Urteil des BFH vom 17.01.2002

BFH (anwendung des rechts, bilanz, verbindlichkeit, gewinn, behandlung, gewinnausschüttung, ergebnis, forderung, rechtsmittel, interesse)

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 24.9.2008, I B 178/07
Voraussetzungen für grundsätzliche Bedeutung
Tatbestand
1 I. Die Beteiligten streiten über die steuerrechtliche Behandlung verdeckter Gewinnausschüttungen.
2 Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren Anteile sämtlich von der A-AG gehalten werden.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 1992 bis 1994 waren bei ihr bestimmte Zahlungen an die A-AG als
verdeckte Gewinnausschüttungen angesehen worden; die Richtigkeit dieser Beurteilung ist zwischen den Beteiligten
unstreitig. Der Prüfer hatte jedoch den Betrag der verdeckten Gewinnausschüttung (230 792 DM) nicht im Wege einer
außerbilanziellen Hinzurechnung berücksichtigt; vielmehr hatte er eine Prüferbilanz erstellt, auf deren Passivseite eine
"Verbindlichkeit A" in Höhe von ./. 230 791,89 DM ausgewiesen war. Die Einstellung dieser negativen Position auf der
Passivseite hatte bei der Gewinnermittlung für 1994 den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 des
Einkommensteuergesetzes erhöht.
3 In den Steuerbilanzen für die Folgejahre wurde die genannte Bilanzposition zunächst unverändert fortgeführt. Eine
Gewinnauswirkung ergab sich daraus nicht. Mit Vertrag vom 17. Januar 2002 trat die Klägerin jedoch im Zuge einer
Umstellung ihrer Geschäftstätigkeit alle zu diesem Stichtag bestehenden Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
an die A-AG ab. Die als Gegenleistung gewährten Entgeltsansprüche wurden mit gegenüber der A-AG bestehenden
Verbindlichkeiten aufgerechnet. In diesem Zusammenhang wurde auch die in der Bilanz ausgewiesene negative
Verbindlichkeit aufgelöst.
4 Die Klägerin berücksichtigte diesen Vorgang gewinnmindernd. Demgegenüber ging der Beklagte und
Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass durch eine solche Handhabung die ursprüngliche
Besteuerung der verdeckten Gewinnausschüttung rückgängig gemacht werde, was zu einem unzutreffenden
Totalgewinn führe. Er berücksichtigte deshalb die von der Klägerin geltend gemachte Gewinnminderung nicht. Auf
dieser Basis erließ das FA Steuerbescheide für die Streitjahre (2002 bis 2004). Die Klägerin focht die Bescheide wegen
des genannten sowie wegen weiterer Streitpunkte mit Einspruch und nachfolgender Klage an. Das Finanzgericht (FG)
wies die Klage ab, ohne die Revision gegen sein Urteil zuzulassen.
5 Die Klägerin hat das Urteil des FG zunächst umfassend mit einer Nichtzulassungsbeschwerde angefochten. Im
weiteren Verlauf hat sie ihr Rechtsmittel auf den genannten Streitpunkt beschränkt. Sie macht geltend, dass die
Revision nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.
6 Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Das Urteil des FG bezieht sich auf die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004 und auf mehrere weitere Streitpunkte
(u.a. Kapitalertragsteuer und Verspätungszuschlag zur Körperschaftsteuer 2002). Die Klägerin hat es zunächst in
vollem Umfang angefochten. Die später erfolgte Beschränkung ihres Begehrens ist jedoch dahin zu deuten, dass sie
ihr Rechtsmittel hinsichtlich der nicht mehr verfolgten Streitpunkte zurückgenommen hat. Deshalb ist das Verfahren
insoweit einzustellen (§ 72 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO) und nur über die Nichtzulassungsbeschwerde
wegen der Körperschaftsteuer und des Gewerbesteuermessbetrags 2002 sowie wegen gesonderter Feststellungen
zum 31. Dezember 2002 inhaltlich zu entscheiden.
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III. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die von der Klägerin geltend gemachten Gründe für eine
Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil zuzulassen, wenn die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur
dann der Fall, wenn die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhängt,
die im Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Anwendung des Rechts der Klärung bedarf
(Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 23, m.w.N.). Das hiernach notwendige Klärungsbedürfnis
kann nicht nur dann fehlen, wenn bereits höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die speziell die
betreffende Frage betreffen. Es fehlt vielmehr auch dann, wenn sich die Antwort auf jene Frage aus allgemeinen
Grundsätzen ergibt, die in der Rechtsprechung entwickelt worden sind und keiner erneuten Überprüfung bedürfen
(BFH-Beschluss vom 21. November 2007 XI B 101/06, BFH/NV 2008, 396, m.w.N.). Deshalb verleiht allein der
Umstand, dass zu einer bestimmten Frage noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt, der Frage keine
grundsätzliche Bedeutung (BFH-Beschlüsse vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231;
vom 19. Januar 2006 VIII B 14/05, BFH/NV 2006, 709, 710; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 28, m.w.N.).
10 Diese Überlegung greift u.a. im Streitfall durch. Denn es geht hier im Kern um die steuerlichen Auswirkungen eines
Fehlers, der dem FA im Anschluss an die Betriebsprüfung für die Jahre 1992 bis 1994 unterlaufen ist: Nachdem bei
dieser Prüfung verdeckte Gewinnausschüttungen aufgedeckt worden waren, hätte der Gewinn der Klägerin außerhalb
der Bilanz erhöht werden müssen (vgl. dazu Senatsurteile vom 29. Juni 1994 I R 137/93, BFHE 175, 347, BStBl II
2002, 366; vom 28. Januar 2004 I R 21/03, BFHE 205, 186, BStBl II 2005, 841). Wäre das geschehen, so hätten die
Bilanzen der Folgejahre keine Position enthalten, die in der Bilanz des Streitjahres in der beschriebenen Weise hätte
aufgelöst werden müssen; eine im Streitjahr wirkende Gewinnminderung wäre dann nicht eingetreten. Dasselbe
Ergebnis hätte sich eingestellt, wenn das FA die Korrektur des Gewinns innerhalb der Bilanz hätte vornehmen wollen
und zu diesem Zweck --was bei einer solchen systematischen Sicht nahe gelegen hätte und wovon der
Argumentationsansatz der Klägerin ausgeht-- eine fiktive Forderung aktiviert hätte. Denn diese nur steuerlich
anzusetzende "Forderung" wäre durch die zivilrechtliche Verrechnungsabrede zwischen der Klägerin und der K-AG
nicht berührt worden, weshalb die entsprechende Position in der Bilanz des Streitjahres hätte fortgeführt werden
müssen und mithin der steuerlich anzusetzende Gewinn ebenfalls unberührt geblieben wäre. Dann aber kann im
Streitfall eine davon abweichende Behandlung nicht allein deshalb in Erwägung gezogen werden, weil das FA weder
den einen noch den anderen Weg beschritten, sondern stattdessen eine negative Verbindlichkeit der Klägerin
gegenüber der A-AG angesetzt hat. Das bedarf keiner Klärung durch ein Revisionsverfahren, weshalb der Streitfall
insoweit keine grundsätzliche Bedeutung aufweist.
11 2. Im Ergebnis dasselbe gilt im Hinblick auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Auf weitere
Ausführungen wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO verzichtet.
12 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Soweit die Klägerin die Nichtzulassungsbeschwerde
zurückgenommen hat, trägt sie die Kosten gemäß § 136 Abs. 2 FGO.