Urteil des BFH vom 23.11.2016

Ausgleichszahlung zur Abfindung des Versorgungsausgleichs

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 23.11.2016, X R 48/14
ECLI:DE:BFH:2016:U.231116.XR48.14.0
Ausgleichszahlung zur Abfindung des Versorgungsausgleichs
Leitsätze
1. Eine Ausgleichszahlung für den Ausschluss des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs im Wege des Splittings oder
des Quasi-Splittings war in den Jahren 2006 und 2007 bei dem Berechtigten dem Grunde nach als Entschädigung für
entgehende Einnahmen steuerpflichtig.
2. Die Steuerpflicht ist auf die Quote beschränkt, die dem sozialversicherungsrechtlichen Höchstausgleich entspricht.
3. Sie ist zusätzlich begrenzt auf den künftig der Besteuerung unterliegenden Anteil der Rente bei Rentenbeginn.
4. Eine Ausgleichszahlung für den Ausschluss des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs war in den Jahren 2006 und
2007 bei dem Berechtigten nicht steuerbar.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 8. Juli 2014 11 K 1432/11 aufgehoben.
Die Sache wird an das Hessische Finanzgericht zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Tatbestand
I.
1
Die seit 2006 verheirateten Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden zur Einkommensteuer zusammen
veranlagt. Die Klägerin war bereits zuvor verheiratet. Sie hatte mit ihrem ehemaligen Ehemann (X) unter Hinweis auf
erhebliche Zahlungen eine Vereinbarung über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs geschlossen, die das
Familiengericht genehmigte. X übertrug der Klägerin im Jahre 2006 einen Bausparvertrag mit einem Wert von ca.
30.000 EUR und zahlte einen Geldbetrag in Höhe von 5.000 EUR. In den Jahren 2007 bis 2010 hatte er weitere
Zahlungen in Höhe von 32.000 EUR (2007), 23.000 EUR (2008) und jeweils 20.000 EUR (2009 und 2010) zu
erbringen. Für X bestand nach den Feststellungen des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt --FA--) keine
Rentenanwartschaft, weil er Beamter oder Arbeitnehmer mit vergleichbaren Versorgungsansprüchen war.
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Nach einer verwaltungsinternen Kontrollmitteilung hat die Klägerin im Streitjahr 2006 von X den Bausparvertrag im
Wert von 29.995 EUR und eine Barzahlung in Höhe von 5.000 EUR nebst 12.000 EUR Unterhaltsleistungen erhalten,
im Streitjahr 2007 eine Zahlung in Höhe von 32.000 EUR. Es ist unstreitig, dass X die Leistungen in Höhe von
34.995 EUR und 32.000 EUR erbracht hatte, um einen Versorgungsausgleich zu vermeiden. Zusätzlich zu der
Unterhaltszahlung von 12.000 EUR im Jahre 2006 unterwarf das FA beide Beträge bei der Klägerin als sonstige
Einkünfte in Form von wiederkehrenden Bezügen nach § 22 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der in den
Streitjahren geltenden Fassung (EStG) der Besteuerung.
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Mit ihrer Klage machten die Kläger im Wesentlichen geltend, die Ausgleichszahlungen seien in den Streitjahren 2006
und 2007 mangels Rechtsgrundlage nicht steuerbar. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben (Urteil vom
8. Juli 2014 11 K 1432/11, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2014, 1678). Die Zuflüsse seien weder nach
§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG noch nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG i.V.m. § 22
Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG noch nach § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG zu versteuern.
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Mit der Revision macht das FA geltend, die Ausgleichszahlungen seien Einkünfte aus Leistungen nach § 24 Nr. 1
Buchst. a EStG i.V.m. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. Es handele sich um eine Entschädigung für
den Verzicht auf die mit Renteneintritt zustehenden Renteneinnahmen, da die Zahlung sich nicht auf die Erfüllung
beschränke, sondern die endgültige Aufgabe eines Vermögenswerts in Gestalt einer Versorgungsanwartschaft
bewirke. Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) Entschädigungen nur annehme, soweit der Steuerpflichtige unter
rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck gestanden habe, sei dies allein im Zusammenhang mit § 34
EStG zu sehen und schränke den Anwendungsbereich von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht ein. Es sei ungereimt,
Entschädigungen für freiwillige Einnahmeverluste besser zu stellen als für unfreiwillige und den Empfänger einer
Ausgleichszahlung besser zu stellen als bei Durchführung des Versorgungsausgleichs. Zumindest bei dem
Ausgleichsverpflichteten handele es sich nach dem BFH-Urteil vom 8. März 2006 IX R 78/01 (BFHE 212, 514, BStBl
II 2006, 448) nicht um Ersatzleistungen im nicht steuerverhafteten Privatvermögen. Damit führe die Entscheidung
dazu, dass derselbe Betrag einerseits bei dem Geber steuermindernd berücksichtigt, andererseits bei dem
Empfänger der Privatsphäre zugeordnet werde.
