Urteil des BAG vom 17.06.2020

Auflösende Bedingung - Abberufung als Geschäftsführerin

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 17. Juni 2020
Siebter Senat
- 7 AZR 398/18 -
ECLI:DE:BAG:2020:170620.U.7AZR398.18.0
I. Arbeitsgericht Dessau-Roßlau
Urteil vom 4. August 2016
- 5 Ca 33/16 -
II. Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil vom 24. April 2018
- 4 Sa 334/16 -
Entscheidungsstichworte:
Auflösende Bedingung - Abberufung als Geschäftsführerin
ECLI:DE:BAG:2020:170620.U.7AZR398.18.0
- 2 -
BUNDESARBEITSGERICHT
7 AZR 398/18
4 Sa 334/16
Landesarbeitsgericht
Sachsen-Anhalt
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
17. Juni 2020
URTEIL
Schiege, Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
In Sachen
Beklagter, Berufungsbeklagter und Revisionskläger,
pp.
Klägerin, Berufungsklägerin und Revisionsbeklagte,
hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Ver-
handlung vom 17. Juni 2020 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesarbeits-
gericht Gräfl, die Richter am Bundesarbeitsgericht Klose und Waskow sowie die
ehrenamtliche Richterin Holzhausen und den ehrenamtlichen Richter Dr. Merten
für Recht erkannt:
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7 AZR 398/18
ECLI:DE:BAG:2020:170620.U.7AZR398.18.0
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landes-
arbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 24. April 2018 - 4 Sa
334/16 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der zwischen ihnen abgeschlossene
Geschäftsführervertrag aufgrund des Eintritts einer auflösenden Bedingung am
16. März 2016 geendet hat.
Die Klägerin war ab dem 1. August 2001 auf der Grundlage eines Ar-
beitsvertrags bei dem Rechtsvorgänger des Beklagten, dem Abwasserzweckver-
band E, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, beschäftigt. Sie erhielt eine
Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 TVöD-VKA. Zum 1. Januar 2020 wurde der
Abwasserzweckverband gemeinsam mit dem Wasserverband H in den beklagten
Wasser- und Abwasserzweckverband eingegliedert.
Die Verbandssatzung des Abwasserzweckverbands sah in § 3 als Ver-
bandsorgane die Verbandsversammlung und den Verbandsgeschäftsführer vor.
Nach § 15 der Verbandssatzung wählte die Verbandsversammlung einen haupt-
amtlichen Verbandsgeschäftsführer für sieben Jahre.
Die Klägerin wurde mit Wirkung zum 1. März 2015 befristet für sieben
Jahre zur hauptamtlichen Verbandsgeschäftsführerin des Abwasserzweckver-
bands bestellt. In dem aus diesem Anlass geschlossenen
„Geschäftsführerver-
trag“ vom 26. Februar 2015 ist Folgendes geregelt:
㤠2 Vertragsdauer
(1) Dieser Vertrag wird auf die Dauer von 7 Jahren ge-
schlossen, beginnend ab dem 01.03.2015 und endet
mit dem Ablauf des 28.02.2022, ohne dass es einer
Kündigung bedarf. Das Dienstverhältnis kann bei Vor-
liegen eines wichtigen Grundes schon vor Ablauf der
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gesetzlichen Vertragszeit gekündigt werden. Die Kün-
digung bedarf der Schriftform und der Zustellung.
(2) Die Verbandsversammlung kann die Verbandsge-
schäftsführerin vor Ablauf der Wahlzeit gemäß Abs. 1
mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der satzungsmä-
ßigen Stimmenzahl der Verbandsversammlung ab-
wählen. Die Möglichkeit der Abwahl besteht auch bei
Gründen, die nicht in der Person der Verbandsge-
schäftsführerin liegen. So kann auch der Wegfall der
Verbandsgeschäftsführeraufgabe (z. B. bei Zusam-
menschlüssen mit anderen Aufgabenträgern) zur Ab-
wahl führen. In diesem Fall endet das Anstellungsver-
hältnis mit Ablauf des Tages, an dem die Abwahl
durch die Verbandsversammlung erfolgt.
(3) Während der Dauer der Geschäftsführertätigkeit ruht
der Arbeitsvertrag vom 01.08.2001.
§ 3 Pflichten und Verantwortlichkeit
(2) Die Verbandsgeschäftsführerin nimmt die Rechte und
Pflichten des Arbeitgebers im Sinne der arbeits- und
sozialrechtlichen Vorschriften und Gesetze wahr. Sie
ist
‚leitende Angestellte‘.
