Urteil des BAG vom 26.04.2018

Betriebliche Altersversorgung - Betriebsrentenanpassung - Umstrukturierungsmaßnahmen

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 26. April 2018
Dritter Senat
- 3 AZR 686/16 -
ECLI:DE:BAG:2018:260418.U.3AZR686.16.0
I. Arbeitsgericht Stuttgart
Urteil vom 13. August 2015
- 15 Ca 8768/14 -
II. Landesarbeitsgericht
Baden-Württemberg
Urteil vom 11. Mai 2016
- 4 Sa 55/15 -
Entscheidungsstichworte:
Betriebliche Altersversorgung - Betriebsrentenanpassung - Umstrukturie-
rungsmaßnahmen
ECLI:DE:BAG:2018:260418.U.3AZR686.16.0
- 2 -
BUNDESARBEITSGERICHT
3 AZR 686/16
4 Sa 55/15
Landesarbeitsgericht
Baden-Württemberg
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
26. April 2018
URTEIL
Kaufhold, Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In Sachen
Beklagte, Berufungsklägerin und Revisionsklägerin,
pp.
Kläger, Berufungsbeklagter und Revisionsbeklagter,
hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Ver-
handlung vom 26. April 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesar-
beitsgericht
Dr. Zwanziger,
die
Richterinnen
am
Bundesarbeitsgericht
Dr. Ahrendt und Wemheuer sowie die ehrenamtlichen Richter Schmalz und
Schultz für Recht erkannt:
- 2 -
3 AZR 686/16
ECLI:DE:BAG:2018:260418.U.3AZR686.16.0
- 3 -
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 11. Mai
2016 - 4 Sa 55/15 - aufgehoben, soweit die Beklagte ver-
urteilt worden ist, ab dem 1. Januar 2013 zu der bis dahin
geschuldeten Betriebsrente von 3.405,40 Euro einen wei-
teren monatlichen Bruttobetrag von 202,18 Euro zu zah-
len.
Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung der Be-
klagten das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom
13. August 2015 - 15 Ca 8768/14 - insoweit abgeändert
und die Klage insoweit abgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz und der Berufung haben der
Kläger zu 4/7 und die Beklagte zu 3/7 zu tragen. Die Kos-
ten der Revision hat der Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über eine Anpassung
der Betriebsrente des Klägers zum 1. Januar 2013.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Fotoindustrie. Sie gewährt ihren
ehemaligen Arbeitnehmern eine betriebliche Altersversorgung über eine rück-
gedeckte Unterstützungskasse. Die Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1
BetrAVG für die Betriebsrenten ihrer insgesamt etwa 2.500 Versorgungsemp-
fänger führt sie gebündelt zum 1. Januar eines Jahres durch. Der - ehemals bei
der Beklagten beschäftigte - Kläger bezieht seit dem 1. April 2007 eine Be-
triebsrente iHv. zunächst 3.256,93 Euro monatlich. Seit dem 1. Januar 2010
steht ihm aufgrund der insoweit rechtskräftigen Entscheidung des Landesar-
beitsgerichts eine Betriebsrente iHv. 3.405,40 Euro monatlich zu.
Die Beklagte ist eine 100-prozentige Tochter der K GmbH, mit der ein
Gewinnabführungsvertrag besteht. Bei der K GmbH handelt es sich um eine
100-prozentige Tochter der K Holding GmbH, die einen Konzernabschluss nach
1
2
3
- 3 -
3 AZR 686/16
ECLI:DE:BAG:2018:260418.U.3AZR686.16.0
- 4 -
deutschem Recht aufstellt, in den die Beklagte einbezogen ist. Die deutsche K-
Gruppe ist in den weltweiten E K-Konzern eingebunden, dessen Leitung der E
K Company (im Folgenden E K Co.) in R, Staat N, USA obliegt.
