Urteil des BAG vom 25.06.2020

Entgelttransparenzgesetz - Auskunftsanspruch

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 25. Juni 2020
Achter Senat
- 8 AZR 145/19 -
ECLI:DE:BAG:2020:250620.U.8AZR145.19.0
I. Arbeitsgericht Berlin
Urteil vom 1. Februar 2017
- 56 Ca 5356/15 -
II. Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg
Urteil vom 5. Februar 2019
- 16 Sa 983/18 -
Entscheidungsstichworte:
Entgelttransparenzgesetz - Auskunftsanspruch
Leitsätze:
1. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 12 Abs. 1 EntgTranspG haben Beschäf-
tigte nach § 5 Abs. 2 EntgTranspG zur Überprüfung der Einhaltung des
Entgeltgleichheitsgebots im Sinne dieses Gesetzes einen individuellen
Auskunftsanspruch nach Maßgabe der §§ 11 bis 16 EntgTranspG. Be-
schäftigte iSd. EntgeltTranspG sind nach der in § 5 Abs. 2 Nr. 1
EntgTranspG getroffenen Bestimmung „Arbeitnehmerinnen“ und „Arbeit-
nehmer“.
2. Die Begriffe „Arbeitnehmerinnen“ und „Arbeitnehmer“ in § 5 Abs. 2 Nr. 1
EntgTranspG sind nicht nach rein nationalem Rechtsverständnis, sondern
unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit dem Arbeitnehmerbegriff der
Richtlinie 2006/54/EG auszulegen. Danach können im Einzelfall auch ar-
beitnehmerähnliche Personen iSd. innerstaatlichen Rechts Beschäftigte
iSv. § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG sein.
3. Die in den §§ 14 und 15 EntgTranspG zum Verfahren der Auskunftser-
teilung getroffenen Bestimmungen enthalten Vorgaben dazu, an wen die
Beschäftigten sich mit ihrem Auskunftsverlangen wenden sollen und wer
Auskunft erteilt. Die Auslegung der §§ 14 und 15 EntgTranspG ergibt, dass
die Beschäftigten sich mit ihrem Auskunftsverlangen sowohl an den Arbeit-
geber als auch - bei Bestehen eines Betriebs- bzw. Personalrats - an den
Betriebs- bzw. Personalrat wenden können. Eine den Vorgaben der §§ 14
und 15 EntgTranspG nicht entsprechende Adressierung des Auskunftsver-
langens durch die Beschäftigten stellt die Ordnungsgemäßheit ihres Ver-
langens nicht in Frage. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Be-
schäftigten darüber informiert hat, an wen diese sich mit ihrem Auskunfts-
verlangen wenden sollen und wer es beantworten wird.
4. Für die Klage auf Auskunftserteilung nach § 10 EntgTranspG ist der Ar-
beitgeber als Schuldner des Entgelts passivlegitimiert.
5. Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 EntgTranspG können die Beschäftigten Aus-
kunft zu dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt nach § 5 Abs. 1
EntgTranspG und zu bis zu zwei einzelnen Entgeltbestandteilen verlangen.
Der Begriff „einzelne Entgeltbestandteile“ in § 10 Abs. 1 Satz 3
EntgTranspG ist dahin auszulegen, dass sowohl gezielt nach bestimmten
Entgeltbestandteilen gefragt werden kann, bei denen eine Ungleichbe-
handlung vermutet wird, als auch nach vergleichbaren Entgeltbestandtei-
len, die eine Gruppe bilden.
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BUNDESARBEITSGERICHT
8 AZR 145/19
16 Sa 983/18
Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
25. Juni 2020
URTEIL
Wirth, Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In Sachen
Klägerin, Berufungsklägerin und Revisionsklägerin,
pp.
Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte,
hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Beratung vom
25. Juni 2020 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesarbeitsgericht
Prof. Dr. Schlewing, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Winter, den Rich-
ter am Bundesarbeitsgericht Dr. Vogelsang sowie die ehrenamtlichen
Richter Lüken und Wroblewski für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesar-
beitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. Februar 2019
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8 AZR 145/19
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- 16 Sa 983/18 - im Kostenpunkt vollständig und im Übrigen
insoweit aufgehoben, als das Landesarbeitsgericht über die
Klageanträge zu VI. (Auskunftsanspruch nach § 10 Entgelt-
transparenzgesetz) entschieden hat.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu ertei-
len zu den Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung für
die Festlegung des Entgelts der Klägerin sowie für die Fest-
legung des Entgelts der nach dem Honorarband IV Redak-
tionelle Tätigkeit iSv. § 2 des Tarifvertrags 2. Kreis vergüte-
ten männlichen Redakteure der Beklagten in der Redaktion
F und den sonstigen Redaktionen der Dienststelle B der
Beklagten.
Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Ent-
scheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfah-
rens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob die Be-
klagte der Klägerin zur Auskunft nach dem Entgelttransparenzgesetz (im Folgen-
den EntgTranspG) verpflichtet ist.
Die Beklagte ist eine gemeinnützige Fernsehanstalt des öffentlichen
Rechts mit Sitz in M. Für ihre Programmtätigkeit unterhält sie mehrere Standorte,
unter anderem in M und in B. Sie beschäftigt sowohl fest angestellte als auch
freie Mitarbeitende. Für die Gruppe der Festangestellten vereinbarte die Beklagte
mit der Gewerkschaft ver.di, dem Deutschen Journalistenverband e.V. und der
Vereinigung der Rundfunk-, Film- und Fernsehschaffenden einen Manteltarifver-
trag sowie einen Tarifvertrag über die Vergütungsordnung. Auf die Vertragsver-
hältnisse der freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommt bei der Beklagten das
sog. „Drei-Kreis-Modell“ zur Anwendung. Dazu heißt es in der Präambel des zwi-
schen der Gewerkschaft ver.di, dem Deutschen Journalistenverband e.V. und
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der Beklagten abgeschlossenen Tarifvertrags zur Regelung der freien Mitarbeit
im 2. Kreis vom 28. September 2010 (im Folgenden TV 2. Kreis) ua.:
„Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Verstetigung der
freien Mitarbeit im Z in den vergangenen Jahren haben sich
die Tarifpartner im Rahmen der Eckpunktevereinbarung
vom 11.05.2009 zur Umsetzung erweiterter Bestands-
schutzsicherungen für freie Mitarbeiter beim Z darauf geei-
nigt, die freien Beschäftigungsformen für freie Mitarbeiter
beim Z zukunftsweisend und nachhaltig zu sichern. Dies
sowohl im Blick auf eine ergänzende soziale Absicherung
und einen verbesserten Beendigungsschutz langjährig kon-
tinuierlich beschäftigter freier Mitarbeiter/-innen als auch im
Interesse einer Planbarkeit und Risikovermeidung für das
Z. Dazu haben sie eine Strukturierung der freien Mitarbeit
nach dem sogenannten Drei-Kreis-Modell vorgenommen:
Dem 1. Kreis unterfallen Künstler/-innen, Moderatoren/-in-
nen, Autoren/-innen etc. Dem 3. Kreis werden alle übrigen
freien Mitarbeiter/-innen zugeordnet, die nicht unter den
Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallen.
Den 2. Kreis haben die Tarifpartner als den Kreis der freien
Mitarbeiter/-innen identifiziert, für die aufgrund ihrer mehr-
bzw. langjährigen kontinuierlichen Beschäftigung im Z er-
weiterte Bestandsschutzsicherungen vereinbart werden.
Als „mehr- bzw. langjährig kontinuierlich beschäftigt“ und
damit zum 2. Kreis gehörend definiert die Eckpunkteverein-
barung die freien Mitarbeiter/-innen, die am 31.12.2008 in
den vorausgegangenen zwei Jahren mit einem Beschäfti-
gungsumfang von mindestens 220 Tagen p.a. oder in den
vorausgegangenen vier Jahren mit einem Beschäftigungs-
umfang von mindestens 110 Tagen p.a. eingesetzt waren.
…“
§ 2 TV 2. Kreis - Honorarstruktur - hat auszugsweise den folgenden In-
halt:
„(1) Für die dem Geltungsbereich dieses Tarifvertrages
unterfallenden Beschäftigungsverhältnisse gilt die in
der Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag dargestellte Ho-
norarstruktur.
(2) Der Honorarstruktur liegt folgende Zuordnung von
Funktionen zu Honorarbändern zugrunde:
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b) Redaktionelle Tätigkeiten
Honorarband IV:
Redakteur/-in mit besonderer
Verantwortung“
Die Klägerin ist für die Beklagte seit 2007 als Redakteurin tätig und kam
zunächst als Online-Redakteurin in der Redaktion F auf der Grundlage befristeter
Verträge zum Einsatz. Seit Juli 2010 befindet sie sich in einem unbefristeten Ver-
tragsverhältnis.
Im Vertrag der Parteien vom 5. Juli 2011 heißt es auszugsweise:
㤠1
Als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt ist das Z gehalten,
dem verfassungsrechtlichen Gebot der Vielfalt der zu ver-
mittelnden Programminhalte auch bei der Auswahl und Be-
schäftigung derjenigen Mitarbeiter zu genügen, die bei der
Gestaltung der Programme mitwirken.
Die Vertragspartner sind sich darüber einig, dass im Fol-
genden die Beschäftigung der Vertragspartnerin als freie
Mitarbeiterin gemäß Tarifvertrag zur Regelung der Freien
Mitarbeit im 2. Kreis geregelt wird.
§ 2
Die Vertragspartnerin wird für das Z in folgendem Rahmen
tätig:
1.
Die Vertragspartnerin wird in der Zeit vom 01.07.2010
bis auf weiteres in der Chefredaktion als Redakteurin
mit besonderer Verantwortung tätig.
2.
Einsatzort ist M. Vom 01.07.2010 bis zum 30.06.2012
erfolgt eine Versetzung innerhalb der Chefredaktion
zur Senderedaktion F mit Einsatzort B.
3.
Das Z ist berechtigt, die Vertragspartnerin auch in an-
deren vergleichbaren Funktionsbereichen oder an an-
deren Einsatzorten einzusetzen.
4.
Die vertraglich vereinbarte Beschäftigungszeit um-
fasst eine Vollzeitbeschäftigung. Die wöchentliche Ar-
beitszeit beträgt 40 Stunden. Aufgrund der befristeten
Übernahme in ein Teilzeitbeschäftigungsverhältnis
beträgt die wöchentliche Arbeitszeit in der Zeit vom
01.07.2010 bis 31.03.2012 34 Stunden und ist mon-
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tags bis freitags zu erbringen. Das Z kann die Vertei-
lung der Arbeitszeit anders regeln, wenn betriebliche
Interessen dies erfordern. Das gleiche gilt, wenn die
Vertragspartnerin einen entsprechenden Wunsch äu-
ßert und betriebliche Gründe nicht entgegenstehen.
5.
Die Vertragspartnerin übt ihre Tätigkeit in Abstim-
mung und nach den Vorgaben der Leitung des jewei-
ligen Funktionsbereichs aus.
§ 3
1.
Das Honorar richtet sich nach dem Honorarband IV
Redaktion der Honorarstruktur des Tarifvertrages zur
Regelung der Freien Mitarbeit im 2. Kreis (im folgen-
den Tarifvertrag genannt) und ist zum 15. eines Mo-
nats fällig. Das Honorar versteht sich inklusive Ur-
laubs- und Feiertagsanspruch.
Aufgrund der derzeitigen Honorarhöhe erhält die Ver-
tragspartnerin gemäß § 2 Ziffer 3a) des Tarifvertrages
im Rahmen des Besitzstandes ab 01.07.2010 bis zum
30.06.2012 bei einer Vollzeitbeschäftigung ein monat-
liches Honorar in Höhe von derzeit 4.651,95
€.
Bedingt durch die befristete Übernahme in ein Teil-
zeitarbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Arbeits-
zeit von 34 Stunden beträgt das monatliche Honorar
in der Zeit vom 01.07.2010 bis 31.03.2012 zeitanteilig
3.954,16
€.
...
Mit Wirkung vom 01.07.2016 richtet sich das Honorar
nach dem Honorarband IV Redaktion Stufe 2 der Ho-
norarstruktur des Tarifvertrages. Die Vertragspartne-
rin erhält hiernach ab 01.07.2016 ein monatliches Ho-
norar in Höhe von derzeit 5.392,80
€. Der nächste
Steigerungstermin ist der 01.07.2020.
...
Mehrarbeit muss stets angeordnet werden. Mehrar-
beit ist grundsätzlich in Freizeit auszugleichen.
...
5.