§ 4 Arbeitszeit und Nebentätigkeit
(1) Die Verbandsgeschäftsführerin hat ihre volle Arbeits-
kraft sowie ihr ganzes Wissen und Können in den
Dienst des Verbandes zu stellen. Sie ist in der Bestim-
mung der Arbeitszeit frei, hat jedoch jederzeit, sobald
es das Wohl des Verbandes erfordert, zu seiner Ver-
fügung zu stehen und seine Interessen wahrzuneh-
men.
§ 5 Vergütung, sonstige Leistungen des Verbandes
(1) Die Verbandsgeschäftsführerin wird in Entgelt-
gruppe 12 gemäß Anlage A (VKA) § 15 Abs. 2 Satz 2
TVöD-AT eingruppiert.
(5) Die Verbandsgeschäftsführerin ist grundsätzlich kran-
ken-, pflege-, renten- und arbeitslosenversicherungs-
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pflichtig. Alle damit verbundenen notwendigen Hand-
lungen erfolgen dabei wie für jeden anderen Arbeit-
nehmer des Zweckverbandes.
(6) Der Verband versichert die Verbandsgeschäftsführe-
rin wie jeden Arbeitnehmer des Zweckverbandes in
der Zusatzversorgungskasse Sachsen-Anhalt.
§ 6 Versorgung
Im Fall der vorzeitigen Abwahl aus der Funktion erhält die
Verbandsgeschäftsführerin eine Versorgung entsprechend
§ 12 (3) GKG LSA. Gemäß § 4 BeamtVG wird Ruhegehalt
nur gewährt, wenn eine Dienstzeit von mindestens fünf Jah-
ren abgeleistet wurde.“
Am 27. November 2015 beantragten die neun Vertreter der Mitglieder
der Verbandsversammlung die vorzeitige Abwahl der Klägerin als Verbandsge-
schäftsführerin. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2015 wurde die Klägerin von
ihren Aufgaben entbunden und freigestellt.
In der Verbandsversammlung vom 16. März 2016 wurde die Klägerin als
Verbandsgeschäftsführerin abgewählt. Hierüber wurde die Klägerin mit Schrei-
ben vom 16. März 2016 unterrichtet und aufgefordert, die arbeitsvertragliche Tä-
tigkeit nach dem Arbeitsvertrag vom 1. August 2001 wieder aufzunehmen.
Mit der am 6. April 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat
sich die Klägerin gegen die Beendigung des Geschäftsführervertrags gewandt.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Geschäftsführervertrag sei ein Arbeitsver-
trag. Sie sei verpflichtet gewesen, eine 40-Stunden-Woche einzuhalten und habe
ihre Arbeitszeit elektronisch erfasst. Auch habe sie ihren Urlaub genehmigen las-
sen müssen. Die Koppelung zwischen dem Fortbestand des Geschäftsführerver-
trags und der Organstellung sei unzulässig. Dies führe zu einer fristlosen Been-
digung des Anstellungsvertrags ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes iSd.
§ 626 BGB. Im Übrigen sei die vertragliche Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 4 des
Geschäftsführervertrags dahingehend zu verstehen, dass sie sich nur auf die Ab-
wahl wegen Wegfalls der Verbandsgeschäftsführeraufgabe beziehe. Dieser Fall
sei nicht eingetreten. Jedenfalls sei die Vertragsklausel überraschend bzw. mehr-
deutig iSd. § 305c BGB.
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Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - zuletzt bean-
tragt
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende
Anstellungsverhältnis als Verbandsgeschäftsführerin durch
ihre Abwahl als Verbandsgeschäftsführerin durch die Ver-
bandsversammlung vom 16. März 2016 nicht beendet ist.
Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags die
Ansicht vertreten, der Geschäftsführervertrag sei kein Arbeitsvertrag, sondern ein
freier Dienstvertrag. Die durch § 12 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 GKG-LSA zwingend ge-
botene Vereinbarung einer auflösenden Bedingung für den Fall der Abwahl als
Geschäftsführerin sei zulässig. Die Klausel stelle keine Allgemeine Geschäftsbe-
dingung dar, so dass sich eine Unwirksamkeit der Klausel nicht aus dem Recht
der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergeben könne. Auch das TzBfG finde
keine Anwendung. Jedenfalls bestehe ein rechtfertigender Sachgrund für die auf-
lösende Bedingung.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht
hat ihr stattgegeben. Mit seiner Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstel-
lung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung
der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht
hat das Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung der Klägerin zu Recht abge-
ändert und der Klage stattgegeben. Der Urteilsausspruch ist entgegen seinem
Wortlaut dahingehend zu verstehen, dass das Urteil des Arbeitsgerichts insge-
samt abgeändert wurde. Der allein noch rechtshängige Bedingungskontrollantrag
ist begründet.
