Urteil des BAG vom 21.07.2020

Kürzung einer Pensionskassenrente - Eintrittspflicht des PSV

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 21. Juli 2020
Dritter Senat
- 3 AZR 142/16 -
ECLI:DE:BAG:2020:210720.U.3AZR142.16.0
I. Arbeitsgericht Köln
Urteil vom 30. Januar 2014
- 6 Ca 3482/13 -
II. Landesarbeitsgericht Köln
Urteil vom 2. Oktober 2015
- 10 Sa 4/15 -
Entscheidungsstichworte:
Kürzung einer Pensionskassenrente - Eintrittspflicht des PSV
Leitsätze:
1. § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG bestimmt im Wege einer gesetzlich unwi-
derlegbaren Vermutung einen auf zwei Jahre begrenzten, objektiven
Ausschluss und erfasst in seiner seit dem 1. Januar 2005 geltenden Fas-
sung auch Zusagen und Verbesserungen von bestehenden Zusagen
- wie etwa Anpassungen nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG -, die auf
einem (streitigen) Urteil beruhen.
2. Der Pensions-Sicherungs-Verein VVaG als Träger der gesetzlichen
Insolvenzsicherung haftet nach § 30 Abs. 3 BetrAVG idF des Siebten Ge-
setzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer
Gesetze vom 12. Juni 2020
für die Einstandspflicht
eines insolventen Arbeitgebers, wenn der Siche-
rungsfall vor dem 1. Januar 2022 eingetreten ist und die Pensionskasse
die nach der Versorgungszusage des Arbeitgebers vorgesehenen Leis-
tungen um mehr als die Hälfte kürzt oder das Einkommen des ehemali-
gen Arbeitnehmers wegen der Kürzung unter die von Eurostat für
Deutschland ermittelte Armutsgefährdungsschwelle fällt.
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- 2 -
BUNDESARBEITSGERICHT
3 AZR 142/16
10 Sa 4/15
Landesarbeitsgericht
Köln
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
21. Juli 2020
URTEIL
Kaufhold, Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In Sachen
Beklagter, Berufungsbeklagter und Revisionskläger,
pp.
Kläger, Berufungskläger und Revisionsbeklagter,
hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 21. Juli 2020 durch den Richter am Bundesarbeitsgericht
Prof. Dr. Spinner als Vorsitzenden, den Richter am Bundesarbeitsgericht
Dr. Roloff und die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Günther-Gräff sowie
die ehrenamtliche Richterin Schüßler und den ehrenamtlichen Richter Holler für
Recht erkannt:
- 2 -
3 AZR 142/16
ECLI:DE:BAG:2020:210720.U.3AZR142.16.0
- 3 -
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Lan-
desarbeitsgerichts Köln vom 2. Oktober 2015 - 10 Sa
4/15 - teilweise aufgehoben und hinsichtlich der Sachent-
scheidung zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung
der weiter gehenden Berufung - das Urteil des Arbeitsge-
richts Köln vom 30. Januar 2014 - 6 Ca 3482/13 - teilweise
abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab Dezem-
ber 2014 jeweils im Dezember eines Jahres ein Weih-
nachtsgeld iHv. 1.451,05 Euro brutto zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen. Die
Kosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens und der Beru-
fung haben der Kläger zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3 zu
tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Pflicht des Beklagten als Träger der ge-
setzlichen Insolvenzsicherung für gerichtlich durchgesetzte Anpassungen lau-
fender Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zum 1. Dezember 2003
und zum 1. Dezember 2009 sowie für die Einstandspflicht des ehemaligen Ar-
beitgebers des Klägers für Leistungsherabsetzungen durch eine Pensionskasse
einzutreten.
Der Kläger schloss im September 1977 mit der N GmbH - einem
damals noch zum D-Konzern gehörenden Unternehmen - einen Arbeits-
vertrag mit Wirkung vom 1. Oktober 1977. Dieser bestimmt in seinem § 7:
„Für das Arbeitsverhältnis gelten weiterhin die Arbeitsord-
nung der D in ihrer jeweiligen Fassung, die tarif-
lichen Bestimmungen für die chemische Industrie, Tarifbe-
reich Hessen, sowie die gesetzlichen Vorschriften. Die
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2
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derzeit gültige Fassung der D-Arbeitsordnung ist
beigefügt.“
Die vom Gesamtbetriebsrat und dem Vorstand der D gezeichne-
te D-Arbeitsordnung vom 24. Oktober 1974 bestimmt in ihrem Ab-
schnitt B Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ua.:
„1. Pensionskasse
Jeder Arbeitnehmer ist verpflichtet, seine Aufnahme in die
D-Pensionskasse zu beantragen, es sei denn, daß
er satzungsgemäß nicht Mitglied werden kann. Nach sei-
ner Aufnahme muß er während der Dauer des Arbeitsver-
h
ältnisses Mitglied bleiben.“
Der Arbeitsvertrag wurde dem Kläger mit einem Einstellungsschreiben
vom 5. September 1977 übersandt. Darin ist ua. folgender Hinweis enthalten:
„Nach 6 Monaten Firmenzugehörigkeit werden Sie mit
dem ersten Tag des folgenden Kalendervierteljahres Mit-
glied der D-
Pensionskasse.“
Die Satzung der D-Pensionskasse regelt ua.:
㤠1
Name, Form, Sitz und Zweck der Kasse
1.
Die
Kasse
führt
den
Namen
D-Pensions-
kasse.
2.
Die Kasse ist ein kleinerer Versicherungsverein auf
Gegenseitigkeit im Sinne des § 53 des Versiche-
rungsaufsichtsgesetzes.
3.
Der Sitz der Kasse ist F.
4.
Die Kasse hat den Zweck, ihren Mitgliedern und de-
ren Hinterbliebenen nach dieser Satzung Pensionen
(Ruhegeld, Witwengeld, Waisengeld) zu zahlen.
§ 2
Mitgliedschaft
1.
Die über 21 Jahre alten Beschäftigten der D
können ordentliche Mitglieder der Kasse werden. …
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3.
Der Kassenvorstand kann im Einvernehmen mit der
D
die
Belegschaftsmitglieder
einer
anderen
Firma (angeschlossene Firma) zur ordentlichen Mit-
gliedschaft zulassen. …
§ 3
Beginn und Ende der Mitgliedschaft
1.
Ein Beschäftigter, der die Voraussetzungen des § 2
Abs. 1 erfüllt, wird Kassenmitglied, wenn ihm nicht
binnen einem Monat nach Eingang seiner Anmel-
dung bei der Kasse eine Ablehnung des Kassenvor-
standes zugeht. Die Mitgliedschaft beginnt nach Ab-
lauf
einer
6-monatigen
Zugehörigkeit
zur
D
oder zu der angeschlossenen Firma mit dem ersten
Tage des folgenden Kalendervierteljahres.
§ 4
Einnahmen der Kasse
Die Kasse hat folgende Einnahmen:
1.
Mitgliederbeiträge,
2.
Ausgleichsbeiträge
der
D
und
der
ange-
schlossenen Firmen,
§ 5
Mitgliederbeiträge
1.
Für ordentliche Mitglieder beträgt der monatliche
Mitgliederbeitrag 2% des beitragspflichtigen Ein-
kommens. …
2.
Der Mitgliederbeitrag ist monatlich nachträglich zu
entrichten. Die D und die angeschlossenen
Firmen behalten die Beiträge ihrer Beschäftigten vom
Arbeitsentgelt ein und führen sie kostenfrei an die
Kasse ab.
3.
Für angeschlossene Mitglieder wird das beitrags-
pflichtige Einkommen vom Kassenvorstand festge-
setzt. Angeschlossene Mitglieder zahlen zu ihren
Mitgliederbeiträgen einen Zuschlag von 150%.
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.
§ 6
Ausgleichsbeiträge
1.
Das Vermögen der Kasse wird durch Ausgleichsbei-
träge der D und der angeschlossenen Firmen
in dem Umfang aufgefüllt, wie es nach dem von der
Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsplan in
Verbindung mit der nach § 21 aufzustellenden versi-
cherungstechnischen Bilanz erforderlich i
st. …“
Bei der N GmbH galt seit dem 1.
Oktober 1976 eine „Betriebs-
vereinbarung über die Weihnachtsvergütung für Pe
nsionäre“ vom 20. Oktober
1976, die auszugsweise lautet:
㤠1
(1) Jeder
Ruhegeldempfänger
der
D-Pensions-
kasse (DuPk) und/oder Beamten-Pensionskasse der
D
(BPK),
der
als
Belegschaftsmitglied
der
N in den Ruhestand getreten ist, erhält jedes
Kalenderjahr als zusätzliche Versorgungsleistung
- die historisch bedingt wegen des üblichen Auszah-
lungstermins als Weihnachtsvergütung für Pensionä-
re bezeichnet wird - einen Grundbetrag von 10 %
seines letzten Monatseinkommens und dazu für je-
den
vollendete
D/N-Dienstjahr
einen
Steigerungsbetrag von 1 % dieses Monatseinkom-
mens. Das gleiche gilt für Mitarbeiter, die ohne Ru-
hegeldempfänger der DuPK und/oder BPK zu sein,
Pensionsleistungen der N erhalten, auf die ein
Rechtsanspruch besteht, sofern sie bis zum Eintritt
des Pensionsfalls mindestens fünf anrechenbare
N-Dienstjahre zurückgelegt haben. Bei unter-
brochener
Betriebszugehörigkeit
besteht
kein
Rechtsanspruch auf Anrechnung der Dienstjahre, die
vor der letzten Unterbrechung liegen.
Darüber hinaus galt bei der N GmbH ab dem 1. August 1978 ei-
ne „Betriebsvereinbarung über die Zahlung einer Pensionszulage“ vom 31. Juli
1978. Diese regelt auszugsweise:
㤠1
Die N gibt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,
mit Ausnahme der Personen mit einzelvertraglicher Pen-
sionsregelung für den Teil des Arbeitseinkommens, der
über
der
Beitragsbemessungsgrenze
der
D-
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Pensionskasse (DuPK) liegt, eine Zusage über die Zah-
lung einer Pensionszulage.
Die Bezeichnung Pensionskasse der chemischen Indus-
trie Deutschlands tritt für die dieser Kasse angehörigen
Mitglieder an die Stelle der in dieser Betriebsvereinbarung
genannten D-Pensionskasse (DuPK).
§ 2
(1) Ein Anspruch auf Pensionszulage entsteht zuguns-
ten von Personen, die wegen Erreichens der Alters-
grenze oder wegen Arbeitsunfähigkeit in den Ruhe-
stand getreten sind oder die nach ihrem Ausscheiden
aus der N gesetzliche Ansprüche nach dem
Betriebsrentengesetz erworben haben. Er entsteht
außerdem für Hinterbliebene von Personen, die als
Mitarbeiter der N oder als Empfänger einer
Pensionszulage gemäß dieser Betriebsvereinbarung
gestorben sind.
(2) Die Pensionszulage wird mit Beginn des Monats ge-
zahlt, der auf das Erreichen der Altersgrenze, den
Beginn der Arbeitsunfähigkeit (Berufsunfähigkeit
oder Erwerbsunfähigkeit) oder auf den Todesfall
folgt, aber nicht vor dem Zeitpunkt, zu dem die Zah-
lung eines Entgeltes aus dem Arbeitsverhältnis auf-
hört.
