Urteil des BAG vom 22.09.2020

Betriebliche Altersversorgung - Übergang von Nebenrechten

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 22. September 2020
Dritter Senat
- 3 AZR 304/18 -
ECLI:DE:BAG:2020:220920.U.3AZR304.18.0
I. Arbeitsgericht Duisburg
Urteil vom 10. August 2017
- 5 Ca 675/17 -
II. Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil vom 14. März 2018
- 12 Sa 806/17 -
Entscheidungsstichworte:
Betriebliche Altersversorgung - Übergang von Nebenrechten
Leitsatz:
Ansprüche, die sich aus der - gesamtschuldnerischen - Mithaftung eines
abgespaltenen Unternehmens für Leistungen der betrieblichen Altersver-
sorgung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 3 UmwG ergeben und die der
Sicherung der Betriebsrentenansprüche dienen, gehen als Nebenrechte
gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG iVm. § 412 und § 401 Abs. 1 BGB ana-
log mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Ar-
beitgebers zusammen mit den Rechten der Versorgungsberechtigten ge-
gen den Arbeitgeber auf den Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung
- den Pensions-Sicherungs-Verein - über.
ECLI:DE:BAG:2020:220920.U.3AZR304.18.0
- 2 -
BUNDESARBEITSGERICHT
3 AZR 304/18
12 Sa 806/17
Landesarbeitsgericht
Düsseldorf
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
22. September 2020
URTEIL
Kaufhold, Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In Sachen
Beklagter, Berufungskläger und Revisionskläger,
pp.
Kläger, Berufungsbeklagter und Revisionsbeklagter,
hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Ver-
handlung vom 22. September 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundes-
arbeitsgericht Dr. Zwanziger, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Roloff, die
Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Günther-Gräff sowie die ehrenamtlichen
Richter Wischnath und Dr. Hopfner für Recht erkannt:
- 2 -
3 AZR 304/18
ECLI:DE:BAG:2020:220920.U.3AZR304.18.0
- 3 -
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landes-
arbeitsgerichts
Düsseldorf
vom
14. März
2018
- 12 Sa 806/17 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger macht als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung gegen
den Beklagten Ansprüche aus § 133 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 UmwG geltend,
von denen der Kläger annimmt, dass sie aufgrund seiner Eintrittspflicht für Ver-
sorgungsrechte nach dem Betriebsrentengesetz gemäß § 9 Abs. 2 BetrAVG iVm.
§ 412 und § 401 Abs. 1 BGB analog auf ihn übergegangen sind.
Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der M
GmbH. Die M GmbH ging hervor aus der K Group GmbH. Diese spaltete auf der
Grundlage des Abspaltungsvertrags vom 9. August 2007 nach den Vorschriften
der §§ 123 ff. UmwG den Geschäftsbereich
„Vertrieb Deutschland West“ ab und
übertrug diesen auf die K Service GmbH. Die Eintragung im Handelsregister des
aufnehmenden Rechtsträgers, der K Service GmbH, erfolgte am 28. November
2007. Die Eintragung im Handelsregister des abgebenden Rechtsträgers, der K
Group GmbH, erfolgte am 6. Dezember 2007. Die K Group GmbH firmierte am
13. Januar 2009 um zur S GmbH, die K Service GmbH am 21. Juli 2010 zur M
GmbH.
Über das Vermögen der S GmbH wurde am 1. Dezember 2009 das In-
solvenzverfahren eröffnet, über das Vermögen der M GmbH (künftig Insolvenz-
schuldnerin) am 10. März 2011. Für Letztere wurde der Beklagte zum Insolvenz-
verwalter bestellt.
1
2
3
- 3 -
3 AZR 304/18
ECLI:DE:BAG:2020:220920.U.3AZR304.18.0
- 4 -
Die ehemals bei der S GmbH beschäftigten Mitarbeiter haben Ansprüche
auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, deren Grundlage zum einen
die Pensionsordnung vom 5. März 1976 (im Folgenden PO 1976) sowie zum an-
deren die Rentenordnung vom 14. August 1980 (im Folgenden RO 1980) der
Gewerkschaft Kerachemie - einer Rechtsvorgängerin der K Group GmbH bzw.
der S GmbH - sind. Darüber hinaus gibt es einzelvertragliche Zusagen auf Zah-
lung betrieblicher Altersversorgungsleistungen in Einzeldienstverträgen, die ge-
genüber Vorstandsmitgliedern vorgenommen waren (im Folgenden Zusage Vor-
stand). Diese Verbindlichkeiten waren im Spaltungs- und Übernahmevertrag
nicht der Insolvenzschuldnerin zugewiesen.
Im Zusammenhang mit der Insolvenz der S GmbH zahlte der Kläger an
deren ehemalige Arbeitnehmer bzw. Hinterbliebene Leistungen der betrieblichen
Altersversorgung. Für gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG übergegangene An-
sprüche meldete der Kläger in dem Insolvenzverfahren der S GmbH eine Forde-
rung in Höhe von insgesamt 17.038.894,00 Euro zur Insolvenztabelle an, die von
dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der S GmbH anerkannt und zur Ta-
belle festgestellt wurde.