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Das FA beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
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Die Abfindungszahlungen seien keine Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 EStG. § 24 EStG bilde keine neue, selbständige
Einkunftsart. Sie seien kein Ersatz für Einkünfte aus § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, da es sich
lediglich um Ersatzleistungen für Wertminderungen im Privatvermögen handele.
Entscheidungsgründe
II.
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Die Revision ist begründet mit der Maßgabe, dass das FG-Urteil nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das
FG zurückzuverweisen ist. Die seitens der Klägerin empfangenen Zahlungen gehören zu den sonstigen Einkünften
nach § 22 EStG. Der Senat kann jedoch anhand der Feststellungen des FG nicht abschließend beurteilen, mit
welchem Anteil sie steuerpflichtig sind.
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1. Der Versorgungsausgleich zwischen geschiedenen Ehegatten richtete sich in den Streitjahren in erster Linie nach
§§ 1587a, 1587b des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der in diesen Jahren geltenden Fassung (BGB a.F.), während das
Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) erst zum Tragen kam, wenn der
Versorgungsausgleich nach den Vorschriften des BGB a.F. nicht möglich war.
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a) Der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich wurde entweder durch unmittelbare Aufteilung der Anrechte oder
durch Begründung von Anrechten für den Versorgungsausgleichsberechtigten in der gesetzlichen
Rentenversicherung zu Lasten der sonstigen Anrechte des Versorgungsausgleichsverpflichteten verwirklicht.
Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung wurden nach § 1587b Abs. 1 BGB a.F. durch
anteilige Übertragung der Rentenanwartschaften aufgeteilt (Splitting). Bei Versorgungsanwartschaften aus
öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen begründete das Familiengericht nach § 1587b Abs. 2 BGB a.F. für den
ausgleichsberechtigten Ehegatten Rentenanwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung (Quasi-Splitting).
Für sonstige Anwartschaften standen die Realteilung nach § 1 Abs. 2 VAHRG sowie das analoge Quasi-Splitting nach
§ 1 Abs. 3 VAHRG i.V.m. § 1587b Abs. 2 BGB a.F. und deren Erweiterungen durch § 3b VAHRG zur Verfügung.
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War dies alles nicht möglich, erfolgte der schuldrechtliche Versorgungsausgleich nach § 2 VAHRG i.V.m. § 1587f bis
1587n BGB a.F.. Er besteht im Kern darin, dass der ausgleichsverpflichtete Ehegatte bei Eintritt des
Versorgungsfalles dem anderen Ehegatten eine Ausgleichsrente zahlt, der seinerseits einen Anspruch auf Abtretung
der Versorgungsansprüche geltend machen kann (§§ 1587g Abs. 1 Satz 1, 1587i Abs. 1 BGB a.F.).
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§ 1587o Abs. 1 BGB a.F. erlaubte es, im Zusammenhang mit der Scheidung durch eine Parteivereinbarung anstelle
des Versorgungsausgleichs ein Ausgleichssurrogat und damit auch die Leistung einer Abfindung zu vereinbaren.
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b) Eine zusätzliche Begrenzung enthielten die Vorschriften über die gesetzliche Rentenversicherung. Innerhalb der
gesetzlichen Rentenversicherung wurde nach § 76 Abs. 1 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) der
zugunsten oder zu Lasten von Versicherten durchgeführte Versorgungsausgleich durch einen Zuschlag oder
Abschlag von Entgeltpunkten berücksichtigt. Die Übertragung oder Begründung von Rentenanwartschaften
zugunsten von Versicherten (und damit zugunsten von Versorgungsausgleichsberechtigten) führte nach § 76 Abs. 2
Satz 1 SGB VI zu einem Zuschlag an Entgeltpunkten. Dieser Zuschlag durfte nach § 76 Abs. 2 Satz 3 SGB VI
zusammen mit den in der Ehezeit oder Lebenspartnerschaftszeit bereits vorhandenen Entgeltpunkten den Wert
nicht übersteigen, der sich ergibt, wenn die Anzahl der Kalendermonate der Ehezeit oder Lebenspartnerschaftszeit
durch sechs geteilt wird; eine Übertragung oder Begründung von Rentenanwartschaften war nur bis zu dem
entsprechenden Höchstbetrag wirksam. Darüber hinaus stand regelmäßig der schuldrechtliche
Versorgungsausgleich zur Verfügung.