Sollte die Vertragspartnerin aus einem Grund, den die
Vertragspartnerin zu vertreten hat, nicht in der Lage
sein, die vereinbarten Leistungen zu erbringen, verrin-
gert sich das vereinbarte Honorar in dem Umfang, in
dem die Vertragspartnerin ihre Tätigkeit nicht ausge-
übt hat. Dies unbeschadet der Regelungen der Zif-
fer 7.5 des Tarifvertrages für die auf Produktionsdauer
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Beschäftigten des Z sowie entsprechend des § 616
BGB.
Dies gilt nicht bei einer Erkrankung der Vertragspart-
nerin. Das Honorar wird in diesem Fall längstens bis
zu 6 Wochen weiter gezahlt.
Eine über drei Kalendertage hinausgehende Arbeits-
unfähigkeit ist dem Z auch dann durch Vorlage eines
ärztlichen Attestes anzuzeigen, wenn die Arbeitsunfä-
higkeit in einen Zeitraum fällt, in dem keine Arbeitsver-
pflichtung besteht.
...
7.
Bezüglich des Urlaubsanspruchs finden die Bestim-
mungen des Ergänzungstarifvertrags Nr. 1 zum Be-
standschutztarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Per-
sonen beim Z Anwendung.
...
9.
Die Übernahme und Ausübung einer bezahlten oder
unbezahlten außerdienstlichen Nebentätigkeit bedarf
der vorhergehenden schriftlichen, in Eilfällen mündli-
chen Zustimmung des Z. Soweit in begründeten Aus-
nahmefällen aufgrund der Eilbedürftigkeit zunächst
eine vorläufige Zustimmung mündlich erteilt wurde, ist
die Entscheidung unverzüglich schriftlich nachzuho-
len. Im Übrigen finden die Bestimmungen des § 9
Manteltarifvertrages in der jeweils geltenden Fassung
entsprechende Anwendung.
…“
Mit Schreiben vom 23. Mai 2017 wurde die in § 2 Ziffer 2 des Vertrags
der Parteien vom 5. Juli 2011 geregelte Versetzung der Klägerin zur Redaktion
F mit Einsatzort B nochmals, nunmehr bis zum 30. Juni 2019 verlängert.
In der Redaktion F beschäftigt die Beklagte sowohl festangestellte wie
auch freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Beklagte stellt der Klägerin dort
einen Büroarbeitsplatz und Arbeitsmittel zur Verfügung. Als Redakteurin von F
ist es die Aufgabe der Klägerin, Beiträge zu verfassen, entweder allein oder mit
Co-Autoren. Themen hierfür schlägt entweder die Redaktionsleitung oder die
Klägerin selbst vor. Die Klägerin muss zu feststehenden Zeiten vor und nach der
Sendung anwesend sein und an von der Beklagten festgelegten Konferenzen
teilnehmen.
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Mit Schreiben vom 12. Januar 2015 an die Leitung der Personalabteilung
der Beklagten bat
die Klägerin um Mitteilung, „warum männliche Kollegen bei F
mehr verdienen
“ als sie selbst. Sie wies darauf hin, dass sie bereits seit vier Jah-
ren ohne Erfolg versucht habe, einvernehmlich durch Gespräche mit der Redak-
tionsleitung, der Gleichstellungsbeauftragten und dem Chefredakteur ein ge-
schlechtsneutrales Honorar zu erzielen und dass sie nun Schadensersatz- und
Entschädigungsansprüche geltend mache. Mit Schreiben vom 23. Januar 2015
machte sie unter Berufung auf das AGG und unter Nennung von Namen
von - nach ihren Angaben - besserverdienenden Kollegen Entschädigungs- und
Schadensersatzansprüche geltend. Die Beklagte wies die Forderungen der Klä-
gerin mit Schreiben vom 12. März 2015 zurück.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin von der Beklagten im Wege der Stufen-
klage Auskunft über die monatliche Vergütung namentlich benannter männlicher
Kollegen sowie - nach Maßgabe der Auskunft - die Zahlung eines gleichen Ent-
gelts an sich verlangt. Zudem hat sie die Beklagte auf Zahlung einer Entschädi-
gung iHv. mindestens 70.000,00 Euro in Anspruch genommen und beantragt
festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht.
Nachdem das Arbeitsgericht die Klage mit Urteil vom 1. Februar 2017
abgewiesen und die Klägerin hiergegen Berufung eingelegt hatte, machte sie mit
Schreiben vom 1. August 2018 unter Angabe von ua. Name, Personalnummer,
Tätigkeit, Entgeltgruppe/Entgeltstufe und Einsatzort gegenüber dem bei der Be-
klagten am Standort M gebildeten
„Personalrat der Zentrale“ einen Anspruch auf
Auskunft nach § 10 Abs. 1 EntgTranspG geltend. Als Vergleichstätigkeit gab sie
die Tätigkeit namentlich benannter männlicher, in der Redaktion F eingesetzter
Redakteure an, die - ebenso wie sie selbst - regelmäßig Beiträge für diese Sen-
dung produzieren (sog. Beitragsmacher) und verlangte unter Bezugnahme auf
§ 11 Abs. 2 EntgTranspG eine Auskunft zu den Kriterien und Verfahren der Ent-
geltfindung bezogen auf ihr eigenes Honorar und bezogen auf das Entgelt für die
Vergleichstätigkeit sowie die Angabe des Vergleichsentgelts nach § 11 Abs. 3
EntgTranspG.
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Mit Schreiben vom 8. Oktober 2018 teilte der Vorsitzende des Personal-
rats der Zentrale der Klägerin ua. mit:
„Leider fehlen uns die rechtlichen Voraussetzungen, um die
gewünschten Informationen einholen und vollumfänglich
erteilen zu können. Nach § 2, bzw. § 5 Abs. 2 Entgelttrans-
parenzgesetz fallen freie Mitarbeiter/-innen nicht unter den
Geltungsbereich dieses Gesetzes, weshalb unsere Nach-
frage an die HA Personal wegen fehlender Rechtsgrund-
lage nicht zum Erfolg führte.“
Unter dem 16. Mai 2019 wandte sich die Klägerin wegen Auskunftsan-
sprüchen nach dem EntgTranspG an den Personalrat der Beklagten in B sowie
auch unmittelbar an die Beklagte. In diesem Schreiben heißt es ua.:
„Ich habe bereits ein Auskunftsersuchen gestellt, und zwar
im August
2018, aber an den ‚falschen‘ Personalrat in M.
Deshalb ist das hier das erste Auskunftsverlangen in Wie-
derholung desjenigen aus dem Jahre 2018, jetzt aber an
den örtlich zuständigen Personalrat.
Hinsichtlich des Zeitraums möchte ich entsprechende Aus-
künfte haben für den Stand der Jahre 2017 und 2018.“
Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2018 hatte die Klägerin ihre Klage (in
der Berufungsinstanz) dahin erweitert, dass sie hilfsweise für den Fall der Abwei-
sung der bereits gestellten Auskunftsanträge von der Beklagten Auskunftsertei-
lung nach § 10 EntgTranspG verlangt.
Die Klägerin hat insoweit die Auffassung vertreten, die Beklagte sei ihr
nach § 10 EntgTranspG zur Auskunft verpflichtet. Entgegen deren Ansicht sei sie
Beschäftigte iSv. § 5 EntgTranspG und damit zugleich Beschäftigte iSv. § 10
EntgTranspG. Insoweit komme der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff zur An-
wendung. Die Beklagte sei als Arbeitgeber zudem passivlegitimiert. Letztlich
seien die Voraussetzungen des § 12 EntgTranspG, auch die des § 12 Abs. 3
Satz 2 EntgTranspG erfüllt, denn es würden nicht weniger als sechs männliche
Beschäftigte eine Vergleichstätigkeit ausüben.
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Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - zu-
letzt sinngemäß beantragt,
VI. hilfsweise für den Fall der Ablehnung der geltend ge-
machten Auskunftsanträge
1.
der Klägerin nach § 10 EntgTranspG Auskunft zu er-
teilen über die Kriterien und Verfahren der Entgeltfin-
dung hinsichtlich ihres eigenen Entgelts und hinsicht-
lich des Vergleichsentgelts aller festangestellten so-
wie der auf der Grundlage des TV 2. Kreis beschäftig-
ten männlichen Redakteure in der Redaktion F der
Beklagten (Beitragsmacher) und ihr weiter Auskunft
zu erteilen über das Vergleichsentgelt und
a.
alle außertariflichen Zulagen und tarifliche Zula-
gen, mit Bezug zur Tätigkeit (Thema, Schwere,
Qualität der Leistung etc.) sowie
b.
alle außertariflichen Zulagen und tarifliche Zula-
gen ohne Bezug zur Tätigkeit (Ortswechsel, so-
ziale Härte etc.)
hinsichtlich aller festangestellten sowie der auf Grund-
lage des TV 2. Kreis beschäftigten männlichen Re-
dakteure in der Redaktion F der Beklagten (Beitrags-
macher) in Gestalt eines auf Vollzeitäquivalente hoch-
gerechneten statistischen Medians von deren durch-
schnittlichen monatlichen Bruttoentgelten bezogen
auf das Kalenderjahr 2017;
2.
hilfsweise für den Fall des Nicht-Erfolgs des Antrags
unter 1
der Klägerin nach § 10 EntgTranspG Auskunft zu er-
teilen über die Kriterien und Verfahren der Entgeltfin-
dung hinsichtlich ihres eigenen Entgelts und hinsicht-
lich des Vergleichsentgelts aller festangestellten so-
wie der auf Grundlage des TV 2. Kreis beschäftigten
männlichen Redakteure in der Redaktion F der Be-
klagten (Beitragsmacher) und ihr Auskunft zu erteilen
über das Vergleichsentgelt und
a.
Leistungsentgelte bzw. Leistungsprämien
b.
Zulagen für besondere Tätigkeiten (zB Bearbei-
tung besonderer inhaltlicher Themen)
hinsichtlich aller festangestellten sowie der auf Grund-
lage des TV 2. Kreis beschäftigten männlichen Re-
dakteure in der Redaktion F der Beklagten (Beitrags-
macher) in Gestalt eines auf Vollzeitäquivalente hoch-
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gerechneten statistischen Medians von deren durch-
schnittlichen monatlichen Bruttoentgelten bezogen
auf das Kalenderjahr 2017;
3.
weiter hilfsweise für den Fall des Nicht-Erfolgs eines
oder mehrerer der vorgenannten Anträge in Bezug auf
den Personenkreis der festangestellten Beitragsma-
cher bei F
der Klägerin nach § 10 EntgTranspG Auskunft zu er-
teilen über die Kriterien und Verfahren der Entgeltfin-
dung hinsichtlich ihres eigenen Entgeltes und hin-
sichtlich des Vergleichsentgelts der männlichen Re-
dakteure aller auf Grundlage des TV 2. Kreis beschäf-
tigten männlichen Redakteure in der Redaktion F der
Beklagten (Beitragsmacher) und ihr Auskunft zu ertei-
len über das Vergleichsentgelt und
a.
alle außertariflichen Zulagen und tarifliche Zula-
gen mit Bezug zur Tätigkeit (Thema, Schwere,
Qualität der Leistung etc.) und
b.
alle außertariflichen Zulagen und tarifliche Zula-
gen ohne Bezug zur Tätigkeit (Ortswechsel, so-
ziale Härte etc.)
hinsichtlich aller auf Grundlage des TV 2. Kreis be-
schäftigten männlichen Redakteure in der Redaktion
F der Beklagten (Beitragsmacher) in Gestalt eines auf
Vollzeitäquivalente hochgerechneten statistischen
Medians von deren durchschnittlichen monatlichen
Bruttoentgelten bezogen auf das Kalenderjahr 2017;
4.
höchst hilfsweise für den Fall des Nicht-Erfolgs eines
oder mehrerer Anträge in Bezug auf die festangestell-
ten Beitragsmacher und in Bezug auf die Zulagen ge-
mäß 1.a und 1.b
der Klägerin nach § 10 EntgTranspG Auskunft zu er-
teilen über die Kriterien und Verfahren der Entgeltfin-
dung hinsichtlich ihres eigenen Entgelts und hinsicht-
lich des Vergleichsentgelts der männlichen Redak-
teure aller auf Grundlage des TV 2. Kreis beschäftig-
ten männlichen Redakteure in der Redaktion F der
Beklagten (Beitragsmacher) und ihr Auskunft zu ertei-
len über das Vergleichsentgelt und
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a.
Leistungsentgelte bzw. Leistungsprämien
b.