In einem Schreiben des Klägers vom 20. September 2016 an den Be-
klagten heißt es ua.:
„Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma M
GmbH, (eröffnet am 10.03.2011)
hier: Gesamtschuldnerische Haftung der M GmbH für Pen-
sionsverpflichtungen der insolventen S GmbH (§ 133
Abs. 1 Satz 1 UmwG i.V.m. § 123 Abs. 2 UmwG).
mit beigefügtem Schreiben vom 18.05.2011 haben wir im
o.g. Verfahren eine weitere Forderung angemeldet, die wir
mit der gesamtschuldnerischen Haftung der M GmbH im
Zusammenhang mit der in 2007 erfolgten Abspaltung aus
dem Vermögen der S GmbH begründet und - aus damali-
ger Sicht - mit EUR 22.840.256,00 beziffert haben. ...
Die Abspaltung des Teilbetriebs
‚Vertrieb Deutschland
West‘ von der S GmbH auf die M GmbH wurde am
6.12.2007 im Register der S GmbH eingetragen. Der zehn-
jährige Haftungszeitraum gem. § 133 Abs. 3 Satz 2 UmwG
endet somit am 6.12.2017.
4
5
6
- 4 -
3 AZR 304/18
ECLI:DE:BAG:2020:220920.U.3AZR304.18.0
- 5 -
Vor dem Hintergrund des angestrebten Verfahrensab-
schlusses haben wir die von uns aufgrund der Insolvenz der
S GmbH bereits gezahlten und noch bis zum 6.12.2017 zu
zahlenden Renten beziffert; die Summe dieser Rentenzah-
lungen beläuft sich auf
EUR 12.325.307,52
Bitte beachten Sie hierzu die ebenfalls beigefügte weitere
Anlage. Unsere auf den Ausfall im Verfahren S GmbH im
o.g. Verfahren geltend gemachte Forderung reduzieren wir
nunmehr auf den vorgenannten Betrag. Wir bitten um Prü-
fung und Rückäußerung, ob Sie unsere Forderung in dieser
Höhe anerkennen werden.“
In einer diesem Schreiben beigefügten Anlage waren insgesamt
1.127 Zahlungsempfänger von Betriebsrentenleistungen - ursprünglich von der
S GmbH geschuldet - namentlich gelistet. Ebenso waren die Zusageart und der
Umfang benannt, in welchem der Kläger Betriebsrentenleistungen im Zeitraum
bis zum 6. Dezember 2017 beglich, insgesamt 12.325.307,52 Euro.
Im Prüfungstermin des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der M
GmbH am 12. Dezember 2016 bestritt der Beklagte die angemeldete Forderung
von 12.325.307,52 Euro in voller Höhe.
Mit seiner beim Arbeitsgericht am 2. Mai 2017 eingegangenen und dem
Beklagten am 8. Mai 2017 zugestellten Klage hat der Kläger die Auffassung ver-
treten, er könne den Beklagten aufgrund der von ihm für die insolvente S GmbH
erbrachten Betriebsrentenleistungen in Anspruch nehmen. Die vertraglichen An-
sprüche der Betriebsrentner und die dazugehörigen Sicherungsrechte gegen die
Insolvenzschuldnerin seien gemäß § 9 Abs. 2 BetrAVG auf ihn übergegangen.
Gemäß § 412 BGB iVm. § 401 BGB erfasse der gesetzliche Forderungsüber-
gang aus § 9 Abs. 2 BetrAVG nicht nur die in § 401 BGB genannten streng ak-
zessorischen Sicherungsrechte, sondern in analoger Anwendung auch unselb-
ständige Nebenrechte, die der Sicherung des Hauptanspruchs dienten. Hierunter
falle auch die gesamtschuldnerische Haftung aus § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG.
7
8
9
- 5 -
3 AZR 304/18
ECLI:DE:BAG:2020:220920.U.3AZR304.18.0
- 6 -
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
seine in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der M
GmbH (Az.: 61 IN 213/10 AG Duisburg) in der Insolvenzta-
belle in Rang 0 unter der laufenden Nummer 274 eingetra-
gene Forderung aus Beiträgen zur betrieblichen Altersver-
sorgung S GmbH in Höhe von 12.218.401,89 Euro als Ge-
samtschuldner gemeinsam mit der S GmbH, in Insolvenz
festzustellen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten,
der gesetzliche Forderungsübergang gemäß § 412 BGB iVm. § 401 BGB erfasse
zwar auch Nebenrechte. Hierunter falle aber nicht die Haftung aus § 133 UmwG.
Auf die dort geregelte Gesamtschuld als selbständigen Anspruch sei § 401 BGB
nicht - auch nicht analog - anzuwenden. Vorschriften, die einen gesetzlichen For-
derungsübergang regelten, seien Ausnahmevorschriften und deshalb eng aus-
zulegen. § 133 UmwG diene dem Schutz des Gläubigers von Betriebsrentenan-
sprüchen, nicht aber dem des Klägers.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in voller Höhe der ursprünglich geltend
gemachten Klageforderung iHv. 12.325.307,52 Euro stattgegeben. Das Landes-
arbeitsgericht hat - nach teilweiser Rücknahme der Klage in Höhe von insgesamt
106.905,63 Euro (zunächst auch geltend gemachte Leistungen des Klägers für
den Monat Dezember 2017) - die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Die-
ser verfolgt mit seiner Revision weiterhin seinen Klageabweisungsantrag, der
Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Landesar-
beitsgericht hat dessen Berufung zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist - so-
weit noch rechtshängig - zulässig und begründet.
A.
Verfahrensrechtliche Gründe stehen einer Sachentscheidung durch den
Senat nicht entgegen.
