Urteil des BFH vom 18.02.2009

Vorsteuerabzug bei Treuhand - widerstreitende Steuerfestsetzung - Ablaufhemmung: Abgabe einer Steuererklärung ist kein Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO - Mitteilung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO - Ende der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 4 AO, wenn keine S

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 18.2.2009, V R 82/07
Vorsteuerabzug bei Treuhand - widerstreitende Steuerfestsetzung - Ablaufhemmung: Abgabe einer Steuererklärung ist kein
Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO - Mitteilung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO - Ende der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 4 AO,
wenn keine Schlussbesprechung stattgefunden hat - Unterbrechung der Außenprüfung nach § 171 Abs. 4 Satz 2 AO
Leitsätze
1. Saniert ein Treuhänder ein Gebäude für Zwecke einer umsatzsteuerpflichtigen Vermietung, ist der Treuhänder und nicht
der Treugeber aufgrund der im Namen des Treuhänders bezogenen Bauleistungen zum Vorsteuerabzug berechtigt.
2. Die Hinzuziehung eines Dritten nach § 174 Abs. 4 und 5 AO muss vor Ablauf der für den Dritten geltenden
Festsetzungsfrist erfolgen.
Tatbestand
1
I. Streitig ist, ob der im Verfahren V R 81/07 beigeladene G (G) oder die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) aus
den für die Sanierung eines Wohngebäudes in den Streitjahren 1995 und 1996 von Fremdunternehmern bezogenen
Leistungen (Sanierungsleistungen) zum Vorsteuerabzug nach § 15 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG)
berechtigt ist.
2
G erwarb Ende 1994 ein mit einem Wohngebäude bebautes Grundstück. Den Werkvertrag zur Sanierung des
Gebäudes schloss G im eigenen Namen ab. Die Sanierungsleistungen wurden in den Streitjahren gegenüber G
erbracht und abgerechnet. Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten vermietete G mehrere Ladenlokale im eigenen
Namen. Ein zwischen G und der Klägerin 1994 mündlich abgeschlossener Treuhandvertrag wurde im März 2002
schriftlich bestätigt. Die Klägerin wurde nach den Streitjahren als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.
3
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ am 14. Januar 1998 Umsatzsteuerbescheide für
beide Streitjahre gegenüber G, in denen die geltend gemachten Vorsteuerbeträge aus den Sanierungsleistungen
berücksichtigt waren (Erstbescheide G).
4
Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 26. April 1999 erfolgte bei der Klägerin eine Außenprüfung für das Streitjahr
1996, die zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen führte. Der Prüfungsbericht vom 6. Juli 1999 stellte fest,
dass die umsatzsteuerpflichtigen Umsätze und Vorsteuerbeträge bisher bei G erfasst worden waren und dass in
Abstimmung mit dem FA keine Änderungen veranlasst seien. Die Umsätze seien ab 1. Januar 1997 bei der Klägerin
zu erfassen. Eine zweite Außenprüfung, die beide Streitjahre umfasste, erfolgte aufgrund einer Prüfungsanordnung
vom 21. November 2001. Nach dem Prüfungsbericht vom 5. Februar 2004 wurden die Umsatzsteuerveranlagungen
für beide Streitjahre bei G durchgeführt. Eine "weitere/zusätzliche Veranlagung" bei der Klägerin erfolge daher nicht.
Im Bericht seien die Werte nachrichtlich aufgeführt. "Änderungen waren hier nicht veranlasst."
5
Aufgrund der von der Klägerin am 11. September 2002 abgegebenen und am 8. Juni 2004 berichtigten
Umsatzsteuerjahreserklärungen für die beiden Streitjahre 1995 und 1996 ging das FA nunmehr davon aus, dass die
Klägerin zum Vorsteuerabzug aus den Sanierungsleistungen berechtigt sei, und erließ am 10. Mai 2005
entsprechende Umsatzsteuerbescheide für beide Streitjahre gegenüber der Klägerin (Erstbescheide Klägerin).
6
Durch die Bescheide vom 10. Juni 2005 hob das FA die gegenüber G ergangenen Umsatzsteuerbescheide 1995 und
1996 vom 14. Januar 1998 auf (Aufhebungsbescheide G). Hiergegen legte G Einspruch ein. Die Klägerin wurde zum
Einspruchsverfahren durch Verfügung vom 16. Dezember 2005 hinzugezogen. Mit Einspruchsentscheidung vom 9.
