Urteil des BAG vom 26.04.2018

Nebenintervenient - "Partei" iSv. § 547 Nr. 4 ZPO

Bundesarbeitsgericht
Beschluss vom 26. April 2018
Achter Senat
- 8 AZN 974/17 -
ECLI:DE:BAG:2018:260418.B.8AZN974.17.0
I. Arbeitsgericht Mainz
Urteil vom 8. Februar 2017
- 4 Ca 1560/16 -
II. Landesarbeitsgericht
Rheinland-Pfalz
Urteil vom 31. August 2017
- 2 Sa 73/17 -
Entscheidungsstichworte:
Nebenintervenient -
„Partei“ iSv. § 547 Nr. 4 ZPO
Leitsatz:
Der absolute Revisionsgrund nach § 547 Nr. 4 ZPO liegt auch dann vor,
wenn der Nebenintervenient vom Landesarbeitsgericht entgegen § 71
Abs. 3 ZPO nicht zur mündlichen Verhandlung geladen wurde.
ECLI:DE:BAG:2018:260418.B.8AZN974.17.0
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BUNDESARBEITSGERICHT
8 AZN 974/17
2 Sa 73/17
Landesarbeitsgericht
Rheinland-Pfalz
BESCHLUSS
In Sachen
Beklagte zu 2., Nebenintervenientin und Nichtzulassungsbeschwerdefüh-
rerin,
Klägerin und Berufungsbeklagte,
pp.
Beklagte zu 1., Berufungsklägerin und Nichtzulassungsbeschwerdegeg-
nerin,
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hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts am 26. April 2018 beschlossen:
Auf die Beschwerde der Beklagten zu 2. wird das Urteil
des
Landesarbeitsgerichts
Rheinland-Pfalz
vom
31. August 2017 - 2 Sa 73/17 - aufgehoben. Die Sache
wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch
über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfah-
rens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Der
Wert
des
Beschwerdeverfahrens
wird
auf
5.472,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beschwerde der Beklagten zu 2. ist zulässig und begründet. Der
von ihr geltend gemachte absolute Revisionsgrund in entsprechender Anwen-
dung von § 547 Nr. 4 ZPO
liegt vor. Dies führt zur Aufhebung des anzufechtenden Urteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen
Verhandlung und Entscheidung
.
1.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig. Der Zulässigkeit der Be-
schwerde steht insbesondere nicht entgegen, dass die Klägerin ihrerseits keine
Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat. Entgegen der Rechtauffassung der
Beklagten zu 1. fehlt es der Beklagten zu 2. auch nicht an der für ihre Nichtzu-
lassungsbeschwerde erforderlichen Beschwer. Die Beschwer der Beklagten zu
2. richtet sich nach der Beschwer der Hauptpartei, mithin der Klägerin. Diese
wurde durch die Abweisung ihrer Klage gegen die Beklagte zu 1. beschwert.
a)
Die Beschwerde ist nicht deshalb unzulässig, weil die Klägerin ihrer-
seits keine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat. Die Beklagte zu 2. hatte
im Berufungsverfahren die Stellung einer Nebenintervenientin. Als solche war
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es ihr nach § 67 ZPO unbenommen, den der Klägerin zustehenden Rechtsbe-
helf einzulegen, auch wenn diese hiervon abgesehen hatte.
aa)
Nachdem die Klägerin der Beklagten zu 2. in der Berufungsinstanz den
Streit verkündet hatte, war diese mit Schriftsatz vom 22. Mai 2017 wirksam dem
Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten und hatte hierdurch die Stellung
eines Nebenintervenienten erlangt.
Gegen die Wirksamkeit der Streitverkündung bestehen keine Beden-
ken
, insbesondere war die Beklagte zu 2. „Dritter“ iSv. § 72 ZPO. Die Beklagte
zu 2. ist erstinstanzlich Partei des Verfahrens geworden, obwohl der gegen sie
gerichtete Antrag unzulässig war. Die Klägerin hat die Beklagte zu 2. nämlich
nicht unbedingt in Anspruch genommen, sondern nur unter der Bedingung der
Erfolglosigkeit ihrer gegen die Beklagte zu 1. gerichteten Klage. Damit lag in-
soweit eine unzulässige eventuelle subjektive Klagehäufung vor
. Auch durch eine solche unzulässige Klage wird
ein Prozessrechtsverhältnis begründet
. Dieses Prozessrechtsverhältnis ist aller-
dings in der Folge erloschen. Das Arbeitsgericht hatte rechtsfehlerhaft nicht
über die Klage gegen die Beklagte zu 2. entschieden und weder die Klägerin
noch die Beklagte zu 2. hatten einen Antrag auf Ergänzung des Urteils gemäß
§ 321 ZPO gestellt. Damit war mit Ablauf der Antragsfrist des § 321 Abs. 2 ZPO
die Rechtshängigkeit der gegen die Beklagte zu 2. gerichteten Klage entfallen
und sie wurde „Dritter“ iSv. § 72 ZPO
.
bb)
Die Beklagte zu 2. ist kraft ihrer Stellung als Nebenintervenientin nach
§ 67 ZPO berechtigt, den der Klägerin zustehenden Rechtsbehelf einzulegen,
auch wenn diese hiervon abgesehen hatte.
