Urteil des BFH vom 13.12.2017

Zum Vorsteuerabzug bei Auflösung eines langfristigen Pachtvertrags gegen Entgelt und nachfolgender steuerfreier Grundstücksveräußerung

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 13.12.2017, XI R 3/16
ECLI:DE:BFH:2017:U.131217.XIR3.16.0
Zum Vorsteuerabzug bei Auflösung eines langfristigen Pachtvertrags
gegen Entgelt und nachfolgender steuerfreier Grundstücksveräußerung
Leitsätze
Der Verpächter ist bei vorzeitiger Auflösung einer steuerpflichtigen
Verpachtung zum Abzug der ihm vom Pächter in Rechnung gestellten
Steuer für dessen entgeltlichen Verzicht auf die Rechte aus einem
langfristigen Pachtvertrag jedenfalls dann berechtigt, wenn die vorzeitige
Auflösung zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem das Pachtverhältnis noch
besteht und eine beabsichtigte (steuerfreie) Grundstücksveräußerung
noch nicht festgestellt werden kann.
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts München
vom 26. August 2015 2 K 1687/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
I.
1 Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Jahr 2011
(Streitjahr) Eigentümer des Grundstücks in X, Y-Straße ...
(Grundstück), das er bis März 2020 steuerpflichtig an die A
(Pächterin) verpachtet hatte. Diese hatte das Grundstück an Frau
B (Unterpächterin) unterverpachtet.
2 Am 4. März 2011 schloss der Kläger mit den Pächtern eine
Aufhebungsvereinbarung. Er beabsichtige, das Grundstück --wie
sich aus der Vorbemerkung zur vorgenannten
Aufhebungsvereinbarung ergibt-- zum Zwecke einer künftig
anderweitigen Nutzung zu veräußern, und sah sich an einer
angemessenen wirtschaftlichen Verwertung seines Eigentums
durch den langfristigen Pacht- und Unterpachtvertrag gehindert.
Die Vertragsparteien einigten sich auf die vorzeitige Aufhebung
der Pachtverträge zum 30. April 2012 mit der Option, diese schon
während der (nunmehr) verkürzten Vertragslaufzeit zu kündigen.
Der Kläger verpflichtete sich im Gegenzug, eine "Entschädigung"
in Höhe von ... EUR und ... EUR, jeweils zzgl. 19 % Umsatzsteuer
in Höhe von ... EUR und ... EUR, an die Pächterin bzw.
Unterpächterin zu zahlen.
3 Die Pächterin kündigte das Pachtverhältnis mit Schreiben vom
14. April 2011 bereits zum 31. Mai 2011 und stellte dem Kläger
am 12. Mai 2011 die vereinbarten Gegenleistungen für sich und
die Unterpächterin in Höhe von insgesamt ... EUR zzgl. ... EUR
Umsatzsteuer in Rechnung.
4 Der Kläger veräußerte das Grundstück am 11. November 2011
umsatzsteuerfrei.
5 Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ließ den
geltend gemachten Vorsteuerabzug für den Pachtverzicht nicht
zu. Es setzte die Umsatzsteuer für das Streitjahr mit
Umsatzsteuerbescheid vom 17. März 2014 dementsprechend auf
... EUR fest.
6 Der hiergegen eingelegte Einspruch des Klägers hatte keinen
Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 4. Juni 2014).
7 Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Deutsches
Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2016, 1323 veröffentlichten
Urteil statt. Es führte in den Gründen der angefochtenen
Entscheidung im Wesentlichen aus, die Pächter hätten gegenüber
dem Kläger eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung
erbracht, indem sie gegen Entgelt auf eine ihnen vertraglich
zustehende Rechtsposition verzichtet hätten.
