Urteil des BAG vom 23.09.2020

Arbeitszeitkonto - Zeitgutschrift

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 23. September 2020
Fünfter Senat
- 5 AZR 367/19 -
ECLI:DE:BAG:2020:230920.U.5AZR367.19.0
I. Arbeitsgericht München
Endurteil vom 28. April 2017
- 33 Ca 7172/16 -
II. Landesarbeitsgericht München
Urteil vom 6. März 2019
- 8 Sa 466/17 -
Entscheidungsstichworte:
Arbeitszeitkonto - Zeitgutschrift
ECLI:DE:BAG:2020:230920.U.5AZR367.19.0
- 2 -
BUNDESARBEITSGERICHT
5 AZR 367/19
8 Sa 466/17
Landesarbeitsgericht
München
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
23. September 2020
URTEIL
Schmidt-Brenner, Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In Sachen
Kläger, Berufungskläger und Revisionskläger,
pp.
Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte,
hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Beratung vom
23. September 2020 durch den Vizepräsidenten des Bundesarbeitsgerichts
Dr. Linck, die Richterinnen am Bundesarbeitsgericht Berger und Dr. Volk sowie
die ehrenamtliche Richterin Teichfuß und den ehrenamtlichen Richter Schad für
Recht erkannt:
- 2 -
5 AZR 367/19
ECLI:DE:BAG:2020:230920.U.5AZR367.19.0
- 3 -
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landes-
arbeitsgerichts München vom 6. März 2019 - 8 Sa
466/17 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Zeitgutschrift auf einem Arbeitszeitkonto.
Der Kläger war seit April 1984 bei der Beklagten als Gleisbauer in Vollzeit
beschäftigt. Am 12. August 2020 ist der Kläger verstorben. Auf das Arbeitsver-
hältnis der Parteien fand kraft beiderseitiger Tarifbindung der Bundesrahmenta-
rifvertrag für das Baugewerbe vom 4. Juli 2002 idF vom 10. Dezember 2014
(iF BRTV) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:
§ 3
Arbeitszeit
1.
Allgemeine Regelung
1.1
Durchschnittliche Wochenarbeitszeit
Die durchschnittliche regelmäßige Wochenarbeitszeit
im Kalenderjahr beträgt 40 Stunden.
1.2
Tarifliche Arbeitszeit
In den Monaten Januar bis März und Dezember beträgt
die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit ausschließ-
lich der Ruhepausen montags bis donnerstags 8 Stun-
den und freitags 6 Stunden, die wöchentliche Arbeits-
zeit 38 Stunden (Winterarbeitszeit). In den Monaten
April bis November beträgt die regelmäßige werktägli-
che Arbeitszeit ausschließlich der Ruhepausen mon-
tags bis donnerstags 8,5 Stunden und freitags 7 Stun-
den, die wöchentliche Arbeitszeit 41 Stunden (Som-
merarbeitszeit).
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5 AZR 367/19
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1.4
Betriebliche Arbeitszeitverteilung in einem zwölf-
monatigen Ausgleichszeitraum
1.41 Durchführung
Durch Betriebsvereinbarung oder, wenn kein Betriebs-
rat besteht, durch einzelvertragliche Vereinbarung
kann für einen Zeitraum von zwölf zusammenhängen-
den
Lohnabrechnungszeiträumen
(zwölfmonatiger
Ausgleichszeitraum) eine von der tariflichen Arbeits-
zeitverteilung abweichende Verteilung der Arbeitszeit
auf die einzelnen Werktage ohne Mehrarbeitszuschlag
vereinbart werden, wenn gleichzeitig ein Monatslohn
nach Nr. 1.42 gezahlt wird. ...
Der Arbeitgeber kann innerhalb von zwölf Kalendermo-
naten 150 Arbeitsstunden vor- und 30 Arbeitsstunden
nacharbeiten lassen.
1.42 Monatslohn
Bei betrieblicher Arbeitszeitverteilung wird während des
gesamten Ausgleichszeitraumes unabhängig von der
jeweiligen monatlichen Arbeitszeit in den Monaten April
bis November ein Monatslohn in Höhe von 178 Ge-
samttarifstundenlöhnen und in den Monaten Dezember
bis März ein Monatslohn in Höhe von 164 Gesamttarif-
stundenlöhnen gezahlt.
Der Monatslohn mindert sich um den Gesamttarifstun-
denlohn für diejenigen Arbeitsstunden, welche infolge
von Urlaub, Krankheit, Kurzarbeit, Zeiten ohne Entgelt-
fortzahlung, Zeiten unbezahlter Freistellung und Zeiten
unentschuldigten Fehlens ausfallen; er mindert sich
auch für diejenigen Ausfallstunden außerhalb der
Schlechtwetterzeit, die infolge zwingender Witterungs-
gründe ausfallen, soweit kein Ausgleich über das Aus-
gleichskonto erfolgt. ...