Ausgelöst durch veränderte Marktbedingungen und verstärkt durch die
Finanzkrise 2008 befindet sich der E K-Konzern seit Jahren in wirtschaftlichen
Schwierigkeiten. In den Jahren 2004 bis 2007 wurde der Konzern umstrukturiert
und im Zuge der Digitalisierung der Fotografie fast die gesamte Produktpalette
ausgetauscht. Der Konzern wandte sich von bestehenden Geschäftsfeldern in
der Medizintechnik ab und erschloss neue Geschäftsfelder im Bereich der grafi-
schen Industrie. Der Anpassungsprozess führte weltweit zu einem umfangrei-
chen Arbeitsplatzabbau und einer damit einhergehenden Reduzierung der Mit-
arbeiter. Der Aktienkurs der E K Co. verringerte sich erheblich. In den Jahren
2009 und 2010 erfolgten keine Dividendenauszahlungen an Aktionäre. Die Kre-
ditwürdigkeit der Gesellschaft wurde von den Ratingagenturen als hoch speku-
lativ bzw. anfällig für Zahlungsverzögerungen eingestuft.
Am 19. Januar 2012 beantragte die E K Co. das Insolvenzverfahren in
den USA nach „Chapter 11“. Das Verfahren, das im September 2013 beendet
wurde, führte zu einem weiteren Stellenabbau auf etwa 7.000 Mitarbeiter welt-
weit. Im September 2013 veräußerte die E K Co. die beiden Geschäftsbereiche
„D“ und „P“. Diese Umstrukturierungsmaßnahmen wurden bereits im Jahr 2012
eingeleitet.
Die Beklagte vermarktet ausschließlich Produkte und Dienstleistungen
des Markennamens „K“ auf dem Gebiet der analogen und digitalen Fotografie,
der Kinotechnik und der Druckindustrie. Sie ist seit dem 1. Oktober 2001 in ein
sog. Kommissionärsmodell einbezogen und vertreibt die Produkte und Dienst-
leistungen in eigenem Namen auf fremde Rechnung. Hierfür erhält sie von der
Prinzipalin, der E K S.A.R.L. G - einer Schwestergesellschaft - eine umsatzbe-
zogene Vergütung. Die Mitarbeiterzahl der Beklagten reduzierte sich von
861 Arbeitnehmern im Jahr 2003 auf 191 Arbeitnehmer Ende 2013. Der Perso-
nalabbau wurde von Interessenausgleichen und Sozialplänen in den Jahren
2009 bis 2012 begleitet.
4
5
6
- 4 -
3 AZR 686/16
ECLI:DE:BAG:2018:260418.U.3AZR686.16.0
- 5 -
Die Beklagte verweigerte eine Anpassung der Betriebsrenten zum
1. Januar 2013 unter Hinweis auf ihre eigene schlechte wirtschaftliche Lage und
die schlechte wirtschaftliche Lage des E K-Konzerns.
Mit seiner Klage hat der Kläger - soweit für die Revision von Bedeu-
tung - eine Erhöhung seiner Betriebsrente um monatlich 202,18 Euro ab dem
1. Januar 2013 begehrt. Er hat geltend gemacht, die Anpassungsentscheidung
der Beklagten entspreche nicht billigem Ermessen. Die Schwierigkeiten des
amerikanischen Mutterkonzerns würden sich nicht auf die wirtschaftliche Lage
der Beklagten auswirken. Maßgeblich seien vielmehr deren wirtschaftliche Ver-
hältnisse zum Zeitpunkt der Anpassungsentscheidung. Die Beklagte habe
durchgehend eine ausreichende Eigenkapitalrendite erwirtschaftet. Sie habe
stets Gewinne erzielt, die weder aufgrund der Konzernverflechtungen noch des
Kommissionärsmodells zu relativieren seien. Das Kommissionärsmodell ermög-
liche der Beklagten, die Eigenkapitalrendite zulasten der Betriebsrentner zu
manipulieren.
Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt bean-
tragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn zu der derzeit ge-
zahlten Betriebsrente von 3.405,40 Euro brutto ab Januar
2013 einen weiteren monatlichen Bruttobetrag von
202,18 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, ihre
schlechte wirtschaftliche Lage lasse die begehrte Anpassung der Betriebsrente
des Klägers zum Anpassungsstichtag 1. Januar 2013 nicht zu. Die Eigenkapi-
talrendite sei in den vergangenen Jahren rückläufig gewesen. Bei der im Rah-
men der Anpassungsprüfung zu treffenden Prognoseentscheidung seien auch
die Kosten zu berücksichtigen, die im Fall einer Betriebsrentenanpassung an
den Kaufkraftverlust durch eine von ihr zu leistende Einmalzahlung an die
Rückdeckungsversicherung entstünden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsge-
richt hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt
7
8
9
10
11
- 5 -
3 AZR 686/16
ECLI:DE:BAG:2018:260418.U.3AZR686.16.0
- 6 -
die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger begehrt die Zu-
rückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der
Klage im noch rechtshängigen Umfang zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist
insoweit unbegründet.
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Anpassung
seiner Betriebsrente zum 1. Januar 2013.
1.
Die Beklagte war nach § 16 Abs. 1 BetrAVG verpflichtet, zum 1. Januar
2013 zu prüfen, ob eine Anpassung der Betriebsrente des Klägers an den
Kaufkraftverlust zu erfolgen hatte.
a)
Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jah-
re eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung
zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Das bedeutet,
dass er in zeitlichen Abständen von jeweils drei Jahren nach dem individuellen
Leistungsbeginn die Anpassungsprüfung vorzunehmen hat. Diese wäre da-
her - ausgehend vom Rentenbeginn des Klägers am 1. April 2007 - am 1. April
2010 und am 1. April 2013 vorzunehmen gewesen.
b)
Allerdings hat die Beklagte alle in ihrem Unternehmen anfallenden Prü-
fungstermine zulässigerweise zum 1. Januar eines Jahres gebündelt. Daraus
ergab sich für den Kläger der 1. Januar 2013 als Prüfungstermin.
aa)
Der gesetzlich vorgeschriebene Drei-Jahres-Rhythmus zwingt nicht zu
starren, individuellen Prüfungsterminen. Die Bündelung aller in einem Unter-
nehmen anfallenden Prüfungstermine zu einem einheitlichen Jahrestermin ist
zulässig. Sie vermeidet unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand und beein-
trächtigt die Interessen der Betriebsrentner nur geringfügig. Für diese verzögert
sich allenfalls die erste Anpassungsprüfung. Die den Versorgungsempfängern
12
13
14
15
16
17
- 6 -
3 AZR 686/16
ECLI:DE:BAG:2018:260418.U.3AZR686.16.0
- 7 -
daraus entstehenden Nachteile werden regelmäßig dadurch abgemildert, dass
ein entsprechend angewachsener höherer Teuerungsausgleich zu berücksich-
tigen ist. In der Folgezeit muss der Drei-Jahres-Zeitraum allerdings eingehalten
sein. Zudem darf sich durch den gemeinsamen Anpassungsstichtag die erste
Anpassungsprüfung um nicht mehr als sechs Monate verzögern
.
bb)
Der Kläger bezieht seit dem 1. April 2007 eine Betriebsrente. Aus der
Bündelung der Anpassungsstichtage ergibt sich - ohne unzulässige Ver-
zögerung beim ersten Anpassungsstichtag - damit der 1. Januar 2010 und in
der Folgezeit der 1. Januar 2013.
2.
Die Entscheidung der Beklagten, die Betriebsrente des Klägers zum
1. Januar 2013 nicht an den seit Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlust
anzupassen, entspricht billigem Ermessen nach § 16 Abs. 1 BetrAVG. Die wirt-
schaftliche Lage der Beklagten stand einer Anpassung der Betriebsrente des
Klägers entgegen.
a)
Bei der Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeit-
geber die Belange der Versorgungsempfänger sowie seine eigene wirtschaftli-
che Lage zu berücksichtigen. Lässt die wirtschaftliche Lage eine Anpassung
der Betriebsrenten nicht zu, ist der Arbeitgeber zur Anpassung nicht verpflichtet.
