Urteil des BAG vom 19.09.2007

BAG: Tarifauslegung, Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit, begriff, mehrarbeit, schichtarbeit, ausnahmefall, arbeiter, produktion, freizeit, betriebsrat

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 19.9.2007, 4 AZR 617/06
Tarifauslegung - Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Brandenburg vom 1. März 2006 - 6 Sa 485/05 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf einen tariflichen Nachtarbeitszuschlag.
2 Der Kläger ist bei der Beklagten, bei der ein Betriebsrat besteht, als Gruppenkoordinator in der
Produktion beschäftigt, in der im Mehrschichtbetrieb Trockner und Toplader hergestellt werden. Das
Arbeitsverhältnis der Parteien richtet sich nach dem Einstellungsschreiben der nicht
tarifgebundenen Beklagten vom 23. Dezember 1994, in dem unter § 12 Abs. 2 bestimmt ist:
“...
Im übrigen sind für Ihr Arbeitsverhältnis die gesetzlich vorgeschriebenen Regelungen sowie -
soweit keine abweichenden betrieblichen Regelungen bei H bestehen - die tariflichen
Bestimmungen des Manteltarifvertrages für Arbeiter der Metall- und Elektroindustrie Berlin und
Brandenburg (Tarifgebiet II) in der Fassung der Vereinbarung vom 10.3.1991 maßgebend.
...”
3 Nachdem der Kläger vorher nur in Früh- und Spätschicht gearbeitet hatte, leistete er seine Arbeit ab
6. September 2004 bis zum 30. November 2004 schichtplanmäßig im wöchentlichen Wechsel von
Nachtschicht und Frühschicht. Der für das Jahr 2004 zunächst aufgestellte Schichtplan für die
Produktion der Beklagten, bei der es außerhalb des hier interessierenden Zeitraums - also auch
danach - lange Zeit keine Nachtarbeit gab, hatte keine Nachtschichten vorgesehen. Die dann
eingeführte Nachtarbeit beruhte auf jeweils für die Dauer eines Kalendermonats geregelten
Schichtplanänderungen für die Monate September bis Dezember 2004.
4 Für die Nachtarbeit erhielt der Kläger von der Beklagten einen Zuschlag von 7,5 % pro
Nachtarbeitsstunde. Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm stehe für die Nachtarbeitsstunden in
den Monaten September bis November 2004 ein tariflicher Nachtarbeitszuschlag von 50 % zu.
Nach Ablehnung der Erfüllung dieses vom Kläger mit Schreiben vom 29. Dezember 2004 geltend
gemachten Anspruchs durch die Beklagte verfolgt er diesen Anspruch, der rechnerisch unstreitig
1.741,64 Euro betrug, mit seiner Zahlungsklage weiter.
5 Der Kläger hat, soweit für den Rechtsstreit noch von Interesse, die Auffassung vertreten, er habe
Anspruch auf den Zuschlag nach Ziff. 7.1.3 des Manteltarifvertrages für Arbeiter der Metall- und
Elektroindustrie Berlin-Ost und Brandenburg (Tarifgebiet II) in der Fassung der Vereinbarung vom
10. März 1991 (MTV), weil er unregelmäßige Nachtarbeit geleistet habe.
6
6 Der Kläger hat beantragt
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.741,64 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 288 BGB hieraus seit dem 7. März 2005 zu zahlen.
7 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, dem Kläger stehe der
Nachtarbeitszuschlag von 50 % nicht zu. Dieser sei tariflich nur bei unregelmäßiger Nachtarbeit
vorgesehen, die nicht angefallen sei. Der Kläger habe vielmehr schichtplanmäßig gearbeitet und
demgemäß nicht unregelmäßige Nachtarbeit geleistet.
8 Das Arbeitsgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung der
12 %igen tariflichen Wechselschichtzulage in Höhe von 417,99 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers, mit der er die Zahlung der weiteren
1.323,65 Euro brutto nebst Zinsen erstrebt hat, zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der
Kläger diesen Anspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
9 Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Mit Recht haben die Vorinstanzen die Klage
abgewiesen. Sie haben zutreffend erkannt, dass der Kläger keine unregelmäßige Nachtarbeit
geleistet hat.
10 I. Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des tariflichen
Zuschlags von 50 % gem. Ziff. 7.1.3 MTV für die Zeit vom 6. September bis 30. November 2004.
Seine Tätigkeit im vorgenannten Zeitraum erfüllt nicht das Tatbestandsmerkmal der
“unregelmäßigen” Nachtarbeit dieser als einzige Anspruchsgrundlage für den Klageanspruch in
Betracht kommenden Tarifnorm.
11 1. Der Manteltarifvertrag ist streitlos kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung für das
Arbeitsverhältnis der Parteien maßgebend.