10
11
12
13
14
- 6 -
3 AZR 304/18
ECLI:DE:BAG:2020:220920.U.3AZR304.18.0
- 7 -
I.
Die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen
ist nicht mehr zu prüfen. Zwar geht es auch um Forderungen, über deren Fest-
stellung zur Insolvenztabelle gestritten wird, bei denen es sich möglicherweise
um Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung von Vorstandsmitgliedern han-
delt, die nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG keine Arbeitnehmer im Sinne des Arbeits-
gerichtsgesetzes sind. In der Revisionsinstanz ist jedoch die Zulässigkeit des be-
schrittenen Rechtsweges grundsätzlich nicht mehr zu prüfen
. Die Zulässigkeit des Rechtsweges ist auch nicht gerügt worden
.
II.
Die Klage ist zulässig.
1.
Der Antrag des Klägers ist - worauf das Landesarbeitsgericht zu Recht
hingewiesen hat - auszulegen und dahin zu verstehen, dass er darauf gerichtet
ist, die streitige Forderung zur Insolvenztabelle festzustellen. Entsprechend ist
- wie die Entscheidungsgründe zeigen - auch der Tenor des arbeitsgerichtlichen
Urteils auszulegen, dh. als Feststellung der streitigen Forderung zur Tabelle
.
2.
Der Feststellungsantrag ist zulässig, insbesondere besteht das für den
Antrag iSvnacherforderliche Fest-
stellungsinteresse. Dies ergibt sich au Die bestrittenen Forderungen
werden bei der Verteilung nur berücksichtigt, wenn der Gläubiger rechtzeitig
nachweist, dass er die Feststellung betreibt
.
3.
Auch d
ie besondere Sachurteilsvoraussetzung nach § 181 InsO ist er-
füllt.
Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die vom Kläger nun noch
verfolgten und zur Insolvenztabelle angemeldeten mit den vom Beklagten bestrit-
tenen Forderungen übereinstimmen. Insbesondere wird nicht die Feststellung ei-
15
16
17
18
19
- 7 -
3 AZR 304/18
ECLI:DE:BAG:2020:220920.U.3AZR304.18.0
- 8 -
ner unangemeldeten und ungeprüften Forderung beantragt, was mangels Fest-
stellungsinteresses zur Unzulässigkeit der Klage führen würde
.
B.
Die Klage ist begründet. Die zur Tabelle angemeldeten und festzustel-
lenden Forderungen stehen dem Kläger dem Grunde und der Höhe nach zu. Sie
sind vom Beklagten zur Insolvenztabelle festzustellen. Der Kläger hat - wie vom
Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen - einen Anspruch nach § 7 Abs. 1,
§ 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG, § 133 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 UmwG iVm. §§ 412,
401 Abs. 1 BGB analog.
Es sind gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG Ansprüche bzw. Anwartschaf-
ten der Versorgungsberechtigten gegen den Arbeitgeber auf Leistungen der be-
trieblichen Altersversorgung, die den Anspruch gegen den Träger der Insolvenz-
sicherung begründen
, mit der Eröffnung des Insol-
venzverfahrens über das Vermögen der S GmbH auf den Kläger übergegangen,
nachdem dieser nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG den Berechtigten die ihnen zu-
stehenden Ansprüche bzw. Anwartschaften mitgeteilt hat. Mit diesen Ansprüchen
ist wegen des nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG angeordneten Forderungsüber-
gangs die Mithaftung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 UmwG auf den Kläger
nach §§ 412, 401 Abs. 1 BGB analog übergegangen. In entsprechender Anwen-
dung von § 401 Abs. 1 BGB zählen zu den Nebenrechten im Sinne dieser Norm
auch Forderungen aus einer Mithaftung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3
UmwG. Dies sind vorliegend Ansprüche gegen die Insolvenzschuldnerin. Damit
richten sich die übergegangenen Ansprüche aus § 133 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3
BGB gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das
Vermögen der Insolvenzschuldnerin und sind zur Tabelle festzustellen.
I.
Die Versorgungsberechtigten haben gegen ihre ehemalige Arbeitgebe-
rin, die - ebenfalls insolvente - S GmbH, Ansprüche auf Leistungen der betriebli-
chen Altersversorgung und wegen der Insolvenzeröffnung über ihr Vermögen
nunmehr gegen den Kläger als Träger der Insolvenzsicherung.
20
21
22
- 8 -
3 AZR 304/18
ECLI:DE:BAG:2020:220920.U.3AZR304.18.0
- 9 -
1.
Bei den Leistungen auf Grundlage der PO 1976 und der RO 1980 handelt
es sich nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts um unmittelbare Ver-
sorgungszusagen und Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, was aus
§§ 1, 16 Abs. 1 PO 1976 und §§ 1, 13 Abs. 1 RO 1980 folgt. Entsprechendes gilt
für die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an die Vorstandsmitglieder
aufgrund der Zusage Vorstand. Dies ist nicht angegriffen.
2.
Aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der
ehemaligen Arbeitgeberin hat der Kläger als Träger der Insolvenzsicherung ge-
genüber den Versorgungsberechtigten für deren Ansprüche auf betriebliche Al-
tersversorgung einzutreten.
a)
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG haben Versorgungsempfänger, deren
Ansprüche aus einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers nicht
erfüllt werden, weil über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren
eröffnet worden ist, gegen den Träger der Insolvenzsicherung einen Anspruch in
Höhe der Leistung, die der Arbeitgeber aufgrund der Versorgungszusage zu er-
bringen hätte, wenn das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden wäre.
b)
Das Insolvenzverfahren ist durch Beschluss des Amtsgerichts Duisburg
am 10. März 2011 eröffnet worden. Der Kläger hat nach den Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts bzgl. aller in der Anlage, die dem Schreiben an den Be-
klagten vom 20. September 2016 beigefügt war, angegebenen Personen seine
Eintrittspflicht geprüft und im Umfang der Klageforderung, zuletzt also iHv.