1.43 Arbeitszeit- und Entgeltkonto (Ausgleichskonto)
Für jeden Arbeitnehmer wird ein individuelles Aus-
gleichskonto eingerichtet. Auf diesem Ausgleichskonto
ist die Differenz zwischen dem Lohn für die tatsächlich
geleisteten Arbeitsstunden und dem nach Nr. 1.42 er-
rechneten Monatslohn für jeden Arbeitnehmer gutzu-
schre
iben bzw. zu belasten. …
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Das Arbeitszeitguthaben und der dafür einbehaltene
Lohn dürfen zu keinem Zeitpunkt 150 Stunden, die Ar-
beitszeitschuld und der dafür bereits gezahlte Lohn dür-
fen zu keinem Zeitpunkt 30 Stunden überschreiten. ...
Auf dem Ausgleichskonto gutgeschriebener Lohn darf
nur zum Ausgleich für den Monatslohn, bei witterungs-
bedingtem Arbeitsausfall, am Ende eines Ausgleichs-
zeitraumes nach Maßgabe des folgenden Absatzes,
bei Ausscheiden des Arbeitnehmers oder im Todesfall
ausgezahlt werden.
Das Ausgleichskonto soll nach zwölf Kalendermonaten
ausgeglichen sein. Besteht am Ende des Ausgleichs-
zeitraumes noch ein Guthaben, so sind die dem Gutha-
ben zugrunde liegenden Vorarbeitsstunden und das
dafür gutgeschriebene Arbeitsentgelt unter Anrech-
nung auf das zuschlagsfreie Vorarbeitsvolumen des
neuen Ausgleichszeitraumes in diesen zu übertragen.
Durch freiwillige Betriebsvereinbarung oder einzelver-
tragliche Vereinbarung kann abweichend vom vorheri-
gen Satz eine Abgeltung des Guthabens am Ende des
Ausgleichszeitraumes vereinbart werden; die Rechts-
folgen des § 101 Abs. 5 Satz 3 SGB III sind dabei zu
beachten.
Besteht am Ende des Ausgleichszeitraumes eine Zeit-
schuld, so ist diese in den nächsten Ausgleichszeit-
raum zu übertragen und in diesem auszugleichen. Bei
Ausscheiden des Arbeitnehmers sind etwaige Gutha-
ben oder Schulden auszugleichen.
§ 4
Arbeitsversäumnis und Arbeitsausfall
1.
Grundsatz
Grundsätzlich wird in Abweichung von § 616 BGB der
Lohn nur für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit ge-
zahlt. Hiervon gelten die folgenden abschließend auf-
gezählten Ausnahmen.
6.
Arbeitsausfall aus Witterungs- oder wirtschaftli-
chen Gründen
6.1
Wird die Arbeitsleistung entweder aus zwingenden Wit-
terungsgründen oder in der gesetzlichen Schlechtwet-
terzeit aus wirtschaftlichen Gründen unmöglich, so ent-
fällt der Lohnanspruch. Soweit der Lohnausfall in der
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gesetzlichen Schlechtwetterzeit nicht durch die Auflö-
sung von Arbeitszeitguthaben ausgeglichen werden
kann, ist der Arbeitgeber verpflichtet, mit der nächsten
Lohnabrechnung das Saison-Kurzarbeitergeld in der
gesetzlichen Höhe zu zahlen.
§ 5
Lohn
7.
Lohnabrechnung
7.1
Die Lohnabrechnung erfolgt monatlich. …
Bei betrieblicher Verteilung der Arbeitszeit nach § 3
Nr. 1.4 sind dem Arbeitnehmer in der Lohnabrechnung
darüber hinaus die im jeweiligen Lohnabrechnungszeit-
raum auf dem Ausgleichskonto gutgeschriebenen Ar-
beitsstunden und der dafür einbehaltene Lohn bzw. die
auf dem Ausgleichskonto belasteten Arbeitsstunden
und der dafür gezahlte Lohn sowie der aktuelle Stand
des Ausgleichskontos mitzuteilen.
…“
Am 30. April 2015 haben die Tarifvertragsparteien des BRTV eine Proto-
kollnotiz zu § 3 Nr. 1.42 BRTV (verstetigter Monatslohn bei Flexibilisierung der
Arbeitszeit) vereinbart, die ua. bestimmt:
„Der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe sieht
vor, dass die Arbeitnehmer bei flexibler Arbeitszeitgestal-
tung (betriebliche Arbeitszeitverteilung nach § 3 Nr. 1.41
BRTV in einem zwölfmonatigem Ausgleichszeitraum) unab-
hängig von der Zahl der in dem jeweiligen Kalendermonat
geleisteten und lohnzahlungspflichtigen Arbeitsstunden ei-
nen verstetigten Monatslohn erhalten, um Einkommens-
schwankungen zu vermeiden.
