Urteil des BFH vom 19.07.2018

Umfang der Gewerbesteuerbarkeit eines Gewinns aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 19.7.2018, IV R 31/15
ECLI:DE:BFH:2018:U.190718.IVR31.15.0
Umfang der Gewerbesteuerbarkeit eines Gewinns aus der Veräußerung
eines Mitunternehmeranteils
Leitsätze
NV: Der Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils entfällt
i.S. des § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG in vollem Umfang auf den
Mitunternehmer, in dessen Person er entsteht. Er ist in vollem Umfang
gewerbesteuerbar, sofern es sich bei dem seinen Anteil veräußernden
Mitunternehmer nicht um eine unmittelbar beteiligte natürliche Person
handelt.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf
vom 26. Mai 2015 10 K 1590/14 G wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
1 Streitig ist, ob ein im Erhebungszeitraum 2008 durch den Verkauf
eines Mitunternehmeranteils erzielter Veräußerungsgewinn in
vollem Umfang oder nur anteilig der Gewerbesteuer unterliegt.
2 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist aufgrund eines
Umwandlungsbeschlusses Rechtsnachfolgerin der N GmbH &
Co. KG (KG). An der KG waren am 3. Juli 2008 die W GmbH
(GmbH), Herr A und Frau B als Kommanditisten beteiligt, und zwar
mit Einlagen in Höhe von 511.291,88 EUR (GmbH),
449.936,85 EUR (A) und 61.355,02 EUR (B). Die GmbH verkaufte
durch Vertrag vom 3. Juli 2008 unter gleichzeitiger Abtretung ihren
Kommanditanteil für 3 Mio. EUR an A.
3 Der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Bescheid für
2008 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheid) erging
zunächst ohne Feststellung eines Veräußerungsgewinns. Der
Gewerbesteuermessbetrag für 2008 wurde auf 56.490 EUR
festgesetzt.
4 In den Jahren 2011 bis 2012 fand bei der Klägerin als
Rechtsnachfolgerin der KG eine Betriebsprüfung statt, die u.a. die
gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte und die
Gewerbesteuer für 2008 umfasste. Dabei ermittelten die Prüfer
einen von der GmbH durch den Verkauf ihres Kommanditanteils
erzielten Veräußerungsgewinn in Höhe von 1.548.296,46 EUR.
Die Prüfer gingen davon aus, dass der Veräußerungsgewinn
gemäß § 7 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes in der im Streitjahr
2008 geltenden Fassung (GewStG) in vollem Umfang der
Gewerbesteuer unterliege. Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(das Finanzamt --FA--) folgte dieser Rechtsauffassung und stellte
mit Gewinnfeststellungs-Änderungsbescheid vom 8. Oktober
2012 für die GmbH einen Veräußerungsgewinn in Höhe von
1.548.296,46 EUR fest. Der Gewerbesteuermessbetrag wurde mit
Änderungsbescheid vom 15. Oktober 2012 auf 100.261 EUR
festgesetzt.
5 Die Klägerin legte gegen den geänderten
Gewerbesteuermessbescheid Einspruch ein, mit dem sie sich u.a.
gegen den Ansatz des Veräußerungsgewinns in voller Höhe
wandte. Dieser sei in der Gewerbesteuererklärung nur mit einem
Anteil von 25 % berücksichtigt worden. Dieser Anteil entspreche
der Beteiligung der GmbH an der KG für ein halbes Jahr und ihrer
hälftigen Beteiligung am Kommanditkapital der KG. Entgegen der
Rechtsauffassung der Betriebsprüfer und entsprechend der
Regelung in § 35 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes
(EStG), die dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer
Rechnung trage, müsse auch ein Veräußerungsgewinn nach den
allgemeinen Gewinnverteilungsregeln verteilt werden. Der
Veräußerungsgewinn der GmbH unterliege daher nur zu 25,27 %,
d.h. in Höhe eines Betrags von 391.254 EUR der Gewerbesteuer.
Im Übrigen entfalle er auf natürliche, direkt an der KG beteiligte
Personen und sei daher gewerbesteuerfrei.