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2. Für die steuerliche Behandlung des Versorgungsausgleichs, wäre er durchgeführt worden, ist zu differenzieren.
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a) Die Begründung von Rentenanwartschaften für den Ausgleichsberechtigten im Wege des Quasi-Splittings führt
zur Kürzung der später zufließenden Pensionsbezüge nach § 57 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) und
somit zu einer Schmälerung der steuerpflichtigen Alterseinkünfte des Ausgleichsverpflichteten. Der
Ausgleichsberechtigte hingegen hat die ihm zufließenden Renten der gesetzlichen Rentenversicherung nach
Maßgabe von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG zu versteuern. Das bedeutet, dass die
Besteuerung auf den in der Tabelle in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG für das jeweilige
Jahr des Rentenbeginns genannten Besteuerungsanteil begrenzt ist.
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b) Die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs hat keinen Einfluss auf die Höhe der
steuerpflichtigen Einkünfte des Ausgleichsverpflichteten. Die ungekürzten Versorgungsbezüge wären steuerrechtlich
eigene Einkünfte des Verpflichteten geblieben, da die Verpflichtung, sie zum Teil an den
versorgungsausgleichsberechtigten anderen Ehegatten weiterzuleiten, ein Vorgang im Bereich der
Einkommensverwendung ist (vgl. im Einzelnen Senatsurteil vom 15. Juni 2010 X R 23/08, BFH/NV 2010, 1807,
unter II.1.b). Jedoch könnte der Ausgleichsverpflichtete sie als Sonderausgaben in Gestalt dauernder Lasten gemäß
§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG geltend machen, soweit sie auf steuerbaren Einkünften beruhen.
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Bei dem Ausgleichsberechtigten handelt es sich um sonstige wiederkehrende Leistungen gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1
EStG, die der Besteuerung unterliegen, soweit die transferierten Leistungen bei dem Ausgleichsverpflichteten
ihrerseits steuerbar waren. Beim Ausgleichsverpflichteten korrespondieren die (etwaige) Besteuerungsquote und die
Sonderausgabenabzugsquote; ferner korrespondieren der Sonderausgabenabzug beim Ausgleichsverpflichteten und
die Steuerpflicht beim Ausgleichsberechtigten (vgl. im Einzelnen Senatsurteile vom 18. September 2003
X R 152/97, BFHE 203, 337, BStBl II 2007, 749; vom 15. Oktober 2003 X R 29/01, BFH/NV 2004, 478).
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3. Wird der Versorgungsausgleich vertraglich ausgeschlossen und dafür eine Abfindungszahlung vereinbart, ist für
deren steuerliche Behandlung beim Ausgleichsverpflichteten ebenfalls zu differenzieren.
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a) Ein Ausgleichsverpflichteter, der als Beamter oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen einen Anspruch auf
eine Altersversorgung hat, kann derartige Abfindungszahlungen, mit denen er die durch das Quasi-Splitting
eintretende Kürzung der später zufließenden Pensionsbezüge nach § 57 BeamtVG vermeidet, ebenso wie
Auffüllungszahlungen an den Dienstherrn sofort als (vorab entstandene) Werbungskosten abziehen (vgl. BFH-Urteile
vom 8. März 2006 IX R 107/00, BFHE 212, 511, BStBl II 2006, 446; in BFHE 212, 514, BStBl II 2006, 448; vom