aa)
Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers ist eine zukunftsbezogene
Größe. Sie umschreibt die künftige Belastbarkeit des Arbeitgebers und setzt
eine Prognose voraus. Beurteilungsgrundlage für die insoweit zum Anpas-
sungsstichtag zu erstellende Prognose ist grundsätzlich die bisherige wirtschaft-
liche Entwicklung des Unternehmens vor dem Anpassungsstichtag, soweit dar-
aus Schlüsse für dessen weitere Entwicklung gezogen werden können. Für ei-
ne zuverlässige Prognose muss die bisherige Entwicklung über einen längeren
repräsentativen Zeitraum von in der Regel mindestens drei Jahren ausgewertet
werden. Dabei handelt es sich grundsätzlich um einen Mindestzeitraum, der
nicht stets und unter allen Umständen ausreichend ist. Ausnahmsweise kann es
geboten sein, auf einen längeren Zeitraum abzustellen. Dies kommt insbeson-
18
19
20
21
- 7 -
3 AZR 686/16
ECLI:DE:BAG:2018:260418.U.3AZR686.16.0
- 8 -
dere in Betracht, wenn die spätere Entwicklung der wirtschaftlichen Lage zu
berechtigten Zweifeln an der Vertretbarkeit der Prognose des Arbeitgebers führt
.
Zwar ist maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt der Anpassungsstichtag.
Allerdings kann sich auch die wirtschaftliche Entwicklung nach dem Anpas-
sungsstichtag auf die Überprüfung der Anpassungsentscheidung des Arbeitge-
bers auswirken. Die wirtschaftlichen Daten nach dem Anpassungsstichtag bis
zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz können die frühe-
re Prognose bestätigen oder entkräften. Voraussetzung für die Berücksichti-
gung einer späteren Entwicklung ist allerdings, dass die Veränderungen in den
wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens zum Anpassungsstichtag be-
reits vorhersehbar waren. Spätere unerwartete Veränderungen der wirtschaftli-
chen Verhältnisse des Unternehmens können erst bei der nächsten Anpas-
sungsprüfung berücksichtigt werden
.
bb)
Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers rechtfertigt die Ablehnung
einer Betriebsrentenanpassung insoweit, als das Unternehmen dadurch über-
mäßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet würde. Nach der
Rechtsprechung des Senats wird die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet, wenn
keine angemessene Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet wird oder wenn das
Unternehmen nicht mehr über genügend Eigenkapital verfügt. Bei einer unge-
nügenden Eigenkapitalverzinsung reicht die Ertragskraft des Unternehmens
nicht aus, um die Anpassungen finanzieren zu können. Bei einer ungenügen-
den Eigenkapitalausstattung muss verlorene Vermögenssubstanz wieder auf-
gebaut werden, bevor dem Unternehmen die Anpassung von Betriebsrenten
zugemutet werden kann. Demnach rechtfertigt die wirtschaftliche Lage des Ar-
beitgebers die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung nur insoweit, als die-
ser annehmen darf, dass es ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht
möglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus den Unternehmenserträgen
und den verfügbaren Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens in der Zeit
22
23
- 8 -
3 AZR 686/16
ECLI:DE:BAG:2018:260418.U.3AZR686.16.0
- 9 -
bis zum nächsten Anpassungsstichtag aufzubringen. Deshalb kommt es auf die
voraussichtliche Entwicklung der Eigenkapitalverzinsung und der Eigenkapital-
ausstattung des Unternehmens an
.
cc)
Da für die Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG die wirt-
schaftliche Lage des Arbeitgebers maßgeblich ist, kommt es auf die Verhältnis-
se im Unternehmen des versorgungspflichtigen Arbeitgebers an. Dies gilt auch
dann, wenn der Arbeitgeber in einen Konzern eingebunden ist. Ein Konzern ist
lediglich eine wirtschaftliche Einheit ohne eigene Rechtspersönlichkeit und kann
demnach nicht Schuldner der Betriebsrentenanpassung sein. Die Konzernver-
bindung allein ändert weder etwas an der Selbstständigkeit der beteiligten juris-
tischen Personen noch an der Trennung der jeweiligen Vermögensmassen
.
dd)
Die angemessene Eigenkapitalverzinsung besteht grundsätzlich aus
einem Basiszins und einem Zuschlag für das Risiko, dem das in dem Unter-
nehmen investierte Kapital ausgesetzt ist. Der Basiszins entspricht der Umlauf-
rendite öffentlicher Anleihen. Der Risikozuschlag beträgt 2 vH
.