Mai 2006 hob das FA die gegen G ergangenen Bescheide vom 10. Juni 2005 auf, so dass für beide Streitjahre wieder
G als vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer angesehen wurde.
7
Die gegenüber der Klägerin für beide Streitjahre ergangenen Umsatzsteuerbescheide hob das FA mit den
Bescheiden vom 2. Juni 2006 auf (Aufhebungsbescheide Klägerin). Nach der diesen Bescheiden beigefügten
Rechtsbehelfsbelehrung erläuterte das FA, die Klägerin könne gegen diese Bescheide keinen Einspruch einlegen.
Einwendungen seien nur im Wege einer Klage gegen die Einspruchsentscheidung, die gegenüber G ergangen und
der Klägerin bekannt gegeben worden sei, geltend zu machen. Den von der Klägerin mit Schreiben vom 20.
November 2006 gegen die Aufhebungsbescheide vom 2. Juni 2006 erhobenen Einspruch wies das FA mit
Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2007 als unbegründet zurück.
8
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass nicht die Klägerin,
sondern G zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen sei. Die angefochtenen Bescheide hätten verfahrensrechtlich
nach § 174 Abs. 4 i.V.m. Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) auch noch nach Eintritt der Festsetzungsverjährung
ergehen können.
9
Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2008, 818 veröffentlicht.
10 Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie, die Klägerin, sei als Treugeberin zum
Vorsteuerabzug berechtigt gewesen. Weiter sei auch § 174 Abs. 4 und Abs. 5 AO verletzt. Bei Erlass der
Aufhebungsbescheide gegenüber G am 10. Juni 2005 habe bereits Festsetzungsverjährung vorgelegen. Zudem sei
es rechtsfehlerhaft gewesen, G überhaupt den Vorsteuerabzug zuzuerkennen.
11 Die Klägerin beantragt,
12 die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2007 und die Änderungsbescheide vom 2. Juni
2006 aufzuheben.
13 Das FA beantragt,
14 die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
15 Zwischen der Klägerin und G habe unstreitig ein Treuhandverhältnis bestanden, so dass G zum Vorsteuerabzug
berechtigt gewesen sei. Es lägen auch die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 und Abs. 5 AO vor. Die gegen G
ergangenen Aufhebungsbescheide vom 10. Juni 2005 seien rechtsirrig erlassen worden, wobei diese Bescheide
durch den Einspruch des G und damit auf seinen Antrag durch die Einspruchsentscheidung vom 9. Mai 2006
aufgehoben worden seien. Da die Klägerin zum Einspruchsverfahren hinzugezogen gewesen sei, könnten die
richtigen rechtlichen Folgen aus dem Sachverhalt auch ihr gegenüber gezogen werden.
Entscheidungsgründe
16 II. Die Revision der Klägerin ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zwar hat das FG zu Recht entschieden, dass G als Treuhänder, nicht aber die
Klägerin als Treugeber aus den G gegenüber erbrachten und abgerechneten Sanierungsleistungen zum
Vorsteuerabzug berechtigt ist. Die Feststellungen des FG erlauben jedoch keine abschließende Entscheidung
darüber, ob der Eintritt der Festsetzungsverjährung dem Erlass der angefochtenen Aufhebungsbescheide vom 2. Juni
2006 entgegenstand und deshalb die Voraussetzungen für den Erlass eines Änderungsbescheides nach § 174 AO
nicht vorlagen.
17 1. Das FG ist --ebenso wie das FA-- stillschweigend im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin den
mit Schreiben vom 20. November 2006 gegen die Aufhebungsbescheide vom 2. Juni 2006 eingelegten Einspruch
fristgerecht erhoben hat, obwohl die einen Monat betragende Einspruchsfrist (§ 355 Abs. 1 AO) bereits abgelaufen
war.
18 Nach § 356 Abs. 1 AO beginnt die Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs gegen schriftliche Verwaltungsakte nur,
wenn der Beteiligte insbesondere über die "einzuhaltende Frist" schriftlich --zutreffend-- belehrt worden ist. Andernfalls
kann der Rechtsbehelf noch binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Verwaltungsakts angebracht werden (vgl. §
356 Abs. 2 AO). Im Streitfall liegen die Voraussetzungen des § 365 Abs. 2 AO vor. Die Rechtsbehelfsbelehrung des
FA, die Klägerin könne ihre Rechte nicht durch Einspruch gegen die ihr gegenüber ergangenen, sie beschwerenden
Umsatzsteueränderungsbescheide für die Streitjahre geltend machen, sondern nur als Hinzugezogene im
Einspruchsverfahren des G gegen die diesem (G) gegenüber ergangenen Umsatzsteuerbescheide, ist, wie sich aus §