17. Juni 2010 VI R 33/08, BFH/NV 2010, 2051; vom 24. März 2011 VI R 59/10, BFH/NV 2011, 1130).
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b) Abfindungszahlungen zur Vermeidung eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs können demgegenüber bei
dem Ausgleichsverpflichteten steuerrechtlich überhaupt nicht berücksichtigt werden. Der Werbungskostenabzug
scheitert daran, dass dem Ausgleichsverpflichteten auch bei Durchführung des Versorgungsausgleichs die
ungekürzten Versorgungsbezüge verbleiben. Dies korrespondiert mit der steuerrechtlichen Behandlung der
Eink&muml;nfte bei Durchführung des Versorgungsausgleichs. Anders als bei einem tatsächlich durchgeführten
schuldrechtlichen Versorgungsausgleich ist jedoch auch der Sonderausgabenabzug nicht möglich, da die
Abfindungszahlung den Transfer steuerrechtlicher Leistungsfähigkeit gerade verhindert. Der Abzug als
außergewöhnliche Belastung kommt schließlich ebenfalls nicht in Betracht, weil es sich um Aufwendungen im
Zusammenhang mit einer Vermögensauseinandersetzung handelt (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2010, 1807, unter
II.1.b, II.3., II.4.).
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4. Bei dem Ausgleichsberechtigten ist ebenfalls zu unterscheiden. Soweit mit einer Abfindungszahlung das Quasi-
Splitting ausgeschlossen wird, unterliegt diese dem Grunde nach der Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa EStG i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Dies ist jedoch beschränkt auf den Besteuerungsanteil, der
sich aus den Tabelle in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG ergibt.
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Nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die als
Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind.
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a) Die Klägerin als Ausgleichsberechtigte hat die Abfindungszahlung als Ersatz für entgehende Einnahmen erhalten,
und zwar, soweit sie das Quasi-Splitting betrifft, für die Leibrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die sie
bezogen hätte, wäre der Versorgungsausgleich durchgeführt worden. Es ist unschädlich, wenn, wie hier, der Ersatz
durch einen Dritten geleistet wird (vgl. BFH-Urteil vom 30. Oktober 1970 VI R 273/67, BFHE 100, 504, BStBl
II 1971, 138, unter III.). Die entgehenden Einnahmen aus der gesetzlichen Rentenversicherung wären mit der
entsprechenden Besteuerungsquote nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG steuerpflichtig
gewesen. Der Einwand der Klägerin, § 24 EStG begründe keinen selbständigen Steuertatbestand, geht daher ins
Leere. Die Besteuerung gründet auf der Steuerpflicht derjenigen Einnahmen, die die Abfindungszahlung ersetzt.
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b) Einer Zwangslage auf Seiten des Empfängers bedarf es jedenfalls bei Leistungen zur Abfindung eines
Versorgungsausgleichs nicht.
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aa) Grundsätzlich setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH der Begriff der Entschädigung u.a. voraus, dass
der Steuerpflichtige unter einem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck handelt,
sich also in einer nicht von ihm, sondern von dem Leistenden herbeigeführten Zwangssituation befindet (vgl. etwa
BFH-Urteil vom 11. Januar 2005 IX R 67/02, BFH/NV 2005, 1044, unter II.1.a cc). Dem steht eine einverständliche
Regelung allerdings nicht entgegen. Es reicht aus, wenn der Empfänger in einer Konfliktsituation zur Vermeidung von
Streitigkeiten, obwohl ihm eine andere Lösung lieber gewesen wäre, letztlich nachgegeben hat (vgl. BFH-Urteil vom
29. Februar 2012 IX R 28/11, BFHE 237, 56, BStBl II 2012, 569, unter II.1.b).
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bb) Der Senat lässt dahingestellt, ob er grundsätzlich im Rahmen des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG an dem Erfordernis
der Zwangssituation festhalten möchte. Im Streitfall hat das FG Feststellungen zu der Frage, welcher der
vormaligen Ehegatten Interesse an der Ablösung des Versorgungsausgleichs und insoweit die Initiative ergriffen
hatte, nicht getroffen. Aus dem Wortlaut des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ergibt sich dieses Tatbestandsmerkmal
nicht. Aus dem Zweck dieser Norm ist die Notwendigkeit eines solchen ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals
ebenfalls nicht abzuleiten. Vielmehr ist es folgerichtig, Ersatzleistungen für Einkünfte jedweder Art ebenso der
Besteuerung zu unterwerfen wie die Einkünfte selbst, gleich, wie die Ersatzleistung zustande gekommen ist. Einen
Anknüpfungspunkt für die Forderung nach einer Druck- oder Zwangssituation bietet erst die --im Streitfall mangels
Zusammenballung der Abfindungszahlung ohnehin nicht anwendbare-- Vorschrift des § 34 EStG, die das Vorliegen
"außerordentlicher" Einkünfte voraussetzt. Dies gebietet es jedoch nicht, bereits die Anwendbarkeit des --nicht eine
Steuervergünstigung, sondern die Steuerbarkeit als solche regelnden-- Tatbestands des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG
hiervon abhängig zu machen.