Die N GmbH beendete mit Ablauf des 30. Juni 1980 ihre Stellung
als angeschlossene Firma der D-Pensionskasse und schloss deshalb
mit ihrem Betriebsrat unter dem 5.
Mai 1980 die „Betriebsvereinbarung über die
Mitgliedschaft in der Pensionskasse der Chemischen Industrie Deutschlands
(PKCh)“. Diese beinhaltet ua. folgende Regelungen:
㤠1
1.1 Im Einvernehmen mit dem Betriebsrat beendet die
N ihre Stellung als angeschlossene Firma der
D-Pensionskasse
am
30.06.1980,
24.00 Uhr, und schließt sich ab 01.07.1980,
0.00 Uhr, als Kassenfirma der Pensionskasse der
chemischen Industrie Deutschlands an.
1.2 Mit dem gleichen Datum endet die Mitgliedschaft al-
ler
bisherigen
Kassenmitglieder
der
D-
Pensionskasse. Sie werden ab 01.07.1980, 0.00 Uhr,
Firmenmitglieder der Pensionskasse der chemischen
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Industrie Deutschlands. Das für jedes Mitglied er-
rechnete
Deckungskapital
der
D-
Pensionskasse zum 30.06.1980 wird in voller Höhe
auf die Pensionskasse der chemischen Industrie
Deutschlands übertragen, um dort in eine Pensions-
anwartschaft mit sofortigem Pensionsanspruch um-
gerechnet zu werden.
§ 2
Alle weiteren Rechte, Pflichten, Ansprüche, Berechnungen
der Pensionsanwartschaften usw. regeln sich ab dem
01.07.1980 nach der Satzung der Pensionskasse der
chemischen Industrie Deutschlands, sowie den allgemei-
nen Versicherungsbedingungen (AVB) und Tarifbedingun-
gen (TAB).“
Die Pensionskasse der chemischen Industrie Deutschlands heißt mitt-
lerweile Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft (nachfolgend PKDW). De-
ren Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) und Tarifbedingungen (TaB)
lauten in der Fassung vom 1. Dezember 1999 auszugsweise wie folgt:
Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB)
§ 15 a
Überschußbeteiligung
1.
Damit der vereinbarte Versicherungsschutz zu jedem
Zeitpunkt der Versicherungsdauer gewährleistet ist,
werden für die eingegangenen Verpflichtungen
Rückstellungen gebildet. Die zur Bedeckung dieser
Rückstellungen erforderlichen Mittel werden angelegt
und erbringen Kapitalerträge. Aus diesen Kapitaler-
trägen, den Versicherungsbeiträgen und den ange-
legten Mitteln werden die zugesagten Versicherungs-
leistungen erbracht, sowie die Kosten von Abschluß
und Verwaltung des Vertrages gedeckt. Je größer
die Erträge aus den Kapitalanlagen sind, je weniger
Versicherungsfälle eintreten und je kostengünstiger
die Pensionskasse arbeitet, umso größer sind dann
entstehende Überschüsse. Die Überschußermittlung
erfolgt nach den Vorschriften des Handelsgesetzbu-
ches (HGB) und des Versicherungsaufsichtsgeset-
zes (VAG) und den dazu erlassenen Rechtsverord-
nungen.
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\
2.
Alle Versicherungsverträge werden nach Maßgabe
des § 22 der Satzung angemessen und verursa-
chungsgerecht am Überschuß beteiligt. Dies wird
von der Aufsichtsbehörde überwacht.
§ 25
Berufsunfähigkeitspension
1.
Berufsunfähigkeitspension erhält das Mitglied, das
nach Beginn des Versicherungsschutzes und wäh-
rend der Versicherungsdauer berufs- oder erwerbs-
unfähig geworden und deshalb gegebenenfalls aus
dem Berufsleben ausgeschieden ist.
Bestand zu Beginn der Versicherung eine Erwerbs-
beschränkung, so kann Anspruch auf Berufsunfähig-
keitspension erst erhoben werden, wenn mehr als
die Hälfte der zu Beginn der Versicherung vorhanden
gewesenen Erwerbsfähigkeit im Sinne von Ziffer 2
eingebüßt ist.
Tarifbedingungen (TaB)
Tarif A
A § 1
Beiträge
1.
Der Regelbeitrag beträgt 6 % des pensionsfähigen
Arbeitsverdienstes (§ 12 AVB). Er ist zu 1/3 vom Mit-
glied (Mitgliedsanteil) und zu 2/3 von der Kassenfir-
ma (Firmenanteil) zu tragen.
Die Pensionskasse kann auf Antrag ein anderes Auf-
teilungsverhältnis zulassen.
Für Einzelmitglieder gilt § 10 Ziffer 2 AVB.
A § 4
Pensionshöhe
1.
Der Jahresbetrag der Pension setzt sich aus Steige-
rungsbeträgen zusammen, die von den in jedem Ka-
lenderjahr gezahlten Beiträgen sowie von dem Le-
bensalter des Mitglieds im Jahr der Beitragszahlung
abhängig sind.
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2.
Die Steigerungsbeträge ergeben sich aus den fol-
genden auf die laufenden Beiträge bezogenen Pro-
zentsätzen:
…“
Im Februar 1998 ging der Geschäftsbereich „Behältertechnik“, in dem
der Kläger eingesetzt war, im Wege eines Betriebsübergangs auf die neu ge-
gründete L R GmbH - die ab dem Jahr 2010 als L S GmbH firmierte -, die spä-
tere Insolvenzschuldnerin (nachfolgend Insolvenzschuldnerin), über.
Das zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin bestehende
Arbeitsverhältnis endete zum 30. November 2000. Ab dem 30. November/
1. Dezember 2000 bezieht der Kläger eine betriebliche Invaliditätsversorgung.
Diese setzt sich aus drei Bestandteilen zusammen und zwar einer Pensionszu-
lage iHv. umgerechnet 398,90 Euro brutto monatlich, einem Weihnachtsgeld für
Pensionäre iHv. umgerechnet 1.451,05 Euro brutto jährlich und einer Pensions-
kassenrente iHv. zunächst umgerechnet 877,81 Euro brutto monatlich. Letztere
hat sich aufgrund der Zuweisung unbefristeter Gewinnanteile bis zum 30. Juni
2003 auf 899,23 Euro brutto erhöht. Von der Ausgangsrente iHv. 877,81 Euro
brutto beruhten 585,21 Euro brutto auf Beiträgen der früheren Arbeitgeberinnen
und 292,60 Euro brutto auf Eigenbeiträgen des Klägers. Ende Juni 2003 betru-
gen diese Werte 599,49 Euro brutto für den auf Arbeitgeberbeiträgen und
299,74 Euro brutto für den auf Eigenbeiträgen beruhenden Teil der Pensions-
kassenrente.
Zum 31. Dezember 2002 stellten die versicherungsmathematischen
Sachverständigen der PKDW einen Fehlbetrag iHv. 153,5 Mio. Euro fest. Die
Mitgliederversammlung der PKDW fasste unter dem 27. Juni 2003 den Be-
schluss, die einer Herabsetzung unterliegenden Pensionen jeweils zum 1. Juli
eines Jahres, beginnend mit dem 1. Juli 2003, jährlich um 1,4 vH herabzuset-
zen, soweit die Pension zu diesem Zeitpunkt mindestens sechs Monate ge-
währt worden ist. Die Höhe der versicherten Anwartschaften blieb unverändert.
Kapitalabfindungen wurden wertmäßig entsprechend angepasst. Der Wert der
Leistungsherabsetzung ist dabei insgesamt auf den Wert der in der Vergangen-
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heit gewährten Gewinnanteile beschränkt. Entsprechend diesem Beschluss
wurden die Versorgungsansprüche der Pensionäre von der PKDW jeweils zum
1. Juli eines Kalenderjahres um 1,4 vH pro Jahr der von der PKDW gewährten
Altersversorgung gekürzt. Die Versorgungsleistung für den Kläger wurde zu-
nächst um 1,4 vH verringert; in den darauffolgenden Jahren wurde der Kür-
zungsfaktor auf 1,34 vH zum 1. Juli 2008, auf 1,31 vH zum 1. Juli 2009, auf
1,26 vH zum 1. Juli 2010 und auf 1,25 vH zum 1. Juli 2013 gesenkt. Für die
weiteren Jahre ist die jährliche Herabsetzung auf 1,25 vH festgeschrieben.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2010 forderte der Kläger die spätere
Insolvenzschuldnerin auf, die durch die PKDW seit dem 1. Juli 2003 vorge-
nommenen Kürzungen aufgrund ihrer Einstandspflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 3
BetrAVG auszugleichen und die Pensionskassenrente nach § 16 Abs. 1 und
Abs. 2 BetrAVG zum 1. Dezember 2003, zum 1. Dezember 2006 und zum
1. Dezember 2009 anzupassen. Mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2010 erhob
der Kläger beim damaligen Arbeitsgericht Hanau Zahlungsklage gegen die spä-
tere Insolvenzschuldnerin auf Ausgleich der bisherigen und künftigen Leis-
tungsherabsetzungen durch die PKDW und auf die sich aus einer Anpassung
der Pensionskassenrente nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG ergebenden
Erhöhungsbeträge. Das Arbeitsgericht Hanau verurteilte die spätere Insolvenz-
schuldnerin mit Teilurteil vom 14. Juni 2011 zur Zahlung der durch die Leis-
tungsherabsetzung eingetretenen Kürzungen der Pensionskassenrente für die
Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2010 und zur Zahlung der sich
aus einer Anpassung der Pensionskassenrente nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2
BetrAVG zum 1. Dezember 2003 ergebenden Erhöhungsbeträge für die Zeit
vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2010. Am 22. Juli 2011 legten die
Prozessbevollmächtigten der späteren Insolvenzschuldnerin Berufung gegen
das Teilurteil des Arbeitsgerichts Hanau ein.
Bereits mit einem Schriftsatz vom 12. Juli 2011 hatte der Kläger seine
Klage vor dem Arbeitsgericht Hanau auf Zahlung der sich aus einer Anpassung
nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG zum 1. Dezember 2003, zum
1. Dezember 2006 und zum 1. Dezember 2009 ergebenden Erhöhungsbeträge
der monatlichen Pensionszulage und des jährlichen Weihnachtsgelds erweitert.
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Mit Schlussurteil vom 29. November 2011 verurteilte das Arbeitsgericht
Hanau die spätere Insolvenzschuldnerin auch zur Zahlung der Erhöhung auf-
grund einer Anpassung der Pensionskassenrente nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2
BetrAVG zum 1. Dezember 2009 und zur Zahlung der entsprechenden Anpas-
sungen der Pensionszulage und des Weihnachtsgelds jeweils zum
1. Dezember 2003 und zum 1. Dezember 2009. Hinsichtlich der Zahlungen aus
einer Erhöhung der jeweiligen laufenden Leistungen zum 1. Dezember 2006 hat
das Arbeitsgericht Hanau die Klage abgewiesen. Dieses Urteil wurde dem Klä-
ger am 1. Dezember 2011 und der späteren Insolvenzschuldnerin am
6. Dezember 2011 zugestellt. Gegen dieses Schlussurteil wurde weder vom
Kläger noch von der späteren Insolvenzschuldnerin Berufung eingelegt.
