Urteil des BFH vom 11.12.2003

BFH (kapitalgesellschaft, beteiligung, kläger, rechtsfrage, geschäftsbeziehung, sicherung, umfang, gesellschaft, förderung, absicht)

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 25.11.2008, X B 268/07
Beteiligung als notwendiges Betriebsvermögen
Gründe
1
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Es kann dahinstehen, ob die Beschwerdebegründung des Klägers und
Beschwerdeführers (Kläger) den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht,
wonach in der Begründung die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) darzulegen sind.
Im Streitfall sind die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe jedenfalls nicht gegeben.
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1. Wird geltend gemacht, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder zur
Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen, dann ist ausführlich zu beschreiben, aus
welchen Gründen die aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Hierbei ist unter
Heranziehung der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur darzustellen, in welchem Umfang, von welcher Seite
und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und strittig ist (Gräber/Ruban,
Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 31 ff. und Rz 38, m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --
BFH--). Hat der BFH bereits früher über die Rechtsfrage entschieden, muss begründet werden, weshalb gleichwohl
eine erneute Entscheidung des BFH zu dieser Frage im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung
erforderlich ist. Hierzu ist substantiiert vorzutragen, inwiefern und aus welchen Gründen die höchstrichterlich
beantwortete Frage weiterhin umstritten ist. Insbesondere ist darzutun, welche neuen und gewichtigen Argumente in
der Rechtsprechung der Finanzgerichte (FG) und/oder in der Literatur gegen die Rechtsauffassung des BFH
vorgebracht worden sind, die der BFH noch nicht geprüft hat (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 33, m.w.N. aus der
Rechtsprechung des BFH).
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a) Der Kläger macht geltend, es sei durch die BFH-Rechtsprechung bisher nicht eindeutig geklärt, ob die Beteiligung
an einer Kapitalgesellschaft nur dann zum notwendigen Betriebsvermögen eines Gewerbetreibenden gehöre, wenn
die Kapitalgesellschaft in derselben Branche tätig sei wie der an dieser Gesellschaft beteiligte Unternehmer.
Jedenfalls dürfe die Kapitalgesellschaft keine Betätigung entfalten, die der des beteiligten Unternehmers
wesensfremd sei. Hierzu legt der Kläger im Wesentlichen nur dar, dass sich die BFH-Rechtsprechung überwiegend
mit Fallgestaltungen befasst hat, in denen die Kapitalgesellschaft in derselben Branche tätig war wie ihr
Gesellschafter. Er räumt jedoch selbst ein, dass der BFH in einem Einzelfall notwendiges Betriebsvermögen auch
angenommen habe, obwohl die Kapitalgesellschaft in einer anderen Branche tätig geworden sei.
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Es kann dahinstehen, ob dieser Vortrag des Klägers ausreichend ist. Jedenfalls ist die von ihm aufgeworfene
Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass die Beteiligung an
einer Kapitalgesellschaft dann zum notwendigen und nicht nur zum gewillkürten Betriebsvermögen ihres
Gesellschafters gehört, wenn die Beteiligung ausschließlich und unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke des
Steuerpflichtigen genutzt wird. Hierzu ist im Fall der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft erforderlich, dass mit
dieser Gesellschaft nicht nur Geschäftsbeziehungen unterhalten werden, wie sie üblicherweise auch mit anderen
Unternehmen bestehen. Unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke wird eine solche Beteiligung jedenfalls dann
genutzt, wenn sie dazu bestimmt ist, entweder die branchengleiche gewerbliche Betätigung des Steuerpflichtigen zu
fördern oder den Absatz der Produkte des Steuerpflichtigen zu gewährleisten (vgl. z.B. Senatsurteil vom 20.
September 1995 X R 46/94, BFH/NV 1996, 393, m.w.N. aus der ständigen BFH-Rechtsprechung). Ob diese
Voraussetzungen erfüllt sind, ist im Wesentlichen Tatfrage (BFH-Urteil vom 11. Dezember 2003 IV R 19/02, BFHE 204,
213, BStBl II 2004, 280).