8 Zwar habe kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang
zwischen dem vom Kläger bezogenen Eingangsumsatz (Verzicht
auf langfristige Pacht) zu seinen steuerpflichtigen
Ausgangsumsätzen (Verpachtung) bestanden. Die von ihm
gezahlte "Entschädigung" habe jedoch ihren ausschließlichen
Entstehungsgrund in der steuerpflichtigen Verpachtungstätigkeit
des Klägers. Es habe sich bei der von ihm erbrachten
Gegenleistung um eine Ausgabe zum Zwecke der Beendigung
der steuerpflichtigen Verpachtung und damit um allgemeine
Aufwendungen dieser Tätigkeit gehandelt.
9 Es komme nicht darauf an, dass der Kläger die Absicht geäußert
habe, das Grundstück zum Zwecke einer künftig anderweitigen
Nutzung zu veräußern, und es nachfolgend steuerfrei veräußert
habe. Nur wenn zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs noch keine
Ausgangsumsätze ausgeführt worden seien, sei auf die
beabsichtigte Verwendung abzustellen. Zum Zeitpunkt des
Verzichts der Pächter auf die Erfüllung der langfristigen
Pachtverträge habe der Kläger noch steuerpflichtige
Verpachtungsumsätze getätigt. Aus diesem Grund und allein zu
deren Beendigung habe der Kläger die hier streitige
Eingangsleistung bezogen.
10
Außerdem könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger --
anders als im Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. März
2012 XI R 23/10 (BFH/NV 2012, 1672)-- bereits bei
Leistungsbezug im März 2011 eine steuerfreie Veräußerung oder
Vermietung bzw. Verpachtung des Grundstücks beabsichtigt
habe.
11
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und
formellen Rechts.
12
Es bringt im Kern vor, die Zuordnung einer bezogenen
Eingangsleistung zu den allgemeinen Kosten der wirtschaftlichen
Gesamttätigkeit eines Unternehmers komme nur bei Fehlen eines
direkten und unmittelbaren Zusammenhangs mit einem oder
mehreren Ausgangsumsätzen in Frage. Im Streitfall bestehe
dagegen, wie aus der Vorbemerkung zum Aufhebungsvertrag klar
und eindeutig hervorgehe, ein direkter und unmittelbarer
Zusammenhang zwischen der streitigen Eingangsleistung und der
vom Kläger beabsichtigten steuerfreien Veräußerung des
Grundstücks. Ein Vorsteuerabzug aus der Rechnung vom 12. Mai
2011 sei danach gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) ausgeschlossen.
13
Der Streitfall sei vergleichbar mit dem BFH-Urteil in BFH/NV 2012,
1672. Der BFH habe in dieser Rechtssache einen direkten und
unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Aufwendungen für
die Sanierung eines Grundstücks nach Einstellung des laufenden
Betriebs und dessen beabsichtigter steuerfreier Veräußerung
bejaht. Auch vorliegend habe der Kläger Leistungen zum Zwecke
der beabsichtigten steuerfreien Grundstücksveräußerung
bezogen, weil er sich durch die langfristigen Pachtverträge "an
einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung seines
Eigentums" gehindert gesehen habe.
14
Selbst wenn kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit
der beabsichtigten steuerfreien Grundstücksveräußerung
bestünde, wäre --wie das FA mit Bezug auf die BFH-Urteile vom
10. April 1997 V R 26/96 (BFHE 182, 432, BStBl II 1997, 552) und
vom 24. April 2013 XI R 25/10 (BFHE 241, 451, BStBl II 2014,
346) ferner vorbringt-- der vom Kläger geltend gemachte
Vorsteuerbetrag nach § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG jedenfalls
aufzuteilen. Maßgeblich wäre hierbei das Verhältnis zwischen den
steuerpflichtigen Verpachtungsumsätzen vom 1. Januar bis
31. Mai 2011 und dem steuerfreien Grundstücksverkauf am
11. November 2011.
15
Das FA rügt außerdem die Verletzung der Sachaufklärungspflicht
i.S. des § 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das
FG habe es unterlassen zu ermitteln, ob der Kläger bereits im
März 2011 eine steuerfreie Veräußerung oder Vermietung des
Grundstücks beabsichtigt habe, obwohl sich dies ihm nach
Aktenlage hätte aufdrängen müssen.
