Urteil des BFH vom 05.03.2009

BFH: Anforderungen an die schlüssige Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, Richterliche Hinweispflicht zum Sachvortrag bei nicht fachkundig vertretenem Kläger, anschluss, einfluss

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 5.3.2009, IV B 70/08
Anforderungen an die schlüssige Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör - Richterliche Hinweispflicht zum
Sachvortrag bei nicht fachkundig vertretenem Kläger
Tatbestand
1 I. An der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) --der X-KG (KG)-- ist Herr X. als alleiniger Kommanditist beteiligt.
Gegenstand des Unternehmens war zunächst nur die Durchführung von Bauvorhaben, seit 1994 betrieb die KG
zusätzlich einen Weinhandel, aus dem sie jedenfalls bis einschließlich des Jahres 2000 nur Verluste erzielte. Im
Anschluss an eine Betriebsprüfung erkannte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die
Gewinnerzielungsabsicht für die Streitjahre (1997 bis 1999) nicht an. Hierzu wurde im Betriebsprüfungsbericht unter
anderem dargelegt, dass der von der KG vertriebene Wein ausschließlich von einem italienischen Weingut bezogen
worden sei, an dem die Eheleute X. im Prüfungszeitraum beteiligt gewesen seien. Zudem seien die Weine unter dem
Selbstkostenpreis abgegeben worden. Nach dem Bericht sind des Weiteren die Inventurbestände fehlerhaft
aufgenommen worden mit der Folge der Schätzung eines durchschnittlichen Eigenverbrauchs in Höhe von 150
Flaschen je Kalenderjahr. Schließlich ging der Prüfer im Hinblick auf den Verkauf an den Bruder des Herrn X. für die
Jahre 1997 und 1999 von einem Eigenverbrauch in Höhe der Differenz von den Selbstkosten (Einkaufspreis zuzüglich
Transportkosten) einerseits und den vereinnahmten Entgelten andererseits aus.
2 Die gegen die entsprechenden Änderungsbescheide vom 24. Februar 2003 --betreffend Gewinnfeststellungen 1997
bis 1999, gesonderte Feststellung des nach § 10a des Gewerbesteuergesetzes vortragsfähigen Verlusts auf den 31.
Dezember 1997 bis 31. Dezember 1999, Umsatzsteuer 1997 bis 1999-- erhobenen Einsprüche hatten lediglich
insoweit Erfolg, als das FA die dem Weinhandel zuzuordnenden --und weiterhin nicht berücksichtigten-- Verluste
verminderte; zudem reduzierte es die Bemessungsgrundlagen für die angesetzten Eigenverbrauchstatbestände.
3 Die hiergegen erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen. Zum einen sei --so die Vorinstanz--
bezüglich des Weinhandels von einer ertragsteuerrechtlich unbeachtlichen Liebhaberei auszugehen, da die Klägerin
auf die --jedenfalls in den Jahren 1994 bis 2000 erlittenen-- Verluste nicht mit einer Änderung ihres Geschäftskonzepts
reagiert habe. Hinzu komme, dass für einen Weinvertrieb die Befriedigung persönlicher Neigungen der hinter der
Personengesellschaft stehenden natürlichen Personen nicht typischerweise ausgeschlossen werden könne; im
Streitfall müsse dabei zudem berücksichtigt werden, dass das Ehepaar X. an dem Weingut in Italien, dem einzigen
Lieferanten der Klägerin, beteiligt gewesen sei und es deshalb nahe liege, auch den Weinvertrieb der privaten
Lebensführung zuzuordnen. Zum anderen sei der Schätzung des Eigenverbrauchs durch das FA auf der Basis von 150
Flaschen je Jahr und einem durchschnittlichen Preis von 11,59 DM beizutreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
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1. Der Vortrag, das Urteil des FG beruhe auf Verfahrensmängeln, genügt nicht den hierbei zu beachtenden
Darlegungserfordernissen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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a) Dies gilt zum einen für die Rüge, die Vorinstanz habe deshalb eine Überraschungsentscheidung getroffen und
damit gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen, weil das FG die im finanzgerichtlichen Verfahren nur
durch Herrn X. vertretene Klägerin nicht darauf hingewiesen habe, dass es für die Anerkennung der
Gewinnerzielungsabsicht der Vorlage eines schlüssigen Betriebskonzepts bedürfe.
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Dabei kann der Senat offenlassen, ob und in welchem Umfang es auch einem nicht fachkundig vertretenen Kläger
obliegt, die für die Entscheidung über seinen Streitfall erforderlichen tatsächlichen Umstände auch ohne einen
ausdrücklichen Hinweis des Gerichts vorzutragen. Der Senat neigt dazu, Letzteres im Streitfall deshalb zu bejahen,
weil die Frage eines geeigneten unternehmerischen Konzepts bereits Gegenstand sowohl des
Betriebsprüfungsberichts und der hierzu verfassten Stellungnahme der Klägerin vom 2. Dezember 2002 als auch des
von der A-GmbH (Steuerberatungsgesellschaft) verfassten Einspruchs und der daraufhin ergangenen
Einspruchsentscheidung war. Zudem wurde im finanzgerichtlichen Verfahren --im Anschluss an die mit Schriftsatz
vom 23. März 2004 angekündigte Einarbeitung eines neuen Steuerberaters-- vollumfänglich auf die bisherigen
Stellungnahmen verwiesen (weiterer Schriftsatz vom 30. April 2004). Demgemäß ist nicht ersichtlich, was die Klägerin
zu der Annahme hätte verleiten können, dass das FG die Gewinnerzielungsabsicht bezüglich des Weinhandels auch
ohne substantiierte Darlegungen zu einem schlüssigen Betriebskonzept bejahen würde. Zudem erscheint der
Beschwerdevortrag auch insoweit nicht widerspruchsfrei, als die Klägerin einerseits die Rüge eines fehlenden
Hinweises durch die Vorinstanz erhebt, andererseits aber (auf S. 4 der Beschwerdeschrift) ausführt, welche
Maßnahmen sie --gemäß ihrem "expliziten" erstinstanzlichen Vortrag-- zur Steigerung der Verkaufspreise ergriffen
habe (Messepräsenz, Werbeanzeigen, Umstellung des Vertriebswegs etc.).