Mit Beschluss vom 30. Januar 2012 eröffnete das Amtsgericht Hanau
das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin.
Der Beklagte teilte dem Kläger durch Leistungsbescheide vom
12. September 2012 mit, dass er die Pensionszulage iHv. 398,90 Euro brutto
monatlich und das Weihnachtsgeld für Pensionäre iHv. 1.451,05 Euro brutto
jährlich leisten werde.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger von dem Beklagten einerseits die
Zahlung der durch das Teil- und das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Hanau
erstrittenen Anpassungsforderungen auf die Pensionszulage, das Weihnachts-
geld für Pensionäre sowie die Pensionskassenrente und andererseits die Zah-
lung der - von der Insolvenzschuldnerin noch bis zum 30. November 2011 ge-
leisteten - Auffüllbeträge für die von der PKDW vorgenommenen Herabsetzun-
gen der Pensionskassenrente.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei verpflichtet,
die durch das Teil- und das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Hanau - teilweise
rechtskräftig - ausgeurteilten Anpassungsbeträge aufgrund von Anpassungen
zum 1. Dezember 2003 und zum 1. Dezember 2009 auf die Pensionszulage
und das Weihnachtsgeld zu leisten. Die Eintrittspflicht des Beklagten für diese
Forderungen sei nicht ausgeschlossen. Die Anpassung nach § 16 Abs. 1 und
Abs. 2 BetrAVG sei keine Verbesserung iSv. § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG. Au-
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ßerdem lägen beide Anpassungstermine, auf die nach Sinn und Zweck der
Norm abzustellen sei, außerhalb des Ausschlusszeitraums von zwei Jahren vor
der Insolvenzeröffnung. Zudem sei bei einer gerichtlichen Entscheidung über
die Anpassung ein Versicherungsmissbrauch ausgeschlossen.
Im Übrigen sei der Beklagte auch verpflichtet, für die Einstandspflicht
der Insolvenzschuldnerin nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG einzutreten. Die Ein-
standspflicht sei insolvenzgeschützt. Soweit § 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG zwi-
schen unmittelbaren und mittelbaren Versorgungswegen differenziere, sei zu
beachten, dass die Versorgungszusage, soweit es die Einstandspflicht betreffe,
nicht mehr im mittelbaren Versorgungsweg durchgeführt werde, da die Ein-
standspflicht des Arbeitgebers nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG als unmittelbare
Durchführung über den Arbeitgeber erfolge. Das ergebe sich nicht zuletzt aus
steuerrechtlichen Vorschriften, da unmittelbare Versorgungsleistungen des Ar-
beitgebers nach § 19 EStG voll besteuert würden, Pensionskassenleistungen
hingegen nur mit dem Ertragsanteil nach § 22 Nr. 1a EStG. Eine Haftung des
Beklagten scheide auch nicht deswegen aus, weil die Insolvenzschuldnerin in-
soweit keine Beitragszahlungen geleistet habe.
Der Kläger hat zuletzt beantragt, den Beklagten zu verurteilen
1.
für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis zum
30. Juni 2014 eine rückständige Pensionszulage iHv.
1.423,21 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozent-
punkten oberhalb des Basiszinssatzes aus monatlich
je 45,91 Euro seit dem 1. Januar, 1. Februar,
1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August,
1. September, 1. Oktober, 1. November und 1. De-
zember 2012 und 1. Januar, 1. Februar, 1. März,
1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. Sep-
tember, 1. Oktober, 1. November und 1. Dezember
2013 und 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April,
1. Mai, 1. Juni, 1. Juli 2014 zu zahlen;
2.
ein rückständiges Weihnachtsgeld für Pensionäre
iHv. 243,39 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Pro-
zentpunkten oberhalb des Basiszinssatzes aus je
81,13 Euro seit dem 1. Januar 2012, 1. Januar 2013
und 1. Januar 2014 zu zahlen;
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3.
für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis zum
30. Juni 2014 eine rückständige Firmenrente (Auffül-
lung der Pensionskassenrente) iHv. 6.055,51 Euro
brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten ober-
halb
des
Basiszinssatzes
aus
monatlich
je
183,85 Euro seit dem 1. Januar, 1. Februar, 1. März,
1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli 2012 und aus je
193,78 Euro seit dem 1. August, 1. September,
1. Oktober, 1. November und 1. Dezember 2012 und
1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai,
1. Juni, 1. Juli 2013 und aus je 203,60 Euro seit dem
1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November
und 1. Dezember 2013 und 1. Januar, 1. Februar,
1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli 2014 zu zah-
len;
4.
ab Juli 2014 eine zusätzliche Firmenrente iHv.
249,51 Euro brutto monatlich zu zahlen;
5.
ab Dezember 2014 jeweils im Dezember eines Jah-
res ein Weihnachtsgeld für Pensionäre iHv.
1.532,18 Euro brutto zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht
hat ihr stattgegeben. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte die Wiederher-
stellung der klageabweisenden Entscheidung des Arbeitsgerichts, betreffend
den Antrag zu 5. jedoch nur hinsichtlich einer Verurteilung zur Zahlung von
mehr als 1.451,05 Euro brutto jährlich. Der Kläger begehrt die Zurückweisung
der Revision.
Mit Beschluss vom 20. Februar 2018
hat der Senat das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäi-
schen Union um Beantwortung von Fragen zu Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG er-
sucht, die der Gerichtshof mit Urteil vom 19. Dezember 2019
wie
folgt beantwortet hat:
1.
Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008
über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsun-
fähigkeit des Arbeitgebers ist dahin auszulegen, dass
er auf eine Situation anwendbar ist, in der ein Arbeit-
geber, der Leistungen der betrieblichen Altersversor-
gung über eine überbetriebliche Einrichtung gewährt,
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wegen seiner Zahlungsunfähigkeit nicht für den Aus-
gleich der Verluste einstehen kann, die sich aus der
Kürzung der von dieser überbetrieblichen Einrichtung
erbrachten Leistungen ergeben, wobei diese Kür-
zung von der diese Einrichtung überwachenden
staatlichen Finanzdienstleistungsaufsicht genehmigt
wurde.
2.
Art. 8 der Richtlinie 2008/94 ist dahin auszulegen,
dass eine wegen der Zahlungsunfähigkeit seiner
ehemaligen Arbeitgeberin erfolgte Kürzung der ei-
nem ehemaligen Arbeitnehmer gezahlten Leistungen
der betrieblichen Altersversorgung als offensichtlich
unverhältnismäßig angesehen wird, obwohl der Be-
troffene mindestens die Hälfte der sich aus seinen
erworbenen Rechten ergebenden Leistungen erhält,
wenn dieser ehemalige Arbeitnehmer wegen dieser
Kürzung bereits unterhalb der von Eurostat für be-
treffenden Mitgliedstaat ermittelten Armutsgefähr-
dungsschwelle lebt oder künftig leben müsste.
3.
Der eine Mindestschutzpflicht vorsehende Art. 8 der
Richtlinie 2008/94 kann unmittelbare Wirkung entfal-
ten, so dass er gegenüber einer privatrechtlichen
Einrichtung geltend gemacht werden kann, die vom
Staat als Träger der Arbeitgeberinsolvenzsicherung
im Bereich der betrieblichen Altersversorgung be-
stimmt worden ist, wenn diese Einrichtung in Anbe-
tracht der Aufgabe, mit der sie betraut ist, und der
Bedingungen, unter denen sie sie erfüllt, dem Staat
gleichgestellt werden kann, sofern sich die Aufgabe
der Sicherung, mit der sie betraut ist, tatsächlich auf
die Arten von Leistungen bei Alter erstreckt, für die
der in Art. 8 dieser Richtlinie vorgesehene Mindest-
schutz verlangt wird.
Entscheidungsgründe
Die nur eingeschränkt eingelegte Revision des Beklagten ist begründet.
Die zulässige Klage ist im noch zur Entscheidung stehenden Umfang unbe-
gründet. Der Beklagte hat weder für die im Rechtsstreit zwischen dem Kläger
und der Insolvenzschuldnerin ausgeurteilten Anpassungen der laufenden Leis-
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tungen der betrieblichen Altersversorgung noch für die von der PKDW vorge-
nommenen Leistungsherabsetzungen einzutreten.
I.
Die Revision wurde vom Beklagten nur eingeschränkt eingelegt. Die
Beschränkung der Revision hinsichtlich des Antrags zu 5. auf einen Betrag iHv.
81,13 Euro brutto jährlich ist zulässig.
1.
Das Landesarbeitsgericht hat den gesamten Betrag des Weihnachts-
gelds für Pensionäre iHv. 1.532,18 Euro brutto jährlich ausgeurteilt. Der Beklag-
te wendet sich mit seiner Revision ausdrücklich nur gegen die Verurteilung zur
Zahlung eines 1.451,05 Euro brutto jährlich übersteigenden Betrags, mithin
81,13 Euro brutto jährlich. Diese Beschränkung erfolgte erkennbar vor dem Hin-
tergrund, dass der Beklagte sich ausweislich seines Leistungsbescheids vom
12. September 2012 verpflichtet sieht, an den Kläger ein jährliches Weih-
nachtsgeld für Pensionäre iHv. 1.451,05 Euro brutto zu zahlen.
2.
Ein Revisionskläger ist berechtigt, ein Urteil nur hinsichtlich eines tat-
sächlich und rechtlich selbständigen sowie abtrennbaren Teils des Ge-
samtstreitstoffs anzugreifen. Voraussetzung hierfür ist eine Selbständigkeit des
Streitstoffs in dem Sinne, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht
unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch kein Wi-
derspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann. Es muss
sich hierbei weder um einen eigenen Streitgegenstand handeln noch muss der
betroffene Teil des Streitstoffs auf der Ebene der Berufungsinstanz teilurteilsfä-
hig sein; auch eine Beschränkung auf einen abtrennbaren Teil eines prozessua-
len Anspruchs ist möglich
.
3.
Die Fragen, ob der Beklagte zur Zahlung eines 1.451,05 Euro brutto
übersteigenden Betrags jährlich einerseits verpflichtet ist und ob andererseits
dieser Betrag nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG um einen Betrag iHv.
81,13 Euro brutto anzupassen ist, bestehen in tatsächlicher und rechtlicher Hin-
sicht unabhängig voneinander und können ohne Widerspruch zueinander be-
antwortet werden.
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II.
Die Revision des Beklagten hat nicht schon deshalb teilweise Erfolg,
weil der Kläger seinen Zahlungsanspruch in der Berufungsinstanz um spätere
Zahlungszeiträume erweitert hat. Das Landesarbeitsgericht hat über die Anträ-
ge in der Sache entschieden. Daher hat der Senat in entsprechender Anwen-
dung von § 268 ZPO in der Revision nicht mehr zu prüfen, ob eine Klageände-
rung nach § 533 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG vorliegt und ob diese ggf.
zulässig ist
.
III.
Die Klage ist insgesamt zulässig.
1.