16
Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
17
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
18
Er verteidigt die Vorentscheidung und bringt darüber hinaus vor,
die Aufhebung der Pachtverhältnisse gegen Entgelt sei
unmittelbare Folge der steuerpflichtigen Verpachtung und durch
diese verursacht.
19
Zwar habe er, der Kläger, die Aufhebungsvereinbarung vom
4. März 2011 mit der Absicht zu einer künftig anderweitigen, nicht
zwangsläufig umsatzsteuerfreien Verwendung des Grundstücks
begründet. Die Entscheidung, das Grundstück umsatzsteuerfrei
zu veräußern, sei aber erst im November 2011 getroffen worden.
Nach zutreffender Ansicht der Vorentscheidung komme es im
Übrigen auf seine Verwendungsabsicht, auf die das FA zu
Unrecht abstelle, nicht an.
20
Die geltend gemachten Vorsteuerbeträge seien auch nicht
aufzuteilen. Die von den Pächtern erbrachte entgeltliche
Verzichtsleistung könne der Verpachtungstätigkeit direkt
zugeordnet werden.
Entscheidungsgründe
II.
21
Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen
(§ 126 Abs. 2 FGO).
22
Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger den geltend
gemachten Vorsteuerabzug beanspruchen kann. Der Kläger hat
den Pachtverzicht während der Verpachtungstätigkeit zu deren
Beendigung bezogen. Auf die Verwendungsabsicht des Klägers
kommt es --wie das FG zutreffend erkannt hat-- nicht an. Der vom
FA hinsichtlich der Verwendungsabsicht des Klägers gerügte
Verfahrensfehler der mangelnden Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1
Satz 1 FGO) liegt mithin nicht vor. Eine Aufteilung der geltend
gemachten Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG
kommt nicht in Betracht.
23
1. a) Der Unternehmer kann unter weiteren Voraussetzungen die
gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige
Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen
ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen (§ 15
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG). Vom Vorsteuerabzug
ausgeschlossen ist u.a. die Steuer für Leistungen, die der
Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet
(§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG).
24
b) Das Bestehen eines Vorsteuerabzugsrechts setzt nicht in
jedem Fall die Ausführung besteuerter Ausgangsumsätze voraus.
Es gilt auch für den Abzug der geschuldeten oder entrichteten
Steuer für Investitionen, die für die Zwecke der noch erst
beabsichtigten, das Abzugsrecht eröffnenden Umsätze getätigt
werden, unter der Voraussetzung, dass die Erklärung, zu
besteuerten Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeiten
aufnehmen zu wollen, in gutem Glauben abgegeben worden ist
und durch objektive Anhaltspunkte belegt wird (vgl. dazu z.B.
BFH-Urteile in BFH/NV 2012, 1672, Rz 25; vom 28. Juni 2017
XI R 12/15, BFHE 258, 532, BFH/NV 2017, 1400, Rz 28; jeweils
m.w.N.).
25
2. Unionsrechtlich beruhen § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG
bzw. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG auf Art. 168 Buchst. a der
Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über
das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) und sind
richtlinienkonform auszulegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B.
BFH-Urteile in BFH/NV 2012, 1672, Rz 22, noch zu Art. 17 der
Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern; vom 2. Dezember 2015 V R 15/15, BFHE
252, 472, BStBl II 2016, 486, Rz 14).
26
a) Der Steuerpflichtige, der "Gegenstände und Dienstleistungen
für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet", ist nach
Art. 168 Buchst. a MwStSystRL zum Vorsteuerabzug berechtigt
(vgl. dazu z.B. BFH-Urteil in BFHE 252, 472, BStBl II 2016, 486,
Rz 14, m.w.N.).
