Urteil des BFH vom 14.03.2017
BFH (1995, kläger, arbeitnehmer, geldwerter vorteil, ortsübliche vergütung, bundesrepublik deutschland, vorbehalt, rechtsverordnung, dienstverhältnis, arbeitslohn)
BUNDESFINANZHOF Urteil vom 23.8.2007, VI R 74/04
Anwendung der Sachbezugsverordnung bei verbilligter Überlassung von Unterkünften - Keine verfassungsrechtlichen
Bedenken gegenüber dem Ansatz von Sachbezugswerten
Leitsätze
Bei der Bemessung der verbilligten Überlassung einer Unterkunft, die als Sachbezug dem Arbeitsentgelt hinzuzurechnen ist,
sind die amtlichen Werte der Sachbezugsverordnung in ihrer in den Jahren 1995 bis 1997 jeweils gültigen Fassung im
Festsetzungsverfahren zwingend anzusetzen.
Tatbestand
1 I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt ein Landeskrankenhaus. In den Jahren 1993 bis 1997 stellte er
verschiedenen, der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegenden Arbeitnehmern u.a. in einem
Schwesternwohnheim Unterkünfte zur Verfügung. Die Arbeitnehmer leisteten dafür in der im
Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) zugrunde gelegten Höhe Zahlungen, die nach Meinung der Verfahrensbeteiligten
der ortsüblichen Miete entsprachen.
2 Im Rahmen einer auf den Prüfungszeitraum 1. November 1993 bis 30. September 1997 bezogenen Lohnsteuer-
Außenprüfung stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) fest, dass die Zahlungen der
Arbeitnehmer unter den ab dem Jahr 1995 in § 3 der Verordnung über den Wert der Sachbezüge in der
Sozialversicherung (Sachbezugsverordnung --SachBezV--) festgesetzten Werten lagen. Dabei ermittelte er die
Differenzbeträge in der Weise, dass er von den Werten nach der SachBezV ausging, wegen der Lage der Unterkünfte
auf dem Krankenhausgelände einen Abschlag von 12 v.H. vornahm und zudem die in § 3 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der
SachBezV vorgeschriebenen Abschläge berücksichtigte.
3 Mit Nachforderungsbescheid vom 19. Februar 1998 erhob das FA für die Differenzbeträge zwischen den Zahlungen der
Arbeitnehmer und den sich nach der SachBezV ab dem Jahr 1995 ergebenden Werten gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
des Einkommensteuergesetzes (EStG) --antragsgemäß-- pauschal Lohnsteuer nach.
4 Gegen den Nachforderungsbescheid wandte sich der Kläger im Wesentlichen mit der Begründung, dass die von den
Arbeitnehmern geleisteten Zahlungen für die Unterkünfte den marktüblichen Entgelten entsprochen hätten. Die vom FA
angesetzten Werte seien nicht angemessen, so dass § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG in der im Jahr 1995 geltenden Fassung
(EStG 1995) bzw. § 8 Abs. 2 Satz 6 EStG in der ab 1996 geltenden Fassung (EStG 1996) nicht anzuwenden sei.
Jedenfalls müsse eine Korrektur durch entsprechende Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG 1995 bzw. § 8 Abs. 2
Satz 7 EStG 1996 vorgenommen werden. Die Werte der SachBezV seien nur maßgebend, wenn sich die daraus
ergebenden Werte --anders als im Streitfall-- nicht als offensichtlich unzutreffend erwiesen. Es handele sich um Zimmer
in einer Größe von 10 bis 12 qm. Der Gesetzgeber gehe bei der pauschalen Bewertung von Unterkünften aber offenbar
von einem Durchschnittswert von etwa 20 qm aus, bei dem notfalls auch Mehrfachbelegungen durch zwei
Arbeitnehmer mit den entsprechenden prozentualen Reduzierungen nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 der SachBezV möglich
seien. Die vom FA angesetzten Werte der SachBezV führten in verfassungswidriger Weise zur Besteuerung tatsächlich
nicht erzielter Einkünfte. Den Arbeitnehmern seien keine Unterkünfte "verbilligt" überlassen worden.
5 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 784 veröffentlichten
Gründen als unbegründet ab.