In den darüber geführten Tarifverhandlungen wurde Einver-
nehmen erzielt, dass unter einem verstetigten Monatslohn
im Sinne des § 3 Nr. 1.42 BRTV unter Berücksichtigung der
in § 3 Nr. 1.2 BRTV geregelten tariflichen Arbeitszeit die fol-
genden betrieblichen Regelungen zu verstehen sind, bei de-
nen das angesparte Arbeitszeitguthaben zur Aufstockung
fehlender Entgeltansprüche auf den vereinbarten verstetig-
ten Monatslohn genutzt werden kann:
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3.
Monatslohn für die auf der Grundlage der tariflichen
Arbeitszeit nach § 3 Nr. 1.2 BRTV (wöchentliche Ar-
beitszeit von 38 Stunden = Winterarbeitszeit bzw. von
41 Stunden = Sommerarbeitszeit) für den jeweiligen
Kalendermonat nach den Arbeitstagen errechneten
lohnzahlungspflichtigen Stunden.
Alle vorgenannten Monatslohnvarianten entsprechen dem
gewollten Mechanismus der tariflichen Regelungen und
werden daher von den drei Tarifvertragsparteien nach dem
Sinn und Zweck der Regelungen als tarifvertragsgerecht
angesehen.“
Seit etwa dem Jahr 1998 führte die Beklagte für den Kläger ein Arbeits-
zeitkonto entsprechend der Regelung des § 3 Nr. 1.4 BRTV.
In der 17. Kalenderwoche des Jahres 2016 hat die Beklagte den Kläger
von Montag, 25. April, bis Freitag, 29. April, nicht zur Arbeit eingesetzt. In der
Lohnabrechnung des Klägers für den Monat April 2016 ist ein „AZK-Abgang“ iHv.
50,75 Einheiten mit einem Satz von jeweils 19,21 Euro brutto verbucht. Hiervon
sind 41 Stunden auf den Zeitraum in der 17. Kalenderwoche entfallen. Die Lohn-
abrechnung zeigt unter der Überschrift „Zeitkonto“ einen Stundenzugang von
0,00, einen Stundenabgang von 50,75 und einen Stundensaldo von 46,75 sowie
einen Geldsaldo von 898,06 Euro und einen Abgang von 974,91 Euro. Die Be-
klagte hat den in der Lohnabrechnung ausgewiesenen Betrag von 974,91 Euro
brutto nebst weiteren Vergütungsbestandteilen an den Kläger zur Auszahlung
gebracht.
Soweit für die Revision relevant, hat der Kläger - nach erfolgloser außer-
gerichtlicher Geltendmachung - Klage auf Gutschrift von 41 Stunden für den Zeit-
raum vom 1. bis zum 30. April 2016 auf dem Arbeitszeitkonto erhoben.
Der Kläger hat gemeint, der Abzug der Guthabenstunden vom Arbeits-
zeitkonto sei rechtswidrig gewesen. Am 21. April 2016 habe ihm der Personal-
disponent ausrichten lassen, er solle die darauffolgende Woche zu Hause blei-
ben und sein Stundenkonto abfeiern, weil keine Arbeit für ihn da sei. Am 22. April
2016 habe er telefonisch seine Arbeitskraft gegenüber dem Personaldisponenten
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angeboten, dieser habe aber zu verstehen gegeben, er könne ihn nicht beschäf-
tigen. Ohne schriftliche oder zumindest mündliche Vereinbarung könne Arbeits-
zeitguthaben außerhalb der Schlechtwetterzeit nicht abgebaut werden.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klä-
gers für den Zeitraum vom 1. bis zum 30. April 2016
41 Stunden gutzuschreiben.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat - soweit für die Revision relevant - die Klage ab-
gewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewie-
sen. Der Kläger verfolgt mit seiner Revision den Antrag auf Gutschrift von
41 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet. Ein Anspruch auf die begehrte
Zeitgutschrift besteht nicht. Die Beklagte konnte in Anwendung des § 3 Nr. 1.43
Abs. 3 Alt. 1 BRTV den Zeitsaldo des Ausgleichskontos um 41 Stunden reduzie-
ren.
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere streitgegenständlich hinreichend
bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
1.
Bei einem Streit über die Führung eines Arbeitszeitkontos kann der Ar-
beitnehmer entweder die Erhöhung seines Zeitguthabens um eine bestimmte
Stundenzahl oder eine Zeitgutschrift in bestimmter Höhe verlangen. Dient die be-
gehrte Zeitgutschrift der Rückgängigmachung der Streichung eines Zeitgutha-
bens, ist keine Konkretisierung des Leistungsbegehrens dahingehend erforder-
lich, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll. Wird in
einem solchen Fall dem Antrag auf Gutschrift stattgegeben, weiß der Arbeitge-
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ber, was er zu tun hat, nämlich die von ihm auf einem bestimmten Arbeitszeit-
konto vorgenommene Kürzung ungeschehen zu machen
.