I.
Das durch den Vertrag vom 26. Februar 2015 begründete Rechtsverhält-
nis hat nicht aufgrund des Eintritts der auflösenden Bedingung in § 2 Abs. 2
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Satz 4 des Vertrags durch die Abwahl der Klägerin als Verbandsgeschäftsführe-
rin am 16. März 2016 geendet. Die auflösende Bedingung ist mangels eines
sachlichen Grundes iSd. §§ 21, 14 Abs. 1 TzBfG unwirksam.
1.
Die Vorschriften des TzBfG sind auf das durch den Vertrag vom 26. Feb-
ruar 2015 begründete Rechtsverhältnis anzuwenden. Nach § 620 Abs. 3 BGB gilt
für Arbeitsverträge, die auf bestimmte Zeit abgeschlossen werden, das TzBfG.
Das Landesarbeitsgericht ist ohne revisiblen Rechtsfehler zu der Auffassung ge-
langt, dass der Vertrag vom 26. Februar 2015 ein Arbeitsvertrag ist.
a)
Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines
selbstständig Tätigen durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich
der Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen
Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbe-
stimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht
kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitneh-
mer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit ge-
stalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann
. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigen-
art der jeweiligen Tätigkeit ab. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage,
welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung
aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls an. Der jeweilige Vertragstyp ergibt
sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelun-
gen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die
Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive
Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der prakti-
schen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Die Vorschrift des § 611a BGB
in der seit dem 1. April 2017 geltenden Fassung spiegelt diese Rechtsgrundsätze
wider
.
Allerdings gelten die dargestellten Grundsätze zur Abgrenzung eines Ar-
beitsverhältnisses von einem freien Dienstverhältnis grundsätzlich nur für solche
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Fälle, in denen die Parteien ihr Rechtsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis be-
zeichnet haben, sondern als freies Mitarbeiter- oder Dienstverhältnis. Haben die
Parteien ein Arbeitsverhältnis vereinbart, so ist es auch regelmäßig als solches
einzuordnen
. Dies ergibt sich
aus der Vertragsfreiheit der Parteien
.
b)
Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, ob ein Arbeitsverhältnis oder
ein anderes Rechtsverhältnis vorliegt, ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet
liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei
ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze ver-
stößt
. Hat das Landes-
arbeitsgericht einen Vertrag dahingehend ausgelegt, dass die Parteien ein Ar-
beitsverhältnis vereinbart haben, kommt es für den bei der revisionsrechtlichen
Überprüfung anzulegenden Maßstab darauf an, ob dem Vertrag atypische Wil-
lenserklärungen zugrunde liegen oder ob ein vorformulierter Vertragstext ver-
wendet wurde. Die Auslegung atypischer Erklärungen durch das Landesarbeits-
gericht ist vom Revisionsgericht nur eingeschränkt darauf zu überprüfen, ob das
Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denkgesetze oder Erfah-
rungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat
. Die Auslegung von Allge-
meinen Geschäftsbedingungen und von Einmalbedingungen iSv. § 310 Abs. 3
Nr. 2 BGB durch das Berufungsgericht unterliegt hingegen einer uneinge-
schränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung
.
c)
Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Parteien hätten
mit dem Vertrag vom 26. Februar 2015 ein Arbeitsverhältnis begründet, revisi-
onsrechtlich nicht zu beanstanden. Dabei kann offenbleiben, ob der Vertrag aty-
pische Willenserklärungen enthält oder ob es sich um Allgemeine Geschäftsbe-
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dingungen oder Einmalbedingungen handelt. Die Auslegung des Landesarbeits-
gerichts hält auch einer uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung
stand.
