Urteil des BAG vom 19.01.2011

Kürzung der Jahressonderzahlung bei Vorliegen eines negativen betrieblichen Vorjahresergebnisses nach Anl 14 DWArbVtrRL

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BUNDESARBEITSGERICHT
10 AZR 863/09
15 Sa 860/09
Landesarbeitsgericht
Hamm
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
19. Januar 2011
URTEIL
Jatz, Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In Sachen
Kläger,
Berufungsbeklagter und Revisionskläger,
pp.
Beklagter, Berufungskläger und Revisionsbeklagter,
hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 19. Januar 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Bundes-
arbeitsgericht Prof. Dr. Mikosch, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Eylert
und Mestwerdt sowie die ehrenamtlichen Richter Thiel und Petri für Recht
erkannt:
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1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landes-
arbeitsgerichts Hamm vom 15. Oktober 2009 - 15 Sa
860/09 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine restliche Jahressonderzahlung für das
Jahr 2007.
Der Kläger ist beim Beklagten seit dem 1. November 1991 als Erzieher
beschäftigt. Der Beklagte ist Träger von 70 rechtlich nicht selbstständigen
diakonischen Einrichtungen. Er beschäftigt ca. 6.000 Arbeitnehmer. Er ist Mit-
glied im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen. Auf das
Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die
Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in
Deutschland in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.
In der Anlage 14 zu den AVR heißt es ua.:
„Anlage 14 - Jahressonderzahlung
(1) Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter, die oder der sich
am 01. November eines Jahres in einem Beschäftigungs-
verhältnis befindet, das mindestens bis zum 31. Dezember
des Jahres besteht, erhält eine Jahressonderzahlung.
...
(3) Die Jahressonderzahlung wird zur Hälfte im November
des laufenden Jahres, die zweite Hälfte im Juni des
Folgejahres gezahlt. ...
(4) Weist die Dienstgeberin bzw. der Dienstgeber nach,
dass bei voller Juni-Zahlung der anteiligen Brutto-
personalkosten der Jahressonderzahlung für alle Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter ein negatives betriebliches
Ergebnis im Vorjahr (Wirtschaftsjahr der geleisteten
Novemberzahlung) vorliegen würde, entfällt der Anspruch
auch teilweise in dem Maße, in dem die Reduzierung in
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der Summe zu einem ausgeglichenen Ergebnis führt. Der
Nachweis gilt als erbracht, wenn die Dienststellenleitung
der Mitarbeitervertretung ein Testat eines vereidigten
Wirtschaftsprüfers oder einer Treuhandstelle vorlegt, aus
dem sich der Umfang des negativen betrieblichen Ergeb-
nisses und die Summe der regulären betrieblichen Juni-
Zahlung ergibt. Bestandteil der vorzulegenden Unterlagen
ist die Zuordnung der Kosten der zentralen Dienste zu den
wirtschaftlich selbständig arbeitenden Teilen der Ein-
richtung.“
§ 1 Abs. 5 AVR lautet ua.:
„Von den Abweichungsmöglichkeiten in § 17 und den
Anlagen 14 und 17 der AVR können Einrichtungen nur
Gebrauch machen, wenn
a)
auf
alle
Dienstverhältnisse der Einrichtung und
der mit ihr verbundenen Einrichtungen, die
Mitglied in einem Diakonischen Werk sind,
die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) oder eine
gleichwertige Arbeitsvertragsgrundlage ange-
wandt werden,
b)
Leiharbeitnehmer
nach dem Arbeitnehmerüber-
lassungsgesetz (AÜG) nur zur kurzfristigen
Überbrückung von Personalengpässen ein-
gesetzt werden. Bei Einrichtungsträgern, in
deren Einrichtungen insgesamt mehr als 50 Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sind,
ist eine kurzfristige Überbrückung im Sinne
dieser Regelung anzunehmen, wenn nicht mehr
als 5 v. H. der insgesamt im Jahresdurchschnitt
beschäftigten Vollkräfte in den Einrichtungen
des Trägers Leiharbeitnehmer i. S. d. AÜG
sind. Bei der Ermittlung der Anzahl der Voll-
kräfte sind Teilzeitbeschäftigte anteilig zu
berücksichtigen.“
Mit dem „Testat Jahressonderzahlung gemäß Anlage 14 AVR“ vom
2. Juni 2008 kamen die vereidigten Wirtschaftsprüfer der W AG Wirtschafts-
prüfungsgesellschaft zu dem Ergebnis, dass „unter Berücksichtigung der
regulären betrieblichen Juni-Zahlung von € 4.959.533,90 sich … ein negatives
betriebliches Ergebnis von € 1.288.297,02 für das Jahr 2007 ergeben (würde)“.