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Beidem ist jedoch nicht weiter nachzugehen, da nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine
schlüssige Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs, die sich auf einzelne Feststellungen oder rechtliche
Gesichtspunkte des finanzgerichtlichen Urteils beschränkt, jedenfalls voraussetzt, dass der Beschwerdeführer im
Einzelnen darlegt, wozu er sich nicht hat äußern können, was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen
Gehörs (noch zusätzlich) vorgetragen hätte und dass bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens eine
andere Entscheidung in der Sache möglich gewesen wäre (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz
14, mit umfangreichen Nachweisen). Vorliegend ist diesem Darlegungserfordernis weder durch den Hinweis, im
Bestreitensfalle das Betriebskonzept der Klägerin vorzulegen noch durch die Behauptung genügt, dass nach diesem
Konzept "jedenfalls aus der ex ante-Betrachtung" der Weinhandel "eine Einkommensquelle im Sinne des
Einkommensteuerrechts dargestellt (habe)". Erforderlich wären vielmehr substantiierte und nachvollziehbare
Ausführungen dazu gewesen, auf der Grundlage welcher und im Einzelnen zu benennender Umstände die Klägerin
damit rechnen konnte, einen Totalgewinn aus dem Weinhandel zu erzielen.
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b) Im Ergebnis aus den nämlichen Gründen ist auch der Vortrag, das FG habe im Zusammenhang mit dem Ansatz
eines Eigenverbrauchs aufgrund des Weinverkaufs an den Bruder von Herrn X. den Anspruch auf rechtliches Gehör
verletzt, unsubstantiiert (zur Zuständigkeit des Senats vgl. Teil A, Ergänzende Regelungen, I.3, letzter Halbsatz i.V.m.
I.1 des Geschäftsverteilungsplans des BFH für das Jahr 2008).
10 Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe versäumt, darauf hinzuweisen, dass es die Klägerin bezüglich der
Behauptung von (Not-)Verkäufen nicht mehr lagerfähiger Weine als darlegungs- und beweispflichtig ansehen werde,
kann mit Rücksicht darauf, dass auch dieser Gesichtspunkt bereits in das Einspruchsverfahren eingeführt wurde,
offenbleiben, ob die Vorinstanz zu einem solchen Hinweis verpflichtet war. Jedenfalls war es im Rahmen einer
schlüssigen Gehörsrüge zumindest geboten, die Behauptung anhand einzelner (repräsentativer) Notverkäufe
substantiiert zu erläutern und zu belegen. Auch insoweit genügt der bloße Verweis auf eine Zeugenvernehmung des
Herrn X nicht.
11 c) Unschlüssig ist ferner die Rüge, das FG habe dadurch den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, dass die
Klägerin (bezüglich der Annahme einer fehlenden Gewinnerzielungsabsicht) nicht aufgefordert worden sei, zu den in
den Jahren 2002, 2004 und 2007 "möglicherweise" angefallenen Gewinnen Stellung zu nehmen. Abgesehen davon,
dass die Beschwerdeschrift auch insoweit nicht erläutert, in welcher Weise die Klägerin sich auf eine solche
Anforderung durch das FG geäußert hätte, lässt der Vortrag außer Acht, dass der Rüge der Verletzung rechtlichen
Gehörs der materiell-rechtliche Standpunkt der Vorinstanz zugrunde zu legen ist (Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 14)
und das FG in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, dass selbst dann, wenn in den genannten Jahren geringfügige
Gewinne angefallen sein sollten, sich hieraus keine positive Zukunftsprognose ableiten lasse, die auf einer Änderung
des Betriebskonzepts beruht hätte. Demgemäß ist auch in keiner Weise erkennbar, welchen Einfluss die für die Jahre
2002, 2004 und 2007 als möglich erachteten Gewinne auf die Entscheidung der Vorinstanz haben könnten.
12 2. Unsubstantiiert ist schließlich auch die Rüge, die Zulassung der Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO). Insoweit fehlt es an der Benennung eines
tragenden und abstrakten Rechtssatzes im Urteil der Vorinstanz, der von einem gleichfalls tragenden und abstrakten
Rechtssatz in einer Entscheidung des BFH abweicht. Die bloße Behauptung, die Vorinstanz habe den konkreten Fall
falsch gewürdigt, genügt hierfür nicht (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 42). Ein solcher Vortrag ist des Weiteren auch
nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz
3 FGO; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 34).