aa)
Das Landesarbeitsgericht hat den vertraglichen Vereinbarungen zu
Recht entnommen, dass die Klägerin nicht im Wesentlichen frei ihre Tätigkeit ge-
stalten und ihre Arbeitszeit bestimmen kann. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags
vom 26. Februar 2015 hat die Klägerin als Verbandsgeschäftsführerin ihre volle
Arbeitskraft in den Dienst des Verbands zu stellen. Zwar soll sie nach § 4 Abs. 1
Satz 2 des Vertrags einerseits in der Bestimmung ihrer Arbeitszeit frei sein; dies
wird jedoch noch im gleichen Satz dahingehend eingeschränkt, dass sie „jeder-
zeit, sobald es das Wohl des Verbandes erfordert, zu seiner Verfügung zu stehen
und seine Interessen wahrzunehmen“ hat. Die Parteien haben in § 3 Abs. 2 des
Vertrags vom 26. Februar 2015 zudem vereinbart, dass die Klägerin leitende An-
gestellte ist. Auch diese Regelung hat das Landesarbeitsgericht zu Recht für die
Auslegung des Vertrags als Arbeitsvertrag herangezogen. Leitende Angestellte
sind regelmäßig Arbeitnehmer und keine freien Dienstnehmer
. Dafür, dass es sich
bei dem als „Geschäftsfüh-
rervertrag“ bezeichneten Vertrag vom 26. Februar 2015 um einen Arbeitsvertrag
handelt, sprechen im Übrigen auch die Regelungen in § 5 über die Vergütung
und die sonstigen Leistungen. Nach § 5 Abs. 1 des Vertrags erfolgt eine Eingrup-
pierung in die Entgeltgruppe 12 des TVöD-AT, der nach seinem Geltungsbereich
für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gilt. Außerdem verpflichtet sich der Ver-
band, die Klägerin hinsichtlich der Sozialversicherungspflicht und der betriebli-
chen Altersversorg
ung zu behandeln wie „jeden anderen Arbeitnehmer“
bzw. „wie jeden Arbeitnehmer“
. Damit wird zum Ausdruck
gebracht, dass auch die Klägerin selbst Arbeitnehmerin des Verbands ist.
bb)
Der Beklagte greift die Auslegung des Vertrags vom 26. Februar 2015
durch das Landesarbeitsgericht mit seiner Revision nicht im Einzelnen an. Er
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macht in der Revisionsbegründung lediglich geltend, das TzBfG sei nicht auf Ge-
schäftsführer anwendbar. Damit trennt der Beklagte nicht ausreichend zwischen
der Organstellung selbst und dem der Organstellung zugrunde liegenden Rechts-
verhältnis
. Zwar liegt der Berufung eines Arbeitnehmers zum organ-
schaftlichen Geschäftsführer eine vertragliche Abrede zugrunde, die regelmäßig
als ein Geschäftsführerdienstvertrag zu qualifizieren ist. Zwingend ist dies aber
nicht. Die Bestellung zum Geschäftsführer einer juristischen Person kann
auch - wie hier - auf einem Arbeitsvertrag beruhen
.
2.
Die auflösende Bedingung gilt nicht nach §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG iVm.
§ 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam und eingetreten. Die Klägerin hat die Bedin-
gungskontrollklage rechtzeitig innerhalb der Dreiwochenfrist nach §§ 21, 17
Satz 1 und Satz 3erhoben.
a)
NachiVmgilt eine auflö-
sende Bedingung als wirksam und als zu dem in der schriftlichen Unterrichtung
des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber angegebenen Zeitpunkt des Eintritts
der auflösenden Bedingung eingetreten, wenn der Arbeitnehmer die Unwirksam-
keit und den Nichteintritt der auflösenden Bedingung nicht innerhalb der Dreiwo-
chenfrist nach §§ 21, 17 Satz 1 und Satz 3,gerichtlich geltend
gemacht hat
.
Die dreiwöchige Klagefrist nach §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG beginnt bei Be-
dingungskontrollklagen grundsätzlich mit dem Tag, an dem die auflösende Be-
dingung eingetreten ist. Allerdings endet der auflösend bedingte Arbeitsvertrag
nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftli-
chen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Eintritt
der Bedingung. Deshalb wird gemäß §§ 21, 17 Satz 1 und Satz 3, § 15 Abs. 2
TzBfG die Klagefrist erst mit dem Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeit-
gebers, das Arbeitsverhältnis sei aufgrund des Eintritts der Bedingung beendet,
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in Lauf gesetzt, wenn die Bedingung bereits vor Ablauf der Zweiwochenfrist ein-
getreten ist
.
b)
Danach hat die Klägerin fristgerecht Bedingungskontrollklage erhoben.
Der Verband hat die Klägerin mit Schreiben vom 16. März 2016, welches ihr noch
am selben Tage zugegangen ist, darüber unterrichtet, dass ihr Anstellungsver-
hältnis aufgrund der Abwahl durch die Verbandsversammlung am gleichen Tage
ende. Die Klägerin hat sich mit ihrer am 6. April 2016, mithin innerhalb von drei
Wochen nach Fristbeginn, beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage folglich
rechtzeitig gegen die Beendigung des Geschäftsführervertrags gewandt.
