Urteil des BFH vom 01.04.2008

BFH: Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist, ablauf der frist, fristablauf, hinderungsgrund, versäumnis, glaubhaftmachung, beweismittel, versicherung

BUNDESFINANZHOF Beschluß vom 1.4.2008, X B 100/07
Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Gründe
1
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die Beschwerde zwar fristgerecht
erhoben, aber nicht innerhalb der Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--)
begründet. Eine Verlängerung der Begründungsfrist kommt im Streitfall nicht in Betracht. Den Antrag auf Verlängerung
der Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Satz 4 FGO) haben die Kläger erst nach deren Ablauf gestellt. Wiedereinsetzung
(§ 56 FGO) kann weder für den versäumten Fristverlängerungsantrag noch für die versäumte
Beschwerdebegründungsfrist gewährt werden.
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1. Nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO muss die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der
Zustellung des vollständigen Urteils begründet werden. Diese Voraussetzung haben die Kläger nicht erfüllt.
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a) Das Urteil des Finanzgerichts (FG) wurde den Klägern nach dem vom Prozessbevollmächtigten unterzeichneten
Empfangsbekenntnis am 22. Mai 2007 (Bl. 216 der FG-Akte) zugestellt. Die zweimonatige Frist zur Begründung der
Revision lief mit Ablauf des 23. Juli 2007 --einem Montag-- ab (§ 54 FGO, § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung --ZPO-
-, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).
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b) Die Kläger haben zwar am 25. Juli 2007 (beim Bundesfinanzhof --BFH-- eingegangen am 26. Juli 2007) beantragt,
die Beschwerdebegründungsfrist zu verlängern. Diesem Antrag kann jedoch nicht entsprochen werden, da ein
solcher Antrag vor dem regulären Ablauf der Begründungsfrist beim BFH gestellt werden muss (Gräber/Ruban,
Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 21). Der am 2. August 2007 beim BFH eingegangene Schriftsatz zur
Begründung der Beschwerde ist demnach verspätet.
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2. Die Versäumung der Frist ist im Streitfall auch nicht wegen einer den Klägern zu gewährenden Wiedereinsetzung
unbeachtlich. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt im Streitfall weder wegen des versäumten Antrags
auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist noch wegen der versäumten Beschwerdebegründungsfrist in
Betracht.
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a) Die Kläger beantragen mit dem am 26. Juli 2007 beim BFH eingegangenen Schriftsatz die Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand und eine Verlängerung der Begründungsfrist. Der Senat versteht diesen Schriftsatz des
Prozessbevollmächtigten dahingehend, dass die Kläger hiermit zunächst eine Wiedereinsetzung in die versäumte
Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist nach § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO begehren. Diese kann ihnen nicht
gewährt werden.
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Der Senat kann offenlassen, ob bei Versäumung des Antrags auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist eine
Wiedereinsetzung bereits dem Grunde nach ausscheidet (so BFH-Beschluss vom 13. Juli 2006 VII B 42/06, BFH/NV
2006, 2106, unter Bezugnahme auf den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 1. Dezember 1986 GrS 1/85,
BFHE 148, 414, BStBl II 1987, 264, zur Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist), da die Voraussetzungen für
eine Wiedereinsetzung nicht vorliegen.
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Die Kläger hätten gemäß § 56 Abs. 1 FGO hierfür darlegen müssen, dass ihr Prozessbevollmächtigter --dessen
Verhalten sie sich gemäß § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müssen-- ohne Verschulden daran
gehindert war, rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist zu stellen. Hieran fehlt es.
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Der Prozessbevollmächtigte hat mit Schriftsatz vom 19. Juni 2007, per Fax beim BFH am gleichen Tag eingegangen,
rechtzeitig Beschwerde erhoben. Ab diesem Zeitpunkt hätte er eine Fristverlängerung für die
Beschwerdebegründungsfrist beantragen können, hat dies aber nicht getan.