6 Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
7 Der Kläger beantragt, das Urteil des Niedersächsischen FG vom 2. September 2004 und die Einspruchsentscheidung
vom 15. September 1999 aufzuheben und die Lohn- und Kirchensteuer nebst Solidaritätszuschlag unter Abänderung
des Bescheids des FA vom 19. Februar 1998 um die bei den Unterkünften nach der SachBezV erfassten Zahlungen zu
reduzieren.
8 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
9
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat
zu Recht entschieden, dass die Differenz zwischen den von den Arbeitnehmern des Klägers gezahlten Entgelten nach
BAT und den höheren Werten der SachBezV lohnsteuerpflichtiger Bezug und die auf § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
gestützte pauschale Nacherhebung von Lohnsteuer durch das FA rechtmäßig ist.
10 1. Zum Arbeitslohn gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören alle Vorteile, die für eine Beschäftigung im
öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Arbeitslohn ist jeder mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis
eingeräumte geldwerte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Hingegen liegt nach
ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats Arbeitslohn nicht vor, wenn die den Vorteil bewirkenden
Aufwendungen im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers getätigt werden oder die
Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender
Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH--
vom 26. Juli 2006 VI R 49/02, BFHE 214, 373, BStBl II 2006, 917, und vom 15. März 2007 VI R 65/05, BFH/NV 2007,
1133, jeweils m.w.N.). Nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen und den Senat daher gemäß § 118 Abs. 2
FGO bindenden Feststellungen des FG beruhte die Einräumung des Wohnrechts in den streitbefangenen
Unterkünften nicht auf anderen Rechts- oder sonstigen Beziehungen als denen, die mit dem Dienstverhältnis zum
Kläger zusammenhingen. Ob und inwieweit ein zum Arbeitslohn zählender geldwerter Vorteil eingeräumt worden ist,
hängt demnach im Streitfall davon ab, ob die nach Meinung der Beteiligten von den Arbeitnehmern gezahlte
ortsübliche Vergütung oder die Werte der SachBezV zur Bemessung einer verbilligten Überlassung von Unterkünften
heranzuziehen sind.
11 2. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass bei der Bemessung der den Arbeitnehmern des Klägers in den
Streitjahren laufend zugeflossenen geldwerten Vorteile die amtlichen Werte der SachBezV in ihrer in den Streitjahren
jeweils gültigen Fassung (für 1995: BGBl I 1994, 3849, BStBl I 1995, 42; für 1996: BGBl I 1995, 1643, BStBl I 1995,
820; für 1997: BGBl I 1996, 1863, BStBl I 1996, 1556) zugrunde zu legen sind.
12 a) Zwar sind Einnahmen, die nicht in Geld bestehen (Wohnung, Kost, Waren und sonstige Sachbezüge), gemäß § 8
Abs. 2 Satz 1 EStG 1995 mit den üblichen Endpreisen am Abgabeort bzw. nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG 1996 mit den
um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen. Indes sind bei
Arbeitnehmern, für deren Sachbezüge durch Rechtsverordnung nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 des Vierten Buches
Sozialgesetzbuch in seiner in den Streitjahren geltenden Fassung (SGB IV), hier durch die SachBezV, Werte bestimmt
worden sind, diese Werte auch im Steuerrecht maßgebend (§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG 1995 bzw. § 8 Abs. 2 Satz 6 EStG
1996). Hierunter fallen Arbeitnehmer, die --wie im Streitfall-- der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegen
(§ 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 SGB IV). Für die Streitjahre ist für den Fall, dass eine Unterkunft zur Verfügung gestellt wird,
deren Wert gemäß § 2 SachBezV nach den §§ 3 und 5 SachBezV zu bestimmen. In § 5 SachBezV ist für verbilligt als
Sachbezug zur Verfügung gestellte Unterkunft geregelt, dass der Unterschiedsbetrag zwischen dem vereinbarten
Preis und dem Wert, der sich bei freiem Bezug der Unterkunft nach § 3 der SachBezV ergeben würde, dem
Arbeitsentgelt zuzurechnen ist. Eine § 3 Abs. 3 SachBezV in ihrer am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Fassung
(BGBl I 2003, 2103, BStBl I 2003, 563) vergleichbare Regelung, nach der ausnahmsweise bereits im
Festsetzungsverfahren Billigkeitsgesichtspunkte berücksichtigt werden konnten, enthält die in den Streitjahren jeweils
gültige Fassung der SachBezV nicht.
