Urteil des BFH vom 03.03.2010

Reihenfolge und zeitlicher Abstand von (negativer) Entscheidung über PKH-Begehren und Entscheidung zur Hauptsache

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 3.3.2010, VIII B 173/09
Reihenfolge und zeitlicher Abstand von (negativer) Entscheidung über PKH-Begehren und Entscheidung zur Hauptsache
Gründe
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I. Der Senat kann ohne vorherige Entscheidung über den für das Beschwerdeverfahren anhängig gemachten --und
mit Beschluss vom heutigen Tage beschiedenen-- Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) zum
Beschwerdevorbringen entscheiden.
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1. Eine vorherige Bescheidung des Begehrens auf PKH ist nur erforderlich, wenn dies im Interesse effektiven
Rechtsschutzes geboten ist, mithin die mögliche Einschaltung eines beizuordnenden Anwalts oder Steuerberaters
Einfluss auf die Sachentscheidung des Gerichts haben kann (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. Juli
1992 1 BvR 99/90, Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungsreport Zivilrecht 1993, 382; Bundesfinanzhof --
BFH--, Beschluss vom 9. Juli 1996 VII S 16/95, BFH/NV 1997, 143).
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Kommt aber eine Beiordnung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters --wie hier angesichts der Erfolglosigkeit des
PKH-Begehrens-- nicht in Betracht, ist ein fehlender zeitlicher Abstand zwischen (negativer) Entscheidung über das
PKH-Begehren und der Entscheidung zur Hauptsache für das Rechtsmittelverfahren ohne rechtliche Bedeutung (vgl.
BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1997, 143; vom 27. April 2001 XI S 16/00, BFH/NV 2001, 1417).
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2. Auch kostenrechtliche Gesichtspunkte rechtfertigen nur ausnahmsweise eine andere Beurteilung.
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So hat der BFH die Entscheidung über einen bereits eingelegten Rechtsbehelf im Zeitpunkt der Beschlussfassung
über das darauf bezogene PKH-Begehren nach richterlichem Ermessen zurückgestellt und die PKH-Entscheidung mit
dem Hinweis auf die mögliche Prüfung einer Rechtsbehelfsrücknahme zur Vermeidung weiterer Gerichtskosten
verbunden (vgl. BFH-Beschluss vom 1. April 2003 VII S 25/02 (PKH), BFH/NV 2003, 1077). Dafür kann indessen nur
Anlass bestehen, wenn der ablehnende PKH-Beschluss materiell-rechtliche Ausführungen unter Berücksichtigung
höchstrichterlicher Entscheidungen enthält, die für den bereits eingelegten Rechtsbehelf maßgeblich und für den
Rechtsbehelfsführer ersichtlich neu sind (BFH-Beschluss vom 24. Juli 2008 VIII B 104/08, juris). Eine solche Sachlage
ist --wie aus dem PKH-Beschluss vom heutigen Tage ersichtlich ist-- nicht gegeben.
II.
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Die Beschwerde ist unbegründet; die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gegen das angefochtene
Urteil nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor.
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1. Eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob eine Klage und ein (darauf bezogener) Antrag auf
PKH getrennt voneinander zu beurteilen sind, kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil das in der Sache zunächst
angerufene Landgericht bereits mit (durch Postzustellungsurkunde zugestelltem) Beschluss vom 28. Mai 2008
gesondert über den PKH-Antrag entschieden und erst dann den Rechtsstreit mit Beschluss vom 7. August 2008 an
das Finanzgericht (FG) verwiesen hat.
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2. Eine Zulassung wegen Verletzung rechtlichen Gehörs im Hinblick auf die Ablehnung des vom Kläger und
Beschwerdeführer (Kläger) vor der mündlichen Verhandlung gestellten Vertagungsantrags scheidet aus, weil das FG
berechtigt einen Vertagungsgrund i.S. des § 227 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO verneint hat.
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Macht der Kläger --wie hier-- seine Erkrankung als Verlegungsgrund geltend, muss diese regelmäßig durch ein
ärztliches Attest glaubhaft gemacht werden, aus dem sich die Verhinderung eindeutig und nachvollziehbar ergibt (vgl.
BFH-Beschlüsse vom 3. August 2005 II B 47/04, BFH/NV 2005, 2041; vom 9. Dezember 1998 IV B 90/97, BFH/NV
1999, 799, jeweils m.w.N.). Dies war dem vom Kläger eingereichten Attest nicht zu entnehmen, weil es lediglich auf
eine auf den 2. Juni 2009 anstehende Operation ohne nähere Erläuterung verwies, inwieweit dadurch eine Teilnahme
des Klägers an der mündlichen Verhandlung vom 19. Mai 2009 gehindert sein sollte.
10 3. Schließlich ist die tatsächliche Würdigung des FG, der Kläger habe ungeachtet der Klageerhebung "auf PKH-Basis"
wirksam Klage erhoben und diese auf alle Verwaltungsakte in der beigefügten "Auflistung der Verwaltungsakte, deren
Rechtswidrigkeit festzustellen ist" erstreckt, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
11 a) Angesichts der im Abschnitt "Anträge" der Klageschrift vom 25. März 2008 unbedingt gestellten Klageanträge und
des lediglich im Abschnitt "Sachverhalt und Begründung der Klage" --im Anschluss an die mehrseitige "Auflistung der
Verwaltungsakte, deren Rechtswidrigkeit festzustellen ist"-- am Ende enthaltenen Hinweises auf eine Klageerhebung
"auf PKH-Basis" war aus der Sicht eines objektiven Empfängers der Klageschrift lediglich von einer unbedingt
erhobenen Klage und einem daneben gestellten PKH-Antrag auszugehen.
12 b) Auch die Auslegung des Klagebegehrens ist entgegen der Ansicht des Klägers aus Rechtsgründen nicht zu
beanstanden.
13 Denn im Hinblick auf die der Klageschrift beigefügte Auflistung der von dem Feststellungsbegehren umfassten
Bescheide musste das FG davon ausgehen, dass der Klagegegenstand mit demjenigen identisch war, über den es
bereits mit rechtskräftigem Urteil in dem Verfahren 13 K 1281/08 F entschieden hatte: Denn auch in jenem Verfahren
war diese Auflistung zur Konkretisierung des seinerzeitigen Klagebegehrens zum Gegenstand des Verfahrens
gemacht worden. Auf dieser Grundlage war dem FG eine erneute Sachentscheidung nach Maßgabe des § 110 FGO
verwehrt.
14 4. Das FG hat schließlich entgegen der Ansicht des Klägers seine Hinweispflicht nach § 76 Abs. 2 FGO nicht dadurch
verletzt, dass es nicht auf die Möglichkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage hingewiesen hat. Denn nach ständiger
Rechtsprechung muss ein Verfahrensbeteiligter selbst bei umstrittener oder problematischer Rechtslage alle
vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten (vgl.
BFH-Beschluss vom 5. Januar 2009 I B 105/08, Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, R 735). Dies gilt umso mehr,
wenn sich die vom Gericht erwogene Fassung des Klagebegehrens --wie im Streitfall die
Fortsetzungsfeststellungsklage nach materieller Erledigung des Streits gegen angefochtene Bescheide-- aufdrängt.
Abgesehen davon kommt es auf diesen behaupteten Verfahrensmangel schon deshalb nicht an, weil er lediglich die
nicht tragende Hilfsbegründung der finanzgerichtlichen Entscheidung betrifft.