10 Unverschuldete Hinderungsgründe dafür, warum vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist ein
Fristverlängerungsantrag nicht rechtzeitig gestellt werden konnte, haben die Kläger nicht schlüssig erläutert. Sie
führen nur aus, dass am 19. Juni 2007 im Büro des Prozessbevollmächtigten das Zustellungsdatum des FG-Urteils
falsch notiert und die Beschwerdebegründungsfrist falsch berechnet worden sei. Dieser Vortrag lässt offen, wann
konkret die Akte des Streitfalles dem Prozessbevollmächtigten im Rahmen der nach seinen Angaben in seiner Kanzlei
üblichen zweiwöchigen Vorfrist vor Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerdebegründung vorgelegt worden
ist, ob der Prozessbevollmächtigte einen Fristverlängerungsantrag noch hätte rechtzeitig stellen können und falls ja,
was ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hat.
11 b) Auch eine Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist kommt nicht in Betracht. Die Kläger
haben die behaupteten Hinderungsgründe nicht glaubhaft gemacht (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO).
12 aa) Der Senat legt den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 25. Juli 2007 zu Gunsten der Kläger
dahingehend aus, dass die Kläger neben der Wiedereinsetzung in die versäumte Verlängerung der
Beschwerdebegründungsfrist nach § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO (s. oben unter 2. a) auch die Wiedereinsetzung in die
versäumte Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) beantragen.
13 bb) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumnis einer gesetzlichen Frist setzt nach § 56 Abs. 1 und
2 FGO u.a. voraus, dass der Betreffende ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten, dass er die
Tatsachen, aus denen sich dies ergibt, innerhalb der in § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO bezeichneten Frist vorträgt und
spätestens im Verfahren über den Antrag glaubhaft macht und dass er innerhalb der eben erwähnten Frist die
versäumte Rechtshandlung nachholt (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
14 Die Kläger haben zwar mit Schreiben vom 25. Juli 2007 die Wiedereinsetzung beantragt und die versäumte Handlung
fristgerecht mit Einreichung ihrer Begründungsschrift am 2. August 2007 nachgeholt. Sie machen aber weder die
Hinderungsgründe noch die Umstände, aus denen sich das fehlende Verschulden des Prozessbevollmächtigten oder
dessen Mitarbeiterin ergeben soll, glaubhaft. Der Senat kann aus dem Sachvortrag nicht erkennen, ob und welche
den Klägern zuzurechnenden Hinderungsgründe (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO) im Büro des
Prozessbevollmächtigten beachtlich und unverschuldet sein sollen. Es ist nicht schlüssig erläutert worden, in welcher
Person im Büro des Prozessbevollmächtigten der Hinderungsgrund vorlag, der für die Fristversäumung ursächlich
war. Nach dem vom Prozessbevollmächtigten zur Büroorganisation geschilderten Verfahren des Arbeitens mit einer
zweiwöchigen Vorfrist ist insbesondere unklar, ob dem Prozessbevollmächtigten als zuständigem Sachbearbeiter die
Akte des Streitfalles im Rahmen der Vorfrist noch rechtzeitig vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist vorlag und
daher das Versäumnis, den Fristablauf nicht noch einmal selbst kontrolliert zu haben, den entscheidenden
Hinderungsgrund darstellte oder ob dieser darin lag, dass die mit der Fristenberechnung und -kontrolle betraute
Rechtsanwaltsgehilfin dem Prozessbevollmächtigten die Akte unter Beachtung der Vorfrist erst nach Fristablauf
vorlegte und die Fristüberschreitung somit auf dem Fehler der Mitarbeiterin beruhte. Dies kann im Ergebnis
offenbleiben. Angesichts der Tatsache, dass die Kläger zur Glaubhaftmachung des Sachverhalts innerhalb der Frist
und selbst bis zur Senatsentscheidung kein präsentes Beweismittel (§§ 56, 155 FGO i.V.m. § 294 ZPO), wie z.B. die
eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten zur Richtigkeit der
Sachverhaltsschilderung vorgelegt haben, ist die Wiedereinsetzung schon aus diesem Grund zu versagen.