Urteil des BFH vom 21.07.1959

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BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 7.10.2008, I B 1/08
Darlegung einer Divergenz und von Sachaufklärungsmängeln
Tatbestand
1 I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Arbeitslohn des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) nach dem Abkommen
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der
Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen
und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959 (DBA-Frankreich) in die
Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer einbezogen werden darf.
2 Die Kläger sind Eheleute, die in den Streitjahren (1993 bis 1995) in Deutschland wohnten und zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war als Geschäftsführer der deutschen D nichtselbständig tätig. Zudem
arbeitete er in leitender Funktion für die F mit Sitz in Frankreich. D und F sind Tochtergesellschaften der E, deren Sitz
sich ebenfalls in Frankreich befindet.
3 Der Kläger erhielt sein Gehalt in vollem Umfang von der D ausbezahlt. Soweit er im Interesse der F tätig war, war er bei
D freigestellt. Über die auf die Tätigkeit in Frankreich entfallenden Gehaltsbestandteile rechneten D und F
untereinander ab.
4 Die Kläger gaben für die Streitjahre Steuererklärungen ab, in denen sie keine Angaben zu steuerfreien
Arbeitseinkünften machten. Die Lohnsteuerkarten des Klägers enthielten ebenfalls keine entsprechenden
Eintragungen. Dementsprechend bezog der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) bei den
Veranlagungen der Kläger den Arbeitslohn in vollem Umfang in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ein.
Die auf dieser Basis erlassenen Bescheide wurden nicht mit Rechtsbehelfen angefochten.
5 Im April 1997 beantragten die --nunmehr erstmals steuerlich beratenen-- Kläger eine Änderung der
Steuerfestsetzungen in der Weise, dass die Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit in Frankreich steuerfrei belassen
werden. Diesen Antrag lehnte das FA ab. Die deshalb erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen, ohne
die Revision gegen sein Urteil zuzulassen (FG München, Urteil vom 22. November 2007 11 K 1523/04).
6 Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde machen die Kläger geltend, dass die Revision nach § 115 Abs. 2 Nrn. 2 und 3
der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.
7 Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die von den Klägern geltend gemachten Gründe für eine
Revisionszulassung liegen, soweit sie ordnungsgemäß dargelegt worden sind, nicht vor.
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1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil u.a. dann zuzulassen, wenn die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (Nr. 2) oder wenn das Urteil auf einem geltend gemachten und vorliegenden
Verfahrensmangel beruhen kann (Nr. 3). Wird auf einen dieser Gründe eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt, so
muss dieser Grund in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Bei der Entscheidung
über die Nichtzulassungsbeschwerde können nur die vom Beschwerdeführer dargelegten Zulassungsgründe
berücksichtigt werden.
10 2. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist die Revision u.a. dann zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO),
wenn das Urteil des FG von einer Entscheidung des BFH in der Weise abweicht, dass es auf einem anderen
Rechtssatz beruht als jene Entscheidung (BFH-Beschluss vom 27. August 2007 III B 48/07, BFH/NV 2008, 76). Wird
auf diesen Gesichtspunkt eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt, so muss der Beschwerdeführer einander
widerstreitende abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und der Entscheidung des BFH
andererseits herausarbeiten und einander so gegenüberstellen, dass die Abweichung erkennbar wird. Anderenfalls
ist die Abweichung nicht i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt (BFH-Beschlüsse vom 7. August 2007 IV B
139/06, BFH/NV 2008, 57; vom 16. Januar 2008 VIII B 209/06, BFH/NV 2008, 1165, m.w.N.).
11 3. Dem so beschriebenen Darlegungserfordernis haben die Kläger nicht genügt.
12 a) Die Kläger machen zum einen geltend, dass das angefochtene Urteil der Rechtsprechung des BFH zum
"wirtschaftlichen Arbeitgeberbegriff" widerspreche, und in diesem Zusammenhang mehrere ihrer Ansicht nach
einschlägige Entscheidungen des beschließenden Senats (u.a. Senatsurteile vom 24. Februar 1988 I R 143/84, BFHE
152, 500, BStBl II 1988, 819; vom 23. Februar 2005 I R 46/03, BFHE 209, 241, BStBl II 2005, 547) zitiert. Doch haben
sie es unterlassen, tragende Rechtssätze aus dem Urteil des FG und den angeblichen Divergenzentscheidungen
einander gegenüberzustellen. Ihre Divergenzrüge ist daher nicht statthaft erhoben worden. Ergänzend weist der
Senat darauf hin, dass sie in der Sache ebenfalls unbegründet ist: Das Urteil in BFHE 152, 500, BStBl II 1988, 819
bezieht sich auf den hier nicht vorliegenden Fall des Arbeitnehmereinsatzes in einer auswärtigen Betriebstätte seines
Arbeitgebers, und das Urteil in BFHE 209, 241, BStBl II 2005, 547 betrifft einen Sachverhalt, der in tatsächlicher
Hinsicht --insbesondere im Hinblick auf die vom FG festgestellten Abrechnungsmodalitäten-- anders gelagert war als
der Streitfall.