12.218.401,89 Euro, bereits Leistungen an die Versorgungsberechtigten er-
bracht, was zugleich eine entsprechende Mitteilung an die Betriebsrentner vo-
raussetzt.
II.
Diese Ansprüche der Versorgungsberechtigten gegen den Arbeitgeber
auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, die den Anspruch gegen den
Kläger als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung begründen, gehen nach
§ 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Ge-
setzes auf den Kläger über. Mit dem Erwerb des Anspruchs gegen den Kläger
verliert der Versorgungsberechtigte seinen Anspruch gegen den Schuldner in
23
24
25
26
27
- 9 -
3 AZR 304/18
ECLI:DE:BAG:2020:220920.U.3AZR304.18.0
- 10 -
dem Umfang, in dem der Kläger nach § 7 BetrAVG einstandspflichtig ist
. Es findet ein gesetzli-
cher Forderungsaustausch statt
. Dabei reicht der Forderungsübergang so weit wie die Insolvenzsiche-
rung
III.
Mit den vorgenannten Ansprüchen, deren Anspruchsinhaber nunmehr
der Kläger ist, sind auch Nebenrechte, vorliegend Ansprüche gegen den Mithaf-
tenden nach § 133 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 UmwG, hier die M GmbH als
Insolvenzschuldnerin, deren Insolvenzverwalter der Beklagte ist, auf den Kläger
nach §§ 412, 401 Abs. 1 BGB analog übergegangen.
1.
Die Betriebsrentner, für deren Ansprüche der Kläger eintrittspflichtig ist,
hatten gegen die Insolvenzschuldnerin einen Anspruch auf gesamtschuldneri-
sche Haftung gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 2 UmwG. Nach dieser
Vorschrift haften die an der Spaltung beteiligten Rechtsträger als Gesamtschuld-
ner für die Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers, die vor dem Wirk-
samwerden der Spaltung begründet worden sind. Erfasst werden auch Versor-
gungsverpflichtungen aufgrund des Betriebsrentengesetzes.
a)
Nach § 133 Abs. 3 Satz 1 UmwG haften die Rechtsträger, denen die Ver-
bindlichkeiten nach § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG im Spaltungs- und Übernahme-
vertrag nicht zugewiesen sind - wie vorliegend die Insolvenzschuldnerin für die
Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung - für diese Verbind-
lichkeiten, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren nach der Spaltung fällig werden.
Nach § 133 Abs. 3 Satz 2 UmwG gilt für Versorgungsverbindlichkeiten eine ge-
genüber der Regelung in § 133 Abs. 3 Satz 1 UmwG verlängerte Frist von zehn
Jahren. Zudem bedarf es innerhalb dieser Frist der Klageerhebung gegen den
Mithaftenden oder einer entsprechenden Geltendmachung
. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
b)
Die Insolvenzschuldnerin haftet gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG für
die Versorgungsverbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers, der K Group
28
29
30
31
- 10 -
3 AZR 304/18
ECLI:DE:BAG:2020:220920.U.3AZR304.18.0
- 11 -
GmbH - später umfirmiert zur S GmbH - mit, da diese Verbindlichkeiten vor dem
Wirksamwerden der Spaltung begründet waren und sie vor Ablauf von zehn Jah-
ren nach der Spaltung fällig geworden sind
.
aa)
Für die Begründung einer Verbindlichkeit im Sinne des § 133 Abs. 1
Satz 1 und Abs. 3 UmwG reicht es aus, wenn der Rechtsgrund für die Entstehung
der Forderung vor dem Wirksamwerden der Ausgliederung gelegt wurde. Nicht
erforderlich ist, dass der Anspruch bereits entstanden ist
. Vertragliche Ansprüche sind in diesem Sinne re-
gelmäßig begründet, wenn der Vertrag vor dem Wirksamwerden der Ausgliede-
rung geschlossen wurde. Bei Dauerschuldverhältnissen wie dem Arbeitsverhält-
nis wird der Rechtsgrund für die einzelnen daraus resultierenden Verbindlichkei-
ten bereits in dem - ggf. vor der Spaltung - geschlossenen Arbeitsvertrag selbst
gelegt. Solche Verbindlichkeiten sind im Sinne von § 133 Abs. 1 UmwG begrün-
det, auch wenn die weiteren Voraussetzungen ihres Entstehens erst nach dem
Wirksamwerden der Ausgliederung erfüllt werden
. Nichts Anderes gilt für Ver-
sorgungsverpflichtungen
.
.
Für die Fälligkeit kommt es auf den einzelnen Anspruch aus dem Dauer-
schuldverhältnis an
.
bb)
Das Landesarbeitsgericht hat insoweit unangegriffen festgestellt, dass
die Versorgungsverpflichtungen, die noch Streitgegenstand sind, sämtlich vor
dem 6. Dezember 2007, also vor dem Tag, an dem die Spaltung in das Handels-
register des übertragenden Rechtsträgers - der damaligen K Group GmbH - ein-
getragen worden ist, begründet worden waren. Auch sind sämtliche streitgegen-
ständlichen Klageforderungen vor Ablauf der Zehnjahresfrist - in der Zeit vom
6. Dezember 2007 bis 6. Dezember 2017
- fällig geworden, da der Kläger nur noch die Feststellung von Forderungen bis
Ende November 2017 geltend macht.