27
aa) Damit der Steuerpflichtige danach zum Vorsteuerabzug
berechtigt ist und der Umfang dieses Rechts bestimmt werden
kann, muss grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer
Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz
und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf
Vorsteuerabzug eröffnen, bestehen. Das Recht auf Abzug der für
den Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen entrichteten
Mehrwertsteuer ist nur gegeben, wenn die hierfür getätigten
Ausgaben zu den Kostenelementen der besteuerten, zum Abzug
berechtigenden Ausgangsumsätze gehören (ständige
Rechtsprechung, vgl. dazu z.B. Urteile des Gerichtshofs der
Europäischen Union --EuGH-- SKF vom 29. Oktober 2009 C-
29/08, EU:C:2009:665, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010,
107, Rz 57, m.w.N.; AES-3C Maritza East 1 vom 18. Juli 2013 C-
124/12, EU:C:2013:488, UR 2014, 398, Rz 27; Iberdrola
Inmobiliaria Real Estate Investments vom 14. September 2017 C-
132/16, EU:C:2017:683, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2017,
2044, Rz 28). Da die Aufwendungen mithin Teil der Kosten der
Ausgangsumsätze sein müssen, für die die Gegenstände und
Dienstleistungen verwendet werden, müssen die Kostenelemente
in der Regel entstanden sein, bevor der Steuerpflichtige die
besteuerten Umsätze ausführt, denen sie zuzurechnen sind (vgl.
EuGH-Urteil Midland Bank vom 8. Juni 2000 C-98/98,
EU:C:2000:300, UR 2000, 342, Rz 30; BFH-Urteil in BFH/NV
2012, 1672, Rz 27; jeweils m.w.N.).
28
bb) Ein Recht auf Vorsteuerabzug wird jedoch zugunsten des
Steuerpflichtigen auch bei Fehlen eines direkten und
unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten
Eingangsumsatz und einem oder mehreren zum Abzug
berechtigenden Ausgangsumsätzen dann angenommen, wenn
die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen
Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehören und als solche
Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder
erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen
nämlich direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen
Tätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen (ständige
Rechtsprechung, vgl. dazu z.B. EuGH-Urteile SKF,
EU:C:2009:665, UR 2010, 107, Rz 58, m.w.N.; AES-3C Maritza
East 1, EU:C:2013:488, UR 2014, 398, Rz 28; Iberdrola
Inmobiliaria Real Estate Investments, EU:C:2017:683, DStR 2017,
2044, Rz 29). Diese Kosten stehen aber nur dann in einem
direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der
wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, soweit sie ihren
ausschließlichen Entstehungsgrund in dieser Tätigkeit haben (vgl.
EuGH-Urteil Investrand vom 8. Februar 2007 C-435/05,
EU:C:2007:87, UR 2007, 225, Rz 33).
29
b) Da das gemeinsame Mehrwertsteuersystem eine völlige
Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller
wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und
ihrem Ergebnis gewährleistet, sofern diese selbst der
Mehrwertsteuer unterliegen (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu
z.B. EuGH-Urteil Fini H vom 3. März 2005 C-32/03,
EU:C:2005:128, UR 2005, 443, Rz 25, m.w.N.), darf nicht
willkürlich zwischen Ausgaben für die Zwecke eines
Unternehmens vor der tatsächlichen Aufnahme seiner Tätigkeit
sowie während dieser Tätigkeit und Ausgaben zum Zweck der
Beendigung dieser Tätigkeit unterschieden werden (ständige
Rechtsprechung, vgl. dazu z.B. EuGH-Urteile Abbey National vom
22. Februar 2001 C-408/98, EU:C:2001:110, UR 2001, 164,
Rz 35; Faxworld vom 29. April 2004 C-137/02, EU:C:2004:267,
UR 2004, 362, Rz 39; Fini H, EU:C:2005:128, UR 2005, 443,
Rz 23; ferner Wind Inovation 1 vom 9. November 2017 C-552/16,
EU:C:2017:849, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2018,
84, Rz 45; jeweils m.w.N.).