347 Abs. 1 AO und § 350 AO ergibt, offensichtlich unzutreffend.
19 2. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das FG materiell-rechtlich zutreffend erkannt, dass G und nicht die
Klägerin aus den für die Gebäudesanierung bezogenen Leistungen zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
20 a) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert
ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein
Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Im Streitfall hat nach den Feststellungen des
FG G im eigenen Namen den Werkvertrag über die Sanierung abgeschlossen und es sind die streitigen Leistungen
ihm gegenüber abgerechnet worden.
21 Entgegen der Auffassung der Klägerin ist für den Vorsteuerabzug insoweit ohne Bedeutung, dass G zwar im eigenen
Namen aber als Treuhänder für Rechnung der Klägerin gehandelt hat.
22 aa) Die Person des Leistungsempfängers bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)
nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (BFH-Urteile vom 16. Mai 1995 XI R 50/93, BFH/NV
1996, 185; vom 24. Juni 1999 V R 99/98, BFH/NV 1999, 1648; vom 23. November 2000 V R 49/00, BFHE 193, 170,
BStBl II 2001, 266; vom 24. August 2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340; BFH-Beschluss vom 4. April
2000 V B 186/99, BFH/NV 2000, 1370).
23 bb) Bei der Bestimmung des Leistungsempfängers ist zu berücksichtigen, ob ein Handeln gegenüber Dritten im
eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen vorliegt (BFH- Urteile vom 28. Januar 1999 V R
4/98, BFHE 188, 456, BStBl II 1999, 628; vom 30. September 1999 V R 8/99, BFH/NV 2000, 353; vom 28. Juni 2000 V
R 70/99, BFH/NV 2001, 210; vom 5. April 2001 V R 5/00, BFH/NV 2001, 1307; vom 4. September 2003 V R 9, 10/02,
BFHE 203, 389, BStBl II 2004, 627; vom 7. Juli 2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139; in BFHE 215, 311, BStBl II 2007,
340; BFH-Beschlüsse vom 9. November 1999 V B 16/99, BFH/NV 2000, 611; vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE
198, 208, BStBl II 2004, 622; vom 9. Oktober 2003 V B 12/02, BFH/NV 2004, 97).
24 cc) Unerheblich ist, ob die Person, die danach als Leistungsempfänger anzusehen ist, auf eigene oder auf fremde
Rechnung handelt. Bestätigt wird dies durch die gesetzlichen Regelungen zu Kommissionsgeschäften. Danach sind
Leistungen und Leistungsbezüge im Verhältnis zu Dritten der Person zuzurechnen, die im eigenen Namen und auf
fremde Rechnung tätig ist. Deshalb liegt z.B. bei Kommissionsgeschäften gemäß § 3 Abs. 3 UStG auch zwischen
Kommittent und Kommissionär eine Lieferung vor. Ebenso geht Art. 5 Abs. 4 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des
Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames
Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Richtlinie 77/388/EWG) vom Vorliegen
einer Lieferung bei der Übertragung eines Gegenstandes aufgrund einer Einkaufskommission aus.
25 Gleiches galt auch beim Bezug sonstiger Leistungen. Besorgte ein Unternehmer für Rechnung eines anderen im
eigenen Namen eine sonstige Leistung, so waren nach § 3 Abs. 11 UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung
die für die besorgte Leistung geltenden Vorschriften auf die Besorgungsleistung entsprechend anzuwenden, so dass
für derartige Fälle eines "Leistungseinkaufs" von einem Leistungsbezug durch den im eigenen Namen und für fremde
Rechnung handelnden Geschäftsbesorger auszugehen war. Dies entsprach Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG.
Dass § 3 Abs. 11 UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG im
Übrigen nur ungenügend umsetzte und den Fall des "Leistungsverkaufs" nicht erfasste (BFH-Urteile vom 7. Oktober
1999 V R 79, 80/98, BFHE 190, 235, BStBl II 2004, 308; vom 25. Mai 2000 V R 66/99, BFHE 191, 458, BStBl II 2004,
310; vom 31. Januar 2002 V R 40, 41/00, BFHE 197, 377, BStBl II 2004, 315; vom 29. August 2002 V R 8/02, BFHE
199, 88, BStBl II 2004, 320; vom 28. November 2002 V R 6/02, BFH/NV 2003, 517), ist für die Beurteilung des
Vorsteuerabzugs im Streitfall unerheblich.