Die Klage ist insbesondere nicht aufgrund entgegenstehender Rechts-
kraft unzulässig. Zum einen ist aus dem zwischen dem Kläger und der Insol-
venzschuldnerin vor dem damaligen Arbeitsgericht Hanau geführten Rechts-
streit lediglich das Schlussurteil vom 29. November 2011
rechtskräftig geworden. Der Rechtsstreit hinsichtlich der Streitgegenstände,
über die mit dem vorangegangenen Teilurteil vom 14. Juni 2011
entschieden wurde, ist nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht
mehr nach § 240 ZPO unterbrochen, verfahrensrechtlich jedoch noch nicht er-
ledigt. Zum anderen scheitert eine umfassende Rechtskrafterstreckung für das
vorliegende Verfahren daran, dass im Vorprozess die Eintrittspflicht des Beklag-
ten nicht Streitgegenstand war.
2.
Die Klage ist auch hinsichtlich der auf künftige Rentenzahlungen gerich-
teten Klageanträge zu 4. und zu 5. zulässig. Sie haben die Zahlung wiederkeh-
render Leistungen iSd. § 258 ZPO zum Gegenstand. Bei wiederkehrenden
Leistungen, die - wie Betriebsrentenansprüche - von keiner Gegenleistung ab-
hängen, können gemäß § 258 ZPO grundsätzlich auch künftig fällig werdende
Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Be-
sorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen
wird
.
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- 18 -
IV.
Die Klage ist in dem noch zur Entscheidung stehenden Umfang unbe-
gründet. Der Beklagte ist weder verpflichtet, die vom Kläger seit dem
1. Dezember 2000 bezogenen laufenden Leistungen der betrieblichen Alters-
versorgung (Pensionszulage, Weihnachtsgeld für Pensionäre und Pensions-
kassenrente)
zu
den
Anpassungsstichtagen
1. Dezember
2003
und
1. Dezember 2009 an den jeweils seit dem Eintritt des Versorgungsfalls einge-
tretenen Kaufkraftverlust anzupassen und die sich daraus ergebenden Erhö-
hungen zu zahlen, noch hat der Beklagte für die von der PKDW seit dem 1. Juli
2003 vorgenommenen Leistungsherabsetzungen bzgl. der Pensionskassenren-
te und die daran anknüpfende Einstandspflicht der Insolvenzschuldnerin aus
§ 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG einzutreten.
1.
Die Eintrittspflicht des Beklagten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG
umfasst - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - nicht die vom
Kläger gegen die Insolvenzschuldnerin nach § 16 BetrAVG gerichtlich durchge-
setzten Anpassungen zu den Stichtagen 1. Dezember 2003 und 1. Dezember
2009. Sie unterfallen - auch soweit über sie durch das Schlussurteil des Ar-
beitsgerichts Hanau vom 29. November 2011
rechtskräftig
gegenüber der Insolvenzschuldnerin erkannt wurde - dem Ausschlusstatbe-
stand des § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG.
a)
Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG besteht gegen den Beklagten kein
Anspruch, soweit nach den Umständen des Falls die Annahme gerechtfertigt
ist, dass der alleinige oder überwiegende Zweck einer Versorgungszusage oder
ihrer Verbesserung gewesen ist, den Träger der Insolvenzsicherung in An-
spruch zu nehmen. Diese Annahme ist nach § 7 Abs. 5 Satz 2 BetrAVG insbe-
sondere dann gerechtfertigt, wenn bei Erteilung oder Verbesserung der Versor-
gungszusage wegen der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers zu erwarten
war, dass die Zusage nicht erfüllt wird. Darüber hinaus schließt § 7 Abs. 5
Satz 3 BetrAVG einen Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insol-
venzsicherung bei Zusagen und Verbesserungen von Zusagen, die in den bei-
den letzten Jahren vor dem Eintritt des Sicherungsfalls erfolgt sind, vom Insol-
venzschutz aus, soweit nicht eine Entgeltumwandlung oder eine Übertragung
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der Versorgung jeweils innerhalb bestimmter Grenzen vorliegt. Für die Anwen-
dung von § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG kommt es nicht darauf an, ob ein Versi-
cherungsmissbrauch positiv festgestellt wird
oder widerleglich zu ver-
muten ist
. § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG enthält eine unwiderlegbare
Vermutung und damit einen zeitlich begrenzten objektiven Ausschlusstatbe-
stand
.
Die Ausschlusstatbestände in § 7 Abs. 5 BetrAVG setzen voraus, dass
die Versorgungszusage im Hinblick auf den gesetzlichen Insolvenzschutz erteilt
oder verbessert worden ist, wobei nach § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG dafür aus-
schließlich die zeitliche Nähe zum Sicherungsfall genügt. Der Begriff der Ver-
besserung einer Versorgungszusage ist denkbar weit und erfasst auch die Er-
höhung einer Betriebsrente nach Maßgabe des § 16 BetrAVG
.
b)
Der Ausschlusstatbestand in der seit dem 1. Januar 2005 geltenden
Fassung von § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrVG erfasst auch Zusagen und Verbesse-
rungen von Zusagen, die auf einem streitigen Urteil beruhen.
aa)
Zu § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG in der bis zum 31. Dezember 1998 gel-
tenden Fassung, wonach Verbesserungen der Versorgungszusagen bei der
Bemessung der Leistungen des Trägers der Insolvenzsicherung nicht berück-
sichtigt wurden, soweit sie in dem letzten Jahr vor dem Eintritt des Sicherungs-
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falls größer gewesen sind als in dem diesem Jahr vorangegangenen Jahr, hat
der Senat erkannt, dass auch durch (Versäumnis-)Urteil erstrittene rechtskräfti-
ge Anpassungen nach § 16 BetrAVG diesem Ausschlusstatbestand unterfallen
. Das
Urteil ersetze lediglich die Entscheidung des Versorgungsschuldners und sei
daher nicht anders zu behandeln als diese Entscheidung selbst.
bb)
Zu § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG in der vom 1. Januar 1999 bis zum
31. Dezember 2004 geltenden Fassung, wonach Verbesserungen der Versor-
gungszusagen bei der Bemessung der Leistungen des Trägers der Insolvenzsi-
cherung nicht berücksichtigt wurden, soweit sie in den beiden letzten Jahren vor
dem Eintritt des Sicherungsfalls vereinbart worden sind, hat der Senat ange-
nommen, dass eine durch streitiges, rechtskräftiges Urteil erfolgte Anpassung
nach § 16 BetrAVG, nach der die Betriebsrente zu einem länger als zwei Jahre
vor dem Sicherungsfall liegenden Zeitpunkt erhöht wurde, keine vereinbarte
Verbesserung in diesem Sinne darstellt
. Der Senat hat dabei ent-
scheidend auf den geänderten Wortlaut des Gesetzes abgestellt, wonach die
Verbesserung durch eine Vereinbarung zustande gekommen sein musste. Ein
streitiges Urteil war einer solchen Vereinbarung nicht gleichzustellen
. Das galt jedenfalls
uneingeschränkt dann, wenn der Zeitpunkt der Anpassung außerhalb des Zwei-
jahreszeitraums des (damals geltenden) § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG lag
.
cc)
Durch das Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen
Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Altersein-
künftegesetz - AltEinkG) vom 5. Juli 2004
erhielt § 7 Abs. 5
Satz 3 Einleitungssatz BetrAVG mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 die derzei-
tige Fassung. Danach fehlt das in der Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum
31. Dezember 2004 in § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG enthaltene Tatbestands-
merkmal der „vereinbarten“ Verbesserung. Die Begründung des Gesetzesent-
wurfs zur Neufassung von § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG, der insoweit unverändert
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zum Gesetz wurde, enthält hierzu keine Erläuterung
.
dd)
Aufgrund der Streichung des Erfordernisses der „vereinbarten“ Verbes-
serung mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 ist insoweit wieder der bis zum
31. Dezember 1998 gültige Rechtszustand hergestellt worden
. Nach dem Wortlaut von § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG in der seit dem
1. Dezember 2005 geltenden Fassung reicht für einen Ausschluss - wie bereits
bis zum 31. Dezember 1998 - jede Zusage oder Verbesserung einer Zusage
und damit auch eine Anpassungsentscheidung nach § 16 BetrAVG. Dies gilt
unabhängig davon, ob die Anpassung auf einer eigenständigen Entscheidung
des Arbeitgebers beruht oder auf einer diese Entscheidung ersetzenden ge-
richtlichen Gestaltungsentscheidung. Ein die Anpassungsentscheidung des
Arbeitgebers ersetzendes Urteil ist nach Sinn und Zweck von § 7 Abs. 5 Satz 3
BetrAVG nicht anders zu behandeln, als eine Anpassungsentscheidung des
Arbeitgebers selbst. Der objektive Ausschlusstatbestand von § 7 Abs. 5 Satz 3
BetrAVG ist zeitlich begrenzt
und dient dem Schutz des PSV und seiner Mitglie-
der
.
Unerheblich ist auch, ob das die Anpassungsentscheidung des Arbeit-
gebers ersetzende Urteil als streitiges Urteil nach umfassender Prüfung der
Sach- und Rechtslage oder als Versäumnisurteil ergeht. Der Beklagte ist in
möglichen Fällen des Scheinprozesses oder der bewussten Täuschung des
Gerichts nicht auf die Missbrauchsregelungen des § 7 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2
BetrAVG zu verweisen
. Der Aus-
schlusstatbestand ist objektiv und unwiderleglich
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, weshalb es - anders als
bei den Sätzen 1 und 2 - auf eine - ohnehin nur schwer mögliche - Prüfung und
Feststellung einer Missbrauchsabsicht nicht ankommt.
Mit diesem Verständnis von § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG wird einerseits
eine mögliche Umgehung des Tatbestands durch die zum Schein erfolgende
Durchführung eines Gerichtsverfahrens verhindert. Auch ist nicht ausgeschlos-
sen, dass Gerichtsverfahren - einschließlich möglicher Rechtsmittel gegen er-
gangene Entscheidungen - in Zeiten existenzieller Krisen für ein Unternehmen
nicht mehr mit dem gebotenen Nachdruck geführt werden. Andererseits wird
aufgrund der zeitlichen Begrenzung der betroffene Arbeitnehmer nicht übermä-
ßig belastet. Das gilt auch in dem vorliegenden Fall, in dem es dem Kläger über
mehrere Jahre offenstand, seine Ansprüche außerhalb der Zwei-Jahres-Frist
geltend zu machen und ggf. gerichtlich durchzusetzen. Überdies wird allein mit
diesem Verständnis von § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG dem Sinn und Zweck der
Norm entsprochen. Dazu ist eine klare Grenzziehung erforderlich. Dies ent-
sprach auch bereits dem gesetzgeberischen Willen bei der Schaffung der bis
zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung von § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG.