32
33
34
- 11 -
3 AZR 304/18
ECLI:DE:BAG:2020:220920.U.3AZR304.18.0
- 12 -
c)
Der Kläger hat auch vor dem 6. Dezember 2017 Klage erhoben, da diese
bereits am 8. Mai 2017 zugestellt wurde
.
2.
Die gegenüber dem Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwal-
ter wirkende, aus § 133 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 UmwG folgende Haftung der
Insolvenzschuldnerin gegenüber den Versorgungsberechtigten ist mit dem An-
spruchsübergang nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG ebenfalls auf den Kläger als
Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung
gemäß §§ 412, 401 Abs. 1 BGB analog übergegangen. Davon ist das Landesar-
beitsgericht zu Recht ausgegangen.
a)
Beim gesetzlichen Forderungsübergang gehen - über den Wortlaut des
§ 401 Abs. 1 BGB hinaus - Rechte, die als Nebenrechte der Sicherung einer For-
derung dienen, mit der Forderung über, ohne dass es auf weitere Voraussetzun-
gen ankäme.
aa)
Nach § 412 BGB findet § 401 BGB entsprechende Anwendung bei - wie
hier - gesetzlich geregelten Forderungsübergängen. Nach § 401 Abs. 1 BGB ge-
hen mit der abgetretenen - beim gesetzlichen Forderungsübergang der überge-
henden - Forderung die Hypotheken, Schiffshypotheken oder Pfandrechte, die
für sie bestehen, sowie die Rechte aus einer für sie bestellten Bürgschaft auf den
neuen Gläubiger über.
bb)
Die Aufzählung in § 401 Abs. 1 BGB ist indes nicht abschließend, son-
dern nur beispielhaft und analogiefähig, also für eine entsprechende Anwendung
offen
.
(1)
Grundsätzlich bildet der Wortsinn des Wortlauts einer Norm
die Grenze
der Auslegung. Dennoch ist er für die Rechtsanwendung durch die Gerichte keine
unübersteigbare Grenze. Der Richter hat nicht zwingend am Wortsinn des Ge-
setzes haltzumachen
Sowohl seitens der Methodenlehre als auch von Verfassungs
35
36
37
38
39
40
- 12 -
3 AZR 304/18
ECLI:DE:BAG:2020:220920.U.3AZR304.18.0
- 13 -
wegen kann es für ihn wegen der Bindung an Gesetz
„und Recht” nach
geboten sein, das vom Gesetz Gewollte gegen das im Gesetz Ge-
sagte zur Geltung zu bringen. Zur wortsinnübersteigenden Gesetzesanwendung
durch Analogie bedarf es aber einer besonderen Legitimation. Anders als die vom
Gesetzestext sprachlich gedeckte Auslegung hat die Analogie an der demokra-
tisch legitimierten Geltungskraft des Gesetzes nicht gleichsam automatisch teil,
da sie sich außerhalb des vom Gesetzgeber sprachlich gezogenen Anwendungs-
feldes des Gesetzes bewegt und deshalb einer besonderen Begründung bedarf
. Die wortsinnüber-
steigende Gesetzesanwendung durch Analogie erfordert, dass der gesetzes-
sprachlich nicht erfasste, dh. gesetzlich ungeregelte Fall, nach Maßgabe des
Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der
gleichen Rechtsfolge verlangt, wie die gesetzessprachlich erfassten Fälle. Dabei
setzt die Analogie grundsätzlich das Bestehen einer unbewussten Regelungslü-
cke voraus. Hat sich der Gesetzgeber bewusst für die Regelung oder Nichtrege-
lung eines bestimmten Sachverhalts entschieden, sind die Gerichte nicht befugt,
sich über diese gesetzgeberische Entscheidung durch eine Auslegung der Vor-
schrift gegen ihren Wortlaut hinwegzusetzen
.
(2)
Nach diesen Grundsätzen ist die analoge Anwendung von § 401 Abs. 1
BGB vorliegend zulässig. Historische und auch systematische Gesichtspunkte
zeigen, dass der Gesetzgeber von der entsprechenden Anwendung des § 401
Abs. 1 BGB auf andere, der Sicherung der Forderung dienende Nebenrechte
ausging.
(a)
Die
analoge Anwendung der Vorschrift auf nicht ausdrücklich genannte
Nebenrechte wurde im Gesetzgebungsverfahren als selbstverständlich voraus-
gesetzt. Damit fehlt es streng genommen zwar an der unbewussten Regelungs-
lücke. Allerdings entspricht es der ausdrücklichen gesetzgeberischen Entschei-
dung, § 401 Abs. 1 BGB entsprechend auf andere Nebenrechte anzuwenden.