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cc) Soweit es um die Frage geht, ob eine Abfindungszahlung für den Ausschluss eines Versorgungsausgleichs eine
Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ist, wäre aber das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der
durch den Leistenden herbeigeführten Zwangslage auch nicht anwendbar. Die Einheit der Rechtsordnung gebietet
insoweit die wortlautgemäße Anwendung der Norm. Das Scheidungsrecht ist heute und war auch bereits in den
Streitjahren grundsätzlich verschuldensunabhängig ausgestaltet. Das galt auch für den Versorgungsausgleich.
Soweit §§ 1587c Nr. 2, 3, 1587h Nr. 2, 3 BGB a.F. den Versorgungsausgleich in Fällen selbst herbeigeführter
Versorgungslücken sowie bei langer und gröblicher Verletzung der Unterhaltspflicht ausschlossen, handelt es sich
um spezialgesetzliche Ausnahmen. Fehlen deren Voraussetzungen, findet eine Verhaltens- und Verschuldensprüfung
nicht statt. Es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn im Besteuerungsverfahren das persönliche Verhältnis der in
Scheidung befindlichen Ehegatten im Hinblick auf die Feststellung einer Zwangslage in einer Weise durchleuchtet
werden müsste, in der das Familienrecht dies ausdrücklich nicht vorsieht. Da für die Frage, wie eine Vereinbarung
über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs zustande gekommen ist, eine entsprechende spezialgesetzliche
Anordnung für eine derartige Prüfung fehlt, muss sie auch im Besteuerungsverfahren unterbleiben. Das bedeutet,
dass in derartigen Fällen eine Entschädigung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG bereits ohne besondere Prüfung einer
Zwangslage zu bejahen ist.
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c) Die Besteuerung der Abfindungszahlung ist auf den Besteuerungsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG beschränkt, mit der die Rentenzahlungen besteuert worden wären, wäre der
Versorgungsausgleich durchgeführt worden. Die Steuerpflicht der Entschädigungen nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG
ist von der Steuerpflicht derjenigen Einnahmen abgeleitet, die sie ersetzen. Sie setzt folglich voraus, dass die
künftigen Einnahmen, um die es geht, ihrerseits steuerbar gewesen wären. Das bedeutet weiter, dass die
Entschädigung nur insoweit der Besteuerung unterliegt, als die Einnahmen steuerpflichtig gewesen wären. Die
entsprechende Quote ist daher auch auf die Steuerpflicht der Entschädigung anzuwenden.
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Abzustellen ist deshalb auf das Jahr des voraussichtlichen Renteneintritts. Nicht maßgebend ist das Jahr, in dem die
Abfindungszahlung geleistet worden ist. Diese Sachlage ist nicht zu verwechseln mit der durch einen
Versorgungsträger geleisteten Abfindung, die, sofern sie § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG
unterfällt, mit dem Besteuerungsanteil des Zahlungsjahres steuerpflichtig ist (vgl. etwa Senatsurteil vom
23. Oktober 2013 X R 33/10, BFHE 243, 332, BStBl II 2014, 103 zur Austrittsleistung einer schweizerischen
Pensionskasse). Auf diese ist der Besteuerungsanteil aus § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG
unmittelbar anwendbar. Da die Steuerpflicht der im Streitfall zu beurteilenden Entschädigung aber mit der
Steuerpflicht der ausgefallenen Einnahmen steht und fällt, ist sie auch auf die Besteuerungsquote dieser Einnahmen
begrenzt.
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5. Soweit die Abfindungszahlung hingegen den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich ausschließt, ist sie nicht
steuerbar. Die tatbestandlich gegebene Steuerpflicht nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG
ist wegen fehlenden Transfers von Leistungsfähigkeit aus systematischen und teleologischen Gründen auf Null zu
reduzieren.
