Urteil des BAG vom 28.07.2020

Mitbestimmung des Betriebsrats - verfassungsrechtlich geschützte Koalitionstätigkeit von Gewerkschaftsmitgliedern

Bundesarbeitsgericht
Beschluss vom 28. Juli 2020
Erster Senat
- 1 ABR 41/18 -
ECLI:DE:BAG:2020:280720.B.1ABR41.18.0
I. Arbeitsgericht Siegburg
Beschluss vom 14. Dezember 2017
- 1 BV 17/17 -
II. Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss vom 24. August 2018
- 9 TaBV 7/18 -
Entscheidungsstichwort:
Mitbestimmung des Betriebsrats
Leitsatz:
Das von Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Recht betriebsangehöriger Gewerk-
schaftsmitglieder, sich durch die Verteilung gewerkschaftlichen Informa-
tions- oder Werbematerials im Betrieb aktiv an der koalitionsgemäßen Be-
tätigung ihrer Gewerkschaft zu beteiligen und diese dadurch bei der Ver-
folgung ihrer koalitionsspezifischen Ziele zu unterstützen, unterliegt nicht
der Regelungsmacht der Betriebsparteien.
ECLI:DE:BAG:2020:280720.B.1ABR41.18.0
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BUNDESARBEITSGERICHT
1 ABR 41/18
9 TaBV 7/18
Landesarbeitsgericht
Köln
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
28. Juli 2020
BESCHLUSS
Metze, Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten
1.
Antragsteller, Beschwerdeführer und Rechtsbeschwerdeführer,
2.
hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Beratung vom
28. Juli 2020 durch die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Schmidt,
die Richterinnen am Bundesarbeitsgericht K. Schmidt und Dr. Ahrendt sowie die
ehrenamtliche
Richterin
Schwitzer
und
den
ehrenamtlichen
Richter
Prof. Dr. Rose für Recht erkannt:
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1 ABR 41/18
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Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Be-
schluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 24. August
2018 - 9 TaBV 7/18 - wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über einen Unterlassungsanspruch.
Die Arbeitgeberin betreibt eine Klinik. Antragsteller ist der bei ihr gebil-
dete Betriebsrat.
Am 12. Mai 2017 -
dem „Internationalen Tag der Pflege“ - errichteten vier
bei der Arbeitgeberin beschäftigte Mitglieder der Vereinten Dienstleistungsge-
werkschaft (ver.di) außerhalb ihrer Arbeitszeit vor der Kapelle der Klinik einen
Informationsstand. An diesem verteilten sie Flugblätter, in denen zur Teilnahme
an einer Demonstration aufgerufen wurde, und sammelten Unterschriften für den
von ver.di initiierten
„Nordrhein-Westfälischen Appell für mehr Krankenhausper-
sonal“. Gegenstand des an den Bundesgesundheitsminister gerichteten Appells
war die Forderung nach einer gesetzlichen Personalbemessung für Krankenhäu-
ser. Die Pflegedienstleiterin untersagte den Arbeitnehmern die Durchführung die-
ser Aktion.
Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Anordnung der Pflegedienstlei-
tung sei als eine das Ordnungsverhalten betreffende Maßnahme nach § 87
Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Die Betriebsparteien seien befugt,
die nähere Ausgestaltung vergleichbarer Aktionen von gewerkschaftlich organi-
sierten Arbeitnehmern im Betrieb zu regeln.
Der Betriebsrat hat beantragt,
der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, im Be-
trieb beschäftigten Gewerkschaftsmitgliedern ohne seine
vorherige Zustimmung oder einen seine Zustimmung erset-
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zenden Spruch einer Einigungsstelle zu untersagen, außer-
halb ihrer Arbeitszeit einen gewerkschaftlichen Informati-
onsstand aufzubauen und gewerkschaftliches Informati-
onsmaterial mit Krankenhausbezug, dessen Inhalt nicht ge-
gen Strafgesetze verstößt, auf dem Betriebsgelände zu ver-
teilen, sofern durch den Informationsstand und das Vertei-
len des Informationsmaterials die Arbeitsabläufe nicht ge-
stört werden und der Informationsstandort brandschutz-
rechtlich unbedenklich ist;
hilfsweise
festzustellen, dass die Anweisung am 12. Mai 2017 gegen-
über Beschäftigten des Betriebs, den vor der Krankenhaus-
kapelle aufgebauten Informationsstand abzubauen und das
Verteilen von Flugblättern sowie das Sammeln von Unter-
schriften für den NRW-Appell für mehr Krankenhausperso-
nal der Gewerkschaft ver.di zu unterlassen, seinem Mitbe-
stimmungsrecht
aus
§ 87
Abs. 1
Nr. 1
BetrVG unterliegt.