So heißt es i
n den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch
41
42
43
- 13 -
3 AZR 304/18
ECLI:DE:BAG:2020:220920.U.3AZR304.18.0
- 14 -
dazu ua.:
„Der Entwurf enthält keine Bestimmung über die Rechte des neuen
Gläubigers gegen Mitverpflichtete des Schuldners (…). Der neue Gläubiger er-
langt bei Übertragung einer Forderung, für welche mehrere Mitschuldner haften,
unbestreitbar alle Rechte gegen jeden einzelnen Mitschuldner, so wie dieselben
dem bisherigen Gläubiger zustanden. Die Erledigung der Frage aber, welche Wir-
kungen sich ergeben, wenn die Abtretung sich nur auf die Rechte gegen den
Mitschuldner beziehen sollte oder gar die Rechte gegen die übrigen Mitschuldner
ausdrücklich von der Abtretung ausgeschlossen würden, bleibt zweckmäßig der
Wissenschaft und Praxis vorbeh
alten.“ In den Protokollen
heißt es ua.:
„Was den zweiten Satz anlange, so empfehle es sich, mit dem An-
trage 2 nicht von den
‚mit der Forderung verbundenen, zur Verstärkung dersel-
ben dienenden Nebenrechten
‘ zu sprechen, sondern nur die hauptsächlichsten
Nebenrechte dieser Art (Bürgschaft und Pfandrecht) zu erwähnen, wodurch das
Gesetz an Verständlichkeit gewinne. Die Fassung des Entw. sei zu allgemein;
unter den Begriff verstärkender Nebenrechte könne man Rechte bringen, auf wel-
che die Vorschrift nicht passe
… Die konkrete Formulierung des Antrags 2
schließe selbstverständlich die Anwendung der Bestimmung auf andere Neben-
rechte im Wege der Analogie nicht aus.“ Bei Schaffung des BGB war es demnach
als selbstverständlich erachtet worden, dass - jedenfalls sofern nicht etwas an-
deres vereinbart ist - Nebenrechte jeder Art
übergehen können
.
(b)
Systema
tische Gesichtspunkte bestätigen dieses Ergebnis. Einige der
nach der Änderung des Entwurfs gesetzlich benannten Nebenrechte gehen oh-
nehin kraft gesetzlicher Regelungen über - so gemäß § 1153 Abs. 1 BGB (mit
der Übertragung der Forderung geht die Hypothek auf den neuen Gläubiger über)
und § 1250 Abs. 1 Satz 1 BGB (mit der Übertragung der Forderung geht das
Pfandrecht auf den neuen Gläubiger über). Ihre beispielhafte Aufzählung in § 401
Abs. 1 BGB dient nur der Verständlichkeit.
44
- 14 -
3 AZR 304/18
ECLI:DE:BAG:2020:220920.U.3AZR304.18.0
- 15 -
(c)
Die analoge Anwendung der Regelung auf sonstige Nebenrechte ent-
spricht daher der Konzeption des Gesetzes.
Denn für die Beantwortung der
Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt auch
den Gesetzesmaterialien und der Systematik des Gesetzes eine nicht unerhebli-
che Indizwirkung zu
. Das gesetzgeberische
Ziel darf nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht werden
.
Das erlaubt und erfordert auch den Rückgriff auf die Arbeit der Kommissionen,
die der Vorbereitung des BGB dienten, also der Kodifizierung, der Vereinheitli-
chung in einem Gesetzeswerk, des deutschen bürgerlichen Rechts. Denn die
Beratungen der gesetzgebenden Körperschaften für dieses zentrale Gesetzge-
bungsvorhaben schlossen sich seinerzeit unmittelbar an diese Vorarbeiten an
.
cc)
Mit der Forderung gehen danach jedenfalls die - wie die ausdrücklich in
§ 401 Abs. 1 BGB genannten Rechte - zur Sicherung der Forderung eingeräum-
ten und mit ihr akzessorisch verbundenen Sicherungsrechte, die nur der Verstär-
kung der Forderung dienen, über
.
dd)
Nicht mit der Forderung gehen dagegen solche Rechte über, bei denen
dies von vornherein nicht passt. Das gilt insbesondere für solche Rechte, die im
engeren Sinne dinglich begründet sind, wie die Sicherungsabtretung
,
die Sicherungsübereignung
oder der Eigentumsvorbehalt
. Das ergibt sich
schon daraus, dass diese Sicherungsinstrumente einer eigenständigen Konzep-
tion unterliegen, die der allgemeinen Schaffung von Liquidität im Geschäftsver-
kehr dient
45
46
47
- 15 -
3 AZR 304/18
ECLI:DE:BAG:2020:220920.U.3AZR304.18.0
- 16 -
, und damit letztlich nicht in hinreichendem
Zusammenhang zu einer einzelnen Forderung stehen. Die Anwendung von
§ 401 Abs. 1 BGB führte in diesem Zusammenhang daher zu einer funktionswid-
rigen Störung des Geschäftsverkehrs. Hinsichtlich Sicherungseigentum und Ei-
gentumsvorbehalt gelten zudem mit §§ 929 ff. BGB eigene Regelungen für die
Übertragung
.
Gleiches gilt für eine Sicherungsgrundschuld
, denn der Gesetzgeber hat die
Grundschuld im Gegensatz zur in § 401 Abs. 1 BGB ausdrücklich aufgeführten
Hypothek als nicht-akzessorisch ausgestaltet
.
ee)
Maßgeblich ist also, ob das jeweils in Rede stehende Recht als Neben-
recht, das der Sicherung einer Forderung dient, anzusehen ist oder nicht; nicht
übergehen eigenständig am Wirtschaftsverkehr teilnehmende Sicherungsmittel.
Auf weitere Voraussetzungen kommt es nicht an. Nur dies führt zu passenden
Ergebnissen.