12 2. Dieser lautet, soweit für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung:
“6.2
Wechselschichtarbeit ist die Arbeit, die von einzelnen Beschäftigten im Rahmen
regelmäßig wechselnder Schichten geleistet wird.
Im Rahmen regelmäßig wechselnder Schichten geleistete Arbeit liegt dann vor, wenn
einzelne Beschäftigte, dem Schichtplan entsprechend selbst regelmäßigem
Schichtwechsel unterliegen oder aber ständig außerhalb der Normalschicht bzw. der
ersten Schicht in den weiteren Schichten des Schichtplanes eingesetzt werden.
Protokollnotiz:
Die Schichtzuschläge, die für tatsächlich in den Nachtstunden zwischen
20.00 Uhr und 6.00 Uhr geleistete Arbeit gezahlt werden, haben den
Rechtscharakter von Nachtarbeitszuschlägen.
6.3
Nachtarbeit ist die in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr geleistete Arbeit.
Ständige Nachtarbeit ist Nachtarbeit, die für einen zusammenhängenden Zeitraum
von mehr als zwei Wochen angeordnet wird.
Unregelmäßige Nachtarbeit ist Nachtarbeit, die aus Anlaß betrieblicher Erfordernisse
außerhalb der regelmäßigen Schicht geleistet wird.
7 Zuschläge
7.1
Folgende Zuschläge werden für angeordnete Arbeitsleistungen gezahlt:
...
7.1.2 Wechselschichtarbeit
(Ziffer 6.2)
in der 2. Schicht
12%
in der 3. und 4.
Schicht
15 %
7.1.3 Nachtarbeit (Ziffer
6.3)
ständige Nachtarbeit 15 %
unregelmäßige
Nachtarbeit
50 %
unregelmäßige
Nachtarbeit, die
zugleich Mehrarbeit
ist
60 %
7.4
Beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge ist nur ein Zuschlag, und zwar der
höhere, zu zahlen. Dies gilt jedoch nicht für den Fall des Zusammentreffens von
Zuschlägen für Mehrarbeit (Ziffer 7.1.1) und Wechselschichtarbeit (Ziffer 7.1.2).”
13 3. Die Arbeit des Klägers im streitbefangenen Anspruchszeitraum war keine unregelmäßige
Nachtarbeit iSv. Ziff. 7.1.3 iVm. Ziff. 6.3 Abs. 3 MTV.
14 a) “Unregelmäßige” Nachtarbeit liegt nicht vor, wenn diese innerhalb der regelmäßigen Schicht
geleistet wird. Im Falle einer Änderung des Schichtplans ist die geänderte Fassung maßgebend,
sofern die Änderung für einen in der Betriebspraxis üblichen Schichtplanzeitraum wirksam erfolgt
ist. Ob Nachtarbeit im Betrieb auf lange Sicht gesehen ein Ausnahmefall ist, spielt nach den
tariflichen Begriffsbestimmungen in Ziff. 6.2 und 6.3 MTV keine Rolle.
15 aa) Der MTV differenziert bei der Regelung der Nachtarbeitszuschläge in Ziff. 7 wie folgt: Für
ständige Nachtarbeit hat der Beschäftigte Anspruch auf einen Zuschlag von 15 %, für
unregelmäßige auf einen solchen von 50 % und - wenn letztere zugleich Mehrarbeit ist - auf einen
Zuschlag von 60 % (Ziff. 7.1.3 MTV). Für Nachtarbeit “im Rahmen regelmäßig wechselnder
Schichten” (Ziff. 6.2 Abs. 1 MTV) begründet Ziff. 7.1.2 MTV einen Zuschlag von 12 % für die Arbeit
in der 2. Schicht und einen solchen von 15 % für diejenige in der 3. und 4. Schicht; diese
Zuschläge für “Wechselschichtarbeit” haben nach der Protokollnotiz zu Ziff. 6.2 MTV den
“Rechtscharakter von Nachtarbeitszuschlägen”.
16 bb) Den Begriff der unregelmäßigen Nachtarbeit iSv. Ziff. 7.1.3 MTV haben die
Tarifvertragsparteien in Ziff. 6.3 Abs. 3 MTV dahin bestimmt, dass dies Nachtarbeit ist, die aus
Anlass betrieblicher Erfordernisse außerhalb der regelmäßigen Schicht geleistet wird. Eine
Bestimmung, was sie unter “regelmäßiger Schicht” verstehen, haben sie hingegen nicht getroffen.
Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit der dazu von ihm zitierten
Entscheidung des Zehnten Senats vom 25. Juli 2001 (- 10 AZR 758/00 - EzA BGB § 611
Schichtarbeit Nr. 2) zur Auslegung des Tarifbegriffs “regelmäßig” auf den allgemeinen
Sprachgebrauch zurückgegriffen. Danach bedeutet “regelmäßig” nach einer bestimmten Regel
geschehend, in gleichen Abständen sich wiederholend. Das Präfix “un” verkehrt den Sinn des
Wortstamms in sein Gegenteil. Unregelmäßig ist danach etwas, wenn es gerade keiner Regel
folgt. Lage und Dauer einer Schicht sind üblicherweise in einem Schichtplan geregelt.
Plankonforme Schichtarbeit ist demzufolge Arbeit in regelmäßiger Schicht. Dies zieht auch der
Kläger nicht in Zweifel, wenn er die Auffassung vertritt, für die Beurteilung der Nachtarbeit als
“regelmäßig” - weil in “regelmäßiger Schicht” - sei der ursprüngliche Schichtplan mit dem sich
daraus ergebenden Gesamtbild maßgebend.
17 cc) Soweit der Kläger daraus jedoch folgert, die Nachtarbeit nach einem “später eingefügten
Schichtplanabschnitt” sei demzufolge “unregelmäßige” Nachtarbeit, ist dies unzutreffend. Der MTV
enthält weder eine Regelung zum Zeitpunkt der Aufstellung eines Schichtplans noch zu dessen
Laufzeit (anders zB der für die Entscheidung des Senats vom 4. Juli 1973 - 4 AZR 475/72 - AP
TVG § 1 Auslegung Nr. 122 = EzA TVG § 4 Nr. 37 zu beurteilende Manteltarifvertrag für die
gewerblichen Arbeitnehmer der Brauereien und selbständigen Handelsmälzereien im Lande
Nordrhein-Westfalen) . Ein “Schichtplan” setzt auch nicht begrifflich eine bestimmte zeitliche
Bezugsdauer - ein Jahr, ein Quartal oder einen Monat - voraus. Ebenso wenig ist der Begriff
gesetzlich definiert. Es gibt bezüglich der Dauer eines Schichtplans schließlich auch keine
einheitliche betriebliche Praxis. In dem der bereits erwähnten Entscheidung des Zehnten Senats
vom 25. Juli 2001 (- 10 AZR 758/00 - EzA BGB § 611 Schichtarbeit Nr. 2) zugrunde liegenden Fall
hat das Bundesarbeitsgericht zB das Tatbestandsmerkmal “geplante Schichtarbeit” für die Arbeit
nach einem - am Donnerstag oder Freitag der Vorwoche aufgestellten - Wochenschichtplan
bejaht.
18 dd) Ein Schichtplan kann im Ganzen wie auch in Teilen geändert werden. Von einem zunächst
aufgestellten Schichtplan in einem Teilzeitraum abweichende Nachtarbeit ist keine unregelmäßige
Nachtarbeit iSv. Ziff. 6.3 Abs. 3 MTV, wenn sie nach Maßgabe einer rechtzeitig und wirksam
erfolgten Änderung des zunächst aufgestellten Schichtplans für einen in der Betriebspraxis
üblichen Schichtplanzeitraum geleistet worden ist. Der höhere Zuschlag für unregelmäßige
Nachtarbeit im Vergleich zu demjenigen für ständige Nachtarbeit und schichtplankonformer
Nachtarbeit in Wechselschicht (vgl. Protokollnotiz zu Ziff. 6.2 MTV) soll zum einen die besonderen
Erschwernisse abgelten, die dadurch verursacht werden, dass sich die Belastung des
Arbeitnehmers durch den kurzfristigen Arbeitsrhythmuswechsel ändert und er sich in seinen
gesamten Lebensgewohnheiten - Schlafen, Einnahme der Mahlzeiten, aber auch Gestaltung der
Freizeit - umstellen muss (BAG 11. Juli 1957 - 2 AZR 469/54 - AP BGB § 611 Lohnzuschläge
Nr. 4), und zum anderen den Arbeitgeber dazu veranlassen, die im Verhältnis zur ständigen und
zur schichtplankonformen Nachtarbeit in Wechselschicht teurere unregelmäßige Nachtarbeit nach
Möglichkeit zu vermeiden. Bei rechtzeitig erfolgter - wirksamer - Schichtplanänderung für die
Dauer eines Monats liegen die vorgenannten besonderen Erschwernisse nicht vor.
19 ee) Der Umstand, dass bei einem Arbeitgeber im Allgemeinen keine Nachtarbeit geleistet und
diese nur ausnahmsweise für einen begrenzten Zeitraum eingeführt wird, steht der Wertung, dass
es sich dabei nicht um unregelmäßige Nachtarbeit iSv. Ziff. 6.3 Abs. 3 MTV handelt, nicht
entgegen.