30
In Bezug auf die Übertragung eines Gesamtvermögens ist daher
anerkannt, dass die Kosten der für diese Übertragung erbrachten
Dienstleistungen als fester Bestandteil der gesamten
wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen vor der
Übertragung anzusehen sind und ihm das Recht auf
Vorsteuerabzug zuzuerkennen ist, selbst wenn er nach der
Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen nicht mehr
wirtschaftlich tätig wird (vgl. EuGH-Urteil Abbey National,
EU:C:2001:110, UR 2001, 164, Rz 35). Ebenso ist das Recht auf
Vorsteuerabzug bei der Liquidation eines Betriebes
anzuerkennen, soweit es dabei nicht zu Betrügereien und
Missbräuchen kommt (vgl. EuGH-Urteil Fini H, EU:C:2005:128,
UR 2005, 443, Rz 31).
31
c) Werden die von einem Steuerpflichtigen erworbenen
Gegenstände oder Dienstleistungen dagegen für die Zwecke
steuerbefreiter Umsätze oder solcher Umsätze verwendet, die
nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erfasst
werden, so kann es weder zur Erhebung der Steuer auf der
folgenden Stufe noch zum Abzug der Vorsteuer kommen
(ständige Rechtsprechung, vgl. dazu z.B. EuGH-Urteile SKF,
EU:C:2009:665, UR 2010, 107, Rz 59, m.w.N.; Iberdrola
Inmobiliaria Real Estate Investments, EU:C:2017:683, DStR 2017,
2044, Rz 30).
32
d) Die nationalen Gerichte haben --was gleichfalls für die
Finanzverwaltungen gilt-- im Rahmen der ihnen obliegenden
Anwendung des Kriteriums des unmittelbaren Zusammenhangs
alle Umstände zu berücksichtigen, unter denen die betreffenden
Umsätze ausgeführt wurden, und nur die Umsätze
heranzuziehen, die objektiv im Zusammenhang mit der der Steuer
unterliegenden Tätigkeit des Steuerpflichtigen stehen. Das
Vorhandensein eines solchen Zusammenhangs ist daher in
Anbetracht des objektiven Inhalts des betreffenden Umsatzes zu
beurteilen (vgl. EuGH-Urteile Becker vom 21. Februar 2013 C-
104/12, EU:C:2013:99, UR 2013, 220, Rz 22, 23 und 33, m.w.N.;
Sveda vom 22. Oktober 2015 C-126/14, EU:C:2015:712, UR
2015, 910, Rz 29; Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments,
EU:C:2017:683, DStR 2017, 2044, Rz 31).
33
3. Nach den vorgenannten Grundsätzen hat das FG zutreffend
entschieden, dass der Kläger, der unstreitig als Unternehmer i.S.
des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG steuerpflichtige
Verpachtungsumsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 4
Nr. 12 Satz 1 Buchst. a, § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG ausgeführt hat,
die vom Pächter am 12. Mai 2011 in Rechnung gestellte Steuer
für den entgeltlichen Verzicht auf langfristige Pacht gemäß § 15
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG als Vorsteuer abziehen kann.
34
a) Die Pächter haben --was zwischen den Beteiligten nicht im
Streit steht-- eine steuerbare und steuerpflichtige sonstige
Leistung i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG erbracht.
35
aa) Die Voraussetzungen für einen entgeltlichen
Leistungsaustausch liegen insbesondere dann vor, wenn --wie
hier die Pächter-- ein Steuerpflichtiger auf eine ihm, sei es auf
gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage, zustehende
Rechtsposition gegen Entgelt verzichtet (vgl. BFH-Urteile vom
7. Juli 2005 V R 34/03, BFHE 211, 59, BStBl II 2007, 66, unter
II.1., Rz 15, m.w.N.; vom 16. Januar 2014 V R 22/13, BFH/NV
2014, 736, Rz 23). Dies ist hier der Fall. Bei der vom Kläger
erbrachten, in der Aufhebungsvereinbarung vom 4. März 2011 als
"Entschädigung" bezeichneten Gegenleistung hat es sich --wovon
das FG zutreffend ausgegangen ist und auch der
Verwaltungsauffassung in Abschn. 1.3. Abs. 13 Satz 1 des
Umsatzsteuer-Anwendungserlasses entspricht-- um ein
Leistungsentgelt für die Bereitschaft der Pächter, die
Vertragslaufzeit von März 2020 auf den 30. April 2012 zu
verkürzen, gehandelt.
