Urteil des BAG vom 08.05.2018

Rundung von bruchteiligen Urlaubstagen

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 8. Mai 2018
Neunter Senat
- 9 AZR 578/17 -
ECLI:DE:BAG:2018:080518.U.9AZR578.17.0
I. Arbeitsgericht Köln
Urteil vom 30. Mai 2016
- 15 Ca 569/16 -
II. Landesarbeitsgericht Köln
Urteil vom 24. Mai 2017
- 3 Sa 826/16 -
Entscheidungsstichwort:
Rundung von bruchteiligen Urlaubstagen
ECLI:DE:BAG:2018:080518.U.9AZR578.17.0
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BUNDESARBEITSGERICHT
9 AZR 578/17
3 Sa 826/16
Landesarbeitsgericht
Köln
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
8. Mai 2018
URTEIL
Jatz, Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In Sachen
Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsklägerin,
pp.
Klägerin, Berufungsklägerin und Revisionsbeklagte,
hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Ver-
handlung vom 8. Mai 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeits-
gericht Dr. Brühler, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Weber, den Richter
am Bundesarbeitsgericht Dr. Suckow sowie die ehrenamtliche Richterin Frank
und den ehrenamtlichen Richter Neumann-Redlin für Recht erkannt:
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ECLI:DE:BAG:2018:080518.U.9AZR578.17.0
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1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Köln vom 24. Mai 2017 - 3 Sa
826/16 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Im Revisionsverfahren verlangt die Klägerin von der Beklagten, ihr
Schadensersatz in Form von Ersatzurlaub für 0,15 Arbeitstage Urlaub aus dem
Jahr 2016 zu leisten.
Die Beklagte beschäftigt die Klägerin seit dem 21. Juni 2010 als Flug-
gastkontrolleurin im Schichtdienst am Flughafen K. Auf das Arbeitsverhältnis
findet der Manteltarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen vom
4. September 2013 (MTV) Anwendung. Der MTV enthält ua. folgende Regelun-
gen:
§ 17 Urlaub
(1)
Soweit nichts anderes im Tarifvertrag geregelt ist,
gilt das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) in seiner je-
weiligen geltenden Fassung.
(2)
Der Erholungsurlaub des/der Beschäftigten, dessen
durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Ar-
beitszeit auf fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche
verteilt ist (Fünftagewoche), beträgt je Kalenderjahr
mit Beginn einer Betriebszu-
gehörigkeit ab 5 Jahren
30 Arbeitstage.
Bei einer regelmäßigen Verteilung der Arbeitszeit
im Kalenderjahr auf mehr oder weniger Arbeitstage
pro Woche erfolgt eine entsprechende Umrechnung
des Urlaubsanspruchs.
Für im Jahres-/Monatsschichtplan arbeitende Be-
schäftigte sind Urlaubstage die im Schichtplan re-
gelmäßig ausgewiesenen Arbeitstage. Keine Ur-
laubstage im Sinne dieser Regelung sind die im
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Schichtsystem ausgewiesenen freien Tage.
Die Umrechnung des Urlaubs erfolgt nach folgen-
der Regel.
Urlaubstage Fünftagewoche x Jahresarbeitstage
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...“
Die Beklagte gewährte der Klägerin für das Jahr 2016, in dem die Klä-
gerin an 244 Arbeitstagen tätig war, an insgesamt 28 Arbeitstagen Urlaub.
Die Klägerin hat die Rechtsauffassung vertreten, sie habe für das
Jahr 2016 einen Anspruch auf 28,15 Arbeitstage Urlaub gehabt. Dieser sei im
Umfang von 0,15 Arbeitstagen verfallen, da die Beklagte sich geweigert habe,
ihr mehr als 28 Arbeitstage Urlaub zu gewähren.
Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - zuletzt bean-
tragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr in Erfüllung ihres Urlaubs-
anspruchs für das Jahr 2016 weitere 0,15 Arbeitstage
Urlaub zu gewähren.