20 (1) Der Senat setzt sich damit nicht in Widerspruch zu der vorzitierten Entscheidung des Zweiten
Senats. In dem für jenen Rechtsstreit maßgebenden Tarifvertrag war für Nachtarbeitsstunden, die
“ausnahmsweise” geleistet werden, ein höherer Zuschlag als für “regelmäßig” geleistete
vorgesehen. Der Zweite Senat hat in seiner Entscheidung die Auffassung vertreten,
Nachtarbeitsstunden während eines begrenzten Zeitraums in einem ansonsten nicht während der
Nacht arbeitenden Betrieb könnten als “ausnahmsweise” geleistete Nachtarbeitsstunden gewertet
werden. Der MTV hingegen differenziert nicht zwischen “ausnahmsweise” und “regelmäßig”
geleisteten Nachtarbeitsstunden. Er unterscheidet vielmehr zwischen schichtplankonformer
Nachtarbeit in Wechselschicht, ständiger Nachtarbeit und unregelmäßiger Nachtarbeit - mit oder
ohne Mehrarbeit -. Ständige Nachtarbeit ist nach der tariflichen Begriffsbestimmung in Ziff. 6.3
Abs. 2 MTV Nachtarbeit, die für einen zusammenhängenden Zeitraum von mehr als zwei Wochen
angeordnet wird. Ob dies im Betrieb über Jahre gesehen ausnahmsweise geschieht oder häufiger
vorkommt, ist für den Tarifbegriff der “ständigen” Nachtarbeit unerheblich. Dieser stellt allein auf
die aktuell geltende Arbeitszeitregelung ab. Bezüglich des Begriffs der “unregelmäßigen
Nachtarbeit” enthält der MTV keine Anhaltspunkte, dass für diesen anders als bei demjenigen der
ständigen Nachtarbeit auf die Betriebsüblichkeit der Nachtarbeit nach Maßgabe eines
mehrjährigen Zeitraums abzustellen ist. Angesichts dessen verbietet es sich, für den Begriff der
“unregelmäßigen” Nachtarbeit in Ziff. 6.3 Abs. 3 MTV darauf abzustellen, ob schichtplankonforme
Nachtarbeit im Betrieb auf lange Sicht betrachtet ein Ausnahmefall ist.
21 (2) In diesem Zusammenhang verweist der Senat - ohne dass dies entscheidungstragend wäre -
darauf, dass auch andere tarifliche Regelungen der Metallindustrie, die den Begriff einer
“regelmäßigen” Nachtarbeit bestimmen, nicht darauf abstellen, ob diese im Betrieb üblich oder ein
Ausnahmefall ist. Im Gemeinsamen Manteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte der Metall- und
Elektroindustrie für das Land Thüringen vom 8. März 1991 idF vom 3. März 1997, der der
Entscheidung des Senats vom 25. Oktober 2000 (- 4 AZR 574/99 -) zugrunde liegt, ist der Begriff
der “regelmäßigen Nachtarbeit” in § 4 Ziff. 4 Abs. 2 wie folgt bestimmt:
“Regelmäßige Nachtarbeit liegt vor, wenn sie für den Zeitraum von mindestens einer
Arbeitswoche durchgeführt wird. Die Ansagefrist beträgt mindestens 24 Stunden.”
22 Diese Begriffsbestimmung stellt ebenfalls nicht auf eine Langzeitbetrachtung der
Arbeitszeitregelung des Betriebs ab. Dies gilt auch für die ähnlichen tariflichen Regelungen in der
Metallindustrie Hamburgs und Schleswig-Holsteins (siehe dazu BAG 28. Mai 1996 - 3 AZR
452/95 -) .
23 (3) Eine Langzeitbetrachtung ist nicht nur systemwidrig, sondern auch ungeeignet zur
Bestimmung des Tarifmerkmals der “unregelmäßigen Nachtarbeit”, wie ein Beispiel ohne weiteres
verdeutlicht: Wäre der Betrieb der Beklagten am 1. Juli 2004 gegründet worden, ließe sich erst
mehrere Jahre nach der geleisteten Nachtschicht feststellen, ob diese Nachtarbeit im Betrieb eine
Ausnahme darstellte oder regelmäßig erfolgte, und welche Zuschläge der Arbeitnehmer verdient
hat.
24 b) Danach hat der Kläger in der Zeit vom 6. September 2004 bis 30. November 2004 keine
unregelmäßige Nachtarbeit geleistet. Nach den den Entscheidungsgründen zu entnehmenden
tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist der für das Kalenderjahr 2004
aufgestellte Schichtplan, der keine Nachtschichten vorsah, jeweils für die Monate September,
Oktober und November - darüber hinaus, hier nicht von Interesse, für Dezember - geändert
worden. Dies ermöglichte es dem Kläger in hinreichendem Maße, sich auf die für ihn maßgebende
