, das Urteil der Vorinstanz beruhe deshalb auf einem Verfahrensmangel, weil das FG verschiedene
Zeugen, die die besondere Ausprägung der unternehmerischen Initiativrechte des Beigeladenen hätten bestätigen
können, nicht vernommen und deshalb gegen seine Pflicht zur Sachaufklärung von Amts wegen verstoßen habe, ist
unschlüssig (§§ 76, 115 Abs. 2 Nr. 3, 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Dem Vortrag der Klägerin
ist weder zu entnehmen, weshalb sich der Vorinstanz eine solche Beweiserhebung auch ohne entsprechenden
Antrag hätte aufdrängen müssen, noch wird deutlich, inwiefern die nunmehr für erforderlich erachtete
Sachverhaltsaufklärung --ausgehend vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG-- zu einer anderen Entscheidung
hätte führen können. Abgesehen davon, dass einer der benannten Zeugen (Herr L.) im Erörterungstermin (17. April
2008) angehört worden ist, fehlen zudem jegliche Ausführungen dazu, weshalb der geltend gemachte
Verfahrensverstoß nicht in der mündlichen Verhandlung vor dem FG (21. August 2008) gerügt worden ist (§ 155 FGO
i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung --ZPO--; vgl. zu allem Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz
70, m.w.N.).
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2. Unsubstantiiert ist ferner die Rüge, die Vorinstanz sei im Hinblick auf die Anforderungen an das
mitunternehmerische Risiko (Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens gemäß üblicher Methoden für die
mitunternehmerische Risiko (Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens gemäß üblicher Methoden für die
Ermittlung des Geschäftswerts) von der Rechtsprechung des BFH und ferner bezüglich der Beurteilung der
Mitunternehmerinitiative des D. vom Urteil des FG Düsseldorf vom 25. Oktober 2006 7 K 2887/05, Entscheidungen
der Finanzgerichte (EFG) 2007, 704 (Revision IV R 100/06) abgewichen. Die Darlegung einer Divergenz (§ 115 Abs.
2 Nr. 2 2. Halbsatz FGO) erfordert, dass --was die Beschwerde nicht beachtet hat-- abstrakte und tragende
Rechtssätze im Urteil der Vorinstanz sowie in den in Bezug genommenen Entscheidungen so genau bezeichnet
werden, dass eine Abweichung erkennbar wird (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 42, m.w.N.).
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3. Nicht durchzugreifen vermag weiterhin der Vortrag, die Revision sei zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115
Abs. 2 Nr. 2 1. Halbsatz FGO). Ebenso wie die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2
Nr. 1 FGO) setzt auch der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Halbsatz FGO) nicht nur eine
bisher nicht geklärte Rechtsfrage voraus, deren Beantwortung im allgemeinen Interesse liegt; erforderlich ist zudem,
dass die als klärungsbedürftig bezeichnete Rechtsfrage im künftigen Revisionsverfahren auch geklärt werden kann
(sog. Entscheidungserheblichkeit, BFH-Beschluss vom 6. April 2009 XI B 61/08, juris, m.w.N.).
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a) Hiernach vermögen die Ausführungen der Beschwerde, nach denen es der Klärung bedürfe, ob die in der Praxis
gebräuchlichen und auf der Multiplikation der Firmenergebnisse beruhenden Wertermittlungen als verkehrsübliche
(vereinfachte) Methoden zur Bestimmung des Abfindungsanspruchs eines ausscheidenden Gesellschafters geeignet
seien, das volle Mitunternehmerrisiko im Sinne der Rechtsprechung des BFH zu begründen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom
25. Juni 1981 IV R 61/78, BFHE 134, 261, BStBl II 1982, 59), die Revision nicht zu eröffnen.
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Zwar ist es zutreffend, dass der IDW Standard "Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen" --IDW
S 1 i.d.F. vom 2. April 2008-- darauf hinweist, dass für Zwecke der Bewertung kleiner und mittelgroßer Unternehmen in
der Praxis gelegentlich auf vereinfachte Preisfindungen unter Anwendung von Ergebnismultiplikatoren
zurückgegriffen wird und sich demgemäß der Preis für das Unternehmen als Produkt eines als repräsentativ
angesehenen Ergebnisses vor Steuern mit einem branchen- bzw. unternehmensspezifischen Faktor ergeben kann
(Abschn. 8.3.4.). Gleichwohl gibt der Streitfall keine Gelegenheit, die aufgeworfene Rechtsfrage zu klären. Abgesehen
davon, dass das Adverb "gelegentlich" darauf schließen lässt, dass in der Praxis über die Anwendung vereinfachter
Bewertungsverfahren nur anhand der Umstände des Einzelfalls entschieden wird, kann jedenfalls kein Zweifel daran
bestehen, dass der in § 15 GV vorgenommene Rückgriff auf den Gewinn nur eines Jahres nicht als ein
"repräsentatives Ergebnis" anzusehen ist, auf das eine --auf die Bestimmung des "wirklichen" Werts der Beteiligung
gerichtete-- vereinfachte Bewertung gestützt werden könnte. Hiermit übereinstimmend sieht das vereinfachte
Ertragswertverfahren nach den §§ 199 ff. des Bewertungsgesetzes n.F. (BewG n.F.) vor, dass der hierfür
anzusetzende, zukünftig nachhaltig zu erzielende Jahresertrag regelmäßig aus dem Durchschnitt der
Betriebsergebnisse in den letzten drei vor dem Bewertungsstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahren abzuleiten ist (§
201 Abs. 1 und 2 BewG n.F.). Demgemäß können der Beschwerdeschrift auch keine Erläuterungen dazu entnommen
werden, ob und aus welchem Grunde es sich bei dem in § 15 GV vereinbarten Multiplikator (5) um einen branchen-
bzw. unternehmensspezifischen Faktor handelt.
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b) Die Revision ist ferner nicht deshalb zuzulassen, weil es nach Ansicht der Beschwerde der Klärung bedarf, ob
umfassende Vetorechte dem stillen Gesellschafter eine ausgeprägte Mitunternehmerinitiative des Inhalts vermitteln,
dass hierdurch sein nur begrenztes mitunternehmerisches Risiko ausgeglichen wird.
10 Nach der Rechtsprechung des BFH ist zum einen geklärt, dass von einer besonderen Ausprägung der
Initiativbefugnisse dann auszugehen ist, wenn dem stillen Gesellschafter Aufgaben der Geschäftsführung zur
selbstständigen Ausübung übertragen werden (BFH-Urteil vom 7. November 2006 VIII R 5/04, BFH/NV 2007, 906).
Geklärt ist zum anderen, dass eine solche mitunternehmerische Geschäftsführungsbefugnis auch dann zu bejahen ist,
wenn der Inhaber des Handelsgewerbes Maßnahmen in bestimmten Tätigkeitsbereichen der Geschäftsführung nur
gemeinsam mit dem (widerspruchsberechtigten) stillen Gesellschafter durchführen kann (BFH-Urteil vom 16.
Dezember 2003 VIII R 6/93, BFH/NV 2004, 1080). Ob letztere Voraussetzungen erfüllt werden, ist mithin keine --in
einem Revisionsverfahren zur Fortbildung des Rechts zu klärende-- Frage von allgemeinem Interesse; vielmehr ist der
Umfang der konkret vereinbarten Widerspruchsrechte von der Tatsacheninstanz zu ermitteln und unter
Berücksichtigung sämtlicher rechtlicher und tatsächlicher Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Aus dem nämlichen
Grund vermag auch der Hinweis auf das Urteil des FG Düsseldorf in EFG 2007, 704 (Revision IV R 100/06), das
zudem zu einem dem Streitfall nicht vergleichbaren Sachverhalt ergangen ist (Sonderrecht des stillen Gesellschafters
auf Bestellung und Abberufung eines alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführers), der Beschwerde nicht zum
Erfolg zu verhelfen.