Zulagen für besondere Tätigkeiten (zB beson-
dere inhaltliche Themenbearbeitung)
hinsichtlich aller auf Grundlage des TV 2. Kreis be-
schäftigten männlichen Redakteure in der Redaktion
F der Beklagten (Beitragsmacher) in Gestalt eines auf
Vollzeitäquivalente hochgerechneten statistischen
Medians von deren durchschnittlichen monatlichen
Bruttoentgelten bezogen auf das Kalenderjahr 2017;
5.
hilfsweise für den Fall der Zurückweisung der Anträge
1 bis 4
der Klägerin nach § 10 EntgTranspG Auskunft zu er-
teilen über das durchschnittliche Gesamtbruttoentgelt
nach § 5 Abs. 1 EntgTranspG der TV-Redakteure
(Beitragsmacher) in der Redaktion F der Beklagten
und mit zwei weiteren Entgeltbestandteilen, hilfsweise
einem, oder ohne weitere Entgeltbestandteile bezo-
gen auf das Kalenderjahr 2017.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffas-
sung vertreten, der persönliche Anwendungsbereich nach § 5 Abs. 2
EntgTranspG sei für die Klägerin als freie Mitarbeiterin bzw. arbeitnehmerähnli-
che Person nicht eröffnet, weshalb es dieser an der erforderlichen Aktivlegitima-
tion fehle. Ferner sei sie, die Beklagte, nicht passivlegitimiert. Für den Fall, dass
die Klägerin aktivlegitimiert sein sollte, richte sich ihr Anspruch nach § 14 Abs. 1
Satz 1 EntgTranspG gegen den für die Dienststelle B errichteten Personalrat.
Damit handele es sich zudem um eine personalvertretungsrechtliche Streitigkeit,
für die die Verwaltungsgerichte, und nicht die Arbeitsgerichte zuständig seien.
Schließlich stehe der Klägerin die begehrte Auskunft auch inhaltlich nicht zu. Ein
Anspruch auf Angabe des Vergleichsentgelts für das Kalenderjahr 2017 scheide
aus, da die Vergleichsgruppe in der Redaktion F mit lediglich fünf im Honorar-
band IV iSv. § 2 Abs. 2 Buchst. b TV 2. Kreis beschäftigten Redakteuren nicht
die nach § 12 Abs. 3 Satz 2 EntgTranspG erforderliche Größe aufweise. Der An-
trag der Klägerin auf Auskunftserteilung über die Zulagen etc. gehe zudem dem
Umfang nach über das hinaus, was sie nach § 10 Abs. 1 Satz 3
EntgTranspG beanspruchen könne.
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Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Klägerin verfolgt mit der Revision ihren Antrag auf Auskunftserteilung nach
§ 10 EntgTranspG weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revi-
sion.
Entscheidungsgründe
A.
Mit dem Einverständnis der Parteien konnte vorliegend im schriftlichen
Verfahren ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, § 128 Abs. 2 ZPO.
B.
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das Landesarbeitsge-
richt durfte die Berufung der Klägerin nicht mit der von ihm gegebenen Begrün-
dung zurückweisen. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts kann die
Klägerin von der Beklagten nach § 10 Abs. 1 EntgTranspG Auskunft über die
Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung verlangen. Ob die Klägerin gegen die
Beklagte auch einen Anspruch auf Erteilung von Auskunft über das Vergleichs-
entgelt hat, konnte der Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht ge-
troffenen Feststellungen nicht entscheiden; den Parteien ist zudem Gelegenheit
zu ergänzendem Vortrag zu geben. Insoweit war die Sache zur neuen Verhand-
lung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht
zurückzuverweisen
.
I.
Die Revision der Klägerin ist zulässig.
Die von der Klägerin eingereichten elektronischen Dokumente entspre-
chen den Anforderungen von § 130a Abs. 2 ZPO iVm. § 2 Abs. 1 ERVV. Nach
§ 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV sind elektronische Dokumente in druckbarer, kopierbarer
und, soweit technisch möglich, durchsuchbarer Form im Dateiformat PDF zu
übermitteln. Von der Übermittlung des elektronischen Dokuments in durchsuch-
barer Form konnte allerdings nach § 2 Abs. 1 Satz 4 ERVV in der Fassung vom
24. November 2017, die am 30. Juni 2019 außer Kraft getreten ist, befristet bis
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ECLI:DE:BAG:2020:250620.U.8AZR145.19.0
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zum 30. Juni 2019 abgesehen werden. Die Klägerin hat innerhalb dieser Frist die
Revision eingelegt und begründet.
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet.
1.
Prozessuale Gründe stehen einer Entscheidung des Senats nicht entge-
gen. Dies gilt auch in Bezug auf die in der Revision geänderten Sachanträge der
Klägerin, mit denen diese nunmehr die Verurteilung der Beklagten begehrt,
1.
ihr nach § 10 EntgTranspG Auskunft zu erteilen zu
den Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung hin-
sichtlich ihres Entgelts und hinsichtlich des Vergleich-
sentgelts aller auf Grundlage des Tarifvertrags
2. Kreis im Honorarband IV beschäftigten männlichen
„Redakteure mit besonderer Verantwortung“ (Bei-
tragsmacher) in der Redaktion F und den sonstigen
Redaktionen der Dienststelle B der Beklagten,
2.
ihr Auskunft zu erteilen über das Vergleichsentgelt der
männlichen Redakteure nach Ziffer 1. nach § 5 Abs. 1
EntgTranspG in Gestalt eines auf Vollzeitäquivalente
hochgerechneten statistischen Medians von deren
durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelten bezo-
gen auf das Kalenderjahr 2017 bzw. 2018 für das Ho-
norarband IV
und zudem für die beiden einzelnen Entgeltbestand-
teile nach § 10 Abs. 1 Satz 3 EntgTranspG, nämlich
a)
alle außertariflichen und tariflichen Zulagen mit
Bezug zur Tätigkeit (Thema, Schwere, Qualität
der Leistung usw.) und
b)
alle außertariflichen und tariflichen Zulagen
ohne Bezug zur Tätigkeit (Ortswechsel, soziale
Härte usw.)
hilfsweise zu a) und b)
a)
Leistungsentgelte bzw. Leistungsprämien
b)
Zulagen für besondere Tätigkeiten (zB beson-
dere inhaltliche Themenbearbeitung).
Die neu gefassten Klageanträge stellen keine unzulässige Klageände-
rung in der Revisionsinstanz dar.
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a)
Nach § 559 Abs. 1 ZPO ist eine Klageänderung in der Revisionsinstanz
grundsätzlich ausgeschlossen. Der Schluss der mündlichen Verhandlung in
zweiter Instanz bildet nicht nur bezüglich des tatsächlichen Vorbringens, sondern
auch hinsichtlich der Anträge der Parteien die Entscheidungsgrundlage für das
Revisionsgericht. Hiervon hat das Bundesarbeitsgericht Ausnahmen in den Fäl-
len des § 264 Nr. 2 ZPO sowie dann zugelassen, wenn sich der geänderte
Sachantrag auf einen in der Berufungsinstanz festgestellten oder von den Par-
teien übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt stützen kann, sich das recht-
liche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der ande-
ren Partei durch eine Sachentscheidung nicht verkürzt werden
. Eine Klageerweiterung, mit der ein neuer
Streitgegenstand eingeführt wird, ist in der Revisionsinstanz dagegen grundsätz-
lich nicht möglich
. Zudem kommt nur eine An-
tragstellung innerhalb des eingelegten Rechtsmittels in Betracht
.
b)
Danach begegnen die in der Revision gestellten Sachanträge der Kläge-
rin keinen Bedenken. Die Klägerin hat mit ihnen ihre vor dem Landesarbeitsge-
richt zuletzt gestellten Anträge zu VI. lediglich geordnet und konkretisiert sowie
in einigen Punkten in zulässiger Weise geändert.
aa)
Soweit die Klägerin ihre Auskunftsverlangen dahin geändert hat, dass es
auf einen Vergleich mit den auf der Grundlage des TV 2. Kreis im Honorar-
band IV beschäftigten männlichen Redakteure ankommt, richtet die Klägerin ihre
Auskunftsbegehren - entgegen der Auffassung der Beklagten -
nicht „auf eine
neue Vergleichsgruppe aus“, sondern lässt lediglich eine der beiden zuvor be-
nannten Vergleichsgruppen, nämlich die der festangestellten männlichen Redak-
teure - unter Beibehaltung der anderen Gruppe - fallen. Dies stellt im Verhältnis
zu ihren Anträgen zu VI. im Berufungsverfahren lediglich ein
„Weniger“ dar.
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bb)
Soweit die Klägerin sich in der Revisionsinstanz für den Vergleich auf im
„Honorarband IV“ beschäftigte männliche „Redakteure mit besonderer Verant-
wortung“ bezieht, präzisiert sie - in Übereinstimmung mit § 2 Abs. 2 Buchst. b
TV 2. Kreis - lediglich
den bereits zuvor von ihr verwendeten Begriff „Beitragsma-
cher“ und beschränkt ihn zugleich. Gemeint sind - allein noch - die nach dem
Honorarband IV Redaktionelle Tätigkeiten iSv. § 2 Abs. 2 Buchst. b TV 2. Kreis
vergüteten männlichen Redakteure. Diese Konkretisierung steht im Übrigen in
Übereinstimmung mit der im Vertrag der Parteien vom 5. Juli 2011 für die Kläge-
rin ausgewiesenen tariflichen Zuordnung.
cc)
Soweit die Klägerin ihr Auskunftsverlangen nicht mehr allein auf das Ka-
lenderjahr 2017 bezieht, sondern es im Antrag zu 2.
heißt: „bezogen auf das Ka-
lenderjahr 2017 bzw. 2018
“, hat sie dies mit Schriftsatz vom 11. Mai 2020 dahin
erläutert, dass die Auskunft bezogen auf das Kalenderjahr 2018 nur hilfsweise
begehrt wird und damit zugleich insoweit etwa bestehende Zweifel an der hinrei-
chenden Bestimmtheit des Antrags iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ausgeräumt. Da
sich der hilfsweise zur Entscheidung gestellte Sachantrag auf einen unveränder-
ten Sachverhalt stützt, sich das rechtliche Prüfprogramm insoweit nicht (wesent-
lich) ändert und die Verfahrensrechte der anderen Partei durch eine Sachent-
scheidung nicht verkürzt werden, bestehen gegen die Zulässigkeit des Hilfsan-
trags keine Bedenken.
dd)
Letztlich begegnet es auch keinen rechtlichen Bedenken, dass die Klä-
gerin ihre Auskunftsverlangen, die sich bislang lediglich
auf die „Redaktion
F der Beklagten“ bezogen, nun auf „die sonstigen Redaktionen der Dienststelle
B“ der Beklagten erweitert hat.
Für eine Zulässigkeit der von der Klägerin vorgenommenen Klageände-
rung spricht maßgeblich der Gesichtspunkt der Prozessökonomie. Würde näm-
lich, nachdem die Klägerin - wie unter Rn. 27 ausgeführt - den Vergleich mit fest-
angestellten Redakteuren nicht weiterverfolgt, die Größe der Vergleichsgruppe
für die Angabe des Vergleichsentgelts unterhalb des Grenzwerts des § 12 Abs. 3
Satz 2 EntgTranspG liegen, wonach das Vergleichsentgelt zum Schutz perso-
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nenbezogener Daten nicht anzugeben ist, wenn die Vergleichstätigkeit von we-
niger als sechs Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt wird,
könnte der Streit der Parteien über die Angabe des Vergleichsentgelts zu einem
neuen Rechtsstreit führen, der eventuell wiederum durch mehrere Instanzen aus-
getragen würde
. Vor dem Hintergrund der anhaltenden
und langjährigen Meinungsverschiedenheiten der Parteien über die Frage des
Zusammenhangs zwischen Entgelt und Geschlecht beim Honorar der Klägerin
ist die Wahrscheinlichkeit für eine solche Verlagerung des Streits in einen weite-
ren Rechtsstreit erheblich. Schützenswerte Belange der Gegenpartei stehen der
Klageänderung nicht entgegen.
2.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten liegt in der Einführung der
Auskunftsansprüche nach dem EntgTranspG im Berufungsverfahren durch die
Klägerin keine unzulässige Klageerweiterung in der Berufungsinstanz. Das Lan-
desarbeitsgericht hat insoweit angenommen, die Voraussetzungen nach § 533
ZPO für die Zulässigkeit der Klageerweiterung im Berufungsverfahren hätten vor-
gelegen. Dies ist in der Revisionsinstanz in entsprechender Anwendung von
§ 268 ZPO nicht mehr zu überprüfen
.
3.
Die Klageanträge sind auch im Übrigen zulässig, insbesondere sind sie
hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Beklagte kann ohne Wei-
teres erkennen, was von ihr mit den Klageanträgen verlangt wird.
