Urteil des BAG vom 15.05.2018

Betriebliche Altersversorgung - Beschwerdewert - wiederkehrende Leistungen

Bundesarbeitsgericht
Beschluss vom 15. Mai 2018
Dritter Senat
- 3 AZB 8/18 -
ECLI:DE:BAG:2018:150518.B.3AZB8.18.0
I. Arbeitsgericht Köln
Urteil vom 8. Dezember 2015
- 12 Ca 3968/15 -
II. Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss vom 5. Januar 2018
- 5 Sa 150/16 -
Entscheidungsstichworte:
Betriebliche Altersversorgung - Beschwerdewert - wiederkehrende Leis-
tungen
ECLI:DE:BAG:2018:150518.B.3AZB8.18.0
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BUNDESARBEITSGERICHT
3 AZB 8/18
5 Sa 150/16
Landesarbeitsgericht
Köln
BESCHLUSS
In Sachen
Kläger, Berufungskläger und Revisionsbeschwerdeführer,
pp.
Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsbeschwerdegegnerin,
hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts am 15. Mai 2018 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des
Landesarbeitsgerichts Köln vom 5. Januar 2018 - 5 Sa
150/16 - aufgehoben.
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Gründe
I.
Die Parteien haben zunächst erstinstanzlich darüber gestritten, ob die
Beklagte verpflichtet ist, die Betriebsrente des Klägers iHv. 1.140,40 Euro brutto
monatlich ab dem 1. Januar 2013 anzupassen und ihm mindestens eine Be-
triebsrente iHv. insgesamt 1.151,80 Euro brutto monatlich zu zahlen. Das Ar-
beitsgericht hat die Klage abgewiesen und den Streitwert auf 41.464,80 Euro
festgesetzt.
Der Kläger hat gegen dieses Urteil ohne Einschränkung Berufung ein-
gelegt und diese gesondert begründet. Mit der Berufungsbegründung hat der
Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ab dem 1. Januar 2013 seine Be-
triebsrente um monatlich 10,00 Euro zu erhöhen und ab diesem Zeitpunkt mo-
natlich an ihn 1.151,80 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Zudem hat er im Wege
der Klageerweiterung begehrt, die Beklagte zu verpflichten, die handelsrechtli-
chen Abschlüsse für die Jahre 2013 und 2014 sowie den vorläufigen Abschluss
für das Jahr 2015 vorzulegen.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe den Be-
schwerdewert von 600,00 Euro nicht erreicht, weil er seine Berufung auf den
Anpassungsbetrag iHv. 10,00 Euro monatlich beschränkt habe, und die Beru-
fung durch Beschluss verworfen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner
vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revisionsbeschwerde.
II.
Die zulässige
Revisi-
onsbeschwerde hat Erfolg. Der Kläger kann gegen das arbeitsgerichtliche Urteil
nach § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG Berufung einlegen.
1.
Das ArbGG enthält keine Regelungen über die Ermittlung des Be-
schwerdewerts, nach dem sich bestimmt, ob die Berufung statthaft ist. Damit
gelten die Vorschriften der ZPO über die Berufung entsprechend
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. Der Beschwerdewert bestimmt sich nach den §§ 3 bis 9 ZPO
.
2.
Der Beschwerdewert beträgt vorliegend 48.375,60 Euro. Damit über-
steigt er den Wert des Beschwerdegegenstands nach § 64 Abs. 2 Buchst. b
ArbGG iHv. 600,00 Euro.
a)
Für die Berechnung des Beschwerdewerts sind die Klageanträge des
Klägers in der Berufungsinstanz maßgeblich. Dies gilt jedoch nur insoweit, als
der Berufungskläger im Umfang des Berufungsantrags durch das arbeitsge-
richtliche Urteil beschwert ist
. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit zutreffend ange-
nommen, dass die in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageerweiterung
bei der Festlegung des Beschwerdewerts nicht berücksichtigt werden kann.
b)
Für die Ermittlung des Beschwerdewerts ist der Gesamtbetrag der be-
gehrten künftigen monatlichen Betriebsrente iHv. 1.151,80 Euro, die Gegen-
stand des erstinstanzlichen Verfahrens war, zugrunde zu legen. Entgegen der
Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger seine Berufung nicht auf
die streitige Rentendifferenz von 10,00 Euro monatlich beschränkt.
aa)
Zwar kann ein Versorgungsempfänger lediglich den streitigen Diffe-
renzbetrag zwischen der vom Arbeitgeber gezahlten und der von ihm begehrten
monatlichen Betriebsrente einklagen und hinsichtlich des unstreitigen Betrags
voraussetzen, dass dieser nicht nur derzeit, sondern auch künftig freiwillig be-
zahlt wird. Ein solches prozessuales Vorgehen hat wegen der damit verbunde-
nen Kostenersparnis auch Vorteile. Allerdings umfasst die Rechtskraft des Ur-
teils bei der Geltendmachung von Teilansprüchen nur diesen Teil, nicht den
freiwillig gezahlten Sockelbetrag
. Bis zur Höhe des streitigen Differenzbetrags ist der Anspruch nicht
Streitgegenstand des Verfahrens, sondern lediglich ein für die zu treffende Ent-
scheidung vorgreifliches Rechtsverhältnis
. Deshalb hat die Partei re-
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gelmäßig ein Interesse daran, eine gerichtliche Entscheidung über den vollen
Betrag der wiederkehrenden Leistungen zu erstreiten
. Dieser Betrag ist, soweit er Gegenstand des Klageverfahrens
ist, auch für die Ermittlung der Beschwer maßgeblich. Soweit sich aus dem Be-
schluss des Senats vom 4. Juni 2008
etwas anderes ergeben
sollte, wird daran nicht festgehalten.
bb)
Danach lässt der Berufungsantrag unter Heranziehung der Berufungs-
begründung und unter Berücksichtigung der richtig verstandenen Interessenla-
ge des Klägers nicht den Schluss zu, dass dieser seine Berufung auf den strei-
tigen Spitzenbetrag iHv. 10,00 Euro monatlich beschränken wollte
. Für diese Auslegung spricht bereits der Wortlaut. Dieser
bezeichnet ausdrücklich die beanspruchte monatliche Gesamtrente von
1.151,80 Euro. Bei einer beabsichtigten Beschränkung des Streitgegenstands
in der Berufung hätte es nahegelegen, neben dem streitigen Anpassungsbetrag
nur den unstreitigen Sockelbetrag zu benennen und etwa durch eine entspre-
chende Formulierung wie „über die gezahlte Betriebsrente iHv. 1.140,40 Euro
brutto monatlich hinaus weitere 10,00
Euro brutto monatlich zu zahlen“ zu ver-
deutlichen, dass nur der Anpassungsbetrag streitgegenständlich sein soll. Et-
was anderes ergibt sich auch nicht aus der Berufungsbegründung. Vielmehr
weist der Kläger auf Seite 3 der Begründung ausdrücklich darauf hin, dass er
bei seinem ursprünglichen Antrag bleiben wolle. Dieses Auslegungsergebnis
entspricht auch dem wohlverstandenen Interesse des Klägers an einer rechts-
kräftigen Entscheidung über den gesamten Betrag seiner Betriebsrente.
cc)
Der Beschwerdewert errechnet sich nach dem dreieinhalbfachen Wert
des einjährigen Rentenbezugs
. Er beträgt danach
48.375,60 Euro (42 x 1.151,80 Euro).
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III.
Mit der Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses wird das Verfahren
wieder in der Berufungsinstanz anhängig. Das Landesarbeitsgericht wird auch
über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
Zwanziger
Ahrendt
Wemheuer
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