36
bb) Die Pächter haben ihre in der Zustimmung zur Abkürzung der
Vertragslaufzeit bestehende Leistung bereits mit dem Abschluss
der Aufhebungsvereinbarung am 4. März 2011 erbracht. Denn zu
diesem Zeitpunkt haben sie ihre vertragliche Rechtsposition als
Pächter gegen Entgelt aufgegeben, sodass zum
Leistungszeitpunkt noch eine steuerpflichtige
Verpachtungstätigkeit des Klägers vorlag. In diesem
Zusammenhang kommt es auf den Zeitpunkt des Auszuges der
Pächter im Streitfall nicht an. Die vorzeitige Beendigung des
Pachtverhältnisses hat nach den gesetzlichen Regelungen in
§§ 581 Abs. 2 i.V.m. 546 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
die Verpflichtung des Pächters zur Folge, die Pachtsache
zurückzugeben. Dass darüber hinaus im Streitfall die
"Entschädigung" gezahlt worden ist, um die Pächter zum
vorzeitigen Auszug zu bewegen, obwohl sie ohnehin hierzu
gesetzlich verpflichtet waren, ergibt sich nicht aus dem
Sachverhalt. Die Leistung ist damit nicht erst mit dem Auszug der
Pächter zum 31. März 2011 ausgeführt worden (a.A. wohl Wäger
in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, Berichtszeitraum
III. Quartal 2016, Rz 195).
37
b) Die sonstige Leistung in Gestalt der Zustimmung zur
Abkürzung der Vertragslaufzeit wurde für die Zwecke der
besteuerten Umsätze des Klägers verwendet.
38
aa) Die Vorentscheidung hat zwar zu Recht erkannt, dass kein
direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem
fraglichen Eingangsumsatz in Gestalt der vom Kläger bezogenen
Leistung und dessen steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen
bestand.
39
Die vom Kläger getätigten Ausgaben in Höhe des ihm am 12. Mai
2011 vom Pächter in Rechnung gestellten Entgelts gehören nicht
zu den Kostenelementen der besteuerten, zum Abzug
berechtigenden steuerpflichtigen Verpachtungsumsätzen. Denn
der Kläger hat die Leistung der Pächter nicht bezogen, um
steuerpflichtige Verpachtungsumsätze auszuführen. Dazu wurden
sie auch nicht verwendet. Der betreffende Bezug diente vielmehr
dazu, die steuerpflichtige Verpachtungstätigkeit alsbald vorzeitig
zu beenden. Die Ausgaben zur Erlangung der Zustimmung zur
Abkürzung der Vertragslaufzeit sind mithin nicht Teil der Kosten
der vom Kläger ausgeführten steuerpflichtigen
Verpachtungsumsätze.
40
bb) Der Kläger ist aber zum Vorsteuerabzug berechtigt, weil die
Kosten für die zur vorzeitigen Beendigung seiner
Verpachtungstätigkeit führende Abkürzung der Vertragslaufzeit zu
den allgemeinen Aufwendungen seiner steuerpflichtigen
Verpachtungstätigkeit gehören und als solche Kostenelemente
der ausgeführten Verpachtungsumsätze sind.