Dies gilt auch für die erforderliche Angabe der Vergleichstätigkeit. Inso-
weit wirkt sich aus, dass der Gesetzgeber des EntgTranspG berücksichtigt hat,
dass Beschäftigte im Einzelfall nicht über die erforderlichen Informationen zur
Ermittlung einer gleichen oder insbesondere gleichwertigen Tätigkeit iSv. § 4
Abs. 1 und Abs. 2 EntgTranspG verfügen, weshalb sie nach § 10 Abs. 1 Satz 2
EntgTranspG lediglich in
„zumutbarer Weise“ eine gleiche oder gleichwertige Tä-
tigkeit (Vergleichstätigkeit) zu benennen haben
. Diese
soll lediglich
„möglichst konkret“ benannt werden, um eine willkürliche Auswahl
einer Vergleichstätigkeit auszuschließen
. Damit hat der
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Gesetzgeber keinen strengen Maßstab vorgegeben. Zudem führt eine fehlerhafte
Angabe der Vergleichstätigkeit durch Beschäftigte nicht zu einer Begrenzung der
Auskunftspflicht des Arbeitgebers bzw. des Betriebs- oder Personalrats, soweit
diese Angabe nicht willkürlich ist. Dies zeigt sich insbesondere an der in § 15
Abs. 4 Satz 4 EntgTranspG (Verfahren bei nicht tarifgebundenen und nicht tarif-
anwendenden Arbeitgebern)
getroffenen Bestimmung, wonach bei einer fehler-
haften Benennung der Vergleichstätigkeit durch Beschäftigte die begehrte Aus-
kunft gleichwohl zu geben ist, und zwar bezogen auf eine andere, nach Erachten
des Arbeitgebers bzw. Betriebs- oder Personalrats gleiche oder gleichwertige Tä-
tigkeit, mithin bezogen auf eine arbeitgeberseitig „ermittelte“ Vergleichstätigkeit
. Ähnlich ist nach § 11 Abs. 3 Satz 2
Nr. 1 EntgTranspG im Verfahren nach § 14 EntgTranspG (Verfahren bei tarifge-
bundenen und tarifanwendenden Arbeitgebern) sowie in den Fällen einer gesetz-
lichen Entgeltregelung die zu gebende Auskunft nicht durch die Angabe der Ver-
gleichstätigkeit im Auskunftsverlangen begrenzt; vielmehr ist insoweit in der Aus-
kunft immer das Vergleichsentgelt der Beschäftigten des jeweils anderen Ge-
schlechts anzugeben, die in die gleiche Entgelt- oder Besoldungsgruppe eingrup-
piert sind wie der oder die Auskunft verlangende Beschäftigte. Auch dies belegt,
dass der Gesetzgeber keine strengen Anforderungen an die Angabe der Ver-
gleichstätigkeit im Auskunftsverlangen stellt.
4.
Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts ist die Klage mit dem
Antrag zu 1. begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin Auskunft zu
erteilen zu den Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung für die Festlegung des
Entgelts der Klägerin sowie für die Festlegung des Entgelts der nach dem Hono-
rarband IV Redaktionelle Tätigkeiten iSv. § 2 Abs. 2 Buchst. b TV 2. Kreis vergü-
teten männlichen Redakteure der Beklagten in der Redaktion F und den sonsti-
gen Redaktionen der Dienststelle B der Beklagten. Der Anspruch folgt aus § 10
Abs. 1 und Abs. 2 iVm. § 11 Abs. 1 und Abs. 2 sowie § 12 Abs. 1
EntgTranspG.
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a)
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EntgTranspG haben Beschäftigte zur Überprü-
fung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots im Sinne dieses Gesetzes ei-
nen Auskunftsanspruch nach Maßgabe der §§ 11 bis 16 EntgTranspG. Dazu ha-
ben die Beschäftigten nach § 10 Abs. 1 Satz 2 EntgTranspG in zumutbarer Weise
eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit (Vergleichstätigkeit) zu benennen. Sie
können Auskunft zu dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt nach § 5
Abs. 1 EntgTranspG und zu bis zu zwei einzelnen Entgeltbestandteilen verlan-
gen, § 10 Abs. 1 Satz 3 EntgTranspG. Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG hat
das Auskunftsverlangen in Textform zu erfolgen.
Nach § 11 Abs. 1 EntgTranspG erstreckt sich die Auskunftsverpflichtung
ua. auf die Angabe zu den Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung nach § 11
Abs. 2 EntgTranspG. Danach erfasst die Auskunftsverpflichtung zu den Kriterien
und Verfahren der Entgeltfindung die Information über die Festlegung des eige-
nen Entgelts sowie des Entgelts für die Vergleichstätigkeit. Soweit die Kriterien
und Verfahren der Entgeltfindung auf gesetzlichen Regelungen, auf tarifvertrag-
lichen Entgeltregelungen oder auf einer bindenden Festsetzung nach § 19 Abs. 3
des Heimarbeitsgesetzes beruhen, sind als Antwort auf das Auskunftsverlangen
die Nennung dieser Regelungen und die Angabe, wo diese Regelungen einzu-
sehen sind, ausreichend, § 11 Abs. 2 Satz 2 EntgTranspG.
Nach § 12 Abs. 1 EntgTranspG besteht der Anspruch nach § 10
EntgTranspG für Beschäftigte nach § 5 Abs. 2 EntgTranspG in Betrieben mit in
der Regel mehr als 200 Beschäftigten bei demselben Arbeitgeber.
b)
Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts scheitert der Aus-
kunftsanspruch der Klägerin nicht an einer fehlenden Aktivlegitimation der Kläge-
rin. Zwar steht nach der insoweit rechtskräftigen Entscheidung des Landesar-
beitsgerichts fest, dass die Klägerin nicht Arbeitnehmerin iSd. innerstaatlichen
Rechts
, sondern „arbeitnehmerähnliche Person“ ist. Dies steht einem Auskunfts-
anspruch der Klägerin nach § 10 Abs. 1 und Abs. 2 iVm. § 11 Abs. 1 und Abs. 2
EntgTranspG indes nicht entgegen. Die Klägerin ist als freie Mitarbeiterin Arbeit-
nehmerin iSv. § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG. Ihr Beschäftigungsverhältnis bei der
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Beklagten erfüllt die wesentlichen Merkmale des Arbeitnehmerbegriffs der Richt-
linie 2006/54/EG. Anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, kön-
nen die Begriffe
„Arbeitnehmerin“ und „Arbeitnehmer“ in § 5 Abs. 2 Nr. 1
EntgTranspG nicht nach rein nationalem Rechtsverständnis ausgelegt werden.
Sie sind vielmehr vor dem Hintergrund einer zuvor nicht erfolgten hinreichenden
anderweitigen Richtlinienumsetzung sowie unter Berücksichtigung des Umstan-
des, dass der Auskunftsanspruch nach § 10 EntgTranspG im EntgTranspG nicht
von der Richtlinienumsetzung unabhängig geregelt wurde, unionsrechtskonform
in Übereinstimmung mit dem Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie 2006/54/EG aus-
zulegen. Die - zwingend erforderliche - Umsetzung der Bestimmungen der Richt-
linie 2006/54/EG zum Verbot der Diskriminierung beim Entgelt und zur entgelt-
bezogenen Gleichbehandlung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer bei glei-
cher oder als gleichwertig anerkannter Arbeit ist im deutschen Recht erst mit dem
EntgTranspG erfolgt. Das führt dazu, dass der durch die Richtlinienbestimmun-
gen unionsrechtlich geschützte Personenkreis zwingend auch von den umset-
zenden Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts erfasst sein muss. Da im
EntgTranspG ein einheitlicher persönlicher Anwendungsbereich bestimmt ist, ist
dieser nicht nur für die umzusetzenden Bestimmungen des Unionsrechts ein-
schlägig, sondern auch für den Auskunftsanspruch nach § 10 Abs. 1 Satz 1
EntgTranspG.
aa)
Nach § 5 Abs. 2 EntgTranspG sind Beschäftigte iSd. Gesetzes: 1. Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer, 2. Beamtinnen und Beamte des Bundes sowie
der sonstigen der Aufsicht des Bundes unterstehenden Körperschaften, Anstal-
ten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, 3. Richterinnen und Richter des Bun-
des, 4. Soldatinnen und Soldaten, 5. die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten so-
wie 6. die in Heimarbeit Beschäftigten sowie die ihnen Gleichgestellten.
bb)
Die Auslegung der
Begriffe „Arbeitnehmerin“ und „Arbeitnehmer“ in § 5
Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG ergibt, dass auch arbeitnehmerähnliche Personen Be-
schäftigte iSv. § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG sein können.
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(1)
Zwar spricht der Wortlaut der Bestimmung weder dafür noch dagegen.
Arbeitnehmerähnliche Personen sind in § 5 Abs. 2 EntgTranspG weder aus-
drücklich genannt noch ausdrücklich ausgeschlossen.
(2)
Auch heißt es in der Gesetzesbegründung zu § 5 Abs. 2 EntgTranspG
nur, dass sich der Beschäftigtenbegriff an der Definition
des § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG unter Berücksichtigung von § 24 AGG orientiere. Da-
nach kann allerdings nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen wer-
den, dass der nationale Gesetzgeber eine völlige Übereinstimmung des Beschäf-
tigtenbegriffs des EntgTranspG mit dem des § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG, wonach
auch Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitneh-
merähnliche Personen anzusehen sind, Beschäftigte iSd. AGG sind, nicht gewollt
hat.
(3)
Ob die
Begriffe „Arbeitnehmerin“ und „Arbeitnehmer“ in § 5 Abs. 2 Nr. 1
EntgTranspG nach der Gesetzesbegründung dahin auszulegen sind, dass arbeit-
nehmerähnliche Personen von ihr nicht erfasst werden sollen, kann allerdings
dahinstehen.
Die Begriffe „Arbeitnehmerin“ und „Arbeitnehmer“ in § 5 Abs. 2
Nr. 1 EntgTranspG sind nämlich unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit
dem Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie 2006/54/EG (weit) auszulegen. Eine Aus-
legung dieser Begriffe nach rein nationalem Rechtsverständnis unabhängig vom
Unionsrecht wäre im Hinblick auf den - nicht im Unionsrecht vorgegebenen - Aus-
kunftsanspruch nur dann möglich, wenn die zwingend erforderliche Umsetzung
der Bestimmungen der Richtlinie 2006/54/EG zum Verbot der Diskriminierung
beim Entgelt und zur entgeltbezogenen Gleichbehandlung männlicher und weib-
licher Arbeitnehmer bei gleicher oder als gleichwertig anerkannter Arbeit
im deutschen Recht
nicht erst mit dem EntgTranspG erfolgt oder wenn der Auskunftsanspruch von
dieser Umsetzung unabhängig (zB mit gesondertem persönlichen Anwendungs-
bereich) geregelt wäre. Beides ist nicht der Fall. Mit der danach erforderlichen
unionsrechtlichen Auslegung der
Begriffe „Arbeitnehmerin“ und „Arbeitnehmer“
in § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG geht einher, dass der durch die entsprechenden
Richtlinienbestimmungen unionsrechtlich geschützte Personenkreis zwingend
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auch von der umsetzenden Bestimmung des innerstaatlichen Rechts - hier § 5
Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG - erfasst sein muss. Dementsprechend sind die Be-
griffe
„Arbeitnehmerin“ und „Arbeitnehmer“ in § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG nicht
eng iSd. Arbeitnehmerbegriffs des innerstaatlichen Rechts, sondern unions-
rechtskonform in Übereinstimmung mit dem Arbeitnehmerbegriff der Bestimmun-
gen der Richtlinie 2006/54/EG weit auszulegen. Danach können im Einzelfall
auch arbeitnehmerähnliche Personen iSd. innerstaatlichen Rechts Arbeitnehmer
iSv. § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG sein.
(a)
Die Vorgaben der Richtlinie 2006/54/EG zur Entgeltgleichheit bei glei-
cher oder gleichwertiger Arbeit waren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des
EntgTranspG am 6. Juli 2017 entgegen der mitgliedstaatlichen Verpflichtung
nicht bzw. nicht hinreichend anderweitig im innerstaatlichen Recht in Deutsch-
land umgesetzt.
(aa)
Innerstaatliche Rechtsvorschriften zur Richtlinienumsetzung müssen die
volle Wirksamkeit der Richtlinie gemäß ihrer Zielsetzung gewährleisten und dem
Erfordernis der Rechtssicherheit vollständig genügen. Die Umsetzung muss des-
halb in klarer und eindeutiger Weise erfolgen. Rechtsvorschriften, durch die die
von den Richtlinienbestimmungen Begünstigten über ihre Möglichkeiten, sich auf
das Unionsrecht zu berufen, im Ungewissen gelassen werden, genügen nicht der
mitgliedstaatlichen Verpflichtung zur Richtlinienumsetzung.