Ausdrücklich wird in dem „Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und
Sozialordnung (11. Ausschuß) zu dem von der Bundesregierung eingebrachten
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung de
r betrieblichen Altersversorgung“
vom 22. November 1974 ausgeführt
:
„Eine zusätzliche Sicherung vor Mißbräuchen soll durch
Satz 3 gewährleistet werden. Hiernach werden, ohne daß
es eines - im Einzelfall schwierigen - Nachweises einer
Mißbrauchsabsicht bedarf, Verbesserungen der Versor-
gungszusagen im letzten Jahr vor dem Sicherungsfall nur
begrenzt berücksichtigt.“
ee)
Eine planwidrige Regelungslücke, die eine teleologische Reduktion des
§ 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG erlauben würde, ist nicht ersichtlich. Der Gesetzge-
ber hat im Interesse der Rechtssicherheit eine pauschalierende Betrachtung
gewählt
. Da-
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mit wird jedwede Verbesserung erfasst und zwar auch dann, wenn sie auf
(streitigen) Urteilen beruht und folglich auch die Anpassungen nach § 16
BetrAVG, die innerhalb der Zwei-Jahres-Frist rechtskräftig werden. Die dadurch
bedingte Verbesserung der Zusage erfolgt erst mit der Rechtskraft und damit
im Ausschlusszeitraum
.
ff)
Hiernach bezieht sich der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 5 Satz 3
BetrAVG - entgegen der Auffassung des Klägers - auch auf Verbesserungen,
deren Leistungszeiträume außerhalb der Zwei-Jahres-Frist liegen. Dem Kläger
ist zwar zuzugeben, dass er mit dem die Anpassungsentscheidung ersetzenden
Urteil, das sich zu großen Teilen auf Zeiträume außerhalb der Zwei-Jahres-Frist
des § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG bezieht, so gestellt wird, als hätte der Arbeitge-
ber die Anpassungsentscheidung rechtzeitig vorgenommen. Der Beklagte wür-
de insofern nicht mit Zahlungen belastet, die er - bei ordnungsgemäßem Ver-
halten des Arbeitgebers - nicht hätte tragen müssen. Doch würde ein solches
Verständnis der Norm ihrem Wortlaut widersprechen, der eine Differenzierung
nach dem Zeitraum, auf den sich die Verbesserung bezieht, nicht vorsieht. Vor
diesem Hintergrund muss es bei der Anwendbarkeit des § 7 Abs. 5 Satz 3
BetrAVG und dem Ausschluss der vom Kläger erhobenen Ansprüche bleiben.
Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch zu beachten, dass erst
durch die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung die Anpassungsentscheidung
getroffen ist und der Arbeitgeber in Verzug geraten kann. Dies könnte zwar da-
zu führen, dass der maßgebliche Zeitpunkt - etwa infolge von Verzögerungen,
die der Versorgungsempfänger nicht zu vertreten hat und die er unter Umstän-
den auch nicht beeinflussen kann - in die Zwei-Jahres-Frist des § 7 Abs. 5
Satz 3 BetrAVG fällt. Dies könnte für die vom Senat im Urteil vom 26. April 1994
erwogene Lösung,
schon den Zeitpunkt der Klageerhebung als Zeitpunkt
der „Verbesserung“ an-
zusehen, sprechen. Auch das würde dem Kläger allerdings nicht helfen, denn
die Klage ist vorliegend erst am 28. Dezember 2010 und die Klageerweiterung
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erst am 12. Juli 2011 bei Gericht eingegangen und damit innerhalb der Zwei-
Jahres-Frist.
c)
Der Ausschluss nach § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG ist unionsrechtlich
nicht zu beanstanden. Er hält sich innerhalb der von Art. 12 Buchst. a Richtli-
nie 2008/94/EG vorgegebenen Grenzen. Dabei kann dahinstehen, ob Art. 12
Buchst. a Richtlinie 2008/94/EG nur auf den aus Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG
resultierenden Mindestschutz oder auch auf den sich nach nationalem Recht
ergebenden Insolvenzschutz zu beziehen ist.
aa)
Nach Art. 12 Buchst. a Richtlinie 2008/94/EG steht die Richtlinie nicht
der Möglichkeit der Mitgliedstaaten entgegen, die zur Vermeidung von Miss-
bräuchen notwendigen Maßnahmen zu treffen. Die Richtlinie eröffnet damit den
Mitgliedstaaten einen weiten, kaum vorstrukturierten Einschätzungs- und Ent-
scheidungsspielraum
.
Die notwendigen Maßnahmen müssen im Sinne einer Verhältnismäßigkeit ge-
eignet und erforderlich sein und dürfen nicht die volle Wirksamkeit und einheitli-
che Anwendung des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten beeinträchtigen
.
bb)
Die in § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG bestimmte unwiderlegliche Miss-
brauchsvermutung bei Verbesserungen innerhalb der beiden letzten Jahre vor
dem Eintritt des Sicherungsfalls hält sich innerhalb der von der Richtlinie inso-
weit gezogenen Grenzen. Sie ist zum Schutz des Beklagten und der ihn finan-
zierenden Mitglieder geeignet und erforderlich und hindert die volle Wirksamkeit
und einheitliche Anwendung des Unionsrechts nicht. Der Gesetzgeber hat in
einer plausiblen Einschätzung eine naheliegende Beweisregel geschaffen.
cc)
Auch die den nationalen Gestaltungsmöglichkeiten durch das Gebot
des effet utile gezogene immanente Grenze ist durch die Schaffung einer zeit-
lich auf zwei Jahre begrenzten unwiderleglichen Vermutung des Missbrauchs
nicht überschritten
. Nationale Bestimmungen, die
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dem in Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG geregelten Insolvenzschutz seine prakti-
sche Wirksamkeit nehmen, weil sie den unionsrechtlich vermittelten Insolvenz-
schutz leerlaufen ließen, sind von Art. 12 Buchst. a Richtlinie 2008/94/EG nicht
mehr gedeckt. Eine solche Regelung liegt hier aber aufgrund der nur sehr be-
grenzten Wirkung von § 7 Abs. 5 Satz 3 BetrAVG nicht vor.
dd)
Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach
Art. 267 AEUV bedarf es insoweit nicht
.
2.
Der Kläger hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Zah-
lung der Differenz zwischen der gekürzten Pensionskassenrente und der nicht
erhöhten Pensionskassenrente (Ausgangsrente) iHv. 877,81 Euro brutto bzw.
iHv. 899,23 Euro brutto bei Beginn der Herabsetzungen durch die PKDW. Aus
§ 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG folgt keine Eintrittspflicht des Beklagten für die sich
aus der Kürzung seiner Pensionskassenrente ergebenden Ansprüche des Klä-
gers gegen seine frühere Arbeitgeberin, die Insolvenzschuldnerin.
a)
Zwar besteht eine Einstandspflicht der Insolvenzschuldnerin nach § 1
Abs. 1 Satz 3 BetrAVG bezogen auf den auf Beiträgen der Arbeitgeberinnen
beruhenden Teil der Pensionskassenrente. Die vormalige Arbeitgeberin
N GmbH und später die Insolvenzschuldnerin haben dem Kläger nicht
lediglich eine reine Beitragszusage, sondern eine betriebsrentenrechtliche Ver-
sorgungszusage erteilt. Die Insolvenzschuldnerin war allerdings nur insoweit für
die von der PKDW vorgenommenen Herabsetzungen der Pensionskassenrente
nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG einstandspflichtig, wie die Pensionskassenren-
te auf Beiträgen der früheren Arbeitgeberinnen des Klägers beruht. Soweit sie
auf dessen eigenen Beiträgen beruht, fehlt es an der Einstandspflicht, weil eine
Umfassungszusage iSv. § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG nicht gegeben ist.
aa)
Der Beklagte macht zu Unrecht geltend, die Pensionskassenrente des
Klägers beruhe auf einer reinen Beitragszusage und nicht aufgrund einer § 1
Abs. 1 Satz 1 BetrAVG unterfallenden Versorgungszusage, mit der Folge, dass
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§ 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG auf die Pensionskassenrente insgesamt keine An-
wendung fände.
(1)
Eine reine Beitragszusage ist zwar rechtlich ohne Weiteres möglich. Sie
unterfällt aber - abgesehen von der hier nicht einschlägigen Ausnahme des § 1
Abs. 2 Nr. 2a, §§ 21 ff. BetrAVG - nicht dem Recht der betrieblichen Altersver-
sorgung. Mit ihr werden keine künftigen Versorgungsleistungen versprochen,
wie dies § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG verlangt, sondern nur zusätzliche Zahlun-
gen während des aktiven Arbeitslebens, die vergleichbar vermögenswirksamen
Leistungen zur Bildung von Vermögen oder von Versorgungsanwartschaften an
Dritte auszuzahlen sind und bei denen der Arbeitnehmer das volle Anlage- und
Insolvenzrisiko trägt
. Auf solche Zusagen passt weder der gesetzliche Ver-
schaffungsanspruch aus § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG noch das Unverfallbarkeits-
recht des § 2 BetrAVG.
(2)
Die N GmbH als Rechtsvorgängerin der Insolvenzschuldnerin hat
dem Kläger jedoch keine reine Beitragszusage erteilt. Sie hat in dem an den
Kläger gerichteten Einstellungsschreiben vom 5. September 1977 die Pflicht
übernommen, den Kläger bei einer bestimmten Pensionskasse anzumelden.
Damit wurde der Kläger Mitglied der Pensionskasse, an die bestimmte Beiträge
abzuführen waren, mit der Folge, dass der Kläger gegen diese einen Versor-
gungsanspruch erwirbt. Damit hat sie eine typische betriebsrentenrechtliche
Versorgungszusage erteilt, aufgrund derer sie verpflichtet war, dem Kläger Leis-
tungen der betrieblichen Altersversorgung durch eine Pensionskasse zu ver-
schaffen. Die D-Arbeitsordnung, die im Arbeitsvertrag des Klägers in
Bezug genommen ist, sieht ebenfalls vor, dass jeder Mitarbeiter Mitglied der
D-Pensionskasse wird und die Mitgliedschaft während der Dauer des
Arbeitsverhältnisses beizubehalten hat. Die Versorgungszusage der früheren
Arbeitgeberin
des
Klägers
wird
durch
die
Regelungen
der
D-
Pensionskasse bzw. der PKDW ausgefüllt. Daraus ergibt sich hinreichend deut-
lich, dass dem Kläger insgesamt eine beitragsorientierte Leistungszusage iSv.
§ 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG erteilt worden ist. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass
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die N GmbH dem Kläger eine reine Beitragszusage außerhalb des Be-
triebsrentenrechts erteilt hat.
bb)
Die Insolvenzschuldnerin ist - anders als der Kläger meint - ihm gegen-
über nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG allerdings nur insoweit einstandspflichtig,
als der Teil seiner Pensionskassenrente herabgesetzt wurde, der auf den Bei-
trägen der Arbeitgeberinnen beruht. Die Versorgungszusage erstreckt sich nicht
auch auf den Teil seiner Pensionskassenrente, dem eigene Beiträge des Klä-
gers zugrunde liegen.