6 Unter dem 13. Mai 2014 wurde der Gewerbesteuermessbescheid
aus nicht streitgegenständlichen Gründen erneut geändert.
7 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Urteil vom 26. Mai
2015 10 K 1590/14 G als unbegründet ab.
8 Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision rügt die Klägerin die
Verletzung des § 7 Satz 2 GewStG.
9 Sie beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den
Gewerbesteuermessbescheid für 2008 vom 13. Mai 2014 dahin
zu ändern, dass der Gewinn aus der Veräußerung des KG-Anteils
nicht in vollem Umfang (1.548.296 EUR), sondern nur anteilig
nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel in Höhe von
391.254 EUR beim Gewerbeertrag berücksichtigt und der
Gewerbesteuermessbetrag 2008 auf 59.765 EUR herabgesetzt
wird.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das Verfahren war zwischenzeitlich bis zum Ergehen des Urteils
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10. April 2018
1 BvR 1236/11 (BStBl II 2018, 303) ausgesetzt.
Entscheidungsgründe
II.
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Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg und war deshalb
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--
). Zu Recht sind FA und FG davon ausgegangen, dass der
Gewinn, den die GmbH aus der Veräußerung ihres
Mitunternehmeranteils an der KG erzielt hat, in vollem Umfang in
den Gewerbeertrag der KG einbezogen wird und daher auch in
vollem Umfang der Gewerbesteuer unterliegt.
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1. Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist der
Gewerbeertrag (§ 6 GewStG). Das ist der nach den Vorschriften
des EStG oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde
Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um
die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge (§ 7 Satz 1
GewStG).
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2. Der Gewerbeertrag ist allerdings um solche Bestandteile zu
bereinigen, die nicht mit dem Wesen der Gewerbesteuer als einer
auf den tätigen Gewerbebetrieb bezogenen Sachsteuer
übereinstimmen (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH--
vom 15. April 2010 IV R 5/08, BFHE 229, 524, BStBl II 2010, 912;
vom 24. August 2000 IV R 51/98, BFHE 192, 534, BStBl II 2005,
173, m.w.N.). Zu diesen --herauszurechnenden-- Bestandteilen
gehören z.B. Gewinne, die nicht dem laufenden Betrieb, sondern
dessen Aufgabe oder Veräußerung zuzuordnen sind (ständige
Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 18. Dezember 2014
IV R 59/11), sofern nicht gewerbesteuerliche Sonderregelungen
ihre Einbeziehung ausdrücklich vorsehen. Bis zur Einfügung des
(jetzigen) § 7 Satz 2 GewStG durch das Fünfte Gesetz zur
Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur
Änderung von Steuergesetzen (StBAÄG) vom 23. Juli 2002 (BGBl
I 2002, 2715) unterlagen bei Mitunternehmerschaften daher
Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe des
Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs grundsätzlich nicht der
Gewerbesteuer. Gleiches galt für die Veräußerung oder Aufgabe
des (gesamten) Anteils an einer Mitunternehmerschaft, denn in
einem solchen Fall beendet der Veräußerer seine
mitunternehmerische Tätigkeit (z.B. BFH-Urteil in BFHE 192, 534,
BStBl II 2005, 173).
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3. Mit der Einfügung von § 7 Satz 2 GewStG durch das StBAÄG
hat der Gesetzgeber diese Rechtslage für
Mitunternehmerschaften allerdings insofern geändert, als bei
ihnen nun auch die Gewinne aus der Veräußerung ihres Betriebs,
eines Teilbetriebs oder von Anteilen eines Gesellschafters, der als
Mitunternehmer anzusehen ist, weitgehend der Gewerbesteuer
unterworfen werden. Nach § 7 Satz 2 GewStG gehört zum
Gewerbeertrag nunmehr auch der Gewinn aus der Veräußerung
oder Aufgabe (1.) des Betriebs oder eines Teilbetriebs einer
Mitunternehmerschaft, (2.) des Anteils eines Gesellschafters, der
als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs einer
Mitunternehmerschaft anzusehen ist und (3.) des Anteils eines
persönlich haftenden Gesellschafters einer
Kommanditgesellschaft auf Aktien, soweit er nicht auf eine
natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer
entfällt.