Die Arbeitgeberin hat Antragsabweisung begehrt.
Die Vorinstanzen haben die Anträge abgewiesen. Mit der Rechtsbe-
schwerde verfolgt der Betriebsrat sein Begehren weiter.
B.
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist erfolglos. Der zulässige
Hauptantrag des Betriebsrats ist unbegründet. Der Hilfsantrag ist dem Senat
nicht zur Entscheidung angefallen.
I.
Der Hauptantrag ist zulässig.
1.
Er bedarf jedoch der Auslegung.
a)
Bei einem - wie vorliegend - auf die Abwehr künftiger Beeinträchtigungen
gerichteten Unterlassungsanspruch ist das verlangte Verbot in aller Regel an-
lassfallbezogen und als auf die Untersagung der darin liegenden, als rechtswidrig
angegriffenen Verhaltensweise gerichtet zu verstehen. Diese legt der Antragstel-
ler in seinem Antrag sowie der zu dessen Auslegung heranzuziehenden Begrün-
dung fest. Die so umschriebene Verletzungsform bestimmt und begrenzt den In-
halt des Unterlassungsbegehrens. Dieses Verständnis entspricht dem Gebot der
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rechtsschutzgewährenden Antragsauslegung
.
b)
Der Betriebsrat begehrt mit seinem Unterlassungsantrag die Beachtung
eines von ihm geltend gemachten Mitbestimmungsrechts bei der arbeitgebersei-
tigen Untersagung einer bestimmten Betätigung von gewerkschaftlich organisier-
ten Arbeitnehmern im Betrieb der Arbeitgeberin. Ausgehend vom Anlassfall und
der Antragsbegründung besteht diese Betätigung darin, dass die Arbeitnehmer
außerhalb ihrer Arbeitszeit Informationsstände im Gebäude der Klinik aufbauen
und
von
einer
Gewerkschaft
herausgegebenes
Informations-
oder Werbematerial verteilen, das - vergleichbar dem von ver.di initiierten
„Nordrhein-Westfälischen Appell für mehr Krankenhauspersonal“ - einen inhaltli-
chen Bezug zu den Arbeitsbedingungen der Krankenhausbeschäftigten aufweist.
Die im Antrag verwendete Formulierung des „gewerkschaftlichen“ Informations-
stands bringt lediglich zum Ausdruck, dass dessen Errichtung der Vermittlung
von Informationen über gewerkschaftliche Ziele oder Aktionen in Bezug auf die
Arbeitssituation in den Krankenhäusern dient. Der darüber hinaus im Antrag ent-
haltenen inhaltlichen Beschreibung des gewerkschaftlichen Informationsmateri-
als
(„dessen Inhalt nicht gegen Strafgesetze verstößt“) kommt ebenso wie den
weiteren situativen Bedingungen
(„sofern durch den Informationsstand und das
Verteilen des Information
smaterials die Arbeitsabläufe nicht gestört werden“, „der
Informationsstandort brandschutzrechtlich unbedenklich ist“) keine selbständige,
das Antragsbegehren einschränkende Bedeutung zu. Vielmehr beschreibt der
Betriebsrat damit ersichtlich nur die auch den Anlassfall bestimmenden näheren
Umstände.
2.
Mit diesem Verständnis genügt der Unterlassungsantrag dem Be-
stimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Arbeitgeberin kann mit
ausreichender Gewissheit erkennen, welche Handlungen sie künftig unterlassen
soll. Durch die den Anlassfall bildende, konkret behauptete Verletzungsform ist
die Reichweite des erstrebten Verbotsausspruchs hinreichend deutlich. Die im
Antrag verwandten allgemein gehaltenen Formulierungen sind einer Konkretisie-
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rung zugänglich. Einem Unterlassungsbegehren wohnen notwendigerweise ge-
wisse Generalisierungen inne; dies ist unschädlich, wenn - wie hier - zum Ver-
ständnis der Begriffe auf die mit dem Antrag beanstandete konkrete Verletzungs-
handlung und die hierzu gegebene Begründung zurückgegriffen werden kann
.
II.
Der Hauptantrag ist unbegründet. Dem Betriebsrat steht kein Mitbestim-
mungsrecht bei der streitbefangenen Maßnahme der Arbeitgeberin zu. Zwar folgt
dies - entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts - mangels Vorhandens-
eins einer abschließenden gesetzlichen Regelung nicht aus § 87 Abs. 1 Einlei-
tungssatz BetrVG. Das vom Betriebsrat reklamierte Mitbestimmungsrecht nach
§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG scheidet jedoch deshalb aus, weil eine in der Vermitt-
lung von Informationen über gewerkschaftliche Ziele oder Aktionen bestehende
Betätigung mitgliedschaftlich organisierter Arbeitnehmer im Betrieb nicht der Re-
gelungsmacht des Arbeitgebers unterliegt. Dementsprechend besteht auch kein
Raum für ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 Be-
trVG. Die Betriebsparteien sind nicht befugt, die von Art. 9 Abs. 3 GG geschützte
Koalitionsbetätigungsfreiheit auszugestalten.
