Urteil des BFH vom 16.09.2008

Nichtzulassungsbeschwerde: Ablehnung eines Antrags auf Terminverlegung, rechtliches Gehör, Sachaufklärungspflicht und Hinweispflicht - Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 16.9.2008, X B 224/06
Nichtzulassungsbeschwerde: Ablehnung eines Antrags auf
Terminverlegung, rechtliches Gehör, Sachaufklärungspflicht und
Hinweispflicht - Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung
Leitsätze
1. NV: Beruft sich ein Beteiligter darauf, er sei verhindert gewesen, an der
mündlichen Verhandlung teilzunehmen, zu der sein persönliches
Erscheinen nicht angeordnet worden war, und ist er im Verfahren durch
einen Prozessbevollmächtigten vertreten, so erfordert die Darlegung eines
Verfahrensmangels wegen Ablehnung eines Verlegungsantrags, dass
gegenüber der Vorinstanz substantiierte Gründe vorgetragen wurden, die
eine persönliche Anwesenheit des Beteiligten neben dem
Prozessbevollmächtigten erfordert hätten.
2. NV: Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt, wenn das
Finanzgericht die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen zusätzlich unter
einem weiteren rechtlichen Aspekt prüft und verneint und der Beteiligte
zudem ausreichend Gelegenheit hatte, sich zu den entscheidenden
Tatbestandsmerkmalen zu äußern.
3. NV: Die Verletzung der Sachaufklärungspflicht und der Hinweispflicht ist
nur dann ein Revisionszulassungsgrund, wenn das Urteil auf diesem
Verfahrensfehler beruhen kann.
4. NV: Die Frage, der steuerlichen Behandlung der vor Inkrafttreten des
Alterseinkünftegesetzes gezahlten Beiträge zur gesetzlichen
Sozialversicherung ist durch die Rechtsprechung geklärt.
Gründe
1
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das
zwischenzeitlich ruhende Verfahren ist fortzusetzen, weil nach dem
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 25.
Februar 2008 2 BvR 325/07 (Höchstrichterliche
Finanzrechtsprechung 2008, 753) der Grund für das Ruhen des
Verfahrens weggefallen ist. Entgegen der Ansicht der Kläger und
Beschwerdeführer (Kläger) besteht für ein weiteres Ruhen des
Verfahrens kein Grund. Die Rechtsfrage, die der Bundesfinanzhof
(BFH) in den anhängigen Verfahren VI R 47/07 und VI R 39/07 zu
beurteilen hat, war im Klageverfahren nicht streitig, weil die Kläger
ihren Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2003
darauf nicht gestützt hatten. Sie wurde zudem weder mit der
Nichtzulassungsbeschwerde noch mit deren Begründung
angesprochen.
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1. Die Rüge der Kläger, das angefochtene Urteil leide an einem
Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der
Finanzgerichtsordnung (FGO), weil das Finanzgericht (FG) durch
Ablehnung ihres Antrags auf Verlegung des Termins der
mündlichen Verhandlung ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§
96 Abs. 2 FGO) verletzt habe, greift nicht durch.
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Die Ablehnung eines Antrags auf Verlegung des Termins der
mündlichen Verhandlung verstößt dann gegen den Anspruch auf
rechtliches Gehör, wenn für eine Aufhebung oder Verlegung des
Termins erhebliche Gründe geltend gemacht worden sind (vgl. §
155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung).
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a) Zwar kann Urlaub ein erheblicher Grund für eine
Terminsverlegung sein. Es muss sich aber um einen im Zeitpunkt
der Zustellung der Ladung bereits verbindlich geplanten Urlaub
handeln, der außerdem in seiner Planung so ausgestaltet sein
muss, dass die Wahrnehmung des Termins während dieser Zeit
nicht zumutbar erscheint. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen
muss dem Verlegungsgesuch entnommen werden können, woran
es bei dem Antrag des Prozessbevollmächtigten vom 5. August
2006 fehlt (vgl. Senatsbeschluss vom 22. März 2005 X B 166/04,
nicht veröffentlicht).
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b) Beruft sich ein Beteiligter darauf, er sei verhindert gewesen, an
der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, zu der sein
persönliches Erscheinen nicht angeordnet worden war, und ist er --
wie die Kläger-- im Verfahren durch einen Prozessbevollmächtigten
vertreten, so erfordert die Darlegung eines Verfahrensmangels
wegen Ablehnung eines Verlegungsantrags, dass gegenüber der
Vorinstanz substantiierte Gründe vorgetragen wurden, die eine
persönliche Anwesenheit des Beteiligten neben dem
Prozessbevollmächtigten erfordert hätten (BFH-Beschlüsse vom 4.