(1)
Bei der Berechnung der Eigenkapitalverzinsung ist einerseits auf die
erzielten Betriebsergebnisse, anderseits auf die Höhe des Eigenkapitals abzu-
stellen. Beide Berechnungsfaktoren sind nicht ausgehend von den nach inter-
nationalen Rechnungslegungsregeln erstellten Abschlüssen, sondern auf der
Grundlage der nach den handelsrechtlichen Rechnungslegungsregeln erstellten
Jahresabschlüsse zu bestimmen
. Allerdings sind beim erzielten Betriebs-
ergebnis gegebenenfalls betriebswirtschaftlich gebotene Korrekturen vorzu-
nehmen. Dies gilt nicht nur für Scheingewinne, sondern beispielsweise auch für
betriebswirtschaftlich überhöhte Abschreibungen. Außerordentliche Erträge sind
zwar keine Scheingewinne. Ihr Ausnahmecharakter kann jedoch bei der Beur-
teilung der künftigen Ertragsentwicklung nicht außer Acht gelassen werden. In
der Regel sind außerordentliche Erträge und außerordentliche Verluste aus den
24
25
26
- 9 -
3 AZR 686/16
ECLI:DE:BAG:2018:260418.U.3AZR686.16.0
- 10 -
der Prognose zugrunde gelegten früheren Jahresabschlüssen herauszurech-
nen. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn außerordentliche Erträge oder Ver-
luste auch der Höhe nach eine ausreichende Kontinuität aufweisen. Darüber
hinaus sind wirtschaftliche Daten, die auf Entwicklungen oder Umständen beru-
hen, die nicht fortwirken und sich voraussichtlich nicht wiederholen werden, in
der Regel nicht repräsentativ für die weitere Ertragslage und deshalb bei der
Ermittlung der Eigenkapitalverzinsung regelmäßig nicht zu berücksichtigen
.
(2)
Für die Frage, ob der Versorgungsschuldner eine angemessene Eigen-
kapitalverzinsung erzielt hat, kommt es auf das bilanzielle Eigenkapital iSv.
§ 266 Abs. 3 Buchst. A HGB an. Dazu zählen nicht nur das gezeichnete Kapital
(Stammkapital) und die Kapitalrücklage, sondern auch Gewinnrücklagen, Ge-
winn- und Verlustvorträge und Jahresüberschüsse/Jahresfehlbeträge. Da sich
das Eigenkapital während eines Geschäftsjahres ständig verändert, kann weder
das zu Beginn des Geschäftsjahres vorhandene noch das am Ende des Ge-
schäftsjahres erreichte Eigenkapital zugrunde gelegt werden. Vielmehr ist von
einem Durchschnittswert auszugehen. Das Eigenkapital zu Beginn und zum
Ende des Geschäftsjahres sind zu addieren und anschließend zu halbieren
.
(3)
Das Eigenkapital kann nicht uneingeschränkt mit dem Betriebsergebnis
nach Steuern verglichen werden. Zwar sind Betriebssteuern (sonstige Steuern)
Aufwendungen des Unternehmens und schmälern die verwendungsfähigen Mit-
tel, sodass sie beim erzielten Betriebsergebnis zu berücksichtigen sind. Anders
verhält es sich hingegen bei den Steuern vom Einkommen und vom Ertrag; die-
se sind beim erzielten Betriebsergebnis nicht zu berücksichtigen. Dasselbe gilt
für Steuererstattungen für Vorjahre, soweit sie in der Gewinn- und Verlustrech-
nung ebenfalls unter den Steuern vom Einkommen und vom Ertrag erfasst wer-
den. Auch diese Erträge bleiben bei der Ermittlung des erzielten Betriebsergeb-
nisses außer Betracht
.