26 dd) Von einem Leistungsbezug durch denjenigen, der im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelt, ist auch
bei Strohmann- und Treuhandgeschäften auszugehen. Sofern der Strohmann oder der Treuhänder Unternehmer i.S.
des § 2 UStG ist und im Rahmen seines Unternehmens handelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG), steht es einem Strohmann
oder dem Treuhänder zuzurechnenden Leistungsbezug nach § 3 Abs. 3 und Abs. 11 UStG nicht entgegen, dass sie
auf fremde Rechnung tätig sind (BFH-Urteile in BFHE 188, 456, BStBl II 1999, 628; vom 26. Juni 2003 V R 22/02,
BFH/NV 2004, 233, und vom 7. Juli 2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139, und BFH-Beschluss in BFHE 198, 208, BStBl
II 2004, 622 zur Zurechnung von Leistungen durch einen "Strohmann"). Die gegenteilige Rechtsprechung des XI.
Senats des BFH hat der V. Senat ausdrücklich aufgegeben (BFH-Beschluss in BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622,
unter II.4.b für BFH-Urteil vom 13. Juli 1994 XI R 97/92, BFH/NV 1995, 168). Diese Rechtsprechungsänderung betrifft
auch das von der Klägerin für ihre Rechtsauffassung angeführte Urteil vom 15. September 1994 XI R 56/93 (BFHE
176, 285, BStBl II 1995, 275). Im Übrigen ist zwischen der Leistungserbringung und dem Leistungsbezug durch
Treuhänder oder Strohmänner nicht zu differenzieren, da die Bestimmung von Leistenden und Leistungsempfänger
nach einheitlichen Grundsätzen erfolgt (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1996, 185, und in BFHE 215, 311, BStBl II 2007,
340).
27 b) Danach stand im Streitfall G, nicht aber der Klägerin der Vorsteuerabzug nach § 15 UStG zu. Nach den
Feststellungen des FG hatte G die den Leistungsbezügen für das Bauvorhaben zugrunde liegenden
Rechtsverhältnisse im eigenen Namen begründet. Er handelte nicht als Stellvertreter für die Klägerin. Dass er bei
Inanspruchnahme der Sanierungsleistungen auf Rechnung der Klägerin tätig war, ist für die Bestimmung des
Leistungsempfängers unerheblich. Auch die Stellung des G als auf Rechnung der Klägerin handelnder Treuhänder
änderte hieran nichts. Denn im Interesse des Rechtsverkehrs an einer eindeutigen Bestimmung von Leistendem und
Leistungsempfänger kommt es auf das der Leistung jeweils zugrunde liegende Rechtsverhältnis, nicht aber auf ein für
Dritte nicht erkennbares Handeln auf fremde Rechnung an.
28 c) Die Klägerin kann sich für ihre Auffassung nicht auf das BFH-Urteil vom 15. Juli 1987 X R 19/80 (BFHE 150, 459,
BStBl II 1987, 746) stützen, das einen dem Streitfall nicht vergleichbaren Sachverhalt betrifft. Nach diesem Urteil
handelt zum einen ein Arbeitnehmer auch dann für seinen Geschäftsherrn, wenn er im eigenen Namen auftritt. Dies
beruht aber darauf, dass der Arbeitnehmer unselbständig tätig ist, wobei sich diese Unselbständigkeit nicht bereits
aus der bloßen Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers ergibt. Die bloße Weisungsgebundenheit eines
Strohmanns oder Treuhänders gegenüber seinem Geschäftsherrn reicht dementsprechend nicht aus, um Leistungen
entgegen dem im eigenen Namen erfolgenden Handeln des Strohmanns oder Treuhänders dem Geschäftsherrn
zuzurechnen (BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 233). Zum anderen betrifft das BFH-Urteil in BFHE 150, 459, BStBl II 1987,
746 den Fall der hier nicht vorliegenden Namensüberlassung.
29 3. Die Entscheidung des FG, das FA sei zum Erlass der angefochtenen Aufhebungsbescheide vom 2. Juni 2006 nach
§ 174 Abs. 4 und 5 AO befugt gewesen, hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
30 a) § 174 Abs. 4 und 5 AO haben folgenden Wortlaut:
31 "(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund
eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten
aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines
Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der
Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich,
wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften
Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder
geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.
32 (5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften
Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig."