(1)
Ob eine Eigenbeitragszusage, wie sie hier vorliegt, betriebliche Alters-
versorgung ist und damit die Einstandspflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG
auslöst, richtet sich nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG. Diese Bestimmung wurde
durch das Gesetz zur Einführung einer kapitalgedeckten Hüttenknappschaftli-
chen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze (Hüttenknapp-
schaftliches Zusatzversicherungs-Neuregelungsgesetz - im Folgenden Neure-
gelungsgesetz) vom 21. Juni 2002
in § 1 Abs. 2 BetrAVG ein-
gefügt; sie trat am 1. Juli 2002 in Kraft
. Nach der
gesetzlichen Regelung liegt betriebliche Altersversorgung nur dann vor, wenn
der Arbeitnehmer Beiträge aus seinem Arbeitsentgelt zur Finanzierung von
Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ua. an eine Pensionskasse er-
bringt und die Zusage des Arbeitgebers auch die Leistungen aus diesen Beiträ-
gen umfasst. Hierdurch unterscheidet sich die Eigenbeitragszusage iSd. Be-
triebsrentengesetzes von der privaten Altersvorsorge. Entscheidend ist, welche
Zusagen der Arbeitgeber im Hinblick auf die Versorgungsleistungen gemacht
hat. Erstreckt sich die Zusage auch auf die auf den Arbeitnehmerbeiträgen be-
ruhenden Leistungen, so liegt nach dem Betriebsrentengesetz betriebliche Al-
tersversorgung vor. Daraus folgt die gesetzliche Einstandspflicht
. Dementsprechend heißt es in der
Gesetzesbegründung
: „Für den Charakter als betriebli-
che Altersversorgung ist entscheidend, dass eine Zusage des Arbeitgebers mit
der hieraus folgenden Einstandspflicht nach § 1 Abs. 1 BetrAVG auch in Bezug
auf die aus solchen Beiträgen beruhenden Leistungen besteht“.
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(2)
§ 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG findet auch auf Versorgungszusagen Anwen-
dung, die - wie die des Klägers - vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Be-
stimmung erteilt wurden
und zwar auch dann, wenn der Versorgungsemp-
fänger - wie hier - bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes mit Eintritt eines
Versorgungsfalls aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist.
(3)
Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG sind im Streitfall
jedoch nicht erfüllt.
(a)
§ 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG erfordert nicht nur, dass der Arbeitnehmer
Beiträge aus seinem Arbeitsentgelt zur Finanzierung von Leistungen der be-
trieblichen Altersversorgung ua. an eine Pensionskasse leistet, sondern auch,
dass die Zusage des Arbeitgebers die Leistungen aus diesen Beiträgen um-
fasst. Es reicht nicht aus, dass betriebliche Altersversorgung nach allgemeinen
Regeln vorliegt, sondern es muss darüber hinaus deutlich werden, dass der
Arbeitgeber für die aus Beiträgen der Arbeitnehmer resultierenden Leistungen
einzustehen hat. Liegt keine ausdrückliche Zusage vor, müssen die Gesamt-
umstände den Schluss darauf zulassen, dass die Zusage des Arbeitgebers
auch die auf den Arbeitnehmerbeiträgen beruhenden Leistungen umfassen soll
.
(b)
Bei der gebotenen Würdigung, ob eine Umfassungszusage vorliegt, ist
zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die durch § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG
bezweckte Klarstellung der Rechtslage erst zum 1. Juli 2002 herbeigeführt hat.
Dies hat zur Folge, dass bei Zusagen, die bis zum Inkrafttreten dieser Bestim-
mung erteilt und mit denen beitragsbezogene Leistungen einer Pensionskasse
zugesagt wurden, die auch durch den Arbeitnehmer finanziert werden, an die
Annahme, die Zusage des Arbeitgebers erfasse - mit der hieraus folgenden
Einstandspflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG - die auf den Beiträgen der
Arbeitnehmer beruhenden Leistungen, erhöhte Anforderungen zu stellen sind
.
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(c)
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine Zusage iSd. § 1
Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG vorliegt, obliegt dabei dem Versorgungsberechtigten, der
Ansprüche aufgrund der Einstandspflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG gel-
tend macht
.
(d)
Daran gemessen hat der Kläger nicht dargelegt, dass die ihm von der
Arbeitgeberin erteilte Versorgungszusage auch die Leistungen umfasst, die auf
seinen Eigenbeiträgen beruhen.
Zwar beinhaltete die Leistungszusage der Arbeitgeberin die Abrede,
dass für den Anspruch des Klägers auf Leistungen der betrieblichen Altersver-
sorgung die jeweils gültige Satzung und die jeweils gültigen Leistungsbedin-
gungen der Pensionskasse maßgeblich sein sollen. Auch bestimmte sich
die Höhe der zu zahlenden Alterspension ua. aus den in den einzelnen Kalen-
derjahren gezahlten Beiträgen. Gemäß § 5 Abs. 1 Satzung D-Pensions-
kasse waren diese Beiträge iHv. 2 vH des beitragspflichtigen Einkommens vom
Mitglied, dh. vom Kläger zu leisten. Daneben zahlten die D bzw. die an-
geschlossenen Firmen sog. Ausgleichsbeiträge in etwa der eineinhalbfachen
Höhe. Dies entspricht auch dem Grunde nach den Regelungen der Satzung der
PKDW. Die reguläre Beteiligung des Klägers an der Finanzierung des Versor-
gungsversprechens stand damit nicht in seinem freien Belieben
. Zudem sind nicht
zwei getrennte Rentenstämme zu bilden und zu berechnen
. Dies sind Indizien dafür,
dass die Zusage des Arbeitgebers auch die auf den Beiträgen der Arbeitnehmer
beruhenden Leistungen umfasst.
Diese Umstände lassen jedoch bei beitragsorientierten Versorgungszu-
sagen, die - wie im Fall des Klägers - bereits vor Inkrafttreten des § 1 Abs. 2
Nr. 4 BetrAVG am 1. Juli 2002 erteilt wurden, für sich genommen noch nicht
den Schluss darauf zu, dass der Arbeitgeber damit auch die Leistungen zusa-
gen wollte, die auf den Eigenbeiträgen der Arbeitnehmer beruhen. Vielmehr
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wurden damit eine Lastenverteilung und eine Berechnungsweise für die Höhe
der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vereinbart. Aus der in § 5
Abs. 2 Satz 2 Satzung der D-Pensionskasse vorgesehenen Pflicht der
Arbeitgeber, die Beiträge ihrer Beschäftigten vom Arbeitsentgelt einzubehalten
und an die Pensionskasse kostenfrei abzuführen, sowie der in § 27 Abs. 2 Sat-
zung PKDW vorgesehenen Haftung des Arbeitgebers auch für die Eigenbeiträ-
ge der Arbeitnehmer, ergibt sich ebenfalls nichts anderes. Die Satzung der D-
Pensionskasse sieht lediglich die Abführungspflicht des Arbeitgebers
zulasten des Arbeitsentgelts des Arbeitnehmers vor. Die in der Satzung PKDW
vorgesehene Haftung dient lediglich dem Interesse der Funktionsfähigkeit der
Pensionskasse
.
Schließlich ergibt sich auch aus der im Arbeitsvertrag vom September
1977 in Bezug genommenen Arbeitsordnung der D keine Umfassungs-
zusage der früheren Arbeitgeberin.
cc)
Die Einstandspflicht der Insolvenzschuldnerin nach § 1 Abs. 1 Satz 3
BetrAVG erfasst allerdings die von der PKDW dauerhaft gewährten Gewinnan-
teile, soweit sie auf die Arbeitgeberbeiträge bezogen sind. Das Versorgungs-
versprechen der Arbeitgeberin, das durch die Anmeldung des Klägers zum Ta-
rif A bei der Pensionskasse infolge der Umstellung der Pensionskassenzusage
von der D-Pensionskasse zur PKDW auf der Grundlage der Betriebs-
vereinbarung vom 5. Mai 1980 und der darin erfolgten Bezugnahme auf die All-
gemeinen Versicherungsbedingungen der PKDW gegeben wurde, umfasst
nämlich die unbefristet gewährten Gewinnanteile, wie § 15a AVB
sie vorsieht. Damit ist die Überschussbeteiligung Teil des Versorgungs-
versprechens, soweit sie auf die Beiträge der Arbeitgeberin bezogen ist. Die
unbefristet gewährten Gewinnanteile bestimmen nach der Satzung und den
AVB die Höhe des Versorgungsversprechens. Die in ihrer Gewährung liegen-
den Chancen sind integraler Bestandteil der Versorgungszusage. Die dauerhaft
zugewiesenen Gewinnanteile sind in ihrer Höhe wesentlich durch die aufsichts-
rechtlichen Vorgaben beeinflusst und damit nicht von willkürlichen Entschei-
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dungen der Pensionskasse zum Nachteil der Beklagten abhängig. Die Gewinn-
anteile sind demnach kein Spiegelbild der Leistungsherabsetzung
.
dd)
Die Insolvenzschuldnerin war aufgrund der dem Kläger erteilten Ver-
sorgungszusage auch nicht lediglich zur Erbringung von nach § 22 Abs. 4 Sat-
zung PKDW herabgesetzten Leistungen verpflichtet. Die in § 22 Abs. 4 Sat-
zung PKDW vorgesehene Möglichkeit der Leistungskürzung ist nicht integraler
Bestandteil des dem Kläger im arbeitsrechtlichen Grundverhältnis gegebenen
Versorgungsversprechens. Sie dient nicht der Ausfüllung der Versorgungszu-
sage, sondern regelt nur, ob und in welchem Umfang die PKDW gegenüber
dem Kläger als Versichertem zu einer Leistungsherabsetzung befugt ist und
betrifft damit lediglich die Ausgestaltung des Durchführungsverhältnisses
. Zudem ent-
spricht es dem Zweck der Einstandspflicht, die sich aus der Wahl des Durchfüh-
rungswegs ergebenden Risiken dem - die Versorgungszusage erteilenden -
Arbeitgeber aufzuerlegen.
ee)
Es kann dahinstehen, ob und ggf. in welchem Umfang die Insolvenz-
schuldnerin auf die Verwaltung des Vermögens und die Kapitalanlage der
PKDW sowie auf deren Beschlussfassungen Einfluss nehmen konnte. Eine die
grundrechtlichen Wertungen der Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG berücksichti-
gende „verfassungskonforme“ oder zumindest „verfassungsorientierte“ ein-
schränkende Auslegung
des § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG kommt nicht in
Betracht. Eine solche Auslegung führt nicht dazu, dass den Arbeitgeber keine
Einstandspflicht trifft, wenn die Mitgliederversammlung einer Pensionskasse
eine Herabsetzung der laufenden Pensionskassenrente beschließt. Die Insol-
venzschuldnerin wird durch die Einstandspflicht weder in ihrer durch Art. 2
Abs. 1 GG geschützten wirtschaftlichen Handlungsfreiheit noch in ihrer durch
Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit beeinträchtigt. Vielmehr stellt sich
die Einstandspflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG als Folge der Zusage von
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Leistungen der betrieblichen Altersversorgung dar, die über einen externen
Versorgungsträger durchgeführt werden
.
ff)
Die Insolvenzschuldnerin war deshalb nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG
für die Herabsetzung der Pensionskassenrente einstandspflichtig, soweit diese
auf Beiträgen der vormaligen Arbeitgeber einschließlich der hierauf entfallenden
Gewinnanteile beruht. Nach dem Vorbringen der Parteien beruht die ursprüngli-
che Pensionskassenrente in Höhe eines Betrags von 585,21 Euro brutto, der
sich bis zum 30. Juni 2003 auf 599,49 Euro brutto belief, auf solchen Arbeitge-
berbeiträgen. Dabei sind die aus der Deckungsmittelübertragung von der D-
Pensionskasse auf die PKDW zum 30. Juni 1980 rührenden Finanzmittel
berücksichtigt. Auf Arbeitnehmerbeiträgen beruht danach eine Pensionskassen-
rente iHv. zunächst 292,60 Euro brutto und bis zum 30. Juni 2003 iHv.