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Der im Streitfall anzuwendende § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG i.d.F. des
StBAÄG ist verfassungsgemäß (BFH-Urteil vom 22. Juli 2010
IV R 29/07, BFHE 230, 215, BStBl II 2011, 511, bestätigt durch
BVerfG-Urteil in BStBl II 2018, 303).
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4. Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass ein Gewinn aus
der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils i.S. des § 7 Satz 2
Nr. 2 GewStG in vollem Umfang auf den Mitunternehmer "entfällt",
der ihn erzielt, d.h. in dessen Person er entsteht. Dabei kann
dahinstehen, ob sich dies nicht bereits aus dem Wortlaut der
Norm ergibt. Denn jedenfalls ergibt sich diese Auslegung aus dem
Sinn und Zweck der Regelung und ihrer Entstehungsgeschichte.
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a) Mit der Einfügung des (jetzigen) Satzes 2 in § 7 GewStG durch
das StBAÄG sollte ausweislich der Begründung des
Gesetzentwurfs einer bis dahin möglichen und auch genutzten
steuerlichen Umgehungsgestaltung der Boden entzogen werden
(vgl. BTDrucks 14/6882, S. 41). Ausgangspunkt der bekämpften
Steuergestaltung war, dass Kapitalgesellschaften für Gewinne
aus der Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter, aber auch aus
der Veräußerung von Betrieben oder Teilbetrieben
uneingeschränkt gewerbesteuerpflichtig waren, ihr Gewinn aus
der Veräußerung eines Anteils an einer Personengesellschaft
hingegen nicht gewerbesteuerpflichtig war. Diese Rechtslage
verschaffte Kapitalgesellschaften die Möglichkeit, nach § 6 Abs. 5
Satz 3 EStG Wirtschaftsgüter steuerneutral in eine
Personengesellschaft einzubringen und sie anschließend durch
Verkauf der Beteiligung hieran gewerbesteuerfrei zu veräußern
(vgl. dazu BTDrucks 14/6882, S. 41, und "Bericht der
Bundesregierung zur Fortentwicklung des
Unternehmenssteuerrechts" an den Finanzausschuss des
Deutschen Bundestags vom 18. April 2001, Finanz-Rundschau
2001, Beilage zu Heft 11, 1, 2 ff.). Sinn und Zweck der Regelung
in § 7 Satz 2 GewStG, durch die nun auch bislang nicht
gewerbesteuerbare Veräußerungsgewinne in die
Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer einbezogen
werden, war also die Bekämpfung von bestimmten
Steuergestaltungen zur Umgehung der Gewerbesteuerpflicht.
Damit verfolgt der Gesetzgeber ein legitimes Ziel. Er darf
Vorkehrungen treffen, um die Bemessungsgrundlage einer Steuer
auch im praktischen Vollzug möglichst weitgehend zu erhalten.
Unter Umständen folgt aus dem Gebot der gleichheitsgerechten
Besteuerung sogar eine Pflicht, Möglichkeiten für
Umgehungsgestaltungen im Gesetz zu vermeiden (BVerfG-Urteil
in BStBl II 2018, 303, Rz 123).
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b) Dem dargestellten Sinn und Zweck der Regelung, wie er sich
insbesondere aus der Entstehungsgeschichte des § 7 Satz 2
GewStG ergibt, entspricht nur die vom FG vorgenommene
Auslegung des Begriffs "entfallen auf" in § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG.