27
28
- 10 -
3 AZR 686/16
ECLI:DE:BAG:2018:260418.U.3AZR686.16.0
- 11 -
ee)
Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass seine Anpas-
sungsentscheidung billigem Ermessen entspricht und sich in den Grenzen des
§ 16 BetrAVG hält. Die Darlegungs- und Beweislast erstreckt sich auf alle
die Anpassungsentscheidung beeinflussenden Umstände
.
Für die Feststellung sowohl der erzielten Betriebsergebnisse als auch
des vorhandenen Eigenkapitals bieten die handelsrechtlichen Jahresabschlüs-
se den geeigneten Einstieg. Betriebswirtschaftlich gebotene Korrekturen kön-
nen aber dann vorgenommen werden, wenn der Sachvortrag der Parteien aus-
reichende Anhaltspunkte dafür enthält, dass derartige Korrekturen notwendig
sind. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Jahresabschlüsse handels-
rechtlich ordnungsgemäß erstellt wurden. Sofern der Versorgungsberechtigte
die Fehlerhaftigkeit testierter Jahresabschlüsse geltend machen will, hat er die
nach seiner Ansicht unterlaufenen Fehler näher zu bezeichnen. Hat er die ord-
nungsgemäße Erstellung der Jahresabschlüsse substantiiert bestritten, hat der
Arbeitgeber vorzutragen und unter Beweis zu stellen, weshalb die Jahresab-
schlüsse insoweit nicht zu beanstanden sind
.
b)
Danach entspricht die Entscheidung der Beklagten, die Betriebsrente
des Klägers zum 1. Januar 2013 nicht an den Kaufkraftverlust anzupassen, bil-
ligem Ermessen.
aa)
Die wirtschaftliche Lage der Beklagten stand ausweislich der von der
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft P AG geprüften und testierten Jahresabschlüs-
se für die Jahre 2010 bis 2012 einer Anpassung der Betriebsrente des Klägers
entgegen.
(1)
Die Beklagte erzielte im Geschäftsjahr 2010 ein Ergebnis der gewöhnli-
chen Geschäftstätigkeit iHv. 7.282.586,08 Euro. Nach Abzug sonstiger Steuern
iHv. 9.059,84 Euro ergibt sich ein Betriebsergebnis iHv. 7.273.526,24 Euro.
Das
(durchschnittliche)
Eigenkapital
der
Beklagten
belief
sich
auf
129.636.504,00 Euro. Hieraus errechnet sich eine Eigenkapitalverzinsung von
29
30
31
32
33
- 11 -
3 AZR 686/16
ECLI:DE:BAG:2018:260418.U.3AZR686.16.0
- 12 -
5,61 vH. Die öffentlichen Anleihen erzielten im Jahr 2010 eine Umlaufrendite
von 2,4 vH. Zuzüglich des Risikozuschlags von 2 vH betrug die angemessene
Eigenkapitalverzinsung 4,4 vH.
(2)
Im Geschäftsjahr 2011 belief sich das Ergebnis der gewöhnlichen Ge-
schäftstätigkeit der Beklagten auf 5.529.027,00 Euro. Unter Berücksichtigung
angefallener sonstiger Steuern iHv. 1.994,00 Euro beträgt das Betriebsergebnis
5.527.033,00 Euro. Danach ergibt sich bei einem (durchschnittlichen) Eigenka-
pital von 129.636.504,00 Euro eine Eigenkapitalverzinsung von 4,26 vH. Die
öffentlichen Anleihen erzielten im Jahr 2011 eine Umlaufrendite von 2,4 vH.
Zuzüglich des Risikozuschlags von 2 vH betrug die angemessene Eigenkapital-
verzinsung 4,4 vH.
(3)
Im Geschäftsjahr 2012 erzielte die Beklagte ein Ergebnis der
gewöhnlichen Geschäftstätigkeit iHv. 5.389.459,28 Euro. Das nach Abzug
sonstiger Steuern iHv. 4.149,83 Euro erwirtschaftete Betriebsergebnis beträgt
5.385.309,45 Euro. Hieraus errechnet sich bei einem (durchschnittlichen) Ei-
genkapital von 129.636.504,00 Euro eine Eigenkapitalverzinsung von 4,15 vH.