Mit Schreiben vom 11. Juni 2008 teilte der Beklagte den Mitarbeitern mit, der
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Vorstand habe nach Feststellung des handelsrechtlichen Jahresergebnisses
und nach eingehender Beratung beschlossen, zum Verlustausgleich von den
Abweichungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen. Allerdings werde nicht die
tariflich mögliche und testierte Reduzierung von 13 % durchgeführt, sondern es
erfolge nur eine Reduzierung um 8 %.
Mit Schreiben vom 9. Juli 2008 forderte der Kläger den Beklagten auf,
den nicht gezahlten Betrag der Jahressonderzahlung 2007 in Höhe von
247,38 Euro brutto an ihn zu leisten. Mit der dem Beklagten am 13. November
2008 zugestellten Klage hat der Kläger diesen Anspruch gerichtlich weiter-
verfolgt.
Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte habe die Jahressonder-
zahlung 2007 nicht kürzen dürfen. Ein negatives Ergebnis im Wirtschaftsjahr sei
nicht nachgewiesen. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 AVR seien nicht
erfüllt. Leiharbeitnehmer würden nicht nur zur kurzfristigen Überbrückung von
Personalengpässen, sondern vielmehr dauerhaft eingesetzt. Mitarbeiter der mit
dem Beklagten verbundenen T GmbH seien regelmäßig beschäftigt und er-
setzten Stammmitarbeiter. Die T GmbH wende nicht die AVR, sondern die
zwischen der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und
Personalserviceagenturen und dem Arbeitgeberverband mittel-
ständischer Personaldienstleister e. V. geschlossenen Tarifwerke zur
Arbeitnehmerüberlassung an.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag iHv.
247,38 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über
dem Basiszinssatz seit dem 13.
November 2008 zu
zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Ansicht
vertreten, gemäß Abs. 4 der Anlage 14 AVR sei er zur Kürzung der Jahres-
sonderzahlung für 2007 berechtigt gewesen. Es liege zum einen ein vom
Wirtschaftsprüfer testiertes erhebliches negatives Betriebsergebnis vor. Zum
anderen seien er und alle Tochtergesellschaften Mitglied im Diakonischen Werk
und wendeten die AVR oder gleichwertige Arbeitsvertragsgrundlagen an. Die
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T GmbH sei wegen ihrer fehlenden Gemeinnützigkeit nur Gastmitglied im
Diakonischen Werk. Gastmitglieder erfasse § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. a
AVR aber nicht. Auch habe das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche
von Westfalen bei der Aufnahme der T GmbH auf die Anwendung „kirchlichen
Arbeitsrechts“ verzichtet, nachdem diese im Aufnahmeantrag ausdrücklich auf
die Anwendung der Tarifwerke der CGZP hingewiesen habe. Er habe im Jahr
2007 Leiharbeitnehmer nur zur kurzfristigen Überbrückung eingesetzt. 0,72 %
der Mitarbeiter seien Leiharbeitnehmer gewesen, weshalb die unwiderlegbare
Fiktion des § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. b Satz 2 AVR eingreife.
Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben. Auf die Be-
rufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit
der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die
Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage
zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht der Anspruch auf Zahlung der rest-
lichen Jahressonderzahlung für das Jahr 2007 nach Abs. 3 der Anlage 14 AVR
nicht zu. Der Beklagte hat zu Recht von den Abweichungsmöglichkeiten nach
§ 1 Abs. 5 AVR iVm. Abs. 4 der Anlage 14 AVR Gebrauch gemacht.
1.
Die Voraussetzungen nach Abs. 4 Satz 1 Anlage 14 AVR sind erfüllt.
a)
Nach Abs. 4 Satz 1 Anlage 14 AVR entfällt der Anspruch auf Aus-
zahlung der im Juni des Folgejahres fälligen anteiligen Jahressonderzahlung,
wenn der Dienstgeber nachweist, dass bei voller Juni-Zahlung der anteiligen
Bruttopersonalkosten der Jahressonderzahlung für alle Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter ein negatives betriebliches Ergebnis im Vorjahr vorliegen würde.
Dabei gilt nach Satz 2 der Regelung der Nachweis als erbracht, wenn die
Dienststellenleitung der Mitarbeitervertretung ein Testat eines vereidigten
Wirtschaftsprüfers oder einer Treuhandstelle vorlegt, aus dem sich der Umfang
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des negativen betrieblichen Ergebnisses und die Summe der regulären betrieb-
lichen Juni-Zahlung ergeben.
b)
Nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts wies der Beklagte unter Berücksichtigung der anteiligen
Bruttopersonalkosten der Jahressonderzahlung für Juni für das Wirtschaftsjahr
2007 ein negatives Betriebsergebnis in Höhe von 1.288.297,02 Euro auf.
aa)
Das folgt aus dem testierten Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesell-
schaft. Damit ist der Nachweis iSv. Abs. 4 Satz 2 Anlage 14 AVR als hin-
reichend erbracht anzusehen.
bb)
Soweit der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches
Gehör mit dem Hinweis gerügt hat, das Testat sei aus „Gefälligkeit“ gegeben
worden und er habe nur kurze Zeit zur Prüfung erhalten, ist dieser Einwand
unbeachtlich. Für ein Gefälligkeitstestat bestehen keine Anhaltspunkte. Abs. 4
Satz 2 Anlage 14 AVR verlangt keinen testierten Nachweis gegenüber den
Mitarbeitern, sondern lediglich gegenüber der Mitarbeitervertretung. Dies ist
erfolgt. Einen darüber hinausgehenden individualrechtlichen Anspruch be-
gründet die Regelung des Abs. 4 Anlage 14 AVR nicht. Dagegen kann nicht
eingewandt werden, es liege ein Eingriff in Individualrechte vor. Die restliche,
kollektiv geregelte Jahressonderzahlung steht nach Abs. 4 Anlage 14 AVR
unter dem Vorbehalt eines fehlenden negativen betrieblichen Ergebnisses. Die
AVR-Regelung will verhindern, dass es nach der externen Begutachtung und
der Prüfung durch die Mitarbeitervertretung noch zu individuellen rechtlichen
Angriffen kommt. Sie sieht vielmehr eine verobjektivierte Feststellung gegen-
über der Mitarbeitervertretung als ausreichend an.
2.
Auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 AVR sind erfüllt.
a)
Der Beklagte hat Leiharbeitnehmer nach dem AÜG nur zur kurzfristigen
Überbrückung von Personalengpässen eingesetzt.
aa)
Nach § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. b Satz 2 AVR ist eine kurzfristige
Überbrückung im Sinne dieser Regelung generell bei Einrichtungsträgern
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anzuerkennen, wenn in einer Einrichtung mit insgesamt mehr als 50 be-
schäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht mehr als 5 % der insgesamt
im Jahresdurchschnitt beschäftigten Vollkräfte in den Einrichtungen des Trägers
Leiharbeitnehmer im Sinne des AÜG sind. Bezogen auf die Einrichtung des
Beklagten bestehen daran keine Zweifel. Nach den Feststellungen des Landes-
arbeitsgerichts - die der Kläger nicht mit revisionsrechtlich relevanten Rügen
angegriffen hat - hat der Beklagte lediglich 0,72 % seiner Mitarbeiter als Leih-
arbeitnehmer im Jahr 2007 in seinen Einrichtungen beschäftigt.
bb)
Entgegen der Auffassung des Klägers regelt § 1 Abs. 5 Unterabs. 1
Buchst. b Satz 2 AVR nicht nur die Beweislastverteilung und eine Beweis-
erleichterung für den Dienstgeber. Nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und
Zweck der Regelung soll das Tatbestandsmerkmal „kurzfristige Überbrückung“
pauschalierend und abschließend ausgefüllt werden, indem bis zu einem
bestimmten Prozentsatz der Mitarbeiter generell davon ausgegangen wird, es
liege typischerweise lediglich eine kurzfristige Überbrückung vor. Einer weiteren
Aufklärung bedarf es deshalb nicht. Dem Kläger wird die Möglichkeit einer
Widerlegung nicht eröffnet.
b)
Der Beklagte wendet auf die Dienstverhältnisse seiner und der mit ihm
verbundenen Einrichtungen, die Mitglied im Diakonischen Werk sind, die AVR
iSv. § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. a AVR an.
aa)
Unstreitig wendet der Beklagte auf alle Dienstverhältnisse seiner
Einrichtungen die AVR an. Dies gilt auch für die Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter der mit ihm verbundenen S GmbH.
bb)
Auf die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der T GmbH werden hingegen
die AVR - oder gleichwertige Arbeitsvertragsgrundlagen - nicht angewandt,
obwohl es sich bei der T GmbH unstreitig um eine mit dem Beklagten ver-
bundene Einrichtung handelt. Dennoch sind die Voraussetzungen des § 1
Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. a AVR erfüllt. Ob das Landesarbeitsgericht im
Ergebnis zutreffend angenommen hat, dass die sog. Tariftreueregelung in § 1
Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. a AVR lediglich auf Vollmitglieder anwendbar sei
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und bei Gastmitgliedern außer Betracht zu bleiben habe, weil § 1 Abs. 5
Unterabs. 1 Buchst. a AVR nur von „Mitgliedern“ und nicht von „Mitgliedern und
Gastmitgliedern“ spreche, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls fallen Gastmit-
glieder dann nicht in den Anwendungsbereich dieser Regelung, wenn ihnen
vom Vorstand des Diakonischen Werks ein Dispens von den Regelungen des
§ 4 der Satzung des Diakonischen Werks erteilt worden ist. Das war bei der
T GmbH der Fall.
(1)
Zwar lässt sich aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. a
AVR und der Systematik der AVR keine eindeutige Präferenz für die Auslegung
dieses Tatbestandsmerkmals der Regelung erkennen. Der Wortlaut ist nicht
eindeutig. Auch systematische Überlegungen aus den AVR führen insoweit
nicht weiter.
(2)
Der Sinn und Zweck des § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. a AVR spricht
aber eindeutig dafür, dass Gastmitglieder, die die AVR-Regelungen aufgrund
eines vom Vorstand des Diakonischen Werks erteilten Dispenses von den
Regelungen des § 4 der Satzung des Diakonischen Werks nicht anwenden
müssen, nicht unter den Anwendungsbereich dieser AVR-Regelung fallen. Mit
der Regelung des § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. a AVR sollte verhindert
werden, dass Einrichtungen des Diakonischen Werks ihren Mitarbeitern Arbeits-
bedingungen anbieten, die sich von Arbeitsvertragsrichtlinien - oder vergleich-
baren Regelungen - entfernen. Dies entspricht zum einen dem Verständnis der
Dienstgemeinschaft iSd. § 1 Abs. 2 AVR und zum anderen auch den sich aus
der Mitgliedschaft im Diakonischen Werk übernommenen Mitgliedspflichten.