(bb)
Nach Art. 288 Abs. 3 AEUV ist die Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an
den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, über-
lässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Die
Umsetzungsfrist, nach deren Ablauf im jeweiligen innerstaatlichen Recht eine
richtlinienkonforme Rechtslage erreicht sein muss, ergibt sich jeweils aus der
Richtlinie selbst. Für die Richtlinie 2006/54/EG ergibt sich die Umsetzungsfrist
aus Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie (15. August 2008; ggf. mit einer Verlängerung
um ein weiteres Jahr). Zudem sind nach Art. 34 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG
die Umsetzungsfristen von Vorgänger-Richtlinien unberührt geblieben. Für die
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hier maßgebliche, auf gleiches Entgelt für gleiche und gleichwertige Arbeit bezo-
gene Richtlinie 75/117/EWG war dies der 19. Februar 1976. Beide Fristen waren
zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des EntgTranspG abgelaufen.
(cc)
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Union sind Richtlinien vollständig und genau einzuhalten, weshalb die Mitglied-
staaten der Europäischen Union verpflichtet sind, die Bestimmungen der Richtli-
nien in hinreichend verbindlicher, bestimmter und so genauer, klarer und eindeu-
tiger Weise umzusetzen, dass dem Erfordernis der Rechtssicherheit in vollem
Umfang genügt wird
. Jeder Mitgliedstaat, der Adressat einer Richtlinie ist, hat
die Verpflichtung, in seiner nationalen Rechtsordnung alle erforderlichen Maß-
nahmen zu ergreifen, um die volle Wirksamkeit der Richtlinie gemäß ihrer Ziel-
setzung zu gewährleisten
. Rechtsvorschriften, durch die die betroffenen
Normadressaten über ihre Möglichkeiten, sich auf das Unionsrecht zu berufen,
im Ungewissen gelassen werden, stellen keine Erfüllung der Verpflichtung zur
Umsetzung einer Richtlinie in innerstaatliches Recht dar
. Allerdings erfordert die
Umsetzung einer Richtlinie in das innerstaatliche Recht nicht unbedingt in jedem
Fall eine förmliche Übernahme der Bestimmungen einer Richtlinie in eine aus-
drückliche spezifische Rechtsvorschrift, da der Umsetzung einer Richtlinie je
nach ihrem Inhalt durch einen allgemeinen rechtlichen Kontext Genüge getan
sein kann. Insbesondere kann das Bestehen allgemeiner Grundsätze des Ver-
fassungs- oder Verwaltungsrechts die Umsetzung durch Maßnahmen des Ge-
setz- oder Verordnungsgebers überflüssig machen, sofern diese Grundsätze tat-
sächlich für den Fall, dass die fragliche Vorschrift der Richtlinie dem Einzelnen
Rechte verleihen soll, die vollständige Anwendung der Richtlinie hinreichend klar
und bestimmt gewährleisten, und die Begünstigten in die Lage versetzt werden,
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von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und sie gegebenenfalls vor den
nationalen Gerichten geltend zu machen
. Um den Umfang der den Mitglied-
staaten obliegenden Umsetzungspflicht beurteilen zu können, muss in jedem
Einzelfall die Natur der in einer Richtlinie enthaltenen Vorschrift bestimmt werden
.
(dd)
Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europä-
ischen Union obliegen sowohl die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflich-
tung der Mitgliedstaaten, das darin vorgesehene Ziel zu erreichen, als auch die
Pflicht der Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 288 AEUV, alle zur
Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder beson-
derer Art zu treffen, allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten und
damit im Rahmen ihrer Zuständigkeiten auch den Gerichten
. Zur Erfüllung dieser Ver-
pflichtung verlangt der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung von den
nationalen Gerichten, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen
Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles
zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Unions-
rechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem vom
Unionsrecht verfolgten Ziel im Einklang steht
. Insoweit haben die nationalen Gerichte
- und damit auch der erkennende Senat - unter Berücksichtigung sämtlicher na-
tionaler Rechtsnormen und der im nationalen Recht anerkannten Auslegungs-
methoden zu entscheiden, ob und inwieweit nationale Rechtsvorschriften im Ein-
klang mit unionsrechtlichen Vorgaben ausgelegt werden müssen und können,
ohne dass sie contra legem ausgelegt werden
.
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(ee)
Danach waren Art. 2 Abs. 1 Buchst. e sowie Art. 4 der Richtlinie
2006/54/EG zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des EntgTranspG entgegen der
mitgliedstaatlichen Verpflichtung nicht bzw. nicht hinreichend anderweitig im in-
nerstaatlichen Recht in Deutschland umgesetzt.
(aaa)
Nach Art. 4 der Richtlinie 2006/54/EG wird bei gleicher Arbeit oder bei
einer Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, mittelbare und unmittelbare Dis-
kriminierung aufgrund des Geschlechts in Bezug auf sämtliche Entgeltbestand-
teile und -bedingungen beseitigt. Insbesondere wenn zur Festlegung des Ent-
gelts ein System beruflicher Einstufung verwendet wird, muss dieses System auf
für männliche und weibliche Arbeitnehmer gemeinsamen Kriterien beruhen und
so beschaffen sein, dass Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts ausge-
schlossen werden. Diese Bestimmung entspricht Art. 1 der mit Wirkung vom
15. August 2009 aufgehobenen Richtlinie 75/117/EWG
, deren Frist zur Umsetzung in innerstaatliches Recht im
Februar 1976 abgelaufen war. Nach Art. 34 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG
bleibt diese Umsetzungsfrist von der Aufhebung der Richtlinie 75/117/EWG un-
berührt.
Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/54/EG, der im Übrigen
Art. 157 Abs. 2 AEUV entspricht, bezeichnet der Aus
druck „Entgelt“ die üblichen
Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen, die
der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer mittelbar
oder unmittelbar als Geld- oder Sachleistung zahlt. Diesen Vorgaben musste das
innerstaatliche Recht nach Art. 33 dieser Richtlinie spätestens ab dem
15. August 2008 - mit einer Verlängerungsmöglichkeit um ein weiteres Jahr, so-
weit aufgrund besonderer Schwierigkeiten erforderlich - genügen.
(bbb)
Eine Umsetzung von Art. 1 der Richtlinie 75/117/EWG
erfolgte im deutschen Recht zunächst zwar
teilweise durch § 612 Abs. 3 BGB. Danach durfte bei einem Arbeitsverhältnis für
gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts des Arbeitneh-
mers eine geringere Vergütung vereinbart werden als bei einem Arbeitnehmer
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des anderen Geschlechts. Diese Bestimmung wurde nach Ablauf der Umset-
zungsfrist der Richtlinie 75/117/EWG im Februar 1976 durch Art. 1 Nr. 3 des
arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetzes vom 13. August 1980
in das deutsche Recht eingeführt und galt vom 21. August 1980 bis zum
17. August 2006. § 612 Abs. 3 BGB wurde mit Inkrafttreten des AGG durch Art. 3
Abs. 14 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirkli-
chung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2006
aufgehoben.
(ccc)
Bei Aufhebung des § 612 Abs. 3 BGB wurden im AGG allerdings weder
Art. 2 Abs. 1 Buchst. e noch Art. 4 der Richtlinie 2006/54/EG hinreichend umge-
setzt.
(aaaa) Zwar gibt es im AGG mit § 8 Abs. 2 AGG eine Bestimmung mit einem
Bezug zur Entgeltgleichheit bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit, allerdings
stellt sich diese Bestimmung nicht hinreichend deutlich als Rechts- bzw. An-
spruchsgrundlage dar, was nach den Vorgaben der Richtlinie jedoch erforderlich
gewesen wäre, da Art. 4 der Richtlinie 2006/54/EG konkrete Rechte für die Be-
troffenen vorsieht. Insoweit wurde die Richtlinie jedenfalls nicht genügend umge-
setzt.
§ 8 Abs. 2 AGG betrifft die Rechtfertigung der Vereinbarung einer gerin-
geren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 AGG
genannten Grundes. Nach dieser Bestimmung wird eine solche Vereinbarung
nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines solchen Grundes besondere
Schutzvorschriften gelten. § 8 Abs. 2 AGG kann zwar dahin verstanden werden,
dass er das für Männer und Frauen bestehende Entgeltgleichheitsgebot voraus-
setzt. Das ändert aber nichts daran, dass diese Regelung - entgegen den Vorga-
ben von Art. 4 der Richtlinie 2006/54/EG - nicht hinreichend klar als Grundlage
für einen Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit aus-
gestaltet wurde. Für die Betroffenen war damit aus § 8 Abs. 2 AGG - unions-
rechtswidrig - nicht klar und deutlich erkennbar, dass bereits durch das AGG ein
Anspruch auf gleiches Entgelt für Männer und Frauen bei gleicher oder gleich-
wertiger Arbeit eingeräumt wurde.
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Dass der Gesetzgeber im AGG, insbesondere mit § 8 Abs. 2 AGG keine
klare und eindeutige Grundlage für Ansprüche auf gleiches Entgelt für gleiche
und gleichwertige Arbeit geschaffen hatte, wird auch durch die Gesetzesbegrün-
dung zu § 8 AGG belegt. Hier heißt es:
„Absatz 2 greift den Grundsatz der Ent-
geltgleichheit bezüglich des Geschlechts in § 612 Abs. 3 BGB auf. Dieser Grund-
satz wird nunmehr durch § 7 über das Merkmal Geschlecht hinaus auch auf alle
in § 1 genannten Merkmale erstreckt und stellt künftig in Verbindung mit § 2
Abs. 1 Nr. 2 und § 8 Abs. 2 die neue Grundlage für Ansprüche auf gleiches Ent-
gelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit dar
. Eine sol-
che, für die juristische Methodik des deutschen Rechts
„außergewöhnliche“ Art
der Normierung einer Anspruchsgrundlage führte dann auch zu divergierenden
Auffassungen in der Literatur dazu, ob und ggf. wo im innerstaatlichen Recht ein
solcher Rechtsanspruch überhaupt verankert sein könnte
. Das insoweit bestehende Umsetzungsdefizit hat
später auch die Bundesregierung gesehen. So heißt es in der Gesetzesbegrün-
dung zum EntgTranspG, dass der vorhandene Rechtsrahmen das Gebot glei-
chen Entgelts für gleiche oder gleichwertige Arbeit von Frauen und Männern in
der Praxis nicht umfassend gewährleisten könne
. So-
weit in der Rechtsprechung eine Anspruchsgrundlage für ein gleiches Entgelt für
Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit beispielsweise in Ab-
leitung aus
„der Wertung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 8 Abs. 2 AGG“
angenommen wurde, spricht dies gerade nicht
für eine klare und eindeutige Normierung des Rechtsanspruchs, sondern für eine
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richtlinienkonforme Auslegung des Gesetzes unter Berufung auf die Gesetzes-
begründung.
(bbbb) Zudem wurden die Vorgaben der Richtlinie 2006/54/EG in anderen Punk-
ten nicht einmal ansatzweise umgesetzt.
Vollständig fehlte nicht nur eine Umsetzung der näheren Festlegungen
bzw. Bestimmungen in Art. 2 Abs. 1 Buchst. e zum Begriff
„Entgelt“, in Art. 4
Abs. 1
„in Bezug auf sämtliche Entgeltbestandteile und -bedingungen“ und in
Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie betreffend die
Vorgaben zu „System[en] beruflicher
Einstufung
“. Vollständig fehlte zudem eine ausdrückliche Rechtsgrundlage, nach
der gleiches Entgelt nicht nur für „gleiche“, sondern auch für „gleichwertige“ Ar-
beit verlangt werden kann. Das Entgeltgleichheitsgebot bei gleichwertiger Arbeit
ermöglicht sowohl für das Grundentgelt den Vergleich sehr unterschiedlicher Tä-
tigkeiten bezogen auf deren etwaige Gleichwertigkeit und einen etwaigen An-
spruch auf gleiches Entgelt
, als auch bezogen auf eine Entlohnung nach Stückzahl
und damit für die Leistungsbewertung
. Ein solcher Rechtsanspruch, der dem deut-
schen Recht nicht vertraut war, ließ sich nicht mit der erforderlichen Klarheit allein
aus der Gesamtschau von § 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 8 Abs. 2 AGG erkennen.
(ff)
Eine Umsetzung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. e sowie von Art. 4 der Richtli-
nie 2006/54/EG in das nationale Recht war auch nicht deshalb entbehrlich, weil
diesen Vorgaben bereits im allgemeinen rechtlichen Kontext, insbesondere im
Verfassungsrecht Genüge getan wurde. Das war nicht der Fall.
(aaa)
Zwar haben die Gerichte teilweise aus Art. 3 Abs. 2 GG, wonach Männer
und Frauen gleichberechtigt sind und der Staat die tatsächliche Durchsetzung
der Gleichberechtigung von Frauen und Männern fördert und auf die Beseitigung
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bestehender Nachteile hinwirkt, und aus Art. 3 Abs. 3 GG, wonach niemand we-
gen ua. seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden darf, den An-
spruch auf gleiches Entgelt bei gleicher Arbeit abgeleitet
. Jedoch ist dieser Rechtsanspruch für die von
den Richtlinienbestimmungen Begünstigten schon nicht ohne weiteres deutlich
erkennbar.