299,74 Euro brutto.
b)
Der Beklagte ist jedoch nicht verpflichtet, für die Einstandspflicht der
Insolvenzschuldnerin nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG einzutreten. Die tatsäch-
lichen Voraussetzungen eines Anspruchs nach Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG
oder § 30 Abs. 3 BetrAVG in der Fassung des Siebten Gesetzes zur Änderung
des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 12. Juni 2020
liegen nicht vor.
aa)
Der Beklagte war nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG in der bis zum
23. Juni 2020 geltenden Fassung (im Folgenden aF) nicht eintrittspflichtig für
die Kürzungen der auf Arbeitgeberbeiträgen beruhenden Teile der Pensions-
kassenrente des Klägers infolge der Einstandspflicht der Insolvenzschuldnerin
nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG
. Er war dafür nicht zuständig.
(1)
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG aF hatten Versorgungsempfänger,
deren Ansprüche aus einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers
nicht erfüllt werden, weil über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenz-
verfahren eröffnet worden ist, gegen den Träger der Insolvenzsicherung einen
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Anspruch in Höhe der Leistung, die der Arbeitgeber aufgrund der Versorgungs-
zusage zu erbringen hätte, wenn das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden
wäre. Entsprechendes gilt für Ansprüche der Arbeitnehmer aus Direktversiche-
rungen, wenn ein widerrufliches Bezugsrecht besteht, bei einem unwiderrufli-
chen Bezugsrecht eine Abtretung oder Beleihung erfolgt ist
oder bei Unterstützungskassen sowie Pensionsfonds, wenn
diese vorgesehene Versorgungsleistungen nicht erbringen, weil über das Ver-
mögen oder den Nachlass des Trägerunternehmens das Insolvenzverfahren
eröffnet wurde
. Hintergrund dieser Haftung
des Beklagten ist die Vorstellung des Gesetzgebers, dass diese Durchfüh-
rungswege grundsätzlich insolvenzgefährdet sind
. Der Arbeitgeber, der sich für eine betriebliche Altersversorgung in
einem der vorgenannten Durchführungswege entscheidet, unterlag deshalb der
Beitragspflicht beim Beklagten nach § 10 Abs. 1 BetrAVG aF.
(2)
Der Durchführungsweg Pensionskasse ist nach dem damaligen Ver-
ständnis des Gesetzgebers nicht gleichermaßen insolvenzgefährdet
. Denn Pensionskassen unterliegen der Versicherungsaufsicht
nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG). Diese Aufsicht erstreckt sich
nicht nur auf eine Rechts-, sondern auch auf eine Finanzaufsicht, die die dau-
ernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen zu überwachen hat. Bei Pensionskas-
sen, die rechtlich selbständige Lebensversicherungsunternehmen sein müssen
, ergibt sich dies über § 234 Abs. 1 iVm. § 212 Abs. 1 VAG
aus § 294 VAG. Hauptziel dieser Beaufsichtigung ist gemäß § 294 Abs. 1 VAG
der Schutz der Versicherungsnehmer und der Begünstigten von Versicherungs-
leistungen. Nicht zuletzt dadurch ist sichergestellt, dass auch die Belange der
Versorgungsanwärter und Versorgungsempfänger bei der Durchführung der
Aufsicht gewahrt werden. Durch diese Regelungen wird eine Insolvenz der be-
aufsichtigten Unternehmen zwar nicht ausgeschlossen, die Wahrscheinlichkeit
verringert sich jedoch deutlich
. Der Arbeitgeber, der sich für eine betriebliche Altersversorgung
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über eine Pensionskasse entscheidet, unterlag deswegen auch nicht der Bei-
tragspflicht bei dem Beklagten nach § 10 Abs. 1 BetrAVG aF
. Derartige Zusagen waren
vom Leistungssystem des Beklagten ausgenommen.
(3)
Danach kam nach dem bis zum 23. Juni 2020 geltenden nationalen
Recht eine Eintrittspflicht des Beklagten für die aus einer Kürzung einer Pensi-
onskassenrente folgenden Ansprüche eines Arbeitnehmers gegen seinen Ar-
beitgeber nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG mangels Zuständigkeit des Beklag-
ten nicht in Betracht.
(a)
Nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG steht der Arbeitgeber für die Erfüllung
der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung
nicht unmittelbar über ihn erfolgt. Der Arbeitgeber trägt deshalb das Risiko, bei
Schwierigkeiten im Durchführungsweg die Leistung selbst erbringen zu müssen
. Dieses Risiko hat
sich für die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers, die Insolvenzschuldnerin,
verwirklicht, und sie wurde aufgrund einer auf den Ausgleich von Leistungskür-
zungen durch die Pensionskasse gerichteten Klage des Klägers in erster In-
stanz zur Zahlung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG verurteilt.
(b)
§ 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG aF erfasste bei Pensionskassenzusagen
nicht die Einstandspflicht des Arbeitgebers aus § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG ge-
gen den insolventen Arbeitgeber
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.
(aa)
Bereits der Wortlaut von § 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG aF sprach gegen
eine Eintrittspflicht und Zuständigkeit des Beklagten. Dieser stellte nur auf un-
mittelbare Versorgungszusagen des Arbeitgebers ab und enthielt keine Rege-
lung zu Versorgungszusagen über Pensionskassen. Dem stand auch nicht ent-
gegen, dass über die Einstandspflicht des Arbeitgebers nach § 1 Abs. 1 Satz 3
BetrAVG insoweit eine unmittelbare Versorgungszusage begründet und damit
jede mittelbare Versorgungszusage zumindest potentiell immer auch eine un-
mittelbare enthält. Denn ein Arbeitgeber, der eine Pensionskassenzusage er-
teilt, haftet zwar unmittelbar selbst bei Schwierigkeiten im gewählten Durchfüh-
rungsweg. Gleichwohl macht das aus seiner Versorgungszusage keine Direkt-
zusage. Dies müsste dann für sämtliche mittelbaren Durchführungswege gelten
und wäre mit der Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG aF nicht in Überein-
stimmung zu bringen.
(bb)
Auch die Systematik des Betriebsrentengesetzes, nach der für Pensi-
onskassenverbindlichkeiten - aufgrund des Bestehens eines anderen Siche-
rungsmechanismus - gerade keine Absicherung über den Beklagten vorgese-
hen war, sprach gegen die Eintrittspflicht in Fällen wie dem vorliegenden
. Denn in § 7 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG aF wur-
den einzelne vom Gesetz vorgesehene mittelbare Durchführungswege benannt,
für die ein Insolvenzschutz über den PSV bestand. Werden aber bestimmte mit-
telbare Versorgungswege ausdrücklich in den Insolvenzschutz einbezogen, be-
deutet dies im Umkehrschluss, dass die nicht benannten Durchführungswege
gerade vom Insolvenzschutz ausgenommen sein sollen. Ansonsten wäre die
vom Gesetz angeordnete Einbeziehung einzelner mittelbarer Durchführungs-
wege ohne Regelungsgehalt.
(cc)
Schließlich sprach auch die Entstehungsgeschichte der Norm klar ge-
gen eine Einbeziehung von Pensionskassenzusagen. Die differenzierte Ausge-
staltung des Insolvenzschutzes von Zusagen der betrieblichen Altersversorgung
war kein gesetzgeberisches Versehen, wie die Gesetzesmaterialien zeigen. Die
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Einbeziehung von Pensionskassenzusagen in den Anwendungsbereich von § 7
BetrAVG aF wurde vom Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung geprüft. Der
„Bericht und Antrag des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
(11. Ausschuß) zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines
Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung“ vom
22. November 1974 enthält insofern folgende Stellungnahme
:
„Ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion, auch Pensionskassen
auf ihren Antrag in die Insolvenzsicherung einzubeziehen,
wurde abgelehnt. Die Mehrheit des Ausschusses war der
Ansicht, daß die Ansprüche gegen Pensionskassen durch
die Versicherungsaufsicht und die gesetzlichen Anlage-
vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes ausrei-
chend gesichert seien.“
Vor diesem Hintergrund führte der Bundestagsabgeordnete Lutz als Be-
richterstatter in der zweiten und dritten Lesung des Entwurfs eines Gesetzes
zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung
in der
134. Sitzung des Deutschen Bundestags
aus:
„Mitglieder des Vereins müssen alle Arbeitgeber sein, die
Versorgungszusagen gegeben haben, die vor Insolvenzen
nicht geschützt erscheinen. Dies sind beliehene Lebens-
versicherungen, Direktzusagen und Unterstützungskas-
sen. Befreit vom Insolvenzschutzzwang sind zwei Versor-
gungseinrichtungen: die unbelastete Lebensversicherung
und die Pensionskasse. Beide Institute der betrieblichen
Altersversorgung so schien es dem Ausschuß - sind durch
strenge Bestimmungen der Versicherungsaufsicht vor
Pleiten geschützt. Gerade auch jüngste Vorkommnisse
haben den Ausschuß in dieser seiner Überzeugung nicht
wankend machen können.“
Der durch diese Verlautbarungen zum Ausdruck gekommene gesetz-
geberische Wille wäre konterkariert, wenn Pensionskassenzusagen über den
Umweg der Einstandspflicht des Arbeitgebers nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG
in die Insolvenzsicherung des § 7 BetrAVG aF einbezogen und eine Zuständig-
keit des Beklagten begründet würden.
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(dd)
Die Unterscheidung zwischen über den Beklagten abgesicherten und
anderen Durchführungswegen hatte auch in der Beitragspflicht des § 10 Abs. 1
BetrAVG aF ihren Niederschlag gefunden
und darf über den Umweg des § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG
nicht aufgelöst werden
. Ansonsten wäre
eine Haftung des Beklagten und seiner Mitglieder für - nicht bekannte und letzt-
lich nicht kalkulierte - Risiken von Nichtmitgliedern etabliert worden. Das sah
das Gesetz ersichtlich nicht vor. Es ist auch zweifelhaft, ob der mit einer
Zwangsmitgliedschaft im PSV verbundene Eingriff in die Grundrechte der bei-
tragspflichtigen Arbeitgeber noch zu rechtfertigen gewesen wäre, wenn er auch
eine Haftung für Zusagen von Nichtmitgliedern in nicht dem Insolvenzschutz
beim Beklagten unterfallenden Durchführungswegen vorgesehen hätte. Die Ab-
gabenschuldner stellten eine homogene Gruppe dar und waren durch ihr ge-
meinsames Interesse an der Erfüllung des Zwecks ihrer Altersversorgungszu-
sagen verbunden
. Im Falle
der Insolvenz nehme der Gesetzgeber bei ihnen aufgrund der rechtlichen Kon-
struktion der Durchführungswege ein abstraktes Ausfallrisiko an, das bei ande-
ren, nicht gruppenzugehörigen Modellen der betrieblichen Altersversorgung so
nicht bestehe
.
