Urteil des BFH vom 15.11.2007

BFH (kläger, zpo, antrag, akten, zulassung, aussicht, sicherung, fortbildung, wahrscheinlichkeit, verfahrensmangel)

BUNDESFINANZHOF Beschluß vom 18.1.2008, III S 44/07 (PKH)
Prozesskostenhilfe - Zurechenbarkeit des Verschuldens des steuerlichen Beraters
Tatbestand
1 I. Der Kläger und Antragsteller (Kläger), ein kroatischer Werkvertragsarbeitnehmer, ließ seine
Einkommensteuererklärung 2002 von einem Lohnsteuerhilfeverein erstellen und beim Beklagten (Finanzamt --FA--)
einreichen. Nachdem die Steuerfahndungsstelle im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den
Lohnsteuerhilfeverein die Fälschung der mit der Steuererklärung eingereichten Unterhalts-, Familienstands- und
Kindergeldbescheinigung aufgedeckt hatte, änderte das FA die ursprüngliche Steuerfestsetzung und erhöhte die
Einkommensteuer von 1 104 EUR auf 2 217 EUR.
2 Im Einspruchsverfahren reichte der Kläger Originalunterlagen (Unterhaltsbescheinigung für das minderjährige Kind
und die Ehefrau sowie eine Familienstands-, Kindergeldbescheinigung) nach. Daraufhin setzte das FA mit der
Einspruchsentscheidung die Einkommensteuer auf 1 703 EUR herab.
3 Mit der Klage beantragte der Kläger, den Änderungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Er machte
geltend, er habe seine Lohnsteuerkarte an den Lohnsteuerhilfeverein gegen Sofortauszahlung eines Betrages in Höhe
von 70 % der errechneten Steuererstattungssumme verkauft und wisse nicht, was der Steuerberater letztlich gemacht
habe. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und führte im Wesentlichen aus, der Kläger müsse sich, auch wenn ihn
der Vorwurf der Belegfälschung nicht persönlich treffe, das Verhalten des von ihm beauftragten Lohnsteuerhilfevereins
zurechnen lassen.
4 Mit Schriftsatz vom 15. November 2007 legte der nicht vertretene Kläger "Beschwerde/Widerspruch" gegen das
erstinstanzliche Urteil ein. Er trägt vor, er habe seine Steuerkarte 2002 dem Lohnsteuerhilfeverein übergeben, dort
jedoch keine Vollmacht, sondern lediglich den Empfang von 800 EUR als Vorauszahlung auf die
Einkommensteuererstattung unterschrieben. Ihn treffe keine Schuld; er könne nicht für die vom Lohnsteuerhilfeverein
begangenen Fälschungen in Anspruch genommen werden. Momentan arbeite er nicht. Er könne sich keinen Anwalt
leisten und habe deshalb den "Widerspruch" selbst verfasst. Geld für die vom FA geforderte Rückzahlung könne er
nicht aufbringen.
Entscheidungsgründe
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II. 1. Der Senat legt das Begehren des Klägers zu seinen Gunsten als Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) und
Beiordnung eines Prozessvertreters für eine erst einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde aus.
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Da vor dem Bundesfinanzhof (BFH) gemäß § 62a der Finanzgerichtsordnung (FGO) Vertretungszwang gilt, wäre eine
vom Kläger persönlich erhobene Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig. Für den beim BFH als Prozessgericht zu
stellenden Antrag auf PKH besteht hingegen kein Vertretungszwang (§ 155 FGO i.V.m. § 78 Abs. 5, § 117 Abs. 1 der
Zivilprozessordnung --ZPO--).
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2. Der Antrag auf PKH ist jedoch abzulehnen, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des FG keine
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
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a) Die Gewährung von PKH setzt nach § 142 FGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO unter anderem voraus, dass die
beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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b) Handelt es sich bei der beabsichtigten Rechtsverfolgung um die Zulassung der Revision, muss eine gewisse
Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 FGO gegeben sein (ständige
Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 27. Dezember 2006 III S 30/05 (PKH), BFH/NV 2007, 1140). Weder aus
dem Vorbringen des Klägers noch aus den Akten ergeben sich aber Anhaltspunkte dafür, dass die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder die Entscheidung
auf einem Verfahrensmangel beruhen könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
10 c) Der Kläger hat keinen solchen die Zulassung rechtfertigenden Grund vorgetragen. Gründe dafür, dass der Streitfall
eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung für die Allgemeinheit hat und deshalb die Revision wegen
grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen ist, sind nicht ersichtlich. Zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung der
Rechtseinheit ist im Streitfall eine Entscheidung des BFH ebenfalls nicht erforderlich. Auch ergeben das Urteil und die
dem Senat vorliegenden Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass das FG-Urteil auf einem Verfahrensfehler beruht.
11 Das FG hat zutreffend ausgeführt, dass sich der Kläger das Verschulden seines steuerlichen Beraters zurechnen
lassen muss (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO analog). Steuerrechtlich maßgeblich ist ausschließlich, welche
Unterlagen dem FA zur Bearbeitung der Einkommensteuererklärung 2002 des Klägers vorgelegt wurden. Im Streitfall
waren dies nach dem Ermittlungsbericht der Steuerfahndungsstelle eine gefälschte Unterhalts-, Familienstands- und
Kindergeldbescheinigung. Der Einwand des Klägers, er selbst habe keine Fälschungen begangen und dem
steuerlichen Vertreter nur Originale vorgelegt, ist unbeachtlich.
12 3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 FGO, § 1 Nr. 3 des
Gerichtskostengesetzes i.V.m. dem Kostenverzeichnis).