(bbb)
Zudem enthalten diese Bestimmungen keine Vorgaben, die den näheren
Festlegungen bzw. Bestimmungen in Art. 2 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie
2006/54/EG zum Begriff
„Entgelt“, in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG „in
Bezug auf sämtliche Entgeltbestandteile und -bedingungen
“ und in Art. 4 Abs. 2
der Richtlinie 2006/54/EG betreffend die
Vorgaben zu „System[en] beruflicher
Einstufung
“ entsprechen würden. Auch der Rechtsanspruch auf gleiches Entgelt
für gleichwertige Arbeit geht jedenfalls nicht unmissverständlich aus Art. 3 Abs. 2
und Abs. 3 GG hervor.
(b)
Die zwingend erforderliche Umsetzung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. e sowie
von Art. 4 der Richtlinie 2006/54/EG in das innerstaatliche Recht erfolgte in
Deutschland erst mit § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 1 sowie § 7 EntgTranspG.
Dies belegt im Übrigen auch die Gesetzesbegründung des EntgTranspG, in der
es heißt, das EntgTranspG setze die Vorgaben der Richtlinie 2006/54/EG
„aus-
drücklich um
“ - was sodann näher erläutert wird - und
präzisiere sie anhand der
Vorgaben der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Aus-
legung der Richtlinie 2006/54/EG
.
(aa)
Das Recht aus Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG auf für Frauen und
Männer gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit wurde zum einen
mit § 3 Abs. 1 EntgTranspG in das innerstaatliche Recht umgesetzt. Danach ist
bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine unmittelbare oder mittelbare Benach-
teiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile
und Entgeltbedingungen verboten. Zum anderen darf nach § 7 EntgTranspG für
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gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des
Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden als bei einer
oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts.
Soweit davon in § 4 Abs. 3 EntgTranspG eine Ausnahme vorgesehen ist,
nach der Beschäftigte in unterschiedlichen Rechtsverhältnissen nach § 5 Abs. 2
EntgTranspG (wie beispielsweise Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einer-
seits, Beamtinnen und Beamte des Bundes andererseits) untereinander nicht als
vergleichbar bzw. als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen wer-
den können, dürfte dies zwar nicht den Vorgaben der Richtlinie 2006/54/EG, die
einen solchen Ausschluss nicht enthalten, entsprechen. Eine in diesem Punkt
ggf. ungenügende Richtlinienumsetzung ändert jedoch nichts an dem Befund,
dass erst mit dem EntgTranspG überhaupt eine Umsetzung erfolgt ist.
(bb)
Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2006/54/EG wurde mit § 4 Abs. 4
EntgTranspG umgesetzt. Darin ist ua. geregelt, dass dann, wenn der Arbeitgeber
ein Entgeltsystem
(bzw. nach der Richtlinie ein „System beruflicher Einstufung“)
verwendet, dieses System auf für weibliche und männliche Beschäftigte gemein-
samen Kriterien beruhen und so ausgestaltet sein muss, dass eine Benachteili-
gung wegen des Geschlechts ausgeschlossen ist.
(cc)
Art. 2 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/54/EG wurde mit § 5 Abs. 1
EntgTranspG in das innerstaatliche Recht umgesetzt. Danach
bezeichnet „Ent-
gelt“ iSd. EntgTranspG alle Grund- oder Mindestarbeitsentgelte sowie alle sons-
tigen Vergütungen, die unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen
aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses gewährt werden.
(c)
Das EntgTranspG sieht für den Auskunftsanspruch nach § 10
EntgTranspG keinen von § 5 Abs. 2 EntgTranspG abweichenden besonderen
persönlichen Anwendungsbereich vor. Vielmehr ist in § 5 Abs. 2 EntgTranspG
ein einheitlicher persönlicher Anwendungsbereich („Beschäftigte im Sinne dieses
Gesetzes sind …“) für das gesamte EntgTranspG bestimmt, von dem der Aus-
kunftsanspruch nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EntgTranspG nicht ausgenommen ist.
Im Gegenteil, nach § 12 Abs. 1 EntgTranspG besteht der Anspruch nach § 10
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EntgTranspG für Beschäftigte nach § 5 Abs. 2 EntgTranspG (in Betrieben mit in
der Regel mehr als 200 Beschäftigten bei demselben Arbeitgeber).
(d)
Nach alledem ist § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG unionsrechtskonform da-
hin auszulegen, dass er Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des Ar-
beitnehmerbegriffs der Richtlinie 2006/54/EG erfasst, weshalb auch arbeitneh-
merähnliche Personen im Sinne des nationalen Rechts Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer iSv. § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG sein können.
(aa)
Im Unionsrecht gibt es keinen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff, viel-
mehr hängt die Bedeutung dieses Begriffs vom jeweiligen Anwendungsbereich
ab
.
(bb)
Die Vorschriften der Richtlinie 2006/54/EG zur Geschlechtergleichbe-
handlung beim Entgelt beziehen sich auf das Arbeits- und Beschäftigungsver-
hältnis
und das Entgelt, das der
Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses
dem Arbeitnehmer
zahlt.
(cc)
Die Rechtsvorschriften des Unionsrechts über die Gleichbehandlung von
Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen haben nach der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union allgemeine Bedeu-
tung und umfassen beispielsweise auch öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse
. Der Arbeit-
nehmerbegriff iSd. Bestimmungen zum gleichen Entgelt der Richtlinie
2006/54/EG kann nicht je nach nationalem Recht unterschiedlich verstanden
werden; er ist anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhältnis
im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der Betroffenen kennzeichnen. Dabei
besteht das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses darin, dass eine Per-
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son während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leis-
tungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält
.
Danach ist es nicht von Belang, ob das Beschäftigungsverhältnis nach
nationalem Recht ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis ist
oder ein Rechtsverhältnis sui generis. Sofern eine Person
die vorstehend unter Rn. 72 angeführten Voraussetzungen erfüllt, ist die Art der
Rechtsbeziehung zwischen ihr und der anderen Partei des Arbeits-/Vertragsver-
hältnisses für die Anwendung der Bestimmungen zum gleichen Entgelt der Richt-
linie 2006/54/EG ohne Bedeutung
.
(dd)
Eine Auslegung von § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG dahin, dass hierdurch
der persönliche
Anwendungsbereich für „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“
iSd. Bestimmungen der Richtlinie 2006/54/EG eröffnet wird, erfolgt auch nicht
contra legem. Dies ergibt sich bereits daraus, dass nach dem Wortlaut und der
Gesetzesbegründung von § 5 Abs. 2 EntgTranspG unklar ist, ob freie Mitarbeiter
oder arbeitnehmerähnliche Personen von der Bestimmung erfasst werden.
cc)
Die Klägerin ist als freie Mitarbeiterin der Beklagten
„Arbeitnehmerin“ iSd.
Arbeitnehmerbegriffs der Richtlinie 2006/54/EG und damit auch iSv. § 5 Abs. 2
Nr. 1 EntgTranspG.
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Die Klägerin erbringt für die Beklagte nach deren Weisung Leistungen,
für die sie als Gegenleistung eine in einem Tarifvertrag geregelte Vergütung er-
hält. Nach dem Vertrag der Parteien vom 5. Juli 2011 ist die Klägerin bei der
Beklagten in der Chefredaktion als Redakteurin mit besonderer Verantwortung
tätig. In § 2 des Vertrags ist ein Einsatzort festgelegt, nämlich M. Zudem ist eine
zeitweise „Versetzung“ nach B vereinbart. Darüber hinaus sind weitergehende
Versetzungsrechte der Beklagten vorgesehen. In § 2 des Vertrags ist ferner eine
Beschäftigung mit vertraglich vereinbarter wöchentlicher Arbeitszeit von montags
bis freitags geregelt, wobei die Beklagte das Recht hat, die Verteilung der Ar-
beitszeit der Klägerin anders zu regeln, wenn betriebliche Interessen dies erfor-
dern. Nach den vertraglichen Vereinbarungen hat die Klägerin ihre Tätigkeit zu-
dem in Abstimmung und nach den Vorgaben der Leitung des jeweiligen Funkti-
onsbereichs auszuüben. Aus § 3 des Vertrags ergibt sich darüber hinaus, dass
die Weisungsbefugnis der Beklagten über die Tätigkeit der Klägerin so weit geht,
dass eine „außerdienstliche[…] Nebentätigkeit“ einer Zustimmung der Beklagten
bedarf. Letztlich kommt hinzu, dass die Klägerin diverse Anwesenheitspflichten
treffen. So muss sie zu feststehenden Zeiten vor und nach der Sendung anwe-
send sein und an von der Beklagten festgelegten Konferenzen teilnehmen. All
diese Abreden belegen, dass die Klägerin ihre Leistungen nach den Weisungen
der Beklagten iSd. Arbeitnehmerbegriffs der Bestimmungen zum gleichen Entgelt
der Richtlinie 2006/54/EG erbringt.
c)
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich - soweit es um
den Klageantrag zu 1. geht - auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis
zutreffend. Die Klägerin kann von der Beklagten nach § 10 Abs. 1 EntgTranspG
Auskunft zu den Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung iSv. § 11 Abs. 2
EntgTranspG für die Festlegung ihres Entgelts sowie für die Festlegung des Ent-
gelts der nach dem Honorarband IV Redaktionelle Tätigkeiten iSv. § 2 Abs. 2
Buchst. b TV 2. Kreis vergüteten männlichen Redakteure der Beklagten in der
Redaktion F und den sonstigen Redaktionen der Dienststelle B der Beklagten
verlangen. Über die Aktivlegitimation der Klägerin hinaus sind sämtliche weiteren
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Voraussetzungen für den Anspruch nach § 10 Abs. 1 EntgTranspG auf Auskunft
zu den Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung erfüllt.
aa)
Darüber, dass die Dienststelle B der Beklagten die nach § 12 Abs. 1
EntgTranspG erforderliche Größe aufweist, besteht unter den Parteien kein
Streit.
bb)
Die Klägerin hat die Vergleichstätigkeit den Anforderungen von § 10
Abs. 1 Satz 2 EntgTranspG entsprechend benannt.
Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 EntgTranspG sind an die Angabe der Ver-
gleichstätigkeit - wie unter Rn. 34 ausgeführt - keine strengen Anforderungen zu
stellen. Die Klägerin hat die nach dem Honorarband IV Redaktionelle Tätigkeiten
iSv. § 2 Abs. 2 Buchst. b TV 2. Kreis vergüteten männlichen Redakteure der Be-
klagten in der Redaktion F und den sonstigen Redaktionen der Dienststelle B der
Beklagten als Vergleichsgruppe benannt. Dabei hat sie sich ersichtlich daran ori-
entiert, was die Tarifvertragsparteien des TV 2. Kreis als gleiche bzw. gleichwer-
tige Tätigkeit vorgegeben haben. Damit hat sie den Vorgaben von § 10 Abs. 1
Satz 2 EntgTranspG entsprechend eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit (Ver-
gleichstätigkeit) benannt.
cc)
Die Klägerin hat ihr Auskunftsverlangen mit Schreiben vom 1. August
2018 den Anforderungen des § 10 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG entsprechend
formgerecht mitgeteilt.
Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG hat das Auskunftsverlangen in
Textform zu erfolgen. Damit ist eine Auskunft in Textform nach § 126b BGB ge-
meint
. Die Wahrung der Schriftform des § 126
Abs. 1 BGB ist nicht erforderlich, aber ausreichend. Danach hat die Klägerin ihr
Auskunftsverlangen mit Schreiben vom 1. August 2018 formgerecht abgegeben.
Die Person der Klägerin ist aus dem Schreiben erkennbar und die Form ist durch
die gewählte Schriftform (mit erfolgter Unterschrift) gewahrt.
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dd)
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin, die ihr Auskunftsbegehren vom
1.
August 2018 an den bei der Beklagten am Standort M gebildeten „Personalrat
der Zentrale“ gerichtet hatte, das Verlangen an den „richtigen“ Adressaten iSv.
§ 14 EntgTranspG gesandt hatte. Ebenso offenbleiben kann, ob die Beklagte ggf.
die bei ihr Beschäftigten den Anforderungen von § 14 EntgTranspG entspre-
chend darüber informiert hatte, an wen diese sich mit ihrem Auskunftsbegehren
wenden sollten und wer es beantworten würde. Eine den Regelungen des § 14
EntgTranspG nicht entsprechende Adressierung ihres Auskunftsverlangens
hätte für die Klägerin keine nachteiligen rechtlichen Folgen. Dies ergibt eine Aus-
legung der in §§ 14 und 15 EntgTranspG zum Verfahren der Auskunftserteilung
getroffenen Regelungen.