33 b) Ein "bestimmter Sachverhalt" i.S. des § 174 Abs. 4 und 5 AO ist ein einheitlicher Lebensvorgang, aus dem
steuerrechtliche Folgerungen sowohl bei dem Steuerpflichtigen als auch bei dem Dritten zu ziehen sind (BFH-Urteile
vom 18. September 2003 X R 152/97, BFHE 203, 337, BStBl II 2007, 749; vom 24. November 1987 IX R 158/83, BFHE
152, 203, BStBl II 1988, 404). Die steuerrechtlichen Folgen brauchen bei beiden nicht die gleichen zu sein. Aufgrund
ein und desselben Sachverhalts kann beim Steuerpflichtigen eine abziehbare Ausgabe und beim Dritten eine
Einnahme in Betracht kommen (BFH-Urteil in BFHE 203, 337, BStBl II 2007, 749, m.w.N.). Es genügt, dass derselbe
Sachverhalt bei mehreren Steuerpflichtigen erfasst und irrig beurteilt worden ist. Ist die rechtliche Beurteilung
zugunsten des einen Steuerpflichtigen richtiggestellt worden, kann im Rahmen des § 174 Abs. 4 AO --anders als in
Fällen des § 174 Abs. 1 AO-- grundsätzlich auch bei dem anderen Steuerpflichtigen durch Erlass oder Änderung des
Steuerbescheids die entsprechende, richtige steuerliche Folgerung gezogen werden. § 174 Abs. 4 und 5 AO
gewährleistet, dass ein und derselbe Sachverhalt, der sich bei zwei verschiedenen Steuerpflichtigen auswirkt, auch
bei beiden deckungsgleich beurteilt werden kann. Die zutreffende Besteuerung hat bei Vorliegen der
Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 und 5 AO Vorrang vor dem Schutz des Vertrauens auf die Bestandskraft der
Steuerfestsetzung.
34 c) "Bestimmter Sachverhalt" ist im Streitfall die Berechtigung zum Vorsteuerabzug, hier die Zuordnung der bezogenen
Leistungen. Wurde --wie im Streitfall-- die Berechtigung zum Vorsteuerabzug beim Treugeber oder beim Treuhänder
irrig beurteilt, kann der sich hieraus ergebende Widerspruch unter den besonderen Voraussetzungen des § 174 Abs.
4 und 5 AO beseitigt werden. Aus einer vom Steuerpflichtigen --hier dem Beigeladenen-- erstrittenen Änderung oder
Aufhebung des betreffenden Umsatzsteuerbescheides können beim Dritten --hier der Klägerin-- die "richtigen
steuerrechtlichen Folgerungen" gezogen werden.
35 d) Aus der vom Beigeladenen zu seinen Gunsten erstrittenen Aufhebung der Bescheide vom 10. Juni 2005 können
die "richtigen steuerrechtlichen Folgerungen" bei der Klägerin, der zu Unrecht in den Umsatzsteuerbescheiden für die
Streitjahre vom 10. Mai 2005 der Vorsteuerabzug aus denselben Sanierungsleistungen gewährt worden ist, durch
Änderung dieser Bescheide nur dann gezogen werden, wenn sie zu dem Verfahren, das die Aufhebung der
gegenüber G erlassenen Umsatzsteuerbescheide vom 10. Juni 2005 zur Folge hatte, beigezogen worden ist.
36 e) Im Streitfall ist die Klägerin zwar zu dem Einspruchsverfahren des G hinzugezogen worden. Nach ständiger
Rechtsprechung des BFH ist der Erlass oder die Änderung eines Steuerbescheids gegenüber einem Dritten nach §
174 Abs. 4 und 5 AO aber nur dann möglich, wenn dieser vor Ablauf der Festsetzungsfrist hinzugezogen oder
beigeladen worden ist (BFH-Entscheidungen vom 5. Mai 1993 X R 111/91, BFHE 171, 400, BStBl II 1993, 817; vom
13. April 2000 V R 25/99, BFH/NV 2001, 137; vom 7. April 2003 III B 127/02, BFH/NV 2003, 887; vom 17. Oktober 2006
VIII B 90/06, BFH/NV 2007, 199, jeweils m.w.N.). Ist der Dritte nicht vor Ablauf der für ihn geltenden Festsetzungsfrist
am Verfahren beteiligt worden, ist eine Änderung nach § 174 Abs. 4 AO i.V.m. § 174 Abs. 5 AO nicht zulässig.