13 b) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Beschlüsse vom 7. Januar 2004 VI B 108/02, BFH/NV 2004,
1087, vom 6. Juni 2005 VI B 145/04, BFH/NV 2005, 1793) ist der sich nach § 2 i.V.m. § 3 bzw. § 5 SachBezV in ihrer in
den Streitjahren jeweils gültigen Fassung ergebende Wert für die Überlassung einer Unterkunft, der ggf. in
Sonderfällen nach § 3 Abs. 2 SachBezV --wie hier in zwischen den Beteiligten unstreitigem Maße geschehen-- durch
Abschläge zu mindern ist, im Festsetzungsverfahren zwingend anzusetzen. Als Rechtsverordnung ist die SachBezV
auch für die Gerichte bindend (vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 2. Juni 1964 2 BvL
23/62, BVerfGE 18, 52, unter C.I. der Gründe; Jarass/ Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland,
Kommentar, 9. Aufl., Art. 80 Rz 20, m.w.N.). Da es sich --wie der Senat bereits in seinem Beschluss in BFH/NV 2004,
1087 (unter 4. der Gründe, m.w.N.) hervorgehoben hat-- bei den Sachbezugswerten um gesetzliche Regelungen im
materiellen Sinne handelt, ist für sie die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach in Verwaltungsvorschriften
angesetzte Pauschbeträge dann keine Anwendung finden können, wenn sie offensichtlich unzutreffend sind, nicht
einschlägig. Billigkeitserwägungen bleiben im Steuerfestsetzungsverfahren außer Betracht. Damit sind
Sachbezugswerte im Festsetzungsverfahren auch anzusetzen, wenn sie angeblich über dem Marktwert liegen (so
auch Küttner/Thomas, Personalbuch 2007, Stichwort Sachbezug, Rz 23; vgl. auch z.B. Adamek in Bordewin/Brandt, §
8 EStG Rz 161; Blümich/Glenk, § 8 EStG Rz 130; Birk/Kister in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 EStG Rz 123; Gröpl, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 8 Rz C 33; Kirchhof in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 8 Rz 57; Pust in Littmann/Bitz/Pust,
Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 8 Rz 493).
14 c) Anders als der Kläger meint, stehen dem keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen.
15 aa) Es ist nicht erkennbar und --soweit ersichtlich-- auch bislang von niemandem ernsthaft in Betracht gezogen
worden, dass die der SachBezV zugrunde liegende gesetzliche Ermächtigung sich nicht in den durch Art. 80 des
Grundgesetzes (GG) gesetzten Grenzen halte oder die Rechtsverordnung den Rahmen der gesetzlichen
Ermächtigung (§ 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB IV) überschreite. Dies gilt auch für die formellen Voraussetzungen (vgl. dazu z.B.
Jarass/Pieroth, a.a.O., Rz 16 ff.), denen eine Rechtsverordnung zu genügen hat.
16 Auch sind durch die klar gefasste Entscheidung des Steuergesetzgebers in § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG 1995 bzw. § 8 Abs.
2 Satz 6 EStG 1996, die nach der SachBezV bestimmten Werte für einkommensteuerliche Zwecke zu übernehmen,
nicht die Grenzen zwischen Gesetz und Verordnung in einer Weise überschritten oder verwischt worden, die der
grundsätzlichen Unterscheidung zwischen beiden Regelungsformen und der rechtsstaatlichen Klarheit in Bezug auf
Geltungsvoraussetzungen, Rang, Rechtsschutzmöglichkeiten und Verwerfungskompetenzen, die für beide Normtypen
unterschiedlich geregelt sind, zuwiderliefe (vgl. dazu Beschluss des BVerfG vom 13. September 2005 2 BvF 2/03,
BVerfGE 114, 196, unter II.2.b. der Gründe).
17 bb) Zwar steht auch die Pauschale des § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG 1995 bzw. § 8 Abs. 2 Satz 6 EStG 1996 unter dem
allgemeinen Verfassungsvorbehalt des Art. 3 GG (vgl. Küttner/Thomas, a.a.O., Rz 26, m.w.N.). Dass der
Einkommensteuergesetzgeber die Sachbezugswerte nach der SachBezV auch für lohnsteuerliche Zwecke als
maßgeblich bestimmt hat, begegnet indes keinen gleichheitsrechtlichen Bedenken.