(1)
§ 401 Abs. 1 BGB bezweckt, dass bei der Übertragung einer Forderung
die mit ihr verbundenen rechtlichen Vergünstigungen und Vorteile auch dem
neuen Gläubiger erhalten bleiben
. Bei der
Abtretung der Hauptforderung gehen deshalb auch solche Nebenrechte auf den
neuen Gläubiger über, die zwar nicht in § 401 Abs. 1 BGB ausdrücklich genannt
sind, aber gleichwohl der Verwirklichung und Sicherung der Hauptforderung die-
nen
. Die gesetzlichen Bestimmun-
gen der §§ 401, 412 BGB stellen sicher, dass das Rückgriffsrecht des Leistenden
grundsätzlich den gleichen Inhalt und Umfang hat wie das Gläubigerrecht, auf
das er seine Leistung erbracht hat
. Damit wird dem Zessionar der wirtschaftliche
Vollwert der abgetretenen Forderung verschafft
48
49
50
- 16 -
3 AZR 304/18
ECLI:DE:BAG:2020:220920.U.3AZR304.18.0
- 17 -
. Die Lage des Schuldners soll sich durch den For-
derungsübergang nicht verschlechtern, aber auch nicht verbessern. Das gilt
ebenso für denjenigen, der für den Schuldner haftet
.
(2)
Für dieses Ergebnis spricht zudem, dass § 401 Abs. 1 BGB gerade nicht
nur für die Forderungsabtretung, sondern nach § 412 BGB entsprechend auch
für den gesetzlichen Forderungsübergang gilt. Gesetzliche Forderungsüber-
gänge dienen dem Schutz eines Dritten, häufig, weil er Leistungen an den Alt-
gläubiger zu erbringen hat. Der Schutz Dritter wäre aber unvollständig, wenn
ihnen nicht die volle rechtlich als Sicherung ausgestaltete Position des Altgläubi-
gers zugutekäme.
Allerdings kann es bei einem gesetzlichen Forderungsübergang dazu
kommen, dass ein Sicherungsrecht gerade nicht übergeht. Das ist der Fall, wenn
der gesetzliche Forderungsübergang in einem rechtssystematischen Zusam-
menhang steht, aus dem sich ergibt, dass bestimmte Leistungsrisiken gerade
beim Dritten verbleiben sollen
.
(3)
Dementsprechend hat der Senat bereits entschieden und näher begrün-
det, dass mit dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Leistung der betrieblichen
Altersversorgung auch die durch den Schuldbeitritt eines Dritten entstandene
Forderung auf den Kläger übergeht
. Gleiches gilt nach der
Rechtsprechung des Senats für den Fall einer Gesamtschuld aufgrund eines
Schuldbeitritts kraft Gesetzes
. Der Senat ist dabei der Entscheidung des Bundes-
gerichtshofs vom 24. November 1971
gefolgt, bei der es um eine
Mitschuldverpflichtung einer weiteren Person und einen Forderungsübergang
nach der Vorgängerregelung zu § 86 VVG ging. Von diesen Grundsätzen ist der
Bundesgerichtshof auch in der Entscheidung vom 23. November 1999
ausgegangen. Ähnliche Grundsätze liegen auch der Entscheidung des
Bundesgerichtshofs vom 19. März 1998
51
52
53
- 17 -
3 AZR 304/18
ECLI:DE:BAG:2020:220920.U.3AZR304.18.0
- 18 -
, die den Auszahlungsanspruch aus einem Notar-Anderkonto
betraf.
b)
Danach gehen die Ansprüche nach § 133 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 3
UmwG gemäß § 9 Abs. 2 BetrAVG iVm. § 412 und § 401 Abs. 1 BGB analog auf
den Kläger über
.
aa)
Das folgt allerdings noch nicht allein daraus, dass das Gesetz eine Ge-
samtschuld anordnet. Denn in diesen Fällen kann ebenso gut eine nicht dem
Sicherungszweck dienende selbständige Schuld vorliegen, die nicht zu einer An-
wendung von § 401 Abs. 1 BGB führt. Derartige Fallgestaltungen lagen den Ent-
scheidungen des Bundesgerichtshofs vom 23. Mai 1960
sowie vom 15. Oktober 1963
und
vom 27. Juli 2010
zugrunde. Aussagen über eine ge-
setzlich oder vertraglich zu Sicherungszwecken angeordnete Gesamtschuld sind
diesen Entscheidungen nicht zu entnehmen
.
bb)
Die gesamtschuldnerische Haftung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3
UmwG ist jedoch aufgrund ihrer gesetzlichen Ausgestaltung ein Nebenrecht iSv.
§ 401 Abs. 1 BGB, das der Sicherung der auf den Kläger übergegangenen Be-
triebsrentenansprüche dient.
(1)
Das in § 133 UmwG niedergelegte Haftungssystem mit seiner be-
schränkten Gesamtschuld des Rechtsträgers, dem Verbindlichkeiten nicht zuge-
wiesen werden, dient dazu, Missbräuchen - etwa durch Zuweisung von Aktiva,
also Vermögen, an einen und Passiva, also Verbindlichkeiten, an einen anderen
Rechtsträger - vorzubeugen
Entgegen der Ansicht der
54
55
56
57
- 18 -
3 AZR 304/18
ECLI:DE:BAG:2020:220920.U.3AZR304.18.0
- 19 -
Revision geschieht dies jedoch nicht zu dem Zweck, derartige Zuweisungen zu
verhindern
. Die Möglichkeit einer derartigen Zuweisung soll
vielmehr nicht eingeschränkt werden. Jedoch soll den Gläubigern die bisher vor-
handene Haftungsmasse erhalten bleiben, indem eine unbeschränkte gesamt-
schuldnerische Haftung für Altverbindlichkeiten vorgesehen ist
. Dabei ist diese Haftung zeitlich gemäß § 133 Abs. 3 UmwG beschränkt,
um eine Endloshaftung zu vermeiden
. Dieses System
der spaltungsrechtlichen Transferhaftung soll die jeweiligen Gläubiger des abge-
benden Rechtsträgers vor einem Werthaltigkeitsverlust ihrer Forderungen schüt-
zen und ist das notwendige Gegenstück zur Spaltungsfreiheit
.