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage ua. mit der Begründung
beantragt, Urlaubsansprüche, die sich auf einen Bruchteil von weniger als 0,5
beliefen, seien auf volle Arbeitstage abzurunden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeu-
tung - abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht
das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und der Klage ua. hinsicht-
lich des von der Klägerin geltend gemachten Ersatzurlaubsanspruchs für das
Jahr 2016 stattgegeben. Mit der vom Senat auf die Nichtzulassungsbeschwerde
der Beklagten zugelassenen Revision begehrt die Beklagte diesbezüglich die
Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts.
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Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Hinsichtlich
des Ersatzurlaubsanspruchs für das Jahr 2016 im Umfang von 0,15 Arbeits-
tagen hat das Landesarbeitsgericht das klageabweisende Urteil des Arbeitsge-
richts auf die Berufung der Klägerin zu Recht abgeändert und der Klage inso-
weit stattgegeben.
I.
Die Klage ist in diesem Umfang zulässig und begründet. Der Klägerin
steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Anspruch auf Ersatzurlaub zu
. Der Urlaubsanspruch der Klägerin für
das Jahr 2016 betrug jedenfalls 28,15 Arbeitstage. Eine Abrundung des
Anspruchs auf 28 Arbeitstage kommt nicht in Betracht. Die Beklagte hat den
Anspruch durch die Gewährung von Urlaub an 28 Arbeitstagen teilweise erfüllt
. Der Resturlaubsanspruch im Umfang von jedenfalls
0,15 Arbeitstagen ging spätestens mit Ablauf des 31. März 2017 unter
. Da sich die Beklagte zu diesem Zeitpunkt mit
der Urlaubsgewährung im Verzug befand
, hat sie
der Klägerin Schadensersatz in Form von Ersatzurlaub zu leisten.
1.
Der Umfang des der Klägerin zustehenden Urlaubs richtet sich nach
§ 17 Abs. 2 MTV. Gemäß § 17 Abs. 2 Unterabs. 4 MTV ist der in § 17 Abs. 2
Unterabs. 1 MTV für in der Fünftagewoche beschäftigte Arbeitnehmer tarifierte
Urlaub - hier 30 Arbeitstage - für Arbeitnehmer, die wie die Klägerin Schichtar-
beit leisten, nach der Formel
Urlaubstage Fünftagewoche x Jahresarbeitstage
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umzurechnen. Auf der Grundlage von 244 Arbeitstagen ergibt sich danach für
das Jahr 2016 ein Urlaubsanspruch im Umfang von jedenfalls 28,15 Arbeitsta-
gen.
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2.
Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass der
Urlaubsanspruch der Klägerin nicht auf 28 Arbeitstage abzurunden ist. Nach
der Rechtsprechung des Senats kommt ohne eine gesonderte Rundungsvor-
schrift eine Rundung von Bruchteilen von Urlaubstagen nicht in Betracht
.
a)
Weder das BUrlG noch der MTV enthalten eine solche Rundungsrege-
lung. Soweit die Beklagte für die Auslegung des MTV in erster Linie auf Prakti-
kabilitätserwägungen abstellt, sind diese nicht maßgebend, da sie im Wortlaut
der Tarifvorschrift keinen Niederschlag gefunden haben
.
b)
Eine ergänzende Tarifauslegung, wie sie die Beklagte hilfsweise für
angezeigt erachtet, scheidet mangels Tariflücke aus
. § 17 Abs. 1 MTV verweist für sämtliche Regelungsbereiche,
für die die Tarifvertragsparteien in § 17 Abs. 2 bis Abs. 4 MTV keine eigenstän-
dige Tarifregelung geschaffen haben, auf die Vorschriften des BUrlG. Dieses
enthält abgesehen von der vorliegend nicht einschlägigen Vorschrift des § 5
Abs. 2 BUrlG keine Rundungsvorschriften. Soweit die Beklagte auf eine Kom-
mentierung des MTV durch die Tarifvertragsparteien verweist, verkennt sie,
dass die Kommentierung eines Tarifvertrags nicht Bestandteil der kommentier-
ten Tarifregelung ist.
II.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen
.
Brühler
Weber
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