2.
Dem entspricht der gestellte Antrag nach der gebotenen Auslegung. Das
Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Beklagte für den Kläger seit etwa
dem Jahr 1998 ein Arbeitszeitkonto entsprechend § 3 Nr. 1.4 BRTV führt. Damit
kann zugrunde gelegt werden, dass die Beklagte die streitgegenständlichen
Stunden aus dem für den Kläger geführten Arbeitszeit- und Entgeltkonto iSd. § 3
Nr. 1.43 BRTV gekürzt hat und die begehrte Gutschrift auf eben diesem erfolgen
soll
.
II.
Die Klage ist unbegründet. Dabei ist unerheblich, dass aufgrund des Ver-
sterbens des Klägers im Lauf des Revisionsverfahrens eine Gutschrift auf dem
Arbeitszeit- und Entgeltkonto nicht mehr vorgenommen werden kann. Das Aus-
gleichskonto wird zwar mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses geschlossen,
nach § 3 Nr. 1.43 Abs. 5 Satz 2 BRTV sind bei Ausscheiden des Arbeitnehmers
etwaige Guthaben oder Schulden auszugleichen. Damit hätte die Klage an sich
auf Zahlung von Vergütung umgestellt werden müssen. Die Klage ist jedoch un-
abhängig davon unbegründet, weil die Beklagte das Arbeitszeit- und Entgeltkonto
in Anwendung des § 3 Nr. 1.43 Abs. 3 Alt. 1 BRTV um 41 Stunden für die Zeit
vom 1. bis zum 30. April 2016 - unter Auszahlung des dafür geschuldeten
Lohnes - kürzen konnte. Dies folgt aus der Auslegung des BRTV.
1.
Der BRTV findet aufgrund beiderseitiger Tarifbindung
auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung.
2.
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte für
den Kläger ein der Regelung des § 3 Nr. 1.43 BRTV entsprechendes Arbeitszeit-
und Entgeltkonto (Ausgleichskonto) geführt. Diese Feststellung hat der Kläger
weder mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag noch mit einer begründeten
Verfahrensrüge iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO angegriffen. In dem
Hinweis auf das Fehlen konkreter Feststellungen liegt keine zulässige Verfah-
rensrüge. Damit steht für den Senat bindend fest
, dass die
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Beklagte für den Kläger ein Arbeitszeit- und Entgeltkonto iSd. § 3 Nr. 1.43 Abs. 1
BRTV eingerichtet hat. Jedenfalls konkludent haben die Parteien, indem sie das
Arbeitsverhältnis zum Streitzeitpunkt seit mehr als fünfzehn Jahren so gelebt ha-
ben, eine einzelvertragliche Vereinbarung iSv. § 3 Nr. 1.41 Abs. 1 Satz 1 BRTV
über einen zwölfmonatigen Ausgleichszeitraum unter Zahlung eines verstetigten
Monatslohnes iSd. § 3 Nr. 1.42 BRTV getroffen.
3.
Die Beklagte hat dem Kläger einen tarifvertragsgerechten verstetigten
Monatslohn gezahlt.
a)
Die Vereinbarung einer betrieblichen Arbeitszeitverteilung in Abweichung
von der tariflichen Arbeitszeitverteilung setzt nach § 3 Nr. 1.41 Abs. 1 Satz 1
BRTV voraus, dass gleichzeitig ein Monatslohn nach § 3 Nr. 1.42 BRTV gezahlt
wird. Dieser beträgt in den Monaten April bis November 178 Gesamttarifstunden-
löhne und in den Monaten Dezember bis März 164 Gesamttarifstundenlöhne.
Nach Abs. 2 Ziff. 3 der zu § 3 Nr. 1.42 BRTV vereinbarten Protokollnotiz liegt ein
verstetigter Monatslohn iSd. § 3 Nr. 1.42 BRTV mit der Folge der Nutzungsmög-
lichkeit des angesparten Arbeitszeitguthabens zur Aufstockung fehlender Ent-
geltansprüche auf den vereinbarten verstetigten Monatslohn allerdings auch
dann vor, wenn der Monatslohn für die auf der Grundlage der tariflichen Arbeits-
zeit nach § 3 Nr. 1.2 BRTV für den jeweiligen Kalendermonat nach den Arbeits-
tagen errechneten lohnzahlungspflichtigen Stunden gezahlt wird. Diese Monats-
lohnvariante wird von den Tarifvertragsparteien nach Sinn und Zweck der Rege-
lungen als tarifvertragsgerecht angesehen
. Die Protokoll-
notiz ist materieller Bestandteil des BRTV. Sie erfüllt die formellen Voraussetzun-
gen für eine wirksame tarifliche Regelung
. Als Teil der Vertrags-
urkunde wird sie durch die Unterschriften der Vertragsschließenden abgedeckt.