Dem Nebenintervenienten ist es nach § 67 ZPO unbenommen, das ei-
ner Hauptpartei zustehende Rechtsmittel oder einen dieser zustehenden
Rechtsbehelf einzulegen, auch wenn die Hauptpartei hiervon absieht
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Etwas Anderes gilt zwar, wenn die Hauptpartei der Einlegung des Rechtsmittels
oder Rechtsbehelfs widerspricht, wobei dieser Widerspruch nicht ausdrücklich
erklärt werden muss, sondern auch durch schlüssiges Verhalten der Hauptpar-
tei zum Ausdruck gebracht werden kann
Die Klägerin hat der Einlegung der Nichtzulassungsbe-
schwerde durch die Beklagte zu 2. indes weder ausdrücklich widersprochen
noch lässt sich ein sonstiges Verhalten der Klägerin feststellen, aus dem ein
entsprechender entgegenstehender Wille der Klägerin erkennbar würde.
b)
Der Beklagten zu 2. fehlt es auch nicht an der für ihre Nichtzulassungs-
beschwerde erforderlichen Beschwer. Das Rechtsmittel des Nebenintervenien-
ten ist stets ein Rechtsmittel für die Hauptpartei
. Entsprechendes muss für einen Rechtsbehelf wie die
Nichtzulassungsbeschwerde gelten. Die Beschwer richtet sich damit nach der
Beschwer der Hauptpartei
,
hier mithin der Klägerin, die durch die Abweisung ihrer Klage gegen die Beklag-
te zu 1. beschwert ist.
2.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch begründet. Der von der Be-
schwerde geltend gemachte absolute Revisionsgrund in entsprechender An-
wendung von § 547 Nr. 4 ZPO
liegt vor. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zu 2.
nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 31. August 2017 geladen.
Infolgedessen hat diese an der mündlichen Verhandlung, aufgrund derer das
Berufungsurteil ergangen ist, nicht teilgenommen und war damit in dem Verfah-
ren nicht nach den gesetzlichen Vorschriften vertreten.
a)
Der absolute Revisionsgrund nach § 547 Nr. 4 ZPO erfasst als beson-
dere Ausprägung der Versagung des rechtlichen Gehörs auch den Fall, dass
eine Partei nicht zur mündlichen Verhandlung geladen wurde und deshalb hie-
ran weder selbst noch durch einen gesetzlichen Vertreter teilnehmen konnte
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b)
Zwar war die vormalige Beklagte zu 2. vom Landesarbeitsgericht nicht
als Partei im engeren Sinne zu laden. Sie war erstinstanzlich Partei des Verfah-
rens geworden. Die Rechtshängigkeit des gegen sie gerichteten Anspruchs war
aber - wie unter Rn. 5 ausgeführt - mit Ablauf der Antragsfrist des § 321 Abs. 2
ZPO erloschen.
c)
Die Beklagte zu 2. hatte im Berufungsverfahren aber - wie unter Rn. 4
ausgeführt - die Stellung einer Nebenintervenientin erlangt und war in dieser
Stellung als
„Partei“ iSv. § 547 Nr. 4 ZPO zu behandeln.
§ 547 Nr. 4 ZPO ist entsprechend auch auf Dritte anwendbar, die ent-
gegen zwingenden Vorschriften nicht beteiligt wurden
. Vor dem Hintergrund, dass
sich der absolute Revisionsgrund nach § 547 Nr. 4 ZPO - wie unter Rn. 10 aus-
geführt - als besondere Ausprägung der Versagung des rechtlichen Gehörs
darstellt, muss dies auch für den Nebenintervenienten gelten, weil dieser ge-
mäß § 71 Abs. 3 ZPO im Hauptverfahren hinzuzuziehen ist, solange nicht die
Unzulässigkeit der Intervention rechtskräftig ausgesprochen ist. Die Verpflich-
tung, den Nebenintervenienten am Verfahren zu beteiligen, ist eine Ausprägung
des diesem originär zustehenden Anspruchs auf rechtliches Gehör
.
Danach hat der Nebenintervenient
ein Recht auf Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und auf Beteiligung
an ihrer schriftsätzlichen Vorbereitung. Alle Schriftsätze, Ladungen und Be-
kanntmachungen von Terminen sind ihm zu übermitteln. Er ist auch berechtigt,
in den Grenzen deAngriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu ma-
chen und alle Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen
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3.
Auf die Frage, ob das Landesarbeitsgericht die Beklagte zu 2. darüber
hinaus dadurch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat, dass es
diese nicht darauf hingewiesen hat, dass es nicht von einem Betriebsübergang
auf die Beklagte zu 1. ausgehe, kommt es nach alledem nicht an.
II.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
Schlewing
Vogelsang
Roloff
F. Rojahn
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