Die öffentlichen Anleihen erzielten im Jahr 2012 eine Umlaufrendite von 1,3 vH.
Zuzüglich des Risikozuschlags von 2 vH betrug die angemessene Eigenkapital-
verzinsung 3,3 vH.
bb)
Ausgehend hiervon hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft an-
genommen, die wirtschaftliche Lage der Beklagten habe einer Anpassung der
Betriebsrente des Klägers zum 1. Januar 2013 nicht entgegengestanden. Das
Landesarbeitsgericht hat darauf abgestellt, dass die Beklagte im Durchschnitt
der Jahre 2010 bis 2012 eine Eigenkapitalverzinsung erzielt hat, die die durch-
schnittlichen Umlaufrenditen der Anleihen der öffentlichen Hand in diesen drei
Jahren übersteigt. Dami
t hat es den unbestimmten Rechtsbegriff der „wirt-
schaft
lichen Lage des Arbeitgebers“ in § 16 Abs. 1 BetrAVG verkannt. Nach der
Rechtsprechung des Senats kommt es nicht auf die in den drei letzten Jahren
vor dem Anpassungsstichtag erzielten durchschnittlichen Werte an. Maßgebend
ist vielmehr, ob sich im Vergleichszeitraum eine positive Entwicklung abzeich-
net, die eine für die Betriebsrentenanpassung ausreichende wirtschaftliche La-
34
35
36
- 12 -
3 AZR 686/16
ECLI:DE:BAG:2018:260418.U.3AZR686.16.0
- 13 -
ge in den drei Jahren nach dem Anpassungszeitpunkt erwarten lässt
.
cc)
Dies war vorliegend nicht der Fall. Die Beklagte erwirtschaftete im Ge-
schäftsjahr 2010 zwar eine Eigenkapitalrendite, die 1,21 Prozentpunkte über
der angemessenen Eigenkapitalverzinsung von 4,4 vH lag. Im Jahr 2011 er-
reichte sie jedoch keine angemessene Eigenkapitalverzinsung. Ihre Eigenkapi-
talrendite lag vielmehr um 0,14 Prozentpunkte unter der von den öffentlichen
Anleihen erzielten Umlaufrendite zuzüglich des zweiprozentigen Risikozu-
schlags. Im Geschäftsjahr 2012 erzielte die Beklagte zwar wieder eine ange-
messene Eigenkapitalrendite. Diese lag jedoch lediglich um 0,85 Prozentpunkte
und damit nur geringfügig oberhalb der angemessenen Eigenkapitalverzinsung
und überstieg im Vergleich zum Geschäftsjahr 2010 die angemessene Eigen-
kapitalverzinsung nur noch in deutlich geringerem Maße. Angesichts dieser un-
beständigen Entwicklung und der sich stetig verschlechternden Betriebsergeb-
nisse durfte die Beklagte davon ausgehen, dass sich ihre wirtschaftliche Lage
trotz der in den Jahren 2010 und 2012 erreichten angemessenen Eigenkapital-
verzinsungen nicht positiv stabilisieren würde und sie in der Zeit bis zum nächs-
ten Anpassungsstichtag am 1. Januar 2016 nicht die für eine Betriebsrentenan-
passung erforderliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besitzen würde.
dd)
Die wirtschaftliche Lage der Beklagten in dem auf den Anpassungs-
stichtag folgendem Geschäftsjahr 2013 hat die Prognose der Beklagten zum
Anpassungsstichtag 1. Januar 2013 nicht entkräftet.
Die Beklagte erzielte im Jahr 2013 - nach Abzug sonstiger Steuern iHv.