In der Protokollnotiz kommt der Normsetzungswille der Tarifvertragsparteien zum
Ausdruck
. Sie ge-
staltet die Modalitäten des verstetigten Monatslohnes iSd. § 3 Nr. 1.42 BRTV ei-
genständig aus, indem sie vom BRTV nicht genannte Monatslohnvarianten als
tarifvertragsgerecht zulässt
.
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b)
Hiervon ausgehend hat die Beklagte dem Kläger einen den Anforderun-
gen des Abs. 2 Ziff. 3 der zu § 3 Nr. 1.42 BRTV vereinbarten Protokollnotiz ent-
sprechenden verstetigten Monatslohn gezahlt. Ausweislich der Lohnabrechnung
des Klägers hat die Beklagte für den Monat April 2016 171 Gesamttarifstunden-
löhne zur Auszahlung gebracht, bestehend aus 120,25 Einheiten Stundenlohn
sowie 50,75 Einheiten AZK-Abgang. Der von der Beklagten abgerechnete und
ausgezahlte Betrag entspricht der tariflichen Arbeitszeit nach § 3 Nr. 1.2 Satz 2
BRTV, wonach die Sommerarbeitszeit ua. im April montags bis donnerstags
8,5 Stunden und freitags 7 Stunden beträgt. Bei den im April 2016 zu berücksich-
tigenden 16 Arbeitstagen von Montag bis Donnerstag und fünf Arbeitstagen am
Freitag ergibt sich eine tarifliche Arbeitszeit von 171 nach Arbeitstagen errechne-
ten lohnzahlungspflichtigen Stunden. Diese Berechnung des Monatslohnes für
April 2016 ist damit unter Berücksichtigung der Protokollnotiz zu § 3 Nr. 1.42
BRTV tarifvertragsgerecht.
4.
Da das Arbeitszeit- und Entgeltkonto den Vergütungsanspruch verbind-
lich bestimmt, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf korrekte Führung
. Ein Arbeitszeitkonto hält grundsätz-
lich fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungs-
pflicht nach § 611 Abs. 1 BGB
erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestandes nicht erbrin-
gen musste. Es drückt damit - in anderer Form - seinen Vergütungsanspruch aus
. Wegen
dieser Dokumentationsfunktion darf der Arbeitgeber nicht ohne Befugnis korrigie-
rend in ein Arbeitszeitkonto eingreifen und dort eingestellte Stunden streichen.
Kürzt oder streicht der Arbeitgeber zu Unrecht ein Guthaben auf einem Arbeits-
zeitkonto, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf (Wieder-)Gutschrift der gestriche-
nen Stunden
. Neben der materiell-rechtlichen Rechtfertigung muss die der Führung des
Arbeitszeitkontos zugrunde liegende Vereinbarung (Arbeitsvertrag, Betriebsver-
einbarung, Tarifvertrag) dem Arbeitgeber überhaupt die Möglichkeit eröffnen, in
das Arbeitszeitkonto eingestellte und damit grundsätzlich streitlos gestellte
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Arbeitsstun-
den wieder zu streichen
.
5.
Nach diesen Grundsätzen war die Beklagte befugt, Zeitgutschriften aus
dem Arbeitszeit- und Entgeltkonto des Klägers unter Auszahlung des entspre-
chenden Lohnes zu reduzieren. Dies folgt aus § 3 Nr. 1.43 Abs. 3 Alt. 1 BRTV.
Danach darf auf dem Ausgleichskonto gutgeschriebener Lohn zum Ausgleich für
den Monatslohn ausgezahlt werden. Diese Möglichkeit der Auszahlung ist entge-
gen der Auffassung der Revision nicht nur bei witterungsbedingtem Arbeitsausfall
eröffnet. Das ergibt die Auslegung der Tarifnorm
.
a)
Für ein solches Verständnis spricht bereits der Wortlaut der Tarifnorm,
die mit „Arbeitszeit- und Entgeltkonto (Ausgleichskonto)“ überschrieben ist, und
nach deren Inhalt auf dem Ausgleichskonto nicht lediglich Arbeitszeitguthaben
und -schuld in Form von Stunden festzuhalten sind. Vielmehr ist dort auch die
Differenz zwischen dem Lohn für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und
dem nach § 3 Nr. 1.42 BRTV errechneten - verstetigten - Monatslohn gutzu-
schreiben bzw. zu belasten. Dementsprechend müssen dem Arbeitnehmer nach
§ 5 Nr. 7.1 Abs. 2 BRTV in der Lohnabrechnung die im jeweiligen Monat auf dem
Ausgleichskonto gutgeschriebenen Arbeitsstunden sowie der dafür einbehaltene
Lohn bzw. die auf dem Ausgleichskonto abgebuchten Arbeitsstunden und der
dafür gezahlte Lohn mitgeteilt werden
. Dieses Normverständnis bestätigt der tarifliche
Gesamtzusammenhang, wenn das Nebeneinander von Arbeitszeit- und Entgelt-
konto ua. von § 3 Nr. 1.43 Abs. 2 und Abs.