3.
Entgegen der Ansicht der Klägerin steht der Beendigung des Geschäfts-
führervertrags aufgrund der auflösenden Bedingung nicht entgegen, dass der
Verband die zweiwöchige Auslauffrist nach § 21 iVm. § 15 Abs. 2 TzBfG in dem
Mitteilungsschreiben vom 16. März 2016 nicht eingehalten hat. Enthält die Unter-
richtung des Arbeitgebers ein unzutreffendes Beendigungsdatum, endet das Ar-
beitsverhältnis nicht zu dem angegebenen Zeitpunkt, sondern erst mit dem Ab-
lauf der Auslauffrist
. Demnach
hätte der Geschäftsführervertrag im Falle der Wirksamkeit der auflösenden Be-
dingung zum 30. März 2016 geendet.
4.
Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass der
Geschäftsführervertrag nicht aufgrund der Abwahl der Klägerin als Verbandsge-
schäftsführerin geendet hat, da die in § 2 Abs. 2 Satz 4 des Vertrags vom
26. Februar 2015 vereinbarte auflösende Bedingung unwirksam ist. Dabei kann
zu Gunsten des Beklagten unterstellt werden, dass die Klausel dahingehend aus-
zulegen ist, dass der Geschäftsführervertrag nicht nur in dem in § 2 Abs. 2 Satz 3
des Vertrags geregelten Fall des Wegfalls der Verbandsgeschäftsführeraufgabe
enden soll, sondern in allen Fällen, in denen vor Ablauf der siebenjährigen Amts-
zeit eine Abwahl durch die Verbandsversammlung mit einer Mehrheit von zwei
Dritteln der satzungsmäßigen Stimmenzahl erfolgt. Die auflösende Bedingung in
§ 2 Abs. 2 Satz 4 des Vertrags ist nach §§ 21, 14 Abs. 1 TzBfG mangels eines
sie rechtfertigenden sachlichen Grundes unwirksam.
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a)
Ein Sachgrund ist vorliegend nicht deshalb entbehrlich, weil das durch
Vertrag vom 1. August 2001 begründete Arbeitsverhältnis während der Bestel-
lung zur Verbandsgeschäftsführerin nach § 2 Abs. 3 des Vertrags vom 26. Feb-
ruar 2015 ruhend fortbesteht. Auch wenn, was zwischen den Parteien streitig ge-
blieben ist, der Klägerin nach § 6 des Vertrags im Falle der vorzeitigen Beendi-
gung des Geschäftsführervertrags eine Übergangsversorgung zustehen sollte,
führte dies nicht zur Entbehrlichkeit eines Sachgrundes. §§ 21, 14 Abs. 1 TzBfG
verlangen lediglich, dass ein Arbeitsvertrag unter einer auflösenden Bedingung
geschlossen wurde. Für das Erfordernis eines Sachgrundes kommt es daher
nicht darauf an, dass dem Arbeitnehmer nach dem Ende des Arbeitsverhältnis-
ses nicht die Arbeitslosigkeit droht, sondern er wirtschaftlich abgesichert ist. Die
Bedingungskontrolle nach dem TzBfG setzt keine Schutzbedürftigkeit voraus
.
b)
Die in § 2 Abs. 2 Satz 4 des Vertrags vom 26. Februar 2015 vereinbarte
auflösende Bedingung ist weder durch § 12 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 GKG-LSA noch
durch einen Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG gerechtfertigt.
aa)
Die Wirksamkeit der auflösenden Bedingung ergibt sich nicht aus § 12
Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 GKG-LSA.
Wird der hauptberufliche Verbandsgeschäftsführer nicht in ein Beamten-
verhältnis auf Zeit berufen, sondern mit einem Anstellungsvertrag beschäftigt, so
ist nach § 12 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 GKG-LSA in dem Anstellungsvertrag festzule-
gen, dass die Anstellung mit Ablauf der Wahlperiode oder mit Ablauf des Tages,
an dem er vorzeitig abgewählt wird, endet. Mit dieser Bestimmung hat der Lan-
desgesetzgeber keinen eigenständigen Rechtfertigungsgrund für die auflösende
Bedingung geschaffen, sondern lediglich eine Pflicht des Zweckverbands be-
gründet, eine entsprechende Klausel in den Anstellungsvertrag des Verbandsge-
schäftsführers aufzunehmen. Das folgt schon aus dem Vergleich mit den Rege-
lungen in § 12 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GKG-LSA und § 12 Abs. 3 Satz 5 GKG-LSA.