August 2005 I B 219/04, BFH/NV 2006, 73, und vom 25. Januar
2006 X B 125/05, BFH/NV 2006, 806, jeweils m.w.N.). Der Hinweis
in dem Antrag auf Verlegung des Termins, die mündlichen
Aussagen der Kläger zur Häufigkeit der Fahrten zwischen dem
(behaupteten) weiteren Wohnsitz des Klägers in Kroatien und
seiner Arbeitsstätte in … seien unverzichtbar, erfüllt diese
Voraussetzung vor dem Hintergrund nicht, dass die Kläger in ihren
Einkommensteuererklärungen für die beiden Streitjahre insgesamt
lediglich eine solche Fahrt angesetzt hatten. Zu weiteren Fahrten,
die nach den Grundsätzen der BFH-Urteile vom 8. November 1996
VI R 43/94 (BFH/NV 1997, 341) und vom 26. November 2003 VI R
152/99 (BFHE 204, 189, BStBl II 2004, 233) für eine
Berücksichtigung der Wegeaufwendungen nach § 9 Abs. 1 Satz 3
Nr. 4 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im
Streitjahr 2002 geltenden Fassung (a.F.) erforderlich gewesen
wären, hatten sich die Kläger weder im Verwaltungs- noch im
Klageverfahren (auch nicht im Erörterungstermin) geäußert.
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Aus welchen Gründen die Kläger ihren Parteivortrag in diesem
Punkt in der mündlichen Verhandlung unabdingbar gerade
höchstpersönlich und nicht durch Vermittlung ihres
Prozessbevollmächtigten hätten ergänzen müssen, kann dem
Antrag auf Terminsverlegung ebenso wenig entnommen werden
wie der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde.
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2. Keine die Zulassung der Revision rechtfertigende Verletzung des
Anspruchs der Kläger auf rechtliches Gehör kann darin gesehen
werden, dass das FG die durch die Fahrt von Kroatien an den
Arbeitsort des Klägers entstandenen Aufwendungen zusätzlich
unter dem Aspekt einer doppelten Haushaltsführung i.S. des § 9
Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG a.F. erörtert hat. Das angefochtene Urteil
würde auf dem behaupteten Verfahrensfehler nicht beruhen. Das
FG hat die einzige geltend gemachte Fahrt unter dem Blickwinkel
der Aufwendungen für eine Fahrt zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 7 EStG a.F.) eingehend
gewürdigt und ausreichend begründet verneint.
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3. Keinen Erfolg haben die Kläger mit der Rüge, das FG habe im
Hinblick auf den strittigen Werbungskostenabzug für Arbeitsmittel (§
9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG) seine Pflicht verletzt, den Sachverhalt
von Amts wegen aufzuklären (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) und ggf.
Hinweise zur Ergänzung des Vorbringens (§ 76 Abs. 1 Satz 2 FGO)
zu geben. Im Anschluss an den Erörterungstermin am 29. März
2006 hatte das FG den Klägern eine Ausschlussfrist gemäß § 79b
Abs. 2 FGO zur Vorlage der Beweismittel für die als
Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen für
Arbeitsmittel und Versicherungsprämien gesetzt und die Kläger
über die sich gemäß § 79b Abs. 3 Satz 1 FGO ergebenden
Rechtsfolgen belehrt. Mit den in der Folgezeit bis zum Ablauf der
Ausschlussfrist vorgelegten Nachweisen belegten die Kläger
unzweifelhaft nur Zahlungen von 12,95 EUR für "Bewerbungsfotos"
und von 61 EUR für eine "Pilothose". Bei dieser Sachlage kann es
dahinstehen, ob das FG ohne Rücksprache mit dem Kläger die
Eigenschaft der "Pilothose" als typische Berufskleidung eines
Eisenflechters verneinen durfte. Denn die nachgewiesenen
Aufwendungen blieben hinter dem Pauschalbetrag von 102 EUR
zurück, den der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt)
für Arbeitsmittel ohnehin im Einkommensteuerbescheid für 2003
ohne Einzelnachweis anerkannt hatte. Damit kann das
angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel nicht
beruhen.
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4. Die Frage der steuerlichen Behandlung der Beiträge zur
gesetzlichen Sozialversicherung in den vor dem 31. Dezember
2004 endenden Veranlagungszeiträumen ist durch die
Rechtsprechung geklärt (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2008, 753),
so dass auch insoweit die Zulassung der Revision nicht in Betracht
kommt.