2.846,77 Euro - ein Betriebsergebnis iHv. 2.007.154,39 Euro. Ihr (durchschnitt-
liches) Eigenkapital betrug nach der Veräußerung der beiden Geschäftsberei-
che
„P“ und „D“ 77.154.047,50 Euro. Hieraus errechnet sich eine Eigenkapital-
verzinsung iHv. 2,60 vH. Die öffentlichen Anleihen erzielten im Jahr 2013 eine
Umlaufrendite von 1,3 vH. Zuzüglich des Risikozuschlags von 2 vH betrug die
angemessene Eigenkapitalverzinsung 3,3 vH. Damit lag die Eigenkapitalrendite
der Beklagten trotz der Herabsetzung des Eigenkapitals 0,7 vH im Jahr 2013
unterhalb der angemessenen Eigenkapitalverzinsung.
37
38
39
- 13 -
3 AZR 686/16
ECLI:DE:BAG:2018:260418.U.3AZR686.16.0
- 14 -
ee)
Etwas anderes folgt - entgegen der in der Verhandlung vor dem Senat
geäußerten Ansicht des Klägers - auch nicht daraus, dass die der wirtschaftli-
chen Stabilisierung der Beklagten dienende Veräußerung der beiden Ge-
schäftsbereiche
„P“ und „D“ bereits vor dem Anpassungsstichtag eingeleitet
wurde. Solche Umstrukturierungsmaßnahmen sind darauf angelegt, die Be-
triebsergebnisse langfristig zu steigern. Ob die damit verfolgte unternehmeri-
sche Zielsetzung bereits in der kurzen Zeitspanne bis zum nächsten Anpas-
sungsstichtag zu einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung führt, bleibt unge-
wiss. Die bloße Planung solcher Maßnahmen ist daher für sich genommen nicht
geeignet, eine auf der Grundlage der bisherigen Betriebsergebnisse aufgestell-
te negative Prognose zu erschüttern. Einer Zurückverweisung des Rechtsstreits
an das Landesarbeitsgericht - wie vom Kläger angeregt - bedarf es deshalb
nicht.
ff)
Auf die Frage, ob die Beklagte bei ihrer Prognoseentscheidung auch
die Kosten berücksichtigen dürfte, die ihr im Fall einer Betriebsrentenanpas-
sung an den Kaufkraftverlust durch eine von ihr zu leistende Einmalzahlung an
die Rückdeckungsversicherung entstünden, kam es nach alledem nicht an.
3.
Die Beklagte schuldet dem Kläger auch unter dem Gesichtspunkt des
Schadensersatzes nach § 826 BGB
keine Anpassung seiner Betriebs-
rente an den Kaufkraftverlust zum 1. Januar 2013.
a)
Der für die Anspruchsvoraussetzungen des § 826 BGB grundsätzlich
darlegungs- und beweisbelastete Kläger
hat vorgetragen, die
vom Konzern jeweils zum Ende eines Geschäftsjahres festgelegten und von der
E K S.A.R.L. G an die Beklagte geleisteten Kommissionsraten orientierten sich
nicht an den Gegebenheiten des Marktes, sondern seien das Ergebnis bilanz-
politischer Überlegungen. Es werde dabei nicht nur um steuerrechtliche Aspek-
te gehen, sondern angesichts der großen Anzahl der Pensionäre und der mit
Betriebsrentenerhöhungen verbundenen erheblichen Kosten auch um die Ver-
meidung von Anpassungen.
40
41
42
43
- 14 -
3 AZR 686/16
ECLI:DE:BAG:2018:260418.U.3AZR686.16.0
b)
Damit ist der Kläger der ihm obliegenden Darlegungslast nicht hinrei-
chend nachgekommen. Er hat lediglich behauptet, das sog. Kommissionärsmo-
dell berge die Gefahr eines Missbrauchs, und entsprechende Vermutungen ge-
äußert, nicht jedoch hinreichend substantiiert Anhaltspunkte dafür dargelegt,
dass die Betriebsergebnisse hierdurch tatsächlich zulasten der Betriebsrentner
manipuliert worden sind. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der
Kläger im Hinblick auf das mit einer ausländischen Schwestergesellschaft
durchgeführte Kommissionärsmodell die Einhaltung steuerrechtlicher Vorgaben
nicht in Zweifel zieht.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1
ZPO.
Zwanziger
Ahrendt
Wemheuer
Schmalz
Schultz
44
45