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a) Bei entsprechender Anwendung der unter II.4. erörterten Grundsätze wäre die Abfindungszahlung auch
steuerpflichtig, soweit sie sich auf den Ausschluss des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs bezieht. Die von
dem Ausgleichsberechtigten vereinnahmten Zahlungen wären als wiederkehrende Leistungen nach § 22 Nr. 1 Satz
1 EStG steuerbar und steuerpflichtig gewesen (s.o. unter II.2.b), so dass dem Grunde nach die Steuerpflicht der
Abfindungszahlung als Entschädigung nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG eröffnet wäre.
Nur die Einschränkung in II.4.c wäre insoweit zu modifizieren, als nicht die Besteuerungsquote nach § 22 Nr. 1
Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG, sondern die Besteuerungsquote nach Maßgabe der Senatsurteile
in BFHE 203, 337, BStBl II 2007, 749 und BFH/NV 2004, 478 zum Tragen käme.
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b) Die Steuerbarkeit der bei Durchführung eines Versorgungsausgleichs durch den Ausgleichsberechtigten
vereinnahmten Leistungen gründet bei den unterschiedlichen Arten des Versorgungsausgleichs auf gänzlich
unterschiedlicher systematischer Quelle.
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aa) Bei Durchführung des Quasi-Splittings folgt die Steuerpflicht unmittelbar aus § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa EStG (s.o. unter II.2.a). Die Korrespondenz der Besteuerung zwischen Ausgleichsverpflichtetem
und Ausgleichsberechtigten ist nur eingeschränkt gewährleistet. Dem Totalverlust der ausgeglichenen
Versorgungsansprüche auf Seiten des Ausgleichsverpflichteten und der naturgemäß damit einhergehenden
fehlenden Steuerbarkeit steht eine ggf. nur anteilige Steuerpflicht des Ausgleichsberechtigten nach § 22 Nr. 1 Satz
3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG gegenüber. Dies resultiert aus der Beteiligung zweier
Versorgungssysteme, die ihrerseits unterschiedlichen Besteuerungsregimen unterworfen sind.
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bb) Beim schuldrechtlichen Versorgungsausgleich folgt die Steuerpflicht aus § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG (s.o. unter
II.2.b). Bei Anwendung dieser Vorschrift hat sich der Senat maßgebend darauf gestützt, dass ein Transfer
steuerlicher Leistungsfähigkeit stattfinde, der bei dem Ausgleichsverpflichteten zum Sonderausgabenabzug nach
§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG, auf der anderen Seite aber bei dem Ausgleichsberechtigten zur Steuerpflicht führen
müsse. Auch im Umfang hat der Senat die Besteuerung bei dem Ausgleichsberechtigten davon abhängig gemacht,
dass die Zahlungen bei dem Ausgleichsverpflichteten aus steuerbaren Einkünften erbracht wurden. Insgesamt
beruht die steuerliche Behandlung der Leistungen im Rahmen eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs auf
einem weitgehenden Korrespondenzprinzip zwischen den beiden Parteien des Versorgungsausgleichs (vgl.
Senatsurteile in BFHE 203, 337, BStBl II 2007, 749, sowie in BFH/NV 2004, 478).
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c) Die Steuerbarkeit der für den Ausschluss des Quasi-Splittings geleisteten Zahlung ist nach Grund und Höhe aus
der Steuerbarkeit der bei Durchführung des Versorgungsausgleichs zu erwartenden Rentenzahlungen abgeleitet. Die
erhaltene Abfindung ist steuerpflichtig, weil die entgangenen Einnahmen steuerpflichtig gewesen wären, und sie ist
gerade insoweit steuerpflichtig, wie die entgangenen Einnahmen es gewesen wären. Insoweit besteht
Korrespondenz zwischen der steuerlichen Behandlung des Versorgungsausgleichs und der steuerlichen Behandlung
der Abfindung zu dessen Ausschluss (vgl. im Einzelnen unter II.4.).
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Eine Korrespondenz der Besteuerung zwischen Ausgleichsverpflichtetem und Ausgleichsberechtigten ist für diese
Überlegungen nicht tragend, zumal das Korrespondenzprinzip für sich genommen keinen Besteuerungstatbestand
bildet und daher für die Besteuerung nicht konstitutiv sein kann. Im Ergebnis allerdings findet sich das im Quasi-
Splitting vorhandene Maß an Korrespondenz auch in der Besteuerung der Abfindungszahlung wieder, so dass
immerhin kein Systembruch entsteht: Der Berechtigte hat die Abfindungszahlung mit der jeweiligen
Besteuerungsquote des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG zu versteuern. Der Verpflichtete
kann sie in demselben Umfange als Werbungskosten abziehen.