37 4. Ob die Klägerin vor Ablauf der für sie geltenden Festsetzungsfrist hinzugezogen worden ist, lässt sich aufgrund der
Feststellungen des FG nicht entscheiden.
38 a) Bei Erlass der angefochtenen Erstbescheide vom 10. Mai 2005 war die reguläre Festsetzungsfrist bereits
abgelaufen.
39 aa) Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO sind eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr
zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beträgt nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO
vier Jahre. Nach § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer
entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist. Ist eine Steuererklärung oder eine
Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten, beginnt die Festsetzungsfrist abweichend hiervon
nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die
Anzeige eingereicht wird, spätestens aber mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem
die Steuer entstanden ist.
40 bb) Die Klägerin gab erstmals am 11. September 2002 Umsatzsteuerjahreserklärungen für die beiden Streitjahre ab,
die sie am 8. Juni 2004 durch Abgabe berichtigter Erklärungen korrigierte. Nach §§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 170 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 AO begann die Festsetzungsfrist für das Streitjahr 1995 somit mit Ablauf des 31. Dezember 1998 und für
das Streitjahr 1996 mit Ablauf des 31. Dezember 1999. Die reguläre Festsetzungsfrist endete daher für das Streitjahr
1995 mit Ablauf des 31. Dezember 2002 und für das Streitjahr 1996 mit Ablauf des 31. Dezember 2003.
41 b) Die Abgabe der Umsatzsteuererklärungen durch die Klägerin führte nicht zu einer Ablaufhemmung nach § 171 Abs.
3 AO.
42 aa) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf
Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129
gestellt, so läuft nach § 171 Abs. 3 AO die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar
entschieden worden ist.
43 bb) Die Abgabe einer Steuererklärung --wie im Streitfall-- ist kein Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO (BFH-Urteile vom 11.
Mai 1995 V R 136/93, BFH/NV 1996, 1; vom 18. Juni 1991 VIII R 54/89, BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124; vom 24.
Mai 2006 I R 9/05, BFH/NV 2006, 2019). Die Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung oder -jahreserklärung ist
deshalb auch dann kein Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO, wenn diese --wie im Streitfall die Umsatzsteuererklärungen
der Klägerin für die Streitjahre-- zu einer Erstattung führen soll (BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 1). Gleiches gilt für die
Abgabe der berichtigten Erklärungen vom 8. Juni 2004.
44 cc) Da zu diesem Zeitpunkt mangels Zustimmung des FA zu den Steueranmeldungen der Klägerin nach § 168 Satz 2
AO noch keine Steuerfestsetzungen für diese Jahre vorlagen, enthielten diese berichtigten Erklärungen auch keinen
Antrag auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder deren Berichtigung nach § 129 AO.
45 c) Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen jedoch nicht entscheiden, ob die
Voraussetzungen für eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO vorliegen.
46 Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des
Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft nach § 171 Abs. 4 AO die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich
die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die
aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe
der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung
unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die
Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Festsetzungsfrist endet spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem
die Schlussbesprechung stattgefunden hat, oder, wenn sie unterblieben ist, seit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die
letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden haben, die in § 169 Abs. 2 AO genannten Fristen
verstrichen sind; eine Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt.
47 § 171 Abs. 4 AO verweist auf § 202 Abs. 1 AO, der folgenden Wortlaut hat: "Über das Ergebnis der Außenprüfung
ergeht ein schriftlicher Bericht (Prüfungsbericht). Im Prüfungsbericht sind die für die Besteuerung erheblichen
Prüfungsfeststellungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht sowie die Änderungen der Besteuerungsgrundlagen
darzustellen. Führt die Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen, so genügt es, wenn dies dem
Steuerpflichtigen schriftlich mitgeteilt wird."
48 aa) Im Streitfall liegt keine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO vor.
49 Als Mitteilung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO i.V.m. § 202 Abs. 1 Satz 3 AO ist auch ein ausdrücklicher Hinweis in einem
Prüfungsbericht anzusehen, soweit sich aus diesem ergibt, dass die Außenprüfung zu keiner Änderung der
Besteuerungsgrundlagen geführt hat (BFH-Urteil vom 2. Oktober 2003 IV R 36/01, BFH/NV 2004, 307). Die Vorschrift
bezweckt in erster Linie den Schutz des Steuerpflichtigen; dieser soll nach Durchführung und Auswertung einer
Außenprüfung vor Steuernachforderungen aufgrund neuer Tatsachen sicher sein (BFH-Urteil vom 31. August 1990 VI
R 78/86, BFHE 161, 539, BStBl II 1991, 537). Die Mitteilung muss hinreichend bestimmt sein (Tipke/Kruse,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 202 AO Rz 14).