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Entgegen der Auffassung des Klägers bedarf die Frage nicht der grundsätzlichen Klärung, ob eine Beteiligung (nur)
dann notwendiges Betriebsvermögen ist, wenn sie dazu dient, den Absatz des Unternehmens des beteiligten
Gesellschafters in derselben Branche zu fördern. Es ist geklärt, dass der Hinweis in der Rechtsprechung, wonach das
Ziel der Förderung des Absatzes von Produkten des beteiligten Steuerpflichtigen entscheidend sein kann, nicht in
dem Sinne wörtlich zu nehmen ist, dass nur dem Absatz von Waren entscheidende Bedeutung zukommt. Denn die
BFH-Rechtsprechung hat notwendiges Betriebsvermögen auch dann angenommen, wenn mittels der Beteiligung
Umsätze erstrebt bzw. gesichert werden sollen, die durch Dienstleistungen erzielt werden (BFH-Urteil vom 3. Oktober
1989 VIII R 328/84, BFH/NV 1990, 361, betreffend die Vermittlung von Lebensversicherungen, und Senatsurteil vom
31. Mai 2005 X R 36/02, BFHE 210, 124, BStBl II 2005, 707, betreffend die Vermietung von Wirtschaftsgütern). Durch
das zuletzt genannte Urteil ist zudem geklärt, dass der Gesichtspunkt der Absatzförderung auch dann maßgeblich sein
kann, wenn die Kapitalgesellschaft in einer anderen Branche tätig ist als der beteiligte Gesellschafter. Denn die
Entscheidung der Frage, ob mittels der Beteiligung der eigene Absatz des beteiligten Steuerpflichtigen in einem Maß
gefördert oder gesichert werden soll, der über Geschäftsbeziehungen hinausgeht, wie sie üblicherweise mit anderen
Geschäftspartnern bestehen, hängt von der Branchenzugehörigkeit grundsätzlich nicht ab.
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Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Betätigung der Kapitalgesellschaft der Tätigkeit des beteiligten Steuerpflichtigen
nicht wesensfremd ist (zur Indizwirkung dieses Gesichtspunkts vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1996, 393). Dies ist nicht
nur dann zu bejahen, wenn der Erwerb der Beteiligung dazu dient, hierdurch bereits bestehende Absatzmöglichkeiten
zu sichern, die wegen einer Insolvenz des bisherigen Geschäftspartners gefährdet waren (vgl. hierzu BFH-Urteil vom
9. September 1986 VIII R 159/85, BFHE 148, 246, BStBl II 1987, 257). Vielmehr kann dies auch gegeben sein, wenn
der beteiligte Steuerpflichtige wie im Streitfall seine geschäftliche Betätigung um ein zusätzliches Geschäftsfeld
erweitert, das im Wesentlichen darauf abzielt, Umsätze mittels der Geschäftsbeziehung zu der Kapitalgesellschaft
(hier: Verkaufsprovisionen und Umsätze aus der Vermietung des Fuhrparks) zu erzielen. Handelt es sich mithin nicht
um ein bloßes Hilfsgeschäft, sondern um eine Ausdehnung der geschäftlichen Betätigung des Steuerpflichtigen, dann
ist diese darauf gerichtet, das eigene Unternehmen mittels der Geschäftsbeziehung zur Kapitalgesellschaft zu fördern.
Hierbei wird vorausgesetzt, dass sich die Kapitalgesellschaft ihrerseits wirtschaftlich betätigt. Diese Betätigung ist
daher notwendige Voraussetzung für den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg des beteiligten Steuerpflichtigen, der
mit dieser Gesellschaft Geschäfte betreibt und ist gegenüber der des beteiligten Steuerpflichtigen nicht wesensfremd.
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b) Der Kläger macht ferner geltend, die Rechtsprechung stelle hinsichtlich der Beantwortung der Frage, ob zu der
Kapitalgesellschaft Beziehungen unterhalten werden, die über diejenigen hinausgehen, welche zu anderen Kunden
unterhalten werden, zu Unrecht auf die hierbei erzielten Umsätze ab. Stattdessen könne allein maßgebend sein, ob
mittels der Geschäftsbeziehung zu der Kapitalgesellschaft tatsächlich Gewinne erzielt würden.
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Auch hinsichtlich dieses Vorbringens lässt es der angerufene Senat dahingestellt, ob der klägerische Vortrag den
Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt. Die von ihm aufgeworfene Frage ist jedenfalls nicht
klärungsbedürftig. Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass es hinsichtlich der Frage, ob
mittels der Beteiligung eine Förderung und Sicherung des Absatzes erstrebt wird, entscheidend auf den Umsatzanteil
ankommt, den der Beteiligte durch seine Geschäftsbeziehung mit der Kapitalgesellschaft erzielt (BFH-Urteil vom 8.
Dezember 1993 XI R 18/93, BFHE 173, 137, BStBl II 1994, 296). Der Hinweis des Klägers, stattdessen sei
richtigerweise auf den Beitrag dieses Umsatzes zum Gewinn seines Unternehmens abzustellen, berücksichtigt nicht
die Grundsätze des § 15 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes. Danach ist für die Frage, ob und in welcher Höhe
Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorliegen, die Absicht des Steuerpflichtigen maßgebend, Gewinne zu erzielen.