(ee)
§ 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG lässt aus dem mittelbaren Durchführungs-
weg Pensionskasse keine unmittelbare Versorgungszusage werden. Die Ein-
standspflicht ist allein als zusätzliches - zur Sicherung über die Versicherungs-
aufsicht bestehendes - Sicherungsmittel zugunsten der Arbeitnehmer zu ver-
stehen, nicht aber als Weg zur Verschaffung einer Eintrittspflicht des Beklagten.
Dies erscheint insbesondere vor dem Hintergrund der durch das Gesetz zur
Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes und anderer Gesetze vom
15. Dezember 2004
eingeführten Möglichkeit für Pensions-
kassen zum freiwilligen Beitritt bei der Protektor Lebensversicherungs-AG nach
§ 124 Abs. 2 Satz 1 VAG aF
als gesetzlichem
Sicherungsfonds kaum möglich.
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Durch § 124 Abs. 2 Satz 1 VAG aF
wurde für Pensionskassen die Möglichkeit geschaffen, sich freiwillig dem Siche-
rungsfonds für die Lebensversicherung anzuschließen, um somit eine Benach-
teiligung der Pensionskassen gegenüber den Lebensversicherungsunterneh-
men zu verhindern
. Durch die Schaffung des Sicherungsfonds, über den Le-
bensversicherungen abgesichert sind, hat der Gesetzgeber gerade auch für die
Direktversicherungen - soweit sie nicht unter § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BetrAVG
fallen - einen eigenständigen, vom PSV unabhängigen Sicherungsmechanis-
mus vorgesehen. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber im Bereich der betrieblichen
Altersversorgung neben der Insolvenzsicherung über den PSV für die Durchfüh-
rungswege Direktzusage, Unterstützungskassenzusage, Pensionsfondszusage
und einigen Zusagen aus dem Durchführungsweg Direktversicherung für die
beiden weiteren etablierten mittelbaren Durchführungswege (unbelastete) Di-
rektversicherung und Pensionskasse - auch nach der gesetzgeberischen Klar-
stellung durch § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG - eigene Wege beschritten hat.
(ff)
Aus der steuerlichen Behandlung der Zahlungen der Pensionskasse
einerseits und des Arbeitgebers nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG andererseits
folgt keine abweichende Beurteilung. Hieraus lässt sich nicht auf einen Willen
des Gesetzgebers schließen, die Einstandspflicht des Arbeitgebers nach § 1
Abs. 1 Satz 3 BetrAVG dem Insolvenzschutz des § 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG aF
zu unterstellen. Schließlich ist es unerheblich, ob die vom Kläger aufgestellte
Behauptung zutrifft, wonach davon auszugehen sei, dass die Insolvenzschuld-
nerin für ihre Einstandspflicht Beiträge an den Beklagten abgeführt habe, so-
dass einem Insolvenzschutz auch Beitragszahlungen gegenüberstünden. Der
Insolvenzschutz durch den Beklagten erfolgt allein auf gesetzlicher Grundlage.
Selbst wenn die Insolvenzschuldnerin daher tatsächlich auch für ihre Ein-
standspflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG Beiträge an den Beklagten abge-
führt haben sollte, können jedenfalls allein aus diesen Beitragszahlungen keine
Ansprüche der Versorgungsbegünstigten gegenüber dem Beklagten hergeleitet
werden.
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(gg)
Schließlich zeigt gerade die Neufassung von §§ 7 ff. BetrAVG durch
das Siebte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und
anderer Gesetze vom 12. Juni 2020
, dass der Gesetzgeber
dies ebenfalls so gesehen hat. Denn nunmehr hat er eine entsprechende Ein-
trittspflicht und Zuständigkeit des Beklagten unter den sich aus § 30 BetrAVG
geregelten Voraussetzungen geschaffen.
(c)
Die vom Gesetzgeber des Betriebsrentengesetzes angeordnete diffe-
renzierte Ausgestaltung der Insolvenzsicherung bei den in tatsächlicher und
rechtlicher Hinsicht sehr unterschiedlichen Durchführungswegen der betriebli-
chen Altersversorgung stellt keine den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG
verletzende Ungleichbehandlung dar. Es fehlt an einer Vergleichbarkeit.
bb)
Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten folgt nicht unmittelbar
aus Unionsrecht. Die dafür notwendigen Voraussetzungen liegen unstreitig
nicht vor. Die Leistungsherabsetzungen durch die PKDW haben nicht zur Folge,
dass diese ihre Leistungen um mehr als die Hälfte kürzt. Das Einkommen des
Klägers als ehemaligem Arbeitnehmer fällt wegen der Leistungsherabsetzung
auch nicht unter die von Eurostat für Deutschland ermittelte Armutsgefähr-
dungsschwelle.
(1)
Der Gerichtshof hat erkannt, dass Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG dahin
auszulegen ist, dass eine wegen der Zahlungsunfähigkeit seiner ehemaligen
Arbeitgeberin erfolgte Kürzung der einem ehemaligen Arbeitnehmer gezahlten
Leistungen der betrieblichen Altersversorgung als offensichtlich unverhältnis-
mäßig angesehen wird, obwohl der Betroffene mindestens die Hälfte der sich
aus seinen erworbenen Rechten ergebenden Leistungen erhält, wenn dieser
ehemalige Arbeitnehmer wegen dieser Kürzung bereits unterhalb der von Eu-
rostat für betreffenden Mitgliedstaat ermittelten Armutsgefährdungsschwelle lebt
oder künftig leben müsste
.
(a)
Die Leistungsherabsetzungen durch die PKDW führen nicht dazu, dass
die dem Kläger zustehenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung um
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mehr als die Hälfte gekürzt werden. Ausgehend von einer auf Beiträgen frühe-
rer Arbeitgeber beruhenden Pensionskassenrente vor Beginn der Leistungs-
herabsetzungen iHv. 599,49 Euro brutto monatlich und einer auf diesen Teil der
Pensionskassenrente entfallenden Kürzung bis Ende Juni 2014 iHv.
135,73 Euro (2/3 von 203,60 Euro) beträgt die Leistungsherabsetzung 22,64 vH
und damit nicht mehr als die Hälfte.
(b)
Die von Eurostat für die Bundesrepublik Deutschland ermittelte Armuts-
gefährdungsschwelle belief sich - ausweislich der im Internet abrufbaren veröf-
fentlichten Statistiken
- für alleinleben-
de Personen in der Bundesrepublik (60 vH des Medians der Äquivalenzein-
kommen der Bevölkerung auf Basis des Haushaltsnettoeinkommens) im Jahr
2011 auf 11.426,00 Euro (952,17 Euro monatlich), im Jahr 2012 auf
11.757,00 Euro (979,75 Euro monatlich), im Jahr 2013 auf 11.749,00 Euro
(979,08 Euro monatlich), im Jahr 2014 auf 11.840,00 Euro (986,66 Euro monat-
lich), im Jahr 2015 auf 12.401,00 Euro (1.033,42 Euro monatlich), im Jahr 2016
auf 12.765,00 Euro (1.063,75 Euro monatlich), im Jahr 2017 auf 13.152,00 Euro
(1.096,00 Euro monatlich) und im Jahr 2018 auf 13.628,00 Euro (1.135,66 Euro
monatlich).
Leben zwei Erwachsene (etwa ein Ehepaar) in einem Haushalt, so ist
der jeweilige Wert um den Faktor 0,5 zu erhöhen. Zur Ermittlung des Äquiva-
lenzeinkommens ist auf ein bedarfsgewichtetes Pro-Kopf-Einkommen je Haus-
haltsmitglied abzustellen. Dieses wird ermittelt, indem das Haushaltsnettoein-
kommen durch die Summe der Bedarfsgewichte der im Haushalt lebenden Per-
sonen geteilt wird. Nach EU-Standard wird zur Bedarfsgewichtung die neue
OECD-Skale verwendet. Danach wird der ersten erwachsenen Person im
Haushalt das Bedarfsgewicht 1 zugeordnet und für die weiteren im Haushalt
lebenden Personen Bedarfsgewichtige < 1 (0,5 für weitere Personen im Alter
von 14 und mehr Jahren; 0,3 für jedes Kind im Alter von unter 14 Jahren). Bei
einem Haushalt bestehend aus einem Ehepaar ohne im Haushalt lebende Kin-
der ist deshalb der Wert 1,5 (1,0 + 0,5) anzusetzen. Entsprechend sind die Jah-
res- und Monatswerte mit 1,5 zu multiplizieren.
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ECLI:DE:BAG:2020:210720.U.3AZR142.16.0
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(2)
Das Haushaltsnettoeinkommen des Klägers und seiner Ehefrau über-
schritt in den Streitjahren - ausweislich des im Revisionsverfahren unstreitig
gestellten tatsächlichen Vorbringens der Parteien - die Grenze der von Eurostat
für Deutschland ermittelten Schwelle der Armutsgefährdung, so dass insoweit
die Voraussetzungen eines unionsrechtlichen Anspruchs nicht erfüllt sind.
cc)
Der Kläger hat auch keinen Anspruch aufgrund der am 24. Juni 2020 in
Kraft getretenen Änderungen des Betriebsrentengesetzes durch das Siebte
Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Ge-
setze vom 12. Juni 2020
. Die Gesetzesänderung ist zwar
auch im vorliegenden Revisionsverfahren zu beachten
, gibt dem Kläger jedoch keinen Anspruch gegen
den Beklagten.
(1)
Ein solcher folgt nicht aus § 30 Abs. 2 BetrAVG. Eine Eintrittspflicht des
Beklagten für die Einstandspflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG insolventer
früherer Arbeitgeber aus über Pensionskassen durchgeführten Versorgungszu-
sagen ist nach § 30 Abs. 2 BetrAVG erst für Sicherungsfälle vorgesehen, die
nach dem 31. Dezember 2021 eintreten. Das Insolvenzverfahren über das
Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde bereits mit Beschluss des Amtsge-
richts Hanau - Insolvenzgericht - vom 30. Januar 2012
eröff-
net und damit vor dem nach § 30 Abs. 2 BetrAVG maßgeblichen Stichtag.
(2)
Der Kläger hat auch keinen Anspruch gegen den Beklagten nach § 30
Abs. 3 BetrAVG auf Ausgleich der von der PKDW vorgenommenen Leistungs-
herabsetzungen.
(a)
Ist der Sicherungsfall nach § 30 Abs. 2 BetrAVG vor dem 1. Januar
2022 eingetreten, besteht nach § 30 Abs. 3 BetrAVG ein Anspruch gegen den
Träger der Insolvenzsicherung, wenn die Pensionskasse die nach der Versor-
gungszusage des Arbeitgebers vorgesehene Leistung um mehr als die Hälfte
kürzt oder das Einkommen des ehemaligen Arbeitnehmers wegen der Kürzung
unter die von Eurostat für Deutschland ermittelte Armutsgefährdungsschwelle
fällt.
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3 AZR 142/16
ECLI:DE:BAG:2020:210720.U.3AZR142.16.0
(b)
Diese Voraussetzungen sind - wie bereits ausgeführt - nicht erfüllt,
weshalb es auf die weiteren - den unionsrechtlichen Anspruch aus Art. 8 Richt-
linie 2008/94/EG möglicherweise einschränkenden - Voraussetzungen nach
§ 30 Abs. 3 Satz 2 BetrAVG nicht ankommt.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Spinner
Roloff
Günther-Gräff
Holler
Schüßler
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