Nach § 12 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GKG-LSA scheidet der Verbandsgeschäftsführer
mit Ablauf der Wahlperiode aus seiner Funktion aus, es sei denn, er wurde wie-
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dergewählt. Nach § 12 Abs. 3 Satz 5 GKG-LSA scheidet der Verbandsgeschäfts-
führer mit Ablauf des Tages aus seiner Funktion aus, an dem er abgewählt
wurde. Diese Bestimmungen regeln die Rechtsfolge des Ablaufs der Wahlperi-
ode und der vorzeitigen Abwahl für die Funktion selbstständig. In Hinblick auf den
der Funktion zugrunde liegenden Anstellungsvertrag soll sich die Rechtsfolge
des Ablaufs der Wahlperiode bzw. der vorzeitigen Abwahl dagegen erst aus einer
entsprechenden vertraglichen Vereinbarung mit dem Verbandsgeschäftsführer
ergeben. Über die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung trifft § 12 Abs. 3
GKG-LSA keine Aussage. Es obliegt vielmehr dem Zweckverband, eine entspre-
chende Klausel rechtswirksam zu vereinbaren. Dabei ist zu berücksichtigen,
dass § 12 Abs. 3 GKG-LSA, sofern der Verbandsgeschäftsführer nicht in ein Be-
amtenverhältnis auf Zeit berufen wird, gerade nicht den Abschluss eines Arbeits-
vertrags, sondern den Abschluss eines Anstellungsvertrags vorgibt. Damit
kommt auch der Abschluss eines freien Geschäftsführerdienstvertrags in Be-
tracht.
Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob dem Landesgesetzgeber
im Hinblick auf die in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG für das Arbeitsrecht geregelte kon-
kurrierende Gesetzgebung überhaupt die Gesetzgebungskompetenz zur Schaf-
fung eines Rechtfertigungstatbestands für die Vereinbarung einer auflösenden
Bedingung in Arbeitsverträgen mit Geschäftsführern von Zweckverbänden zu-
käme
.
bb)
Für die auflösende Bedingung besteht kein Sachgrund nach §§ 21, 14
Abs. 1 TzBfG.
(1)
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die auflösende Bedingung
nicht aufgrund der Eigenart der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4
TzBfG gerechtfertigt.
(a)
Nach §§ 21liegt ein sachlicher Grund für
die auflösende Bedingung eines Arbeitsvertrags vor, wenn die Eigenart der Ar-
beitsleistung die auflösende Bedingung rechtfertigt. In
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ist nicht näher bestimmt, welche Eigenarten der Arbeitsleistung die Befris-
tung oder auflösende Bedingung eines Arbeitsvertrags rechtfertigen können. Den
Gesetzesmaterialien lässt sich entnehmen, dass mit dem Sachgrund de
vor allem verfassungsrechtlichen, sich aus der Rund-
funkfreiheit
und der Freiheit der Kunst
er-
gebenden Besonderheiten Rechnung getragen werden soll
. Die Regelung kann daher zum Beispiel geeignet sein, die Befristung von
Arbeitsverträgen mit programmgestaltenden Mitarbeitern bei Rundfunkanstalten
oder mit Bühnenkünstlern zu rechtfertigen. Der Sachgrund der Eigenart der Ar-
beitsleistung ist jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf diese Fall-
gruppen beschränkt, sondern kann auch in anderen Fällen zur Anwendung kom-
men
. We-
der aus dem Gesetz noch aus der Gesetzesbegründung ergeben sich Anhalts-
punkte dafür, dass der Anwendungsbereich de
auf derartige verfassungsrechtlich geprägte Arbeitsverhältnisse beschränkt sein
soll.
Der Begriff der „Eigenart der Arbeitsleistung“ ist nicht so zu verstehen,
dass nur die Eigenart der Arbeitsleistung als solche, nicht aber Besonderheiten
des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden können. Die Arbeitsleistung wird
im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erbracht und kann nicht davon losgelöst be-
trachtet werden
. Allerdings ist nicht jegliche Eigenart der Arbeitsleistung geeig-
net, die Befristung oder auflösende Bedingung eines Arbeitsverhältnisses zu
rechtfertigen. Nach der dem TzBfG zugrunde liegenden Wertung ist der unbefris-
tete Arbeitsvertrag der Normalfall und der befristete Vertrag die Ausnahme
. Daher kann die Eigenart der Arbeitsleistung die
Befristung oder auflösende Bedingung eines Arbeitsvertrags nur dann rechtferti-
gen, wenn die Arbeitsleistung Besonderheiten aufweist, aus denen sich ein be-
rechtigtes Interesse der Parteien, insbesondere des Arbeitgebers, ergibt, statt
eines unbefristeten nur einen befristeten oder auflösend bedingten Arbeitsvertrag
abzuschließen. Diese besonderen Umstände müssen das Interesse des Arbeit-
nehmers an der Begründung eines Dauerarbeitsverhältnisses überwiegen. Der
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Sachgrund deerfordert daher eine Abwägung
der beiderseitigen Interessen, bei der auch das Bestandsschutzinteresse des Ar-
beitnehmers angemessen zu berücksichtigen ist
.