1.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben innerhalb der gesetzlich vorgegebe-
nen Grenzen
eine umfassende Regelungskompetenz
hinsichtlich aller betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Fragen sowie
des Inhalts, des Abschlusses und der Beendigung von Arbeitsverhältnissen
. Zu den
von dieser weiten Kompetenz erfassten Regelungsgegenständen gehören ins-
besondere die Tatbestände, die der Gesetzgeber ausdrücklich der mitbestimm-
ten Regelung durch die Betriebsparteien unterstellt hat. Dazu zählen auch die
sozialen Angelegenheiten iSd. § 87 BetrVG und damit auch Maßnahmen, die das
Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen
.
2.
Das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer ist berührt, wenn die Maß-
nahme des Arbeitgebers auf die Gestaltung des kollektiven Miteinanders oder
die Gewährleistung und Aufrechterhaltung der vorgegebenen Ordnung des
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Betriebs zielt. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 1
BetrVG ist das betriebliche Zusammenleben und kollektive Zusammenwirken der
Beschäftigten. Es beruht darauf, dass die Beschäftigten ihre vertraglich geschul-
dete Leistung innerhalb einer vom Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitsorganisa-
tion erbringen und deshalb dessen Weisungsrecht unterliegen. Das berechtigt
den Arbeitgeber dazu, Regelungen vorzugeben, die das Verhalten der Beschäf-
tigten im Betrieb beeinflussen und koordinieren sollen. Solche Maßnahmen be-
dürfen der Mitbestimmung des Betriebsrats. Dies soll gewährleisten, dass die
Beschäftigten gleichberechtigt in die Gestaltung des betrieblichen Zusammenle-
bens einbezogen werden. Dazu schränkt das Mitbestimmungsrecht nach § 87
Abs. 1 Nr. 1 BetrVG die auf die betriebliche Ordnung bezogene Regelungsmacht
des Arbeitgebers ein
.
3.
Das von Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Recht betriebsangehöriger Ge-
werkschaftsmitglieder, sich durch die Verteilung gewerkschaftlichen Informa-
tions- oder Werbematerials im Betrieb aktiv an der koalitionsgemäßen Betätigung
ihrer Gewerkschaft zu beteiligen und diese dadurch bei der Verfolgung ihrer ko-
alitionsspezifischen Ziele zu unterstützen, unterliegt nicht der Regelungsmacht
des Arbeitgebers. Aus diesem Grund besteht auch kein Raum für eine Mitbestim-
mung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.
a)
Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet nicht nur den Bestand und die organisa-
torische Ausgestaltung einer Koalition, sondern erfasst alle koalitionsspezifi-
schen Tätigkeiten, die der Wahrung oder Förderung der Arbeits- und Wirtschafts-
bedingungen dienen. Diese sind nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG von Verfassungs
wegen auch gegen privatrechtliche Beschränkungen geschützt
.
b)
Zu den von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tätigkeiten zählt neben der
Mitgliederwerbung für eine Gewerkschaft
auch die Infor-
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mation von Mitgliedern und Nichtmitgliedern über diejenigen Aktivitäten der Ver-
einigung, die der Erreichung des Koalitionszwecks zur Wahrung oder Verbesse-
rung der Arbeitsbedingungen dienen sollen
. Die freie Darstellung organisierter Grup-
peninteressen ist Bestandteil der Betätigungsfreiheit, die Art. 9 Abs. 3 GG den
Koalitionen gewährleistet
. Sie
ist erforderlich für die weitere Unterstützung von Seiten der Mitglieder und deren
Mobilisierung und dient zugleich der Werbung von Nichtmitgliedern
.
c)
Zu der von Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Betätigungsfreiheit gehört
die Entscheidung der Koalition, in welcher Art und Weise sie Werbung betreiben
oder Dritte über ihre Aktivitäten informieren will. Die Gewerkschaft kann selbst
bestimmen, an welchem Ort, durch welche Personen und in welcher äußeren
Form sie um Mitglieder werben oder Arbeitnehmer bzw. sonstige Dritte über ihre
Tätigkeiten informieren will. Ihre Entscheidung, Mitgliederwerbung unmittelbar im
Betrieb zu betreiben und dort über ihre Tätigkeiten zu informieren, unterfällt damit
ebenfalls dem Schutzbereich von Art. 9 Abs. 3 GG
. Hängt die Verfolgung des Koalitionszwecks von dem Einsatz
bestimmter Mittel ab, werden auch diese vom grundrechtlichen Schutz umfasst
.