41
(1) Die fraglichen Kosten hängen direkt und unmittelbar mit der
gesamten wirtschaftlichen Verpachtungstätigkeit des Klägers
zusammen. Sie haben ihren ausschließlichen Entstehungsgrund
in der steuerpflichtigen Verpachtungstätigkeit des Klägers und
wären nicht entstanden, wenn mit dem Pächter kein langfristiger
Pachtvertrag abgeschlossen worden wäre. Mit der Abkürzung der
Vertragslaufzeit ist die Beendigung der Verpachtungstätigkeit des
Klägers einhergegangen. Damit hat es sich bei der von ihm
erbrachten Gegenleistung für den Verzicht der Pächter auf ihre
vertragliche Rechtsposition um Ausgaben zum Zwecke der
Beendigung und damit um allgemeine Aufwendungen seiner
Verpachtungstätigkeit gehandelt.
42
(2) Ausgaben zum Zwecke der Beendigung der wirtschaftlichen
Tätigkeit sind --wie die Vorentscheidung zu Recht erkannt hat--
wegen des Neutralitätsgrundsatzes zu berücksichtigen. Denn das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet völlige
Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller
wirtschaftlichen Tätigkeiten eines Unternehmers unabhängig von
ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese selbst der
Mehrwertsteuer unterliegen. Danach darf --wie hier-- nicht
willkürlich zwischen Ausgaben für die Zwecke eines
Unternehmens vor der tatsächlichen Aufnahme seiner Tätigkeit
sowie während dieser Tätigkeit und Ausgaben zum Zweck der
Beendigung dieser Tätigkeit unterschieden werden (dazu
vorstehend unter II.2.b). Da das Recht auf Vorsteuerabzug bei der
Liquidation eines Betriebes anzuerkennen ist, soweit es dabei --im
Streitfall sind dafür keine Anhaltspunkte erkennbar-- nicht zu
Betrügereien und Missbräuchen kommt (vgl. EuGH-Urteil Fini H,
EU:C:2005:128, UR 2005, 443, Rz 31), darf dem Kläger der von
ihm geltend gemachte Vorsteuerabzug nicht versagt werden.
43
c) Dagegen besteht --anders als das FA meint-- kein direkter und
unmittelbarer Zusammenhang zwischen der vom Kläger
bezogenen Verzichtsleistung der Pächter auf langfristige Pacht
und der beabsichtigten Grundstücksveräußerung. Diese
Eingangsleistung ist somit nicht als für die
Grundstücksveräußerung verwendet zu werten (a.A. Stadie in
Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 15 Rz 1678). Auf die
möglicherweise von Anfang an bestehende Absicht des Klägers,
das Grundstück zum Zwecke einer künftig anderweitigen Nutzung
steuerfrei zu veräußern, kommt es --entgegen der Ansicht des FA-
- vorliegend nicht an.
44
aa) Das FG geht zu Recht davon aus, dass nach den
Grundsätzen des Sofortabzugs auf die beabsichtigten
Verwendungsumsätze nur abzustellen ist, wenn zum Zeitpunkt
des Leistungsbezugs noch keine entsprechenden
Ausgangsumsätze ausgeführt worden sind (dazu vorstehend
unter II.1.b). Da zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs des
Verzichts der Pächter auf langfristige Pacht bereits
Ausgangsumsätze des Klägers ausgeführt wurden und seine
steuerpflichtige Verpachtungstätigkeit noch nicht beendet war,
kommt es im Streitfall nicht darauf an, dass der Kläger die Absicht
hatte, das Grundstück zum Zwecke einer künftig anderweitigen
Nutzung zu einem noch ungewissen Zeitpunkt steuerfrei oder
steuerpflichtig zu veräußern.
45
bb) Die Zustimmung der Pächter zur Verkürzung der Pachtdauer
war nach dem objektiven Inhalt dieser Leistung allein auf die
Beendigung der Verpachtungstätigkeit des Klägers gerichtet.
Auch danach steht diese Eingangsleistung nur im unmittelbaren
Zusammenhang mit der Verpachtungstätigkeit des Klägers.