Dementsprechend bestimmt sich der Umfang seines notwendigen Betriebsvermögens nach dieser Absicht. Es ist
daher nicht entscheidend, ob die mittels des Erwerbs eines Wirtschaftsguts (hier einer Beteiligung) erstrebte
Sicherung oder Steigerung des Gewinns tatsächlich eintritt. Denn es ist dem Begriff des Gewerbetreibenden eigen,
dass er ein Unternehmer- und damit ein Verlustrisiko zu tragen hat (BFH-Urteil vom 19. Februar 1997 XI R 1/96, BFHE
182, 567, BStBl II 1997, 399). Voraussetzung für das Vorliegen von notwendigem Betriebsvermögen ist daher
grundsätzlich nicht, dass mittels des Wirtschaftsguts tatsächlich Gewinne erzielt werden. Dies gilt jedenfalls dann,
wenn es sich nicht um von vornherein verlustbehaftete Wirtschaftsgüter handelt. Hierum geht es im Streitfall ersichtlich
nicht.
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c) Die weitere vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob es verfassungswidrig sei, dass die Rechtsprechung die
Annahme von notwendigem Betriebsvermögen von Freiberuflern im Gegensatz zu demjenigen eines
Gewerbebetriebs zusätzlich davon abhängig mache, dass die Beteiligung zur freiberuflichen Betätigung nicht
wesensfremd sei, bedarf nicht der grundsätzlichen Klärung.
10 Die BFH-Rechtsprechung hat wiederholt erkannt, dass die Zugehörigkeit einer Beteiligung zum (notwendigen)
Betriebsvermögen eines Freiberuflers grundsätzlich voraussetzt, dass der Betrieb der Kapitalgesellschaft der
freiberuflichen Tätigkeit nicht wesensfremd ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 22. Januar 1981 IV R 107/77, BFHE 133, 168,
BStBl II 1981, 564, und vom 23. Mai 1985 IV R 198/83, BFHE 144, 53, BStBl II 1985, 517). Diese Rechtsprechung
beruht auf der Erwägung, dass der Umfang des Betriebsvermögens eines Freiberuflers im Gegensatz zu dem eines
Gewerbetreibenden durch dessen Berufsbild und die Standesrichtlinien geprägt und damit begrenzt ist (vgl. hierzu
Schmidt/Heinicke, EStG, 27. Aufl., § 4 Rz 163). Gegen diese unterschiedliche Behandlung bestehen keine
verfassungsrechtlichen Bedenken (Beschluss des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Mai 1969 1 BvR
228/69, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1969, 346).
11 2. Auch soweit der Kläger geltend macht, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115
Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen, hat die Beschwerde keinen Erfolg.
12 a) Das Vorliegen dieses Revisionszulassungsgrunds ist nur dann ausreichend dargetan, wenn die tragenden
Erwägungen der angefochtenen Entscheidung und der (angeblichen) Divergenzentscheidung in der Weise
herausgearbeitet und gegenübergestellt werden, dass eine abweichende Rechtsauffassung im grundsätzlichen
Ansatz erkennbar wird (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 41 f.).
13 b) Der Kläger macht geltend, das angefochtene Urteil weiche von den BFH-Urteilen in BFHE 148, 246, BStBl II 1987,
257, in BFHE 173, 137, BStBl II 1994, 296 und in BFH/NV 1996, 393 ab. Der BFH habe dort entscheidend für das
Vorliegen von notwendigem Betriebsvermögen darauf abgestellt, dass die Kapitalgesellschaft, an welcher der
Steuerpflichtige beteiligt war, in der gleichen Branche wie dieser tätig gewesen sei. Demgegenüber habe sich das FG
nicht mit der Frage befasst, ob eine Branchengleichheit vorgelegen habe.
14 Der angerufene Senat kann offenlassen, ob dieser Vortrag ausreichend ist. Es ist zweifelhaft, aus der unterbliebenen
Prüfung der Frage der Branchengleichheit oder -nähe durch das FG den Schluss zu ziehen, das FG habe damit
bewusst zum Ausdruck bringen wollen, dieser Gesichtspunkt sei unerheblich. Entscheidend ist nämlich, dass den vom
Kläger benannten Entscheidungen lediglich die positive Aussage entnommen werden kann, dass eine
branchengleiche oder -nahe Betätigung ein Gesichtspunkt sein kann, der eine Zuordnung der Beteiligung zum
notwendigen Betriebsvermögen rechtfertigt. Hingegen kann diesen Entscheidungen kein entscheidungserheblicher
Rechtssatz des Inhalts entnommen werden, dass eine solche Zuordnung zwingend eine solche branchengleiche oder
-nahe Betätigung voraussetzt.