Nach § 4 Abs. 2 Nr. 7 der Satzung des Diakonischen Werks der Evangelischen
Kirche von Westfalen sind die
„Mitglieder verpflichtet,
a)
die
Mitarbeitenden
nach Arbeitsbedingungen zu
beschäftigen, die in einem kirchengesetzlich an-
erkannten Verfahren gesetzt werden, welches auf
strukturellem Gleichgewicht der Dienstgeber- und der
Dienstnehmerseite beruht,
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b)
sich der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse Rhein-
land-Westfalen oder einer gleichwertigen Kasse an-
zuschließen, mit der eine Überleitungsregelung
besteht,
c) das Mitarbeitervertretungsrecht der Evangelischen
Kirche von Westfalen anzuwenden und den Vollzug
der Wahl der Mitarbeitervertretung unverzüglich der
Geschäftsstelle des Diakonischen Werkes mitzu-
teilen,
d) das
Kirchengesetz
über die Ordnung der diako-
nischen Arbeit in der Ev. Kirche von Westfalen
(Diakoniegesetz) in der jeweils gültigen Fassung
anzuwenden“.
Für Gastmitglieder bestimmt die Satzung in § 5 Abs. 4:
„Im Übrigen gelten für Gastmitglieder die Bestimmungen
des § 4 entsprechend, soweit nicht der Vorstand ab-
weichende Bedingungen festsetzt.“
Die Satzungsbestimmungen gehen somit für den Regelfall davon aus,
dass Gastmitglieder grundsätzlich auch die AVR anwenden müssen und
werden. Im Zusammenhang mit § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Buchst. a AVR bedeutet
dies, dass eine Privilegierung einer Einrichtung in Form einer möglichen
Reduzierung der Jahressonderzahlung grundsätzlich nur in Betracht kommen
wird, wenn alle Dienstverhältnisse der Einrichtung und der verbundenen Ein-
richtungen die Arbeitsvertragsrichtlinien -
oder vergleichbare gleichwertige
Arbeitsvertragsgrundlagen - anwenden. Durch eine Ausgliederung von Ein-
richtungen, die zwar der Satzung des Diakonischen Werks verpflichtet sind,
aber nicht die entsprechenden AVR anwenden, soll eine Anwendung der AVR
durch die Einrichtungsträger nicht umgangen werden. Etwas anderes gilt aber
dann, wenn der Vorstand des Diakonischen Werks einem Gastmitglied einen
Dispens von den Bestimmungen des § 4 der Satzung erteilt hat. Die Dispenser-
teilung wirkt sich so aus, dass eine Zuständigkeit der Arbeitsrechtlichen
Kommission und damit auch eine Verpflichtung, die AVR anzuwenden, nicht
mehr besteht
. Die sog. Tariftreue wird damit nicht infrage gestellt.
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(3)
Im Entscheidungsfall hat der Vorstand des Diakonischen Werks für die
Gastmitgliedschaft der T GmbH mit Beschluss vom 14. Dezember 2006 auf die
Einhaltung der Satzungspflicht, kirchliches Arbeitsrecht gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 7
Buchst.
a der Satzung anzuwenden, verzichtet. Danach bestand für die
T GmbH keine Verpflichtung, die AVR oder vergleichbare Regelungen anzu-
wenden. Daraus folgt, dass auch der Beklagte nicht mehr iSv. § 1 Abs. 5
Unterabs. 1 Buchst. a AVR verpflichtet war, dafür Sorge zu tragen, dass die mit
ihm verbundene Einrichtung der T GmbH für die bei ihr beschäftigten Mit-
arbeiter die Regelungen der AVR anwendet.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
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