46
cc) Zu Recht geht das FG somit davon aus, dass gegenüber dem
unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang der vom Kläger
bezogenen Verzichtsleistung zu der Verpachtungstätigkeit der
lediglich mittelbare Zusammenhang zu der erklärten Absicht des
Klägers, das Grundstück zu veräußern, zurücktritt. Außerdem
hatte der Kläger vorliegend in der Aufhebungsvereinbarung vom
4. März 2011 nur seine Absicht bekundet, das langfristig
verpachtete Grundstück zum Zwecke einer künftig anderweitigen
Nutzung zu veräußern. Darüber hinaus konnte das FG im Streitfall
nicht feststellen, dass der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt eine
steuerfreie Veräußerung oder Vermietung bzw. Verpachtung des
Grundstücks nach § 4 Nr. 9 Buchst. a, § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a
UStG beabsichtigt hätte.
47
dd) Eine den Vorsteuerabzug ausschließende Verwendung der
vom Kläger bezogenen Verzichtsleistung der Pächter für Zwecke
steuerfreier Umsätze --wie das FA in Bezug auf die steuerfreie
Grundstücksveräußerung am 11. November 2011 meint-- liegt
mithin nicht vor.
48
4. Die mit der Revision ferner geltend gemachten Einwendungen
des FA greifen nicht durch.
49
a) Der Streitfall ist --entgegen der Auffassung des FA-- nicht mit
dem Senatsurteil in BFH/NV 2012, 1672 vergleichbar.
50
aa) Der Senat hatte in dieser Entscheidung den unmittelbaren
Zusammenhang zu der späteren Grundstücksveräußerung
insbesondere damit begründet, dass einerseits die
Aufwendungen erst entstanden sind, nachdem der Betrieb der
GmbH bereits drei Jahre eingestellt worden war, und andererseits
der Kläger von Beginn an die Sanierungsleistungen im Hinblick
auf die beabsichtigte (steuerfreie) Grundstücksveräußerung
bezogen hatte (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1672, Rz 34).
51
bb) Im Streitfall wurde die Verzichtsleistung der Pächter zu einem
Zeitpunkt bezogen, zu dem der Kläger seine
Verpachtungstätigkeit noch nicht beendet hatte.
52
b) Die vom FA mit Bezug auf die BFH-Urteile in BFHE 182, 432,
BStBl II 1997, 552 und in BFHE 241, 451, BStBl II 2014, 346
(hilfsweise) angestrebte Aufteilung des vom Kläger geltend
gemachten Vorsteuerbetrags nach § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG im
Verhältnis zwischen den steuerpflichtigen Verpachtungsumsätzen
vom 1. Januar bis 31. Mai 2011 und dem steuerfreien
Grundstücksverkauf am 11. November 2011 kommt im Übrigen
nicht in Betracht. Denn eine Aufteilung der Vorsteuer nach § 15
Abs. 4 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer die bezogenen
Vorleistungen sowohl für Umsätze verwendet, für die ein Recht
auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses
Recht nicht besteht (vgl. Senatsurteil in BFHE 241, 451, BStBl II
2014, 346, Rz 30). Derartige Umsätze hat der Kläger aber nicht
ausgeführt. Die vom Kläger bezogene Leistung der Pächter in
Gestalt der Zustimmung zur Verkürzung der Pachtdauer wurde
allein zur Beendigung seiner steuerpflichtigen
Verpachtungstätigkeit verwendet. Infolgedessen wurde sie nicht
zugleich für die im Leistungszeitpunkt zudem noch ungewisse
nachfolgende Grundstücksverwertung bezogen.
53
c) Die vom FA hinsichtlich der --aus seiner Sicht-- unterlassenen
Ermittlung der Absicht des Klägers zum Zeitpunkt des
Abschlusses der Aufhebungsvereinbarung vom 4. März 2011
außerdem gerügte Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76
Abs. 1 Satz 1 FGO) liegt nicht vor. Denn auf die Absicht des
Klägers kommt es im Streitfall nicht an (dazu vorstehend unter
II.3.c). Von einer weiteren Begründung dazu sieht der Senat ab
(§ 126 Abs. 6 FGO).
54
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.