4 BRTV mit den Formulierungen „das
Arbeitszeitguthaben und der dafür einbehaltene Lohn“ bzw. „die dem Guthaben
zugrunde liegenden Vorarbeitsstunden und das dafür gutgeschriebene Arbeits-
entgelt“ aufgegriffen wird
.
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b)
Nach § 3 Nr. 1.43 Abs. 3 BRTV darf auf dem Ausgleichskonto gutge-
schriebener
Lohn nur zum Ausgleich für den Monatslohn, bei witterungsbeding-
tem Arbeitsausfall, am Ende eines Ausgleichszeitraumes nach Maßgabe des fol-
genden Absatzes, bei Ausscheiden des Arbeitnehmers oder im Todesfall ausge-
zahlt werden. Damit regelt diese Tarifvorschrift
nicht lediglich die Auszahlung gut-
geschriebenen Lohnes, sondern zugleich die Voraussetzungen für die Entnahme
von Zeitguthaben aus dem Teil des Ausgleichskontos, das die Arbeitszeit betrifft.
Unter Berücksichtigung dessen, dass es sich um ein kombiniertes Arbeitszeit-
und Entgeltkonto handelt, hat die Gutschrift oder Belastung des Arbeitszeitteils
zwingende Auswirkungen auf den Entgeltteil, auch wenn dies im Falle von Tarif-
lohnerhöhungen oder Verzinsungen des Geldguthabens nach § 3 Nr. 1.43 Abs. 1
Satz 4 BRTV nicht immer deckungsgleich sein muss
. Nähme man an,
eine Auszahlung aus dem Saldo würde nicht gleichzeitig zu einer Reduzierung
des Stundensaldos führen, könnte der Arbeitnehmer von der gutgeschriebenen
Arbeitszeit weiterhin finanziell profitieren ohne eine entsprechende Arbeitsleis-
tung erbracht oder aufgrund anderer Tatbestände Anspruch auf Zeitgutschrift zu
haben. Eine Auszahlung aus dem Entgeltteil des Ausgleichskontos hat daher
stets eine Reduzierung des Arbeitszeitsaldos des Ausgleichskontos zur Folge,
auch wenn der Abbau nicht zwingend linear erfolgen muss.
c)
Entgegen der Revision bedarf es keiner gesonderten
„Flexibilisierungs-
vereinbarung“ zwischen den Arbeitsvertragsparteien. Die Möglichkeit der Ent-
nahme von Zeitgutschriften aus dem Ausgleichskonto unter gleichzeitiger Aus-
zahlung entsprechender Vergütung beruht auf einem dem Arbeitgeber tarifver-
traglich eingeräumten Bestimmungsrecht, das gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB
keiner AGB-Kontrolle unterliegt. Der Tarifregelung ist dieses Recht immanent.
aa)
§ 3 Nr. 1.43 Abs. 3 BRTV unterscheidet zwischen mehreren Möglichkei-
ten zum Abbau des gutgeschriebenen Lohnes und damit zugleich der gutge-
schriebenen Stunden. Die Regelung enthält eine Aufzählung von fünf verschie-
denen Varianten, die unabhängig voneinander zu einer Auszahlung des auf dem
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Ausgleichskonto gutgeschriebenen Lohnes berechtigen. Das folgt aus der Tren-
nung der einzelnen Tatbestände durch Kommata sowie aus der die Aufzählung
abs
chließenden Konjunktion „oder“, durch die regelmäßig zwei oder mehrere
Möglichkeiten, die zur Wahl stehen, verbunden werden
. Aus dem Wortlaut
ergibt sich mithin mit hinreichender Deutlichkeit, dass eine Auszahlung des
Lohnes bzw. der entsprechende Abbau des Stundenguthabens auch allein zum
Ausgleich für den Monatslohn zulässig ist, ohne dass zugleich der Tatbestand
der zweiten Alternative, der witterungsbedingte Arbeitsausfall eingetreten sein
muss. Ein Fall des Ausgleichs für den Monatslohn iSv. § 3 Nr. 1.43 Abs. 3 Alt. 1
BRTV liegt bei Beschäftigungsschwankungen vor, beispielsweise bei kurzfristi-
gen Auftragsengpässen
.
bb)
Eine schriftliche oder zumindest mündliche Vereinbarung zwischen Ar-
beitgeber und Arbeitnehmer über eine Freistellung unter Anrechnung des Ar-
beitszeitguthabens ist nicht erforderlich.