d)
Der Schutz von Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet darüber hinaus auch dem
einzelnen Mitglied einer Vereinigung das Recht, aktiv an der verfassungsrechtlich
geschützten Koalitionstätigkeit teilzunehmen
und sich damit koalitionsspezifisch zu betätigen
. Wer sich darum bemüht, die eigene Vereinigung
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durch Mitgliederzuwachs zu stärken, indem er andere zum Beitritt zu gewinnen
versucht, nimmt das Grundrecht der Koalitionsfreiheit wahr
.
Gleiches gilt, wenn er Dritte über die auf die
Erreichung des Koalitionszwecks in Form einer Verbesserung der Arbeitsbedin-
gungen gerichteten Tätigkeiten der Vereinigung informiert und dadurch deren Ak-
tivitäten unterstützt.
e)
Kollidiert die gewählte Art und Weise der Mitgliederwerbung und der In-
formation Dritter mit Rechtspositionen des Arbeitgebers aus Art. 14 Abs. 1,
Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG, ist es - mangels Tätigwerden des Gesetzge-
bers - Sache der Gerichte, diese kollidierenden Grundrechtspositionen in ihrer
Wechselwirkung zu erfassen und - ggf. im Wege der Rechtsfortbildung - nach
dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie
für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden
. Der unter Rücksicht-
nahme auf kollidierende Verfassungswerte notwendig werdende Ausgleich kann
dabei in der Regel nicht generell, sondern nur im Einzelfall durch Güterabwägung
vorgenommen werden. Er betrifft nicht den gesamten Bereich der jeweiligen ver-
fassungsrechtlichen Gewährleistungen, sondern ist auf den Ausgleich der kon-
kreten Kollisionslage beschränkt. Entsprechend lässt er sich regelmäßig weder
formal noch situationsungebunden vornehmen
.
4.
Danach unterliegt die vorliegend verfahrensgegenständliche Betätigung
von mitgliedschaftlich organisierten Arbeitnehmern zum Zwecke der Information
über koalitionsspezifische Ziele und der damit verbundenen Werbung für die Ge-
werkschaft nicht der durch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87
Abs. 1 Nr. 1 BetrVG beschränkten Regelungsmacht der Arbeitgeberin. Sie ist
nicht berechtigt, für die Durchführung derartiger in ihrem Betrieb stattfindender
Aktivitäten Regelungen vorzugeben. Dementsprechend können die Betriebspar-
teien die Zulässigkeit oder die nähere Ausgestaltung solcher Aktionen auch nicht
gemeinsam regeln. Dies zeigt auch § 2 Abs. 3 BetrVG. Danach werden die Auf-
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gaben der Gewerkschaften und der Vereinigungen der Arbeitgeber, insbeson-
dere die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder, durch das Betriebsver-
fassungsgesetz nicht berührt. Die Betriebsparteien können deshalb für diese Or-
ganisationen und ihre Mitglieder auch im Rahmen von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG
keine Festlegungen dazu treffen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen
eine koalitionsspezifische Betätigung im Betrieb zulässig ist. Soweit die Rechts-
beschwerde geltend macht,
die Aktion der Arbeitnehmer im Mai 2017 habe „nicht
allein in gewerkschaftlicher Betätigung“ bestanden, sondern „ganz wesentlich
auch“ zum Ziel gehabt, über das in der Öffentlichkeit allgemein diskutierte Prob-
lem des Pflegenotstands zu informieren, übersieht sie, dass sich der vom Be-
triebsrat zur Entscheidung gestellte Hauptantrag nach seiner ausdrücklichen
Fassung auf
die Verteilung von „gewerkschaftlichem“ und nicht lediglich von all-
gemein- oder sonst gesellschaftspolitischem Informationsmaterial bezieht. Unab-
hängig davon handelte es sich bei
m „Nordrhein-Westfälischen Appell für mehr
Krankenhauspersonal“ um eine gewerkschaftlich initiierte Unterschriftensamm-
lung, die auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Mitarbeitern in
Krankenhäusern abzielte.
III.
Über den Feststellungsantrag hatte der Senat nicht zu entscheiden. Der
Antrag stand erkennbar unter der innerprozessualen Bedingung, dass der Unter-
lassungsantrag nicht am Fehlen eines Mitbestimmungsrechts scheitert, sondern
als Leistungsantrag aus prozessrechtlichen Gründen nicht durchgreift.
Schmidt
K. Schmidt
Ahrendt
H. Schwitzer
Rose
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