Urteil des BFH vom 07.02.2008

Einnahmen-Überschussrechnung: Aufbewahrung der Belege, Einzelaufzeichnung von Betriebseinnahmen

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 7.2.2008, X B 189/07
Einnahmen-Überschussrechnung: Aufbewahrung der Belege, Einzelaufzeichnung von Betriebseinnahmen
Gründe
1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO
gebotenen Weise dargelegt.
2 1. Macht der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend, muss er substantiiert darauf
eingehen, weshalb die Beantwortung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der
Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Zur schlüssigen Darlegung der
Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage muss der Beschwerdeführer begründen, in welchem Umfang, von welcher
Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und streitig ist.
3 2. Diesen Anforderungen genügt die Rüge des Klägers nicht. Er hat sinngemäß die Rechtsfrage aufgeworfen, ob die
tägliche eigenhändige Aufzeichnung der Tageseinnahmen eines Lebensmitteleinzelhändlers, der seinen Gewinn nach
§ 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt, den gesetzlichen Aufzeichnungspflichten bzw. dem
konkreten Besteuerungszweck genügt. Die Ausführungen des Klägers zu diesem Punkt erschöpfen sich in
Darlegungen darüber, dass die aufgeworfene Rechtsfrage für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen Bedeutung hat und
deshalb ein über den Einzelfall hinausgehendes allgemeines Interesse daran besteht, aus Gründen der Rechtsklarheit,
der Rechtseinheitlichkeit und der Rechtsentwicklung eine höchstrichterliche Entscheidung des Streitfalls
herbeizuführen. Dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) hätte eine Schätzungsbefugnis nach § 162
Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) nicht zugestanden, wenn der Bundesfinanzhof (BFH) die Auffassung vertreten sollte,
die täglichen eigenhändigen Aufzeichnungen der Kasseneinnahmen durch den Kläger seien ausreichend gewesen.
Damit ist freilich die grundsätzliche Bedeutung der von ihm herausgestellten Frage nicht schlüssig dargelegt worden. Er
hätte sich in der Beschwerdebegründungsschrift vielmehr auch --woran es fehlt-- substantiiert mit der einschlägigen
Rechtsprechung und Literatur auseinandersetzen müssen.
4 3. Im Übrigen hat das Finanzgericht (FG) die Schätzungsbefugnis des FA dem Grunde nach zu Recht bejaht.
5 a) Der Kläger war im Rahmen der von ihm zulässigerweise nach § 4 Abs. 3 EStG vorgenommenen Gewinnermittlung
zur Aufzeichnung der Betriebseinnahmen verpflichtet. Auch die Überschussrechnung setzt voraus, dass die
Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben durch Belege nachgewiesen werden (BFH-Urteil vom 15. April 1999 IV R
68/98, BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481; Schmidt/Heinicke, EStG, 26. Aufl., § 4 Rz 374 f.).
6 b) Einnahmen sind einzeln aufzuzeichnen (BFH-Urteil vom 12. Mai 1966 IV 472/60, BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 372).
Dem Grundsatz nach gilt das auch für Bareinnahmen; die Tatsache der sofortigen Bezahlung der Leistung rechtfertigt
nicht, die jeweiligen Geschäftsvorfälle nicht einzeln festzuhalten. Aus Gründen der Zumutbarkeit und Praktikabilität
(Vielzahl von einzelnen Geschäften mit geringem Wert, z.T. Centbeträge) besteht die Pflicht zur Einzelaufzeichnung
jedoch nicht für Einzelhändler (und vergleichbare Berufsgruppen), die im Allgemeinen Waren an ihnen der Person
nach unbekannte Kunden über den Ladentisch gegen Barzahlung verkaufen (Weber-Grellet, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz D 53). Folgerichtig ging das FG davon aus, dass dem Kläger eine
Einzelaufzeichnungspflicht nicht zugemutet werden kann, weil er Waren geringen Werts an eine Vielzahl unbekannter
Personen verkauft hat.
7 c) Allerdings sind auch Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, verpflichtet, die ihrer
Gewinnermittlung zugrunde liegenden Belege aufzubewahren. Eine solche Aufbewahrungspflicht ergibt sich in der
Regel aus § 147 AO, aber auch aus der den Steuerpflichtigen obliegenden Feststellungslast (Weber-Grellet, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 4 Rz D 54). Zutreffend hat das FG darauf abgestellt, dass gerade in Fällen, in denen
Steuerpflichtigen eine Einzelaufzeichnungspflicht nicht zugemutet werden kann, die Einnahmeermittlung --z.B. bei
Einsatz von Registrierkassen durch Erstellung und Aufbewahrung der Kassenendsummenbons-- nachvollziehbar
dokumentiert und überprüfbar sein muss. Die (ggf. freiwillige und im eigenen Interesse liegende) Aufbewahrung aller
Belege ist im Regelfall notwendige Voraussetzung für den Schluss, dass nicht nur die geltend gemachten
Betriebsausgaben als durch den Betrieb veranlasst angesehen werden, sondern auch die Betriebseinnahmen
vollständig erfasst sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481). Nur bei Vorlage geordneter und
vollständiger Belege verdient eine Einnahmen-Überschußrechnung Vertrauen und kann für sich die Vermutung der
Richtigkeit in Anspruch nehmen (BFH-Urteil in BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481).