(b)
Ein anerkennenswertes Interesse des Verbands an der Vereinbarung der
auflösenden Bedingung in § 2 Abs. 2 Satz 4 des Vertrags vom 26. Februar 2015,
welches das Bestandsschutzinteresse der Klägerin überwiegen könnte, ist nicht
gegeben. Nach § 2 Abs. 2 Satz 4 des Vertrags endet das Arbeitsverhältnis mit
Ablauf des Tages, an dem die Abwahl durch die Verbandsversammlung erfolgt.
Die Verbandsversammlung kann die Verbandsgeschäftsführerin nach § 2 Abs. 2
Satz 1 des Vertrags jederzeit mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der satzungs-
mäßigen Stimmenzahl der Verbandsversammlung abwählen. Eine Beschrän-
kung der Abwahlmöglichkeit auf bestimmte Fälle besteht nicht. Die Möglichkeit
der Abwahl besteht auch bei Gründen, die nicht in der Person der Verbandsge-
schäftsführerin liegen
. Dies steht in Einklang mit
der Verbandssatzung. Nach § 5 Abs. 15 der Satzung gehört zu den Aufgaben
der Verbandsversammlung auch die „vorzeitige Abwahl“ des Verbandsgeschäfts-
führers. Auch hier wird kein bestimmter Anlass für die vorzeitige Abwahl verlangt.
Dies entspricht § 12 Abs. 4 GKG-LSA, wonach die vorzeitige Abwahl des Ver-
bandsgeschäftsführers auf Antrag der Mehrheit der satzungsmäßigen Stimmen-
zahl der Verbandsversammlung möglich ist. Der Antrag bedarf danach der Be-
gründung und der Beschluss über die Abwahl darf frühestens vier Wochen nach
Antragstellung erfolgen. Dem Verbandsgeschäftsführer ist Gelegenheit zur Stel-
lungnahme zu geben. Über den Antrag ist sodann ohne Aussprache geheim ab-
zustimmen. Der Beschluss über die Abwahl bedarf einer Mehrheit von zwei Drit-
teln der satzungsgemäßen Stimmenzahl der Verbandsversammlung.
Danach berücksichtigt die auflösende Bedingung das Bestandsschutzin-
teresse der Verbandsgeschäftsführerin nicht. Es ist weder das Erfordernis des
Vorliegens eines objektiven Grundes für die Abwahl noch eine Auslauffrist vor-
gesehen. Der Beklagte verweist insoweit zu Unrecht auf das Erfordernis der Be-
gründung des Antrags auf vorzeitige Abwahl nach § 12 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2
GKG-LSA. Die Regelung definiert weder bestimmte anerkennenswerte Gründe
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noch ermöglicht sie die objektive Überprüfung des tatsächlichen Vorliegens die-
ser Gründe. Ebenso wenig gewährleistet § 12 Abs. 4 Satz 2 GKG-LSA einen
Schutz im Sinne einer Auslauffrist. In den vier Wochen nach der Antragstellung
steht gerade noch nicht fest, ob es tatsächlich zu einer Abwahl kommen wird.
Insofern ist zu beachten, dass der Antrag auf Abwahl (lediglich) einer Mehrheit
der Mitglieder bedarf, während die Abwahl selbst durch zwei Drittel der Mitglieder
erfolgen muss.
Durch die auflösende Bedingung in § 2 Abs. 2 Satz 4 des Vertrags vom
26. Februar 2015 wird die Beendigung des Geschäftsführervertrags letztlich in
das freie Belieben des Verbands gestellt. Hierfür ist kein anerkennenswerter
Grund ersichtlich. Ein solcher liegt insbesondere nicht in dem von dem Beklagten
angeführten Kostendeckungsprinzip und dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit
und Sparsamkeit. Diese erlauben es dem Staat nicht, Regelungen zu schaffen,
die das Bestandsschutzinteresse der Arbeitnehmer völlig unberücksichtigt lassen
. Eine auflösende Bedingung, die dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet,
das Arbeitsverhältnis aus Gründen zu beenden, die in seinem Belieben liegen
und von seinen wirtschaftlichen Interessen geprägt sind, ist unwirksam
.