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d) Werden Abfindungszahlungen zum Ausschluss eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs geleistet, so
schließt jedoch die fehlende Korrespondenz zwischen Ausgleichsverpflichtetem und Ausgleichsberechtigtem die
Besteuerung bei letzterem aus.
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aa) Während rechtstechnisch aus den unter II.5.a genannten Gründen die steuerliche Erfassung bei dem
Berechtigten folgerichtig wäre, geböte das Korrespondenzprinzip andererseits die Steuerfreiheit der
Abfindungszahlung. Der Senat hat die Abziehbarkeit der Abfindungszahlung bei dem Leistenden nicht nur als
Werbungskosten, sondern auch als Sonderausgaben mit der Überlegung abgelehnt, dass sie gerade keinen Transfer
steuerlicher Leistungsfähigkeit bewirken (Senatsurteil in BFH/NV 2010, 1807). Der Ausgleichsverpflichtete erbringt
insoweit die Abfindungszahlung aus versteuertem Einkommen. Unter Korrespondenzgesichtspunkten müsste die
Zahlung bei dem Ausgleichsberechtigten steuerfrei sein.
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bb) Der Senat löst diesen Konflikt zugunsten des Korrespondenzprinzips auf. Da die Abfindungszahlung bei dem
Ausgleichsverpflichteten nicht steuerlich berücksichtigt werden kann, ist sie bei dem Ausgleichsberechtigten nicht
steuerbar.
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Maßgebend dafür ist allerdings nicht unmittelbar das Bestreben, bei isolierter Betrachtung der steuerlichen
Behandlung der Abfindungszahlung Korrespondenz herzustellen. Ein allgemeines Korrespondenzprinzip, das sich auf
jedwede Zahlungen bei dem Leistenden und dem Leistungsempfänger erstreckte, ist dem Einkommensteuerrecht
unbekannt. Entscheidend ist vielmehr, dass die steuerliche Behandlung des durchgeführten Versorgungsausgleichs
von dem Gedanken des Transfers von Einkünften und damit von dem Korrespondenzprinzip zwischen dem
Ausgleichsberechtigten und dem Ausgleichsverpflichteten beherrscht wird (s.o. unter II.5.b bb). Wenn aber die
steuerliche Behandlung von Abfindungszahlungen von der steuerlichen Behandlung von
Versorgungsausgleichsleistungen abhängig gemacht wird, ist es folgerichtig, nicht nur das steuerpraktische
Ergebnis, sondern auch die für die Besteuerung des Versorgungsausgleichs prägenden Grundsätze zu übertragen.
Ist der Transfer von Einkünften tragendes Merkmal der Besteuerung im schuldrechtlichen Versorgungsausgleich, so
bedeutet das, dass die erhaltene Abfindung auch nur steuerbar sein kann, wenn sie Ausdruck eines Transfers von
Einkünften ist. Da dieser Transfer gerade nicht stattfindet, scheidet auch die Besteuerung aus.
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Unter diesem Aspekt ist der Ausschluss der Steuerbarkeit einer Abfindungszahlung für den schuldrechtlichen
Versorgungsausgleich gerade keine isolierte Anwendung des Korrespondenzprinzips. Vielmehr setzt er lediglich den
in § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG angelegten und auch beim Quasi-Splitting verfolgten Gedanken, dass die Besteuerung
der Abfindungszahlung aus der Besteuerung des laufenden Versorgungsausgleichs abgeleitet ist (s.o. II.4.),
umfassend um.
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6. Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung nicht möglich, da sich der etwaige Höchstbetrag nach § 76
Abs. 1 SGB VI mit Hilfe der Feststellungen des FG nicht ermitteln lässt. Damit steht nicht fest, ob und in welcher
Höhe das Quasi-Splitting im Streitfall begrenzt war und in welchem Umfange folglich die Abfindungszahlung auf die
Abgeltung des Quasi-Splittings oder ggf. auf die Abgeltung eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs entfällt.
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7. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
44
8. Der Senat entscheidet im Einverständnis mit den Beteiligten nach § 121 Satz 1 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO
ohne mündliche Verhandlung.