13 b) Im Ergebnis dasselbe gilt im Hinblick auf den Vortrag der Kläger, dass es bei der Bestimmung des "wirtschaftlichen
Arbeitgebers" nicht notwendig darauf ankomme, ob der Arbeitnehmer "im" aufnehmenden Unternehmen tätig werde;
im Fall der konzerninternen Arbeitnehmerentsendung könne es genügen, dass die Tätigkeit "für" jenes Unternehmen
erbracht und der Arbeitslohn auf dieser Basis verrechnet werde. Denn auch dazu haben die Kläger keine einander
widerstreitenden abstrakten Rechtssätze benannt. Abgesehen davon widerspricht ihre Darstellung, die Bezüge des
Klägers seien zwischen D und F "entsprechend der Tätigkeit für das eine oder andere Unternehmen aufgeteilt"
worden, den Feststellungen des FG; danach war "das Gehalt des Klägers ... neben anderen Personal- und sonstigen
Kosten lediglich Kalkulationsgrundlage für die Zuordnung der Plankosten", die sodann zwischen D und F verrechnet
wurden. Auf einen vom FG nicht festgestellten Sachverhalt kann eine Divergenzrüge nicht in statthafter Weise gestützt
werden.
14 4. Als Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) rügen die Kläger zunächst, dass das FG seiner Verpflichtung zur
Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht genügt habe. Sie haben aber nicht vorgetragen, dass und
ggf. wann sie Beweisanträge gestellt haben, denen das FG nicht nachgekommen ist. Ebenso haben sie nicht erläutert,
weshalb das FG verpflichtet gewesen sein könnte, den Sachverhalt von Amts wegen weiter als geschehen
aufzuklären; eine solche Erläuterung wäre nicht zuletzt deshalb notwendig gewesen, weil dem FG zu dem in Rede
stehenden Sachverhalt --die Art der Kostenverrechnung zwischen D und F-- schriftliche Unterlagen vorgelegen
haben, die es denn auch verwertet hat. Schließlich haben die Kläger nicht dargelegt, inwieweit die von ihnen
vermisste weitere Sachaufklärung auf der Basis der materiell-rechtlichen Auffassung des FG zu einer abweichenden
Entscheidung hätte führen können (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 14. Februar 2008 VII B 53/07, BFH/NV 2008, 817;
vom 29. Februar 2008 IV B 21/07, BFH/NV 2008, 974; vom 22. April 2008 X B 57/07, BFH/NV 2008, 1192). Angesichts
dessen fehlt es insoweit ebenfalls an der gebotenen Darlegung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes.
15 5. Schließlich geht der Vorwurf der Kläger, das FG habe eine Überraschungsentscheidung getroffen und dadurch
gegen § 96 Abs. 2 FGO verstoßen, im Ergebnis fehl. Das gilt namentlich im Hinblick auf die "Aufklärungsanordnung"
der Berichterstatterin, die der Entscheidung des FG voraufgegangen ist. Darin kam zwar zum Ausdruck, dass die
Berichterstatterin der Ansicht war, der Arbeitslohn des Klägers sei nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich in
Deutschland teilweise steuerfrei. Nachdem das FA dieser Einschätzung widersprochen und nach wie vor die
Abweisung der Klage beantragt hatte, mussten die Kläger aber damit rechnen, dass der zur Entscheidung berufene
Senat des FG die Rechtslage anders beurteilen werde als zuvor die Berichterstatterin. Eines ausdrücklichen
Hinweises dazu bedurfte es nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 17. März 2008 IX B 258/07, BFH/NV 2008, 1180; Lange in
Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 119 FGO Rz 211, m.w.N.); das gilt umso
mehr, als die Kläger im erstinstanzlichen Verfahren fachkundig vertreten waren. Dass sie --und zwar schon vor dem
Ergehen der "Aufklärungsanordnung"-- auf mündliche Verhandlung verzichtet hatten, ist in diesem Zusammenhang
unerheblich (BFH-Urteil vom 23. Mai 1996 IV R 87/93, BFHE 180, 396, BStBl II 1996, 523).