50 bb) Im Streitfall war dem Prüfungsbericht vom 5. Februar 2004 nicht eindeutig zu entnehmen, dass die Prüfung zu
keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen führte. Der Bericht wies nur darauf hin, dass aufgrund der für die
beiden Streitjahre bei G durchgeführten Veranlagungen eine "weitere/zusätzliche Veranlagung" bei der Klägerin nicht
erfolge und "Änderungen hier nicht veranlasst" seien. Wie das FA in der mündlichen Verhandlung zu Recht ausgeführt
hat, ist diese Formulierung mehrdeutig. Sie kann sich einerseits darauf beziehen, dass im Hinblick auf die bei G
erfolgte Veranlagung eine weitere Berücksichtigung des Vorsteuerabzugs aus den Sanierungsleistungen bei der
Klägerin nicht in Betracht kommt. Aus ihr könnte andererseits aber auch folgen, dass eine Änderung gegenüber den
von der Klägerin eingereichten Steuererklärungen nicht veranlasst ist. Da die Klägerin in ihren
Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre Vorsteuerüberschüsse geltend machte, wirkten diese
Steueranmeldungen bis zur Zustimmung des FA nach § 168 Satz 2 AO nicht als Steuerfestsetzung. Den eingereichten
Steuererklärungen musste das FA entweder zustimmen oder einen davon abweichenden Steuerbescheid erlassen.
Angesichts dessen konnte die Klägerin dem Hinweis, dass aufgrund der für die beiden Streitjahre bei G
durchgeführten Veranlagungen "eine weitere/zusätzliche Veranlagung bei der Klägerin nicht erfolgt" und
"Änderungen hier nicht veranlasst" seien, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnehmen, dass in
Bezug auf Umsatzsteuer 1995 und 1996 keine Entscheidung des FA mehr erfolgen werde.
51 d) Die vom FA erlassenen Erstbescheide vom 10. Mai 2005 waren keine Bescheide "aufgrund einer Außenprüfung"
i.S. des § 171 Abs. 4 AO, die zur Beendigung der Ablaufhemmung hätten führen können.
52 "Aufgrund der Außenprüfung zu erlassende Steuerbescheide" müssen unmittelbar aufgrund der Außenprüfung
erlassen werden. Dabei kann es sich um erstmalige oder geänderte Bescheide handeln (Hartmann in
Beermann/Gosch, AO/FGO § 171 AO Rz 54; FG Nürnberg, Beschluss vom 14. März 1988 V 129-130/86, EFG 1988,
341). Bescheide ergehen nur aufgrund einer Außenprüfung, wenn sie die Feststellungen der Prüfung verwerten (FG
Baden- Württemberg, Urteil vom 6. Juni 1989 XI K 91/85 Z, EFG 1989, 553; Hartmann in Beermann/Gosch, a.a.O., §
171 AO Rz 54).
53 Im Streitfall sind die Erstbescheide vom 10. Mai 2005, in denen der Klägerin der beantragte Vorsteuerabzug aus den
streitigen Sanierungsleistungen für die Streitjahre gewährt worden ist, nicht aufgrund der Feststellungen der Prüfung
ergangen. Denn die Bescheide enthalten keine Bezugnahme auf den BP-Bericht. Darüber hinaus lässt sich dem
Bericht nicht mit hinreichender Eindeutigkeit entnehmen (s. oben II.4.c), ob und welche Folgen sich aus dem
Prüfungsbericht im Hinblick auf einen Vorsteuerabzug der Klägerin ergeben.
54 e) Auch die Voraussetzungen des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO liegen nicht vor.
55 Hat --wie im Streitfall ausweislich des BP-Berichts-- keine Schlussbesprechung stattgefunden, endet nach § 171 Abs.
4 Satz 3 AO die Festsetzungsfrist spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die letzten Ermittlungen im
Rahmen der Außenprüfung stattgefunden haben, die in § 169 Abs. 2 AO genannten Fristen verstrichen sind. Hieraus
folgt, dass mit der letzten Ermittlungshandlung die Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 AO erneut zu laufen beginnt
(BFH-Urteil vom 27. März 1996 I R 182/94, BFHE 180, 444, BStBl II 1997, 449).