(1)
Die Notwendigkeit einer solchen Vereinbarung lässt sich dem BRTV, ins-
besondere dem Wortlaut des § 3 Nr. 1.43 Abs. 3 BRTV nicht entnehmen. Darin
unterscheidet sich diese Tarifregelung von weiteren Regelungen, etwa in Bezug
auf die Abgeltung des Guthabens am Ende des Ausgleichszeitraums, die nach
§ 3 Nr. 1.43 Abs. 4 Satz 3 BRTV eine freiwillige Betriebsvereinbarung oder ein-
zelvertragliche Vereinbarung verlangt. Gleiches gilt für die Durchführung einer
von der tariflichen Arbeitszeitverteilung abweichenden Verteilung der Arbeitszeit
nach § 3 Nr. 1.41 Abs. 1 BRTV, für den Arbeitszeitausgleich innerhalb von zwei
Wochen nach § 3 Nr. 1.3 BRTV, für das Nachholen von Ausfallstunden nach § 3
Nr. 1.6 Satz 1 BRTV sowie für den Beginn und das Ende der Arbeitszeit an der
Arbeitsstelle nach § 3 Nr. 4 BRTV. Damit spricht auch die Systematik des BRTV
gegen das Erfordernis einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitneh-
mer zur Freistellung unter Anrechnung des Arbeitszeitguthabens. Anhaltspunkte
für eine planwidrige Tariflücke in Bezug auf diesen Regelungsgegenstand sind
weder ersichtlich noch vorgetragen.
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(2)
Sinn und Zweck der Regelung sprechen ebenfalls für das aus dem Wort-
laut und dem tariflichen Gesamtzusammenhang folgende Ergebnis.
(a)
Bei den Möglichkeiten des Auf- und Abbaus von Guthaben auf dem Ar-
beitszeit- und Entgeltkonto iSd. § 3 Nr. 1.43 Abs. 1 BRTV sind die Anforderungen
an eine betriebliche Arbeitszeitverteilung in einem zwölfmonatigen Ausgleichs-
zeitraum in Abweichung von der tariflichen Arbeitszeitverteilung in den Blick zu
nehmen. Eine solche erfordert die Zahlung eines verstetigten Monatslohnes nach
§ 3 Nr. 1.42 BRTV, dessen Sicherung das Ziel der Vereinbarungen nach § 3
Nr. 1.4 BRTV ist. Bereits § 3 Nr. 1.42 Abs. 2 BRTV ist jedoch zu entnehmen, dass
sich der verstetigte Monatslohn in den dort genannten Fällen auch verringern
kann. Danach mindert sich der Monatslohn um den Gesamttarifstundenlohn für
diejenigen Arbeitsstunden, welche infolge von Urlaub, Krankheit, Kurzarbeit, Zei-
ten ohne Entgeltfortzahlung, Zeiten unbezahlter Freistellung und Zeiten unent-
schuldigten Fehlens ausfallen. Ebenso mindert er sich für diejenigen Ausfallstun-
den außerhalb der Schlechtwetterzeit, die infolge zwingender Witterungsgründe
ausfallen, soweit kein Ausgleich über das Ausgleichskonto erfolgt. Die Regelung
zeigt, dass der BRTV Fallkonstellationen umfasst, die einen Ausgleich für den
Monatslohn iSd. § 3 Nr. 1.43 Abs. 3 BRTV ermöglichen, jedoch nicht in jedem
Fall einen witterungsbedingten Grund aufweisen müssen.
(b)
Die inhalt
liche Weite der Fallgruppe „zum Ausgleich für den Monatslohn“
lässt nicht den Schluss zu, dass sie nur bei Vorliegen der weiteren Tatbestände
Geltung beanspruchen soll. Ein Ausgleich des Monatslohnes zur Sicherung eines
verstetigten Lohnes ergibt in den Alternativen des Ausscheidens des Arbeitneh-
mers (aus dem Arbeitsverhältnis) und im Falle seines Todes keinen Sinn. In die-
sen beiden Fallgruppen dient die in § 3 Nr. 1.43 Abs. 3 BRTV geregelte Auszah-
lung des gutgeschriebenen Lohnes ausschließlich einer Gesamtabwicklung des
Arbeitsverhältnisses durch Auszahlung der für geleistete Arbeit bereits verdien-
ten Vergütung.
(c)
Dem so verstandenen Sinn und Zweck der Regelung steht auch eine ar-
beitsförderrechtliche Schadensverhinderungsobliegenheit nicht entgegen, Gut-
haben auf Arbeitszeitkonten außerhalb der Schlechtwetterzeit nicht aufzulösen.
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Eine solche Schadensverhinderungsobliegenheit folgt zwar aus § 101 Abs. 5
Satz 3 SGB III
. So haben
Arbeitnehmer nach § 101 Abs. 1 SGB III in der Zeit vom 1. Dezember bis zum
31. März (Schlechtwetterzeit) Anspruch auf Saison-Kurzarbeitergeld, wenn ua.
der Arbeitsausfall nach Abs. 5 erheblich ist. Dies ist er, wenn er auf witterungs-
bedingten oder wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis
beruht, vorübergehend und nicht vermeidbar ist
.