(2)
Dass der gesamtschuldnerische Anspruch nach § 133 Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 3 UmwG keinen eigenständigen, nicht Sicherungszwecken dienenden An-
spruch begründet, wird auch in der unterschiedlichen Ausgestaltung der Haftung
deutlich. Während die Haftung desjenigen, dem eine Verbindlichkeit im Rahmen
der Spaltung zugewiesen wurde (sog. Hauptschuldner) zeitlich unbeschränkt ist
, ist die Haftung
des „Mithafters“ für Verbindlichkeiten, die ihm nach § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG
im Spaltungs- und Übernahmevertrag nicht zugewiesen worden sind - gemäß
auf solche Verbindlichkeiten begrenzt. Er haftet nur
für Verbindlichkeiten, die vor Ablauf von fünf bzw. bei betrieblicher Altersversor-
gung von zehn Jahren
nach der Spaltung fällig wer-
den und rechtzeitig gerichtlich oder in vergleichbarer Form geltend gemacht wur-
den
.
Aufgrund dieser besonderen gesetzlichen Regelung unterscheidet sich
die Gesamtschuld in § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG maßgeblich von der schlichten
Gesamtschuld in §§ 421 ff. BGB, der eigenständige Ansprüche ohne Sicherungs-
zweck zugrunde liegen können. Steht aber die Sicherungsfunktion im Vorder-
grund, so rechtfertigt sich hieraus der Übergang nach §§ 412, 401 Abs. 1 BGB
analog auf den Träger der Insolvenzsicherung - den Kläger - im Fall des § 9
58
59
- 19 -
3 AZR 304/18
ECLI:DE:BAG:2020:220920.U.3AZR304.18.0
- 20 -
Abs. 2 Satz 1 BetrAVG
.
(3)
Darüber hinaus ist zu beachten, dass in § 133 Abs. 3 Satz 2 UmwG aus-
drücklich Versorgungsansprüche nach dem Betriebsrentengesetz geregelt sind.
Die Haftung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 UmwG für Betriebsrentenan-
sprüche wird regelmäßig dann in der Praxis relevant, wenn der Hauptschuldner
der Versorgungsansprüche - der ehemalige Arbeitgeber - insolvent ist und die
Eintrittspflicht des Klägers nach § 7 Abs. 1 BetrAVG zum Tragen kommt. Der Ar-
beitnehmer wird im Regelfall den mithaftenden Schuldner erst dann in Anspruch
nehmen, wenn der Arbeitgeber und Hauptschuldner nicht (mehr) zahlt, also typi-
scherweise im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers. In diesen praktisch relevan-
ten Fällen ist es aber allein der Kläger als Träger der Insolvenzsicherung, auf den
die Ansprüche der Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG übergehen
können. Gehen die Ansprüche auf ihn über, dann muss er als - den Arbeitneh-
mern nachfolgender - Gläubiger auch Zugriff auf den Mithaftenden nach § 133
Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 UmwG haben. Anderenfalls liefe diese vom Gesetz aus-
drücklich vorgesehene, gegenüber anderen Forderungen erheblich verlängerte
Mithaftung in vielen Fällen leer oder könnte erst durch einzeln zu erfolgende Ab-
tretungen der Arbeitnehmer an den Kläger durchgesetzt werden, was zu zeitli-
chen Verzögerungen und tatsächlichen Schwierigkeiten führen würde.
cc)
Dem Übergang der Forderung steht nicht entgegen, dass der gesetzliche
Forderungsübergang nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG in einem rechtssystemati-
schen Zusammenhang steht, wonach die Risiken gerade beim Kläger verbleiben
sollen. Das ist nicht der Fall. Vielmehr verliert der Betriebsrentner im Sicherungs-
fall des § 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG, also der Insolvenzeröffnung, vollständig seine
Ansprüche gegen Dritte. Er muss sich nach § 7 Abs. 4 Satz 1 BetrAVG nur tat-
sächlich erbrachte Leistungen solcher Dritter, nicht jedoch bestehende Ansprü-
che anrechnen lassen. Im Gegenzug gehen alle Rechte des Betriebsrentners auf
60
61
- 20 -
3 AZR 304/18
ECLI:DE:BAG:2020:220920.U.3AZR304.18.0
den PSV - den Kläger - nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG über
. Für
Leistungsrisiken des Klägers zugunsten Dritter lässt das System keinen Raum.
Das unterscheidet den vorliegenden Fall von den Annahmen, die der Fünfte Se-
nat des Bundesarbeitsgerichts seinem Urteil
vom
8. Dezember
2010
zugrunde gelegt hat.
IV.
Die Forderungshöhe ist zwischen den Parteien unstreitig.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Zwanziger
Roloff
Günther-Gräff
Wischnath
S. Hopfner
62
63