Danach entfällt der Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an
einer Mitunternehmerschaft in vollem Umfang auf den
Mitunternehmer, der den Veräußerungsgewinn erzielt, d.h. in
dessen Person er entsteht. Die Differenzierung in § 7 Satz 2
Halbsatz 2 GewStG danach, ob es sich bei dem Mitunternehmer,
der den Veräußerungsgewinn erzielt, um eine natürliche Person
als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer handelt oder um einen
Mitunternehmer, der diese Eigenschaft nicht aufweist, führt also
dazu, dass ein von letzterem Mitunternehmer erzielter
Veräußerungsgewinn in vollem Umfang, ein von ersterem erzielter
Veräußerungsgewinn hingegen überhaupt nicht
gewerbesteuerbar ist. Genau dies wollte der Gesetzgeber mit der
Regelung in § 7 Satz 2 GewStG erreichen. Die von der Klägerin
vertretene Auslegung würde dem Willen des Gesetzgebers
hingegen nicht gerecht. Wie dargelegt, will der Gesetzgeber mit
§ 7 Satz 2 GewStG insbesondere verhindern, dass eine
Kapitalgesellschaft Wirtschaftsgüter, deren Veräußerung bei ihr
gewerbesteuerpflichtig wäre, nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG
steuerneutral in das Gesamthandsvermögen einer
Personengesellschaft überführt, um dann ihren Anteil an dieser
Personengesellschaft (und damit auch die anteiligen
Wirtschaftsgüter) gewerbesteuerfrei zu veräußern. Dem
Gesetzgeber kam es also mit der Regelung darauf an, den in der
Person des Veräußerers entstehenden Veräußerungsgewinn in
vollem Umfang der Gewerbesteuer zu unterwerfen, sofern es sich
bei dem Veräußerer nicht um eine unmittelbar beteiligte natürliche
Person handelt. Diesem Zweck widerspräche es, den Umfang der
Gewerbesteuerbarkeit dieses Veräußerungsgewinns davon
abhängig zu machen, ob und ggf. in welchem Umfang auch
natürliche Personen als unmittelbar beteiligte Mitunternehmer im
Erhebungszeitraum an der Personengesellschaft beteiligt sind.
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5. Die hiergegen gerichteten Einwände der Klägerin greifen nicht
durch.
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a) Auch die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass der Gesetzgeber
trotz Einfügung des § 7 Satz 2 GewStG ohne Verstoß gegen den
Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit an seiner
in § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG für das Recht der Gewerbesteuer
zum Ausdruck kommenden Entscheidung festhalten durfte, die
Steuerschuldnerschaft der Personengesellschaft zuzuweisen,
obwohl der Gewinn aus der Veräußerung des Anteils an einer
Mitunternehmerschaft beim veräußernden Gesellschafter
verbleibt. Durch Gesellschaftsvertrag können etwaige
Freistellungspflichten des die Gesellschaft durch den Verkauf
seines Anteils verlassenden Gesellschafters im Hinblick auf
Steuern vereinbart werden, die dadurch bei der Gesellschaft
anfallen (vgl. BVerfG-Urteil in BStBl II 2018, 303).
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b) Mit der Anknüpfung des Begriffs "entfallen" in § 7 Satz 2
GewStG an den Mitunternehmer, der den streitigen
Veräußerungsgewinn erzielt, d.h. in dessen Person er entsteht,
erfolgt keine Zuordnung des Veräußerungsgewinns auf die
Gesellschafter. Vielmehr wird lediglich der Gewerbeertrag, nach
dem sich die vom Gewerbesteuerschuldner geschuldete
Gewerbesteuer bemisst, der Höhe nach um bestimmte
Veräußerungsgewinne erweitert. Diese Höhe wird allerdings
anders als von der Klägerin begehrt bestimmt.
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c) Wie oben dargelegt, entspricht die Auslegung, i.S. des § 7
Satz 2 GewStG "entfalle" ein Veräußerungsgewinn auf die
Person, die ihn erziele, dem Sinn und Zweck des § 7 Satz 2
GewStG, wohingegen dieser Zweck durch die von der Klägerin
vertretene Auslegung nicht erreicht würde. Es ist auch nicht
ersichtlich, dass die von der Klägerin vertretene Auslegung des
Begriffs "entfallen" in § 7 Satz 2 GewStG aus sonstigen Gründen,
etwa im Hinblick auf den Objektsteuercharakter der
Gewerbesteuer oder die Leistungsfähigkeit der
Personengesellschaft als Schuldner der Gewerbesteuer,
vorzuziehen wäre.
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.