(1)
Das Verfahren der Auskunftserteilung richtet sich im Fall der Klägerin
nach § 14 EntgTranspG (Verfahren bei tarifgebundenen und tarifanwendenden
Arbeitgebern), der aufgrund der Verweisung in § 16 EntgTranspG entsprechend
zur Anwendung kommt. Bei der Beklagten handelt es sich um einen tarifgebun-
denen und tarifanwendenden Arbeitgeber. Danach hätte die Klägerin ihr Aus-
kunftsverlangen unter Umständen grundsätzlich an den Personalrat richten müs-
sen, § 14 Abs. 1 EntgTranspG. Insoweit könnte allerdings fraglich sein, ob für
das Auskunftsbegehren der Klägerin der bei der Beklagten in
M gebildete „Per-
sonalrat der Zentrale“ oder der Personalrat in B zuständig gewesen wäre. Mög-
licherweise - hierzu hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen getroffen
- hatte aber auch die Beklagte selbst die Auskunftsverpflichtung übernommen.
Dann wäre das Auskunftsersuchen ggf. an diese zu richten gewesen.
(2)
Ob die Klägerin ihr Auskunftsverlangen an den zuständigen Adressaten
iSv. § 14 EntgTranspG gerichtet hatte, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
Eine den Regelungen des § 14 EntgTranspG nicht entsprechende Adressierung
ihres Auskunftsbegehrens hätte für die Klägerin keine nachteiligen rechtlichen
Folgen. Die Auslegung der in den §§ 14 und 15 EntgTranspG zum Verfahren der
Auskunftserteilung getroffenen Bestimmungen ergibt, dass eine unzutreffende
Adressierung des Auskunftsverlangens durch die Beschäftigten die Ordnungsge-
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mäßheit des Verlangens nicht in Frage stellt. Dies gilt auch dann, wenn der Ar-
beitgeber die Beschäftigten darüber informiert hatte, an wen diese sich mit ihrem
Auskunftsbegehren wenden sollen und wer es beantworten wird.
(a)
Die in den §§ 14 und 15 EntgTranspG getroffenen Bestimmungen sehen
ein ausdifferenziertes, mit umfangreichen wechselseitigen Informationspflichten
ausgestattetes Kooperationsmodell zwischen dem Arbeitgeber auf der einen
Seite und dem Betriebs- bzw. Personalrat
oder
Vertreterinnen und Vertretern der zuständigen Tarifvertragsparteien nach § 6
Abs. 1 Satz 2 EntgTranspG auf der anderen Seite vor, nach dem die Aufgabe der
Auskunftserteilung nicht starr auf nur einen Akteur festgelegt ist, sondern wech-
seln kann.
(aa)
§ 14 EntgTranspG regelt das Verfahren zum Auskunftsanspruch für ta-
rifgebundene und tarifanwendende Arbeitgeber.
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 EntgTranspG wenden sich Beschäftigte tarifge-
bundener und tarifanwendender Arbeitgeber für ihr Auskunftsverlangen nach
§ 10 EntgTranspG an den Betriebsrat. Dabei verweist § 14 Abs. 1 Satz 2
EntgTranspG für das nähere Verfahren auf § 13 EntgTranspG und mithin auf die
Regelungen zum Einblicksrecht des Betriebsausschusses in die Listen über die
Bruttolöhne und -gehälter der im Betrieb Beschäftigten
. § 14 Abs. 1 Satz 3
EntgTranspG legt sodann fest, dass der Betriebsrat den Arbeitgeber in den Fäl-
len des Satzes 1 über eingehende Auskunftsverlangen in anonymisierter Form
und umfassend zu informieren hat. Nach § 14 Abs. 1 Satz 4 EntgTranspG kann
der Betriebsrat - abweichend von Satz 1 - verlangen, dass der Arbeitgeber die
Auskunftsverpflichtung übernimmt. Damit kann der Betriebsrat die Beantwortung
dem Arbeitgeber überlassen, wenn es diesem aufgrund der Umstände des Ein-
zelfalls geboten erscheint.
§ 14 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG bestimmt, dass abweichend von § 14
Abs. 1 Satz 1 EntgTranspG der Arbeitgeber die Erfüllung der Auskunftsverpflich-
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tung nach § 11 Abs. 1 EntgTranspG generell oder in bestimmten Fällen überneh-
men kann, wenn er die Gründe dafür dem Betriebsrat zuvor erläutert hat. Über-
nimmt der Arbeitgeber die Erfüllung der Auskunftsverpflichtung, hat er nach § 14
Abs. 2 Satz 3 EntgTranspG seinerseits den Betriebsrat umfassend und rechtzei-
tig über eingehende Auskunftsverlangen zu informieren. Des Weiteren hat er den
Betriebsrat über seine Antwort zu informieren. Nach § 14 Abs. 2 Satz 4
EntgTranspG sind die Beschäftigten über die Entscheidung, wer für die Aus-
kunftserteilung zuständig ist, in allgemein zugänglicher Weise zu informieren.
§ 14 Abs. 3 Satz 1 EntgTranspG regelt schließlich den Fall, dass im Be-
trieb kein Betriebsrat besteht, der Arbeitgeber jedoch tarifgebunden nach § 5
Abs. 4 oder tarifanwendend nach § 5 Abs. 5 EntgTranspG ist. In diesen Fällen
wenden sich die Beschäftigten mit ihrem Auskunftsverlangen nach § 10
EntgTranspG an den Arbeitgeber. Nach § 14 Abs. 3 Satz 2 EntgTranspG infor-
miert der Arbeitgeber in den Fällen des Satzes 1 die Vertreterinnen und Vertreter
der zuständigen Tarifvertragsparteien nach § 6 Abs. 1 Satz 2 EntgTranspG über
seine Antwort zu eingegangenen Auskunftsverlangen. § 14 Abs. 3 Satz 3
EntgTranspG bestimmt, dass der Arbeitgeber und die zuständigen Vertreterinnen
und Vertreter der Tarifvertragsparteien vereinbaren können, dass letztere den
Auskunftsanspruch beantworten. In diesem Fall informiert der Arbeitgeber diese
umfassend und rechtzeitig über eingehende Auskunftsverlangen, § 14 Abs. 3
Satz 4 EntgTranspG. Nach § 14 Abs. 3 Satz 5 EntgTranspG sind die Beschäftig-
ten jeweils darüber zu informieren, wer die Auskunft erteilt.
(bb)
§ 15 EntgTranspG regelt das Verfahren zum Auskunftsanspruch für nicht
tarifgebundene und nicht tarifanwendende Arbeitgeber.
Nach § 15 Abs. 1 EntgTranspG wenden sich Beschäftigte nicht tarifge-
bundener und nicht tarifanwendender Arbeitgeber für ihr Auskunftsverlangen
nach § 10 Abs. 1 EntgTranspG an den Arbeitgeber. § 15 Abs. 2 EntgTranspG
regelt sodann den Fall, dass ein Betriebsrat besteht. In einem solchen Fall gilt
§ 14 Abs. 1 und Abs. 2 EntgTranspG entsprechend.
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(b)
Der Gesetzgeber wollte mit dem von ihm in den §§ 14 und 15
EntgTranspG bestimmten Kooperationsmodell zwischen dem Arbeitgeber auf
der einen Seite und dem Betriebs- bzw. Personalrat oder Vertreterinnen und Ver-
treter der zuständigen Tarifvertragsparteien auf der anderen Seite nicht etwa das
Verfahren der Auskunftserteilung für die Beschäftigten erschweren; das wäre mit
dem Ziel, das er mit der Schaffung des EntgTranspG und der Einführung eines
individuellen Auskunftsanspruchs verfolgt, nicht vereinbar. Die Schaffung des
EntgTranspG sollte dazu beitragen, unmittelbare und vor allem mittelbare Ent-
geltdiskriminierung effektiv zu beseitigen und zu verhindern
. Ausweislich der Gesetzesbegründung
ist der
Auskunftsanspruch teleologisch auf die Herstellung der Entgeltgleichheit für glei-
che oder gleichwertige Arbeit ausgerichtet. Er dient dem Zweck, die Durchset-
zung des Anspruchs auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit zu
erleichtern. Dies war aus Sicht des Gesetzgebers geboten, da Beschäftigte kaum
Zugang zu Informationen hatten, die einen eventuellen Verstoß des Arbeitgebers
gegen das Entgeltgleichheitsgebot belegen oder widerlegen konnten. Der indivi-
duelle Auskunftsanspruch soll insoweit eine Unterstützung bieten, um dieses In-
formationsdefizit der Beschäftigten abzubauen.
Mit den Regelungen in den §§ 14 und 15 EntgTranspG über die konkrete
Ausgestaltung des Auskunftsverfahrens wollte der Gesetzgeber vielmehr nur si-
cherstellen, dass die Verantwortung für eine transparente und faire Entgeltge-
staltung, insbesondere die Arbeitsbewertung, bei den Tarifvertragsparteien
bleibt, diese aber gleichzeitig nicht aus der Verantwortung entlassen werden,
Entgeltgleichheit zu gewährleisten. Zudem sollten die Aufgaben und Rechte der
betrieblichen Interessenvertretungen in Bezug auf die Durchsetzung der Entgelt-
gleichheit von Frauen und Männern konkretisiert und gestärkt werden. Insoweit
werden die Arbeitgeber und die betrieblichen Interessenvertretungen zur Wahr-
nehmung ihrer sozialpartnerschaftlichen Verantwortung aufgefordert, ihre Vergü-
tungsstrukturen zu überprüfen und das Gebot der Entgeltgleichheit entsprechend
zu gestalten
.
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Da der Gesetzgeber mit der Normierung der wechselseitigen Informati-
onspflichten in §§ 14 und 15 EntgTranspG zudem hinreichend Vorsorge dafür
getroffen hat, dass alle beteiligten Akteure stets über eingehende Auskunftsver-
langen unterrichtet und damit in der Lage sind, entsprechend den Regelungen in
den §§ 14 und 15 EntgTranspG zu verfahren, können die Beschäftigten sich für
ihren Auskunftsanspruch - je nach Fallgestaltung - selbst dann, wenn sie darüber
informiert wurden, an wen sie sich mit ihrem Auskunftsbegehren wenden sollen
und wer es beantworten wird, nicht nur an den Arbeitgeber, sondern auch an den
Betriebs- bzw. Personalrat wenden
. Im Übri-
gen trägt die Einbeziehung des Betriebs- bzw. Personalrats dazu bei, dass die
Beschäftigten von der Geltendmachung ihres Auskunftsanspruchs nicht deshalb
absehen, weil sie sich gegenüber dem Arbeitgeber nicht offenbaren wollen. Dies
wird durch die in § 14 Abs. 1 Satz 3 EntgTranspG getroffene Bestimmung bestä-
tigt, wonach der Betriebsrat den Arbeitgeber über eingehende Auskunftsverlan-
gen nur in anonymisierter Form informieren darf. Ob die Beschäftigten sich mit
ihrem Auskunftsbegehren an den
„zuständigen“ Betriebs- bzw. Personalrat wen-
den, ist nach alledem ohne Belang.
ee)
Die Klägerin hat ihren Auskunftsanspruch im Einklang mit der Über-
gangsvorschrift des § 25 Abs. 1 Satz 1 EntgTranspG mit Schreiben vom
1. August 2018 erst nach Ablauf von mehr als sechs Kalendermonaten nach dem
6. Juli 2017 angebracht.
ff)
Die Klägerin hat ihre Klage auf Auskunftserteilung - entgegen der
Rechtsauffassung der Beklagten - auch zutreffend gegen die Beklagte gerichtet.
Diese schuldet die Erteilung der Auskunft und ist damit passivlegitimiert.