56 Ausweislich des Prüfungsberichts dauerte die Prüfung mit Unterbrechungen vom 27. November 2002 bis zum 31.
Dezember 2003. Ermittlungshandlungen sind die Handlungen, die der Prüfer am Prüfungsort zur Ermittlung des
Steuerfalles vornimmt. Als Prüfungshandlungen kommen das informative Gespräch, das Verlangen nach Belegen und
Unterlagen oder Auskünften, ggf. auch von Dritten in Betracht (BFH-Urteil vom 24. April 2003 VII R 3/02, BFHE 202,
32, BStBl II 2003, 739). Bei Erlass der angefochtenen Aufhebungsbescheide vom 2. Juni 2006 wäre hiernach selbst
dann, wenn nach 2002 keine weiteren Ermittlungshandlungen mehr erfolgt wären, die Festsetzungsfrist jedenfalls
noch nicht abgelaufen.
57 f) Der Senat kann jedoch nicht entscheiden, ob eine der Ablaufhemmung entgegenstehende Unterbrechung der
Außenprüfung nach § 171 Abs. 4 Satz 2 AO vorliegt.
58 Nach dieser Vorschrift tritt die Ablaufhemmung nicht ein, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für
die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzverwaltung zu vertreten hat.
Die Frage, ob eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen worden ist, ist grundsätzlich nach den
Verhältnissen im Einzelfall zu beurteilen. Dabei sind neben dem zeitlichen Umfang der bereits durchgeführten
Prüfungsmaßnahmen alle Umstände hinzuzuziehen, die Aufschluss über die Gewichtigkeit der Prüfungshandlungen
vor der Unterbrechung geben. Unabhängig vom Zeitaufwand ist eine Unterbrechung unmittelbar nach Beginn der
Prüfung dann anzunehmen, wenn der Prüfer über Vorbereitungshandlungen, allgemeine Informationen über die
betrieblichen Verhältnisse, das Rechnungswesen und die Buchführung und/oder die Sichtung der Unterlagen des zu
prüfenden Steuerfalles bzw. ein allgemeines Aktenstudium nicht hinausgekommen ist (BFH-Urteil in BFHE 202, 32,
BStBl II 2003, 739). Eine Außenprüfung ist danach nur dann nicht mehr unmittelbar nach Beginn unterbrochen, wenn
die Prüfungshandlungen von Umfang und Zeitaufwand gemessen an dem gesamten Prüfungsstoff erhebliches
Gewicht erreicht oder erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt haben (BFH-Urteil in BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739).
59 Aufgrund des Hinweises im BP-Bericht, dass die Prüfung "mit Unterbrechungen" vom 27. November 2002 bis zum 31.
Dezember 2003 -also über ein Jahr- dauerte, ist nicht auszuschließen, dass die Voraussetzungen des § 171 Abs. 4
Satz 2 AO vorliegen. Hierzu hat das FG keine Feststellungen getroffen. Die Sache war deshalb zurückzuverweisen.
60 5. Das FG wird im zweiten Rechtsgang ggf. auch zu prüfen haben, ob § 174 Abs. 1 und 2 AO den Erlass der
Bescheide vom 2. Juni 2006 rechtfertigen.
61 a) Diese Vorschriften haben folgenden Wortlaut:
62 "(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger
berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid
auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so
kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen
Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung
des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.
63 (2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder
mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid
darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine
Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist."
64 b) Im Streitfall ist in unvereinbarer Weise sowohl der Klägerin in den am 10. Mai 2005 ergangenen Erstbescheiden als
auch dem G in den Bescheiden vom 9. Mai 2006 (Einspruchsentscheidung) der Vorsteuerabzug aus den
Sanierungsleistungen gewährt worden. Dabei sind die gegenüber der Klägerin am 10. Mai 2005 ergangenen
Erstbescheide als fehlerhafte Steuerbescheide anzusehen, da die Klägerin nicht zum Vorsteuerabzug aus den von G
bezogenen Sanierungsleistungen berechtigt war (s. oben II.2.b).
65 Allerdings scheidet eine Änderung nach § 174 Abs. 2 AO aus, wenn der Steuerpflichtige vor Erlass des fehlerhaften
Steuerbescheids den für die Besteuerung erheblichen Sachverhalt vollständig und richtig dargestellt hat, wobei es
unerheblich ist, ob die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts durch den Steuerpflichtigen falsch war (BFH-Urteil vom
21. Oktober 1980 VIII R 186/78, BFHE 132, 182, BStBl II 1981, 388). Auch hierzu sind weitere Feststellungen zu
treffen.