Ein anerkennenswerter Grund für die Vereinbarung der auflösenden Be-
dingung lässt sich entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht aus der be-
sonderen Vertrauensstellung der Verbandsgeschäftsführerin ableiten. Auch in-
sofern ist zwischen der Organstellung bzw. der Funktion als Verbandsgeschäfts-
führerin und dem zugrunde liegenden Arbeitsverhältnis zu unterscheiden
. Aufgrund der Möglichkeit der vorzeitigen Abwahl ist der
Verband nicht gezwungen, trotz eines Vertrauensverlusts die Klägerin weiterhin
als Organ fungieren zu lassen. Hierzu bestimmt § 12 Abs. 3 Satz 5 GKG-LSA
vielmehr, dass der Verbandsgeschäftsführer mit Ablauf des Tages der Abwahl
aus seiner Funktion ausscheidet. Allein der Umstand, dass die Klägerin im Fall
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des Ausscheidens uU durch den Bezug einer Übergangsversorgung abgesichert
ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung
.
(2)
Es liegt auch kein sonstiger Sachgrund für die auflösende Bedingung vor.
Die auflösende Bedingung ist nicht wegen eines Interesses des Verbands an der
Kopplung des Geschäftsführervertrags an den Fortbestand der Organstellung
gerechtfertigt.
(a)
Die Aufzählung von Sachgründen
ist nicht abschließend, wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt.
Dadurch sollen weder andere von der Rechtsprechung vor Inkrafttreten des
TzBfG anerkannte noch weitere Sachgründe ausgeschlossen werden
. Die unionsrechtlichen Vorgaben de
und der inkorporierten EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung gebieten keine
andere Beurteilung. Es ergibt sich weder aus der Richtlinie noch aus der Rah-
menvereinbarung, dass die sachlichen Gründe in der Regelung des nationalen
Rechts abschließend genannt sein müssen
. Allerdings können sonstige,
nicht genannte Sachgründe die Befristung oder auflösende Bedingung eines Ar-
beitsvertrags nur dann rechtfertigen, wenn sie den inzum
Ausdruck kommenden Wertungsmaßstäben entsprechen und den in dem Sach-
grundkatalog des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 8 TzBfG genannten Sachgrün-
den von ihrem Gewicht her gleichwertig sind
.
Für die in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 8 TzBfG genannten Sach-
gründe ist kennzeichnend, dass ein anerkennenswertes Interesse an einer nur
zeitlich begrenzten Beschäftigung besteht. Dabei beschränken sich die aufge-
zählten Sachgründe nicht auf Fallgestaltungen, in denen ein nur vorübergehen-
der Bedarf an der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers besteht, wie etwa durch die
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Tatbestände indeutlich wird. Ge-
meinsam ist den in dem Sachgrundkatalog aufgelisteten Tatbeständen jedoch
ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, anstelle eines unbefristeten Ar-
beitsverhältnisses die rechtliche Gestaltungsmöglichkeit eines zeitlich begrenz-
ten Arbeitsverhältnisses zu wählen
.
(b)
Die durch § 2 Abs. 2 Satz 4 des Vertrags vom 26. Februar 2015 geschaf-
fene Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis jederzeit ohne das Vorliegen objektiv
überprüfbarer Gründe zu beenden, entspricht nicht den in § 14 Abs. 1 TzBfG zum
Ausdruck kommenden Wertungsmaßstäben. Der Wunsch, auch das der Organ-
stellung zugrunde liegende Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beenden zu
können, wenn eine Zweidrittelmehrheit der Verbandsversammlung die Klägerin
als Geschäftsführerin abberuft, ist den in dem Sachgrundkatalog des § 14 Abs. 1
Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 8 TzBfG genannten Sachgründen vom Gewicht her nicht
gleichwertig. Dies würde es dem Beklagten ermöglichen, das Vertragsverhältnis
ohne Vorliegen eines objektiv überprüfbaren berechtigten Interesses zu been-
den, was mit dem Zweck des Sachgrunderfordernisses in § 14 Abs. 1 TzBfG, den
Arbeitnehmer vor einem grundlosen Verlust des Arbeitsplatzes zu bewahren
, nicht zu vereinbaren
wäre.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Gräfl
Waskow
Klose
Holzhausen
Merten
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