Dies folgt bereits daraus, dass der individuelle Auskunftsanspruch der
Beschäftigten nach § 10 EntgTranspG teleologisch auf die Verwirklichung des
Entgeltgleichheitsanspruchs von Männern und Frauen ausgerichtet ist. Der Aus-
kunftsanspruch dient - wie unter Rn. 93 ausgeführt - dem Zweck, die Durchset-
zung des Anspruchs auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit zu
erleichtern. Die Verpflichtung nach § 3 Abs. 1 bzw. § 7 EntgTranspG, bei Be-
schäftigungsverhältnissen für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen
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des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt zu vereinba-
ren oder zu zahlen, trifft den Arbeitgeber als Vertragspartei des/der Beschäftigten
und nicht den Betriebs- oder Personalrat. Schon vor diesem Hintergrund ist ein
Gleichlauf zwischen der letztlichen Verantwortung für die Auskunftserteilung und
einer etwa späteren Entgeltgleichheitsklage, die sich naturgemäß gegen den Ar-
beitgeber als Schuldner des Entgelts richtet, geboten. Aus den in den §§ 14
und 15 EntgTranspG getroffenen Bestimmungen folgt schon deshalb nichts Ab-
weichendes, weil diese nur das außergerichtliche Verfahren der Auskunftsertei-
lung regeln, wobei es selbst insoweit - wie unter Rn. 83 ff. ausgeführt - nicht zu-
lasten der Beschäftigten geht, wenn diese ihr Auskunftsersuchen nicht an den
sich im Einzelfall aus den §§ 14 und 15 EntgTranspG sowie aus etwaigen Infor-
mationen des Arbeitgebers ergebenden Adressaten richten.
d)
Nach § 11 Abs. 1 und Abs. 2 EntgTranspG erstreckt sich die Auskunfts-
verpflichtung zu den Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung auf die Informa-
tion über die Festlegung des Entgelts des/der Auskunft verlangenden Beschäf-
tigten sowie des Entgelts für die Vergleichstätigkeit. Demgemäß kann die Kläge-
rin Auskunft verlangen zu den Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung für die
Festlegung ihres Entgelts sowie für die Festlegung des Entgelts der - ebenso wie
die Klägerin - nach dem Honorarband IV Redaktionelle Tätigkeiten iSv. § 2
Abs. 2 Buchst. b TV 2. Kreis vergüteten männlichen Redakteure der Beklagten
in der Redaktion F und den sonstigen Redaktionen der Dienststelle B der Beklag-
ten. Im Einklang mit § 10 iVm. § 16 EntgTranspG, wonach sich der Anspruch auf
Betriebe bzw. Dienststellen des öffentlichen Dienstes mit in der Regel mehr als
200 Beschäftigten bezieht, beansprucht die Klägerin die Auskunft bezogen auf
die Dienststelle B der Beklagten.
5.
Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht bislang getroffenen Feststellun-
gen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob auch die Klage mit dem
Antrag zu 2. begründet ist, dh. ob die Klägerin auch einen Anspruch auf Erteilung
von Auskunft über das Vergleichsentgelt hat. Insoweit war die Sache zur neuen
Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverwei-
sen.
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a)
Zwar ist die Klägerin ebenso aktivlegitimiert für den Anspruch auf Aus-
kunft über das Vergleichsentgelt
. Auch ist die Beklagte insoweit passivlegitimiert
. Die Klä-
gerin hat ihr Auskunftsverlangen über das Vergleichsentgelt zudem den gesetz-
lichen Vorgaben entsprechend angebracht
. Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht bislang getroffenen Fest-
stellungen kann der Senat allerdings nicht abschließend beurteilen, ob die Ver-
gleichstätigkeit entsprechend § 12 Abs. 3 EntgTranspG von wenigstens sechs
Beschäftigten des anderen Geschlechts ausgeübt wird. Hierzu wird das Landes-
arbeitsgericht noch Feststellungen zu treffen haben.
aa)
Nach § 11 Abs. 3 EntgTranspG erstreckt sich die Auskunftsverpflichtung
in Bezug auf das Vergleichsentgelt auf die Angabe des Entgelts für die Ver-
gleichstätigkeit (Vergleichsentgelt). Das Vergleichsentgelt ist anzugeben als auf
Vollzeitäquivalente hochgerechneter statistischer Median des durchschnittlichen
monatlichen Bruttoentgelts sowie der benannten Entgeltbestandteile, jeweils be-
zogen auf ein Kalenderjahr. Dafür ist in Fällen des - hier einschlägigen - § 14
EntgTranspG das Vergleichsentgelt der Beschäftigten des jeweils anderen Ge-
schlechts anzugeben, die - wie hier - in die gleiche Entgeltgruppe eingruppiert
sind wie die Auskunft verlangende Person.
bb)
Allerdings ist nach § 12 Abs. 3 EntgTranspG bei der Beantwortung eines
Auskunftsverlangens der Schutz personenbezogener Daten der auskunftverlan-
genden Beschäftigten sowie der vom Auskunftsverlangen betroffenen Beschäf-
tigten zu wahren. Deshalb ist das Vergleichsentgelt nicht anzugeben, wenn die
Vergleichstätigkeit von weniger als sechs Beschäftigten des jeweils anderen Ge-
schlechts ausgeübt wird. Dazu, ob dies der Fall ist, fehlt es im Berufungsur-
teil - aus der Sicht des Landesarbeitsgerichts konsequent - an Feststellungen.
b)
Im Übrigen hält der Senat im Hinblick auf die in § 10 Abs. 1 Satz 3
EntgTranspG getroffene Regelung, wonach die Klägerin Auskunft zu dem durch-
schnittlichen monatlichen Bruttoentgelt nach § 5 Abs. 1 EntgTranspG und zu bis
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zu zwei einzelnen Entgeltbestandteilen verlangen kann, die folgenden weiterfüh-
renden Hinweise für geboten:
aa)
Der Anspruch nach § 10 Abs. 1 Satz 3 EntgTranspG auf Angabe des
durchschnittlichen m
onatlichen Bruttoentgelts „nach § 5 Absatz 1“ bezieht sich
auf das gesamte Bruttoeinkommen. Das durchschnittliche monatliche Bruttoent-
gelt bedeutet dabei, dass der Begriff des Entgelts umfassend
iSd. § 5 Abs. 1 EntgTranspG zu verstehen ist, also alle Grund- oder Min-
destarbeitsentgelte sowie alle sonstigen Vergütungen umfasst, die unmittelbar
oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen aufgrund eines Beschäftigungsver-
hältnisses gewährt werden. Dabei stellt das durchschnittliche monatliche Entgelt
das arithmetische Mittel des kalenderjährlichen Entgelts dar. Bei Sachleistungen,
wie zum Beispiel einem Dienstwagen oder einem Betriebskitaplatz, sind entspre-
chend die finanziellen Werte dieser Leistungen anzusetzen
. Die Angabe des durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelts erfolgt
nach § 11 Abs. 3 EntgTranspG als auf Vollzeitäquivalente hochgerechneter sta-
tistischer Median des durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelts.
bb)
Die Formulierung „einzelne Entgeltbestandteile“ in § 10 Abs. 1 Satz 3
EntgTranspG verdeutlicht, dass neben dem durchschnittlichen monatlichen Brut-
toentgelt auch der Median nur einzelner Entgeltbestandteile erfragt werden kann
. Die Begrenzung
auf „bis zu zwei einzelne Entgeltbe-
standteile
“ dient dazu, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Recht der Be-
schäftigten auf individuelle Auskunft und dem damit einhergehenden Aufwand für
den Arbeitgeber, den Betriebs- oder Personalrat bzw. die Vertreterinnen und Ver-
treter der zuständigen Tarifvertragsparteien
. Die An-
frage kann sich insoweit auf den statistischen Median von bis zu zwei einzelnen
Entgeltbestandteilen beziehen. Dies kann beispielsweise die Nachfrage nach ei-
ner Leistungszulage oder einer Erschwerniszulage sein
. Wie sich aus dem korrespondierenden Einblicksrecht des vom Betriebsrat
gebildeten Betriebsausschusses in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter
nach § 13 Abs. 2 und Abs. 3 EntgTranspG ergibt, kann (nacheinander) nach al-
len Entgeltbestandteilen gefragt werden, unabhängig davon, welcher Natur sie
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sind. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob sie auf kollektivrechtlicher
Grundlage, aufgrund arbeitsvertraglicher Einheitsregelung, kraft individueller
Aushandlung im Einzelfall oder aufgrund eines betrieblichen Gehaltsschemas zu
zahlen sind
. Dementsprechend heißt es in § 13 Abs. 3
EntgTranspG
, dass in den Entgeltlisten „alle Entgeltbestandteile enthalten [sein
müssen] einschließlich übertariflicher Zulagen und solcher Zahlungen, die indivi-
duell ausgehandelt und gezahlt werden
“.
cc)
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten geht das Auskunftsbe-
gehren der Klägerin zu den einzelnen Entgeltbestandteilen - in der gebotenen
Auslegung ihres Antrags - nicht über die Vorgaben von § 10 Abs. 1 Satz 3
EntgTranspG hinaus
, wonach Auskunft nur „zu bis zu zwei einzelnen Entgeltbe-
standteilen“ verlangt werden kann.
Zwar begehrt die Klägerin ausweislich ihres in der Revisionsinstanz for-
mulierten Antrags zu 2.
, ihr Auskunft zu erteilen einerseits über „alle außertarifli-
chen und tariflichen Zulagen mit Bezug zur Tätigkeit (Thema, Schwere, Qualität
der Leistung usw.)“ und andererseits über „alle außertariflichen und tariflichen
Zulagen ohne Bezug zur Tätigkeit (Ortswechsel, soziale Härte usw.)“, hilfsweise
über „Leistungsentgelte bzw. Leistungsprämien“ und „Zulagen für besondere Tä-
tigkeiten (zB besondere inhaltliche Th
emenbearbeitung)“. Damit verlangt sie al-
lerdings keine Auskunft über das in § 10 Abs. 1 Satz 3 EntgTranspG Vorgese-
hene hinaus.
(1)
Die/der Beschäftigte gibt durch die von ihr/ihm getroffene Auswahl an
Entgeltbestandteilen den Gegenstand der Auskunft vor
.
(2)
Dabei kann gezielt nach Entgeltbestandteilen gefragt werden, bei denen
eine Ungleichbehandlung vermutet wird
. Es
ist aber auch möglich, vergleichbare Entgeltbestandteile zu einer Gruppe zusam-
menzufassen
. Der Arbeitgeber muss dann den statistischen Median der
Gruppe angeben und diesen aufgeschlüsselt erläutern.
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Eine solche Auslegung des Begriffs „einzelne Entgeltbestandteile“ in
§ 10 Abs. 1 Satz 3 EntgTranspG ist geboten, um das vom Gesetzgeber mit dem
Auskunftsanspruch verfolgte Ziel effektiv zu erreichen. Wie unter Rn. 93 ausge-
führt, ist der Auskunftsanspruch teleologisch auf die Herstellung der Entgelt-
gleichheit für gleiche oder gleichwertige Arbeit ausgerichtet. Er dient dem Zweck,
die Durchsetzung des Anspruchs auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwer-
tige Arbeit zu erleichtern. Dies erfordert ein gruppenbezogenes Verständnis des
Begriffs „einzelne Entgeltbestandteile“ im og. Sinne. Andernfalls könnten Be-
schäftigte, die über keine näheren Infor
mationen verfügen, nur „ins Blaue hinein“
Auskunft über etwaige Entgeltbestandteile verlangen oder müssten sich zu-
nächst auf einen Anspruch auf Auskunft zu den Kriterien und Verfahren der Ent-
geltfindung nach § 11 Abs. 1 EntgTranspG beschränken, mit der Folge, dass An-
sprüche auf Auskunft über einzelne Entgeltbestandteile erst nach entsprechen-
der Auskunft zu den Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung geltend gemacht
werden könnten. Mit dieser Auslegung von § 10 Abs. 1 Satz 3 EntgTranspG wird
auch nicht der vom Gesetzgeber mit der Begrenzung des Auskunftsanspruchs
auf bis zu zwei einzelne Entgeltbestandteile bezweckte Ausgleich zwischen dem
Recht der Beschäftigten auf individuelle Auskunft und dem damit einhergehen-
den Aufwand für den Arbeitgeber, den Betriebs- oder Personalrat bzw. die Ver-
treterinnen und Vertreter der zuständigen Tarifvertragsparteien in Frage gestellt.
(3)
Danach geht das mit dem Klageantrag zu 2. geltend gemachte Aus-
kunftsbegehren der Klägerin zu den einzelnen Entgeltbestandteilen dem Umfang
nach nicht über das hinaus, was die Klägerin nach § 10 Abs. 1 Satz 3
EntgTranspG beanspruchen kann.
Der Klageantrag zu 2. ist insoweit - in der gebotenen Auslegung - auf Er-
teilung von Auskunft über nicht mehr als zwei einzelne Entgeltbestandteile ge-
richtet, nämlich über
„Zulagen mit Bezug zur Tätigkeit“ und „Zulagen ohne Bezug
zur Tätigkeit“. Damit bezieht sich die Klägerin auf nicht mehr als zwei Gruppen
vergleichbarer Zulagen, wobei es insoweit nicht darauf ankommt, wie die Leis-
tung von der Beklagten bezeichnet wird. Entscheidend ist vielmehr, dass es sich
um der Sache nach vergleichbare Entgeltbestandteile handelt. Deshalb sind vom
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Auskunftsbegehren der Klägerin auch etwaige anders bezeichnete vergleichbare
Entgeltbestandteile erfasst, zB Zuschläge. Soweit die Klägerin sich jeweils auf
außertarifliche und tarifliche Zulagen bezieht, hat dies keine eigenständige Be-
deutung. Sie stellt damit lediglich klar, dass es ihr auf die etwaige Anspruchs-
grundlage der Zulagen nicht ankommt.
Schlewing
Winter
Vogelsang
Lüken
Wroblewski