Nach § 101 Abs. 5 Satz 3 SGB III gelten Arbeitsausfälle im Umfang der aufge-
lösten Arbeitszeitguthaben als vermeidbar, wenn seit der letzten Schlechtwetter-
zeit Arbeitszeitguthaben, die nicht mindestens ein Jahr bestanden haben, zu an-
deren Zwecken als zum Ausgleich für einen verstetigten Monatslohn, bei witte-
rungsbedingtem Arbeitsausfall oder der Freistellung zum Zwecke der Qualifizie-
rung aufgelöst wurden. Darin kommt zum Ausdruck, dass angesammelte Arbeits-
zeitguthaben grundsätzlich zur Überbrückung witterungsbedingter Arbeitsaus-
fälle in der Schlechtwetterzeit und zur Vermeidung von Kurzarbeit eingesetzt wer-
den müssen. Doch werden noch weitere Zwecke zur Auflösung der Guthaben
genannt, für die die Vermeidbarkeit des Arbeitsausfalls ebenfalls unschädlich ist
und die keine Verletzung der Schadensverhinderungsobliegenheit bedeuten,
nämlich zum Ausgleich für einen verstetigten Monatslohn und bei Freistellung
zum Zwecke der Qualifizierung. Dabei hat die Verstetigung des Monatslohnes
einen offensichtlichen Bezug zu den Regelungen von § 3 Nr. 1.42 und § 3
Nr. 1.43 Abs. 3 BRTV, womit das Arbeitszeitguthaben unschädlich auch schon
vor der Schlechtwetterzeit zur Überbrückung fast aller relevanten Zwecke einge-
setzt werden kann
.
(3)
Der tarifliche Gesamtzusammenhang spricht gleichermaßen dafür, die
Auszahlung gutgeschriebenen Lohnes und damit den Abbau des Arbeitszeitgut-
habens zum Ausgleich für den Monatslohn zuzulassen. Die Fallgruppe des wit-
terungsbedingten Arbeitsausfalls in § 3 Nr. 1.43 Abs. 3 Alt. 2 BRTV wird nicht
durch die aufgrund ihrer Weite grundsätzlich auch diesen Tatbestand umfas-
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sende Fallgruppe des Ausgleichs für den Monatslohn obsolet. Denn die Erwäh-
nung des witterungsbedingten Arbeitsausfalls trägt der besonderen Bedeutung
dieser Fallgruppe im Baugewerbe Rechnung. Darüber hinaus wirkt § 3 Nr. 1.43
Abs. 3 BRTV insoweit mit § 4 Nr. 6.1 Abs. 1 BRTV zusammen, wonach der Lohn-
anspruch entfällt, wenn die Arbeitsleistung entweder aus zwingenden Witte-
rungsgründen oder in der gesetzlichen Schlechtwetterzeit aus wirtschaftlichen
Gründen unmöglich wird und der Arbeitgeber verpflichtet ist, mit der nächsten
Lohnabrechnung das Saison-Kurzarbeitergeld in der gesetzlichen Höhe zu zah-
len, soweit der Lohnausfall in der gesetzlichen Schlechtwetterzeit nicht durch die
Auflösung von Arbeitszeitguthaben ausgeglichen werden kann. Daraus lässt sich
jedoch nicht ableiten, dass eine Auszahlung des gutgeschriebenen Lohnes und
der Abbau von Zeitguthaben ausschließlich im Fall des witterungsbedingen Ar-
beitsausfalls zum Ausgleich des Monatslohnes vorgenommen werden können.
(4)
Der von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte
Beschäftigungsanspruch
steht entgegen der Auffassung der Revision die-
sem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Zwar ist ein einseitiger Verzicht des
Arbeitgebers auf die Arbeitsleistung im Gesetz nicht vorgesehen, weshalb eine
einseitige Suspendierung des Arbeitnehmers im bestehenden Arbeitsverhältnis
ohne vertragliche Vereinbarung grundsätzlich nicht zulässig ist
. Doch findet sich die „ver-
tragliche Vereinbarung“ hier in der kollektivrechtlichen Regelung des § 3 Nr. 1.43
Abs. 3 BRTV, die einen Abbau von Lohn- und Zeitguthaben zulässt. Dies erlaubt
der Tarifvertrag nach § 3 Nr. 1.43 Abs. 2 BRTV im Rahmen eines Arbeitszeitgut-
habens bis zu 150 Stunden und einer Arbeitszeitschuld von bis zu 30 Stunden.
Innerhalb dieses Rahmens, der im Streitfall nicht über- bzw. unterschritten wird,
kann der Arbeitgeber nach § 3 Nr. 1.41 Abs. 2 BRTV innerhalb von zwölf Kalen-
dermonaten die entsprechende Stundenzahl vor- und nacharbeiten lassen.
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III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Linck
Berger
Volk
Teichfuß
Schad
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