18 (1) Unabhängig davon, ob mit einer Steuernorm allein Fiskalzwecke oder auch Förderungs- und Lenkungsziele
verfolgt werden, ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten: Jede gesetzliche
Regelung muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die
Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die
regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich
generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich
verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Er darf jedoch für eine gesetzliche
Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab
zu Grunde legen (ständige Rechtsprechung des BVerfG, z.B. Beschluss vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116,
164, BFH/NV 2006, Beilage 4, 481, unter C.I.3.c der Gründe, m.w.N.).
19 Nach diesem Maßstab durfte sich der Gesetzgeber in § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG 1995 bzw. § 8 Abs. 2 Satz 6 EStG 1996
(als Ausnahme von der an die "um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreise am Abgabeort"
anknüpfenden Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG 1996) dafür entscheiden, die Sachbezugswerte nach der
aufgrund von § 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB IV erlassenen SachBezV auch für das Steuerrecht maßgeblich zu erklären. § 17
Abs. 1 Satz 1 SGB IV nennt als Grund der Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung ausdrücklich die
"Vereinfachung des Beitragseinzugs". Der damit für das Sozialrecht unterstellte erhebliche Verwaltungsaufwand im
Einzelfall durfte auch für das Steuerrecht angenommen werden. Damit war auch steuerrechtlich der Rückgriff auf
durchschnittliche, pauschalierende und typisierende Regelungen gerechtfertigt (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 6.
Februar 1987 VI R 24/84, BFHE 149, 172, BStBl II 1987, 355, unter 3. der Gründe).
20 Dass sich die in der SachBezV festgesetzten Werte in einem nicht mehr im Rahmen der Vereinfachung liegenden
Ausmaß von dem tatsächlichen Verkehrswert entfernt hätten (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 149, 172, BStBl II 1987,
355, m.w.N.) und sie deshalb zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten offensichtlich unzutreffenden Besteuerung
führen, hat der erkennende Senat in seinem Beschluss in BFH/NV 2004, 1087 (unter 4. der Gründe) ausdrücklich
verneint. Auch der Kläger, der die konkreten Umstände am Ort der streitbefangenen Unterkünfte berücksichtigt haben
möchte, hat solches nicht vorgetragen. Damit sind jedenfalls im Festsetzungsverfahren gewisse Benachteiligungen in
besonders gelagerten Einzelfällen gleichheitsrechtlich hinzunehmen (BVerfG, Beschluss vom 26. März 2007 2 BvL
11/04, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2007, 679, unter III. der abweichenden Meinung).
21 (2) Einen Gleichheitsverstoß begründet auch nicht der Umstand, dass § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG 1995 bzw. § 8 Abs. 2
Satz 7 EStG 1996 den Ansatz der Werte der SachBezV bei Arbeitnehmern, die nicht der gesetzlichen
Rentenversicherungspflicht unterliegen, unter den Vorbehalt gestellt hat, dass diese Werte nicht offensichtlich
unzutreffend sind, während in § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG 1995 bzw. § 8 Abs. 2 Satz 6 EStG 1996 ein solcher Vorbehalt
nicht enthalten ist. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte nämlich der Vorbehalt nicht die der gesetzlichen
Rentenversicherungspflicht unterliegenden Arbeitnehmer benachteiligen, sondern sachlich nicht gerechtfertigte
Privilegierungen des nicht der Rentenversicherungspflicht unterliegenden Arbeitnehmerkreises durch die Anwendung
der SachBezV verhindern. Die den Vorbehalt enthaltene Norm ist --zunächst als § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG-- durch das
Steuerreformgesetz 1990 neu in das EStG eingefügt worden (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 6). In der Begründung des
Gesetzentwurfs wird u.a. darauf verwiesen, dass die amtlichen Sachbezugswerte nur dann nicht maßgebend sein
sollten, wenn sie für die in Betracht kommenden Sachbezüge offensichtlich unzutreffend seien; dies gelte z.B. für die
Überlassung einer repräsentativen Wohnung an ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft (vgl. BTDrucks
11/2157, S. 141). Das aufgeführte Beispiel zeigt, dass der Gesetzgeber nur durch die Anwendung der SachBezV
begründete offensichtliche Privilegierungen ausschließen wollte. Durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999 ist der --
zuletzt in § 8 Abs. 2 Satz 7 EStG enthaltene-- Vorbehalt u.a. mit der Begründung gestrichen worden, mit der
Einschränkung hätten unangemessene Vorteile vermieden werden sollen, die sich bei der Bewertung von
Wohnungen hätten ergeben können (vgl. BTDrucks 14/1514, S. 4 und 29, wo wiederum das in BTDrucks 11/2157, S.
141 angeführte Beispiel aufgegriffen wird); mit Wirkung ab 1995 sehe die SachBezV jedoch pauschale
Sachbezugswerte nur noch für freie und verbilligte Unterkunft vor, während Wohnungen auch nach der SachBezV
grundsätzlich mit dem ortsüblichen Mietwert anzusetzen seien. Die in § 8 Abs. 2 Satz 7 EStG enthaltene
Einschränkung sei insofern überflüssig geworden und sei --auch aus Gründen der Rechtsklarheit-- zu streichen.
Demnach hat sich die Vorinstanz in ihrer angegriffenen Entscheidung zu Recht darauf berufen, dass der Vorbehalt
solche Fälle habe regeln sollen, in denen einem nicht rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer eine Wohnung
überlassen worden sei, deren ortsüblicher Mietpreis oberhalb der Sachbezugswerte gelegen habe. Eine
Begünstigung im Fall eines unterhalb der Sachbezugswerte liegenden ortsüblichen Mietwerts sollte die Regelung des
§ 8 Abs. 2 Satz 3 EStG 1995 bzw. § 8 Abs. 2 Satz 7 EStG 1996 nicht beinhalten.
22 Es kommt hinzu, dass nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats Sachbezugswerte wegen der insofern
verfassungsrechtlich gebotenen Maßgeblichkeit der tatsächlichen Werte nur auf im Wesentlichen vergleichbare Fälle
Anwendung finden können (Urteil vom 19. August 2004 VI R 33/97, BFHE 207, 230, BStBl II 2004, 1076, unter II.2. der
Gründe, m.w.N.) und insoweit auf "Luxusfälle" nicht anwendbar sind, selbst wenn es sich um der gesetzlichen
Rentenversicherungspflicht unterliegende Arbeitnehmer handelt.
23 cc) Auch die vom Kläger gerügte Verletzung der Eigentumsgarantie ist nicht ersichtlich. Art. 14 Abs. 1 GG wird durch
die Auferlegung von öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflichten, die den Pflichtigen nicht übermäßig belasten und
seine Vermögensverhältnisse nicht grundlegend beeinträchtigen, nicht verletzt (vgl. z.B. Beschluss des BVerfG vom
17. Juli 2003 2 BvL 1, 4, 6, 16, 18/99, 1/01, BVerfGE 108, 186, unter C.II.1. der Gründe, m.w.N.). Dass die Belastungen
durch die vom Kläger --antragsgemäß-- gemäß § 40 Abs. 3 Satz 1 EStG pauschal zu übernehmende Lohnsteuer für
einen unter normalen Umständen wirtschaftenden Abgabepflichtigen eine derartig erdrosselnde Wirkung haben, ist
weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Ebenso wenig ist erkennbar, dass der Kläger durch die Übernahme der
streitigen pauschalen Lohnsteuer gehindert wäre, an seine Arbeitnehmer Unterkünfte auf dem Krankenhausgelände
zu überlassen.
24 3. Ob --wie der Kläger meint-- hier ein Antrag nach § 163 der Abgabenordnung (AO) Erfolg haben könnte, hat der
Senat nicht zu entscheiden, denn insoweit handelt es sich um ein anderes Verfahren. Die Steuerfestsetzung und die
Entscheidung über die abweichende Festsetzung der Steuer aus Billigkeitsgründen sind in gesonderten
Verwaltungsverfahren zu prüfen (vgl. z.B. Klein/ Rüsken, AO, 9. Aufl., § 163 Rz 2, m.w.N.). Im Festsetzungsverfahren ist
nicht zu entscheiden, ob eine Billigkeitsmaßnahme vorzunehmen ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom
18. November 1998 X R 110/95, BFHE 187, 488, BStBl II 1999, 225, unter II.3. der Gründe, m.w.N.). Deshalb war auch
für Billigkeitserwägungen, wie sie das FG Baden-Württemberg in seinem einen Haftungsbescheid für Lohnsteuer der
Jahre 1995 bis 1999 betreffenden Urteil vom 14. Oktober 2004 3 K 204/00 (EFG 2005, 367) angestellt hat, im
vorliegenden Verfahren kein Raum (a.A. Schmidt/Drenseck, EStG, 26. Aufl., § 8 Rz 55).