Urteil des BFH vom 29.02.2008
BFH (kläger, verhandlung, zpo, rüge, verletzung, verfahrensmangel, beweisaufnahme, sache, beweiswürdigung, protokoll)
BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 14.1.2009, II B 79/08
Darlegung von Verfahrensfehlern bei verzichtbaren Verfahrensmängeln: Unterlassene Protokollierung bestimmter Vorgänge
in der mündlichen Verhandlung - Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Fragerechts
Gründe
1 Die Beschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den
Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
2 1. Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird und
vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die schlüssige Rüge eines Verfahrensfehlers verlangt, dass
diejenigen Tatsachen --ihre Richtigkeit unterstellt-- genau und schlüssig bezeichnet werden, aus denen sich ergeben
soll, dass der behauptete Verfahrensfehler vorliegt und das angefochtene Urteil --nach der insoweit maßgebenden, ggf.
auch unrichtigen materiell-rechtlichen Auffassung des Finanzgerichts (FG)-- auf ihm beruhen kann (Beschlüsse des
Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. September 2006 VIII B 81/05, BFH/NV 2006, 2297; vom 29. Februar 2008 IV B 21/07,
BFH/NV 2008, 974, m.w.N.).
3 2. Handelt es sich bei dem gerügten Verfahrensfehler um einen gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der
Zivilprozessordnung (ZPO) verzichtbaren Mangel, so muss auch dargelegt werden, warum in der mündlichen
Verhandlung eine Rüge des behaupteten Verfahrensverstoßes unterlassen wurde. Bei verzichtbaren
Verfahrensmängeln geht das Rügerecht nicht nur durch ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber
dem FG verloren, sondern auch durch rügelose Verhandlung zur Sache und damit das bloße Unterlassen einer
rechtzeitigen Rüge (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Oktober 2002 IV B 98/01, BFH/NV 2003, 326; vom 24. Juli 2003 IX B
24/03, BFH/NV 2004, 55; vom 17. März 2008 IX B 102/07, BFH/NV 2008, 1179; vom 1. September 2008 IV B 4/08,
BFH/NV 2009, 35, jeweils m.w.N.). Sämtliche von den Klägern gerügte Verfahrensfehler beträfen --lägen sie vor--
verzichtbare Mängel.
4 a) Die Kläger können sich zur Begründung ihrer Verfahrensrügen nicht auf von ihnen in der Beschwerdebegründung
behaupteten Erklärungen des Fahndungsprüfers in der mündlichen Verhandlung beziehen, die vom FG nicht
protokolliert worden sind. Der BFH ist an das Protokoll des FG mangels Protokollberichtigung (§ 94 FGO i.V.m. § 164 f.
ZPO) gebunden. Da es sich bei der unterlassenen Protokollierung bestimmter Vorgänge der mündlichen Verhandlung
um einen verzichtbaren Verfahrensmangel handelt (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 263, m.w.N.),
haben die in der mündlichen Verhandlung sachkundig durch einen Rechtsanwalt vertretenen Kläger insoweit ihr
Rügerecht verloren. Es ist auch weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Kläger eine Ergänzung des Protokolls
gemäß § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4 Satz 1 ZPO beantragt haben.
5 b) Die Rüge der Kläger, das FG habe im Hinblick auf die vom Fahndungsprüfer in der mündlichen Verhandlung vor
dem FG abgegebenen Erklärungen auf dessen gebotene Zeugenvernehmung verzichtet und insoweit unter Verstoß
gegen § 82 FGO i.V.m. § 360 ZPO von einer Erweiterung des die Vernehmung des Zeugen A betreffenden
Beweisbeschlusses abgesehen, ist unschlüssig.
6 Ein Verfahrensfehler im Zusammenhang mit der Anwendung des § 360 ZPO ist gemäß § 295 ZPO heilbar
(Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 360 Rz 6). Hiernach hätte es der Darlegung bedurft, dass die sachkundig vertretenen
Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem FG einen Antrag auf Vernehmung des Fahndungsprüfers gestellt oder
das Übergehen eines schriftsätzlich bereits gestellten Beweisantrags gerügt haben. Nach dem Protokoll über die
mündliche Verhandlung vor dem FG hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger jedoch weder eine entsprechende
Beweiserhebung beantragt noch die Nichterhebung angebotener Beweise gerügt. Ebenso wenig haben die Kläger
dargelegt, warum ihnen eine solche Rüge nicht möglich gewesen sein sollte. Nach der Sitzungsniederschrift hat der
Prozessbevollmächtigte der Kläger rügelos zur Sache verhandelt und die Klageanträge gestellt. Auf das Rügerecht ist
damit wirksam verzichtet worden.
7 In der Beschwerdebegründung wird darüber hinaus auch nicht dargelegt, dass die Vorentscheidung ohne den
(vermeintlichen) Verfahrensverstoß --auf der Grundlage des vom FG eingenommenen materiell-rechtlichen
Standpunkts-- hätte anders ausfallen können. Die Kläger machen insoweit lediglich geltend, sie hätten sich aufgrund
der vom FG gewählten Verfahrensweise nicht in sachdienlicher Weise auf die Beweisaufnahme vorbereiten können.
Mit diesem Vorbringen wird jedoch sinngemäß nur eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt. Auch bei der
Verletzung des rechtlichen Gehörs handelt es sich jedoch um einen (verzichtbaren) Verfahrensmangel (BFH-
Beschlüsse vom 22. Februar 2005 X B 164/04, BFH/NV 2005, 1126; vom 22. Juli 2008 II B 18/08, BFH/NV 2008, 1866;
Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 101, m.w.N.); auch insoweit haben die Kläger wirksam auf ihr
Rügerecht verzichtet.
8 c) Ebenfalls unschlüssig ist der von den Klägern gerügte Verstoß des FG gegen § 83 FGO. Die Kläger machen geltend,
der Fahndungsprüfer habe, obgleich nicht Beteiligter, bei der Beweisaufnahme vor dem FG Fragen an den Zeugen
gerichtet. Die damit erhobene Rüge, das FG sei zur Zurückweisung der von dem Fahndungsprüfer in der
Beweisaufnahme vor dem FG gestellten Fragen verpflichtet gewesen und habe damit gegen die dem Fragerecht durch
§ 83 Satz 2 FGO gezogenen Grenzen verstoßen, ist unsubstantiiert. Die Verletzung des Fragerechts ist ein gemäß §
155 FGO i.V.m. § 295 Abs. 1 ZPO verzichtbarer Verfahrensmangel (BFH-Beschluss vom 23. Februar 2001 II B 112/00,
juris; Stöcker in Beermann/Gosch, FGO, § 83 Rz 13). Die Kläger machen jedoch weder geltend noch ist aus der
Niederschrift über die mündliche Verhandlung ersichtlich, dass sie gerügt haben, ein Nichtbeteiligter habe rechtswidrig
Fragen an den Zeugen gestellt.
9 3. Mit den Einwendungen gegen die Tatsachen- und Beweiswürdigung des FG machen die Kläger keinen
Verfahrensfehler geltend. Die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht
zuzuordnen und deshalb der Prüfung des BFH im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde entzogen (BFH-
Beschlüsse vom 22. Januar 2007 VI B 98/06, BFH/NV 2007, 949; vom 15. April 2008 IX B 159/07, BFH/NV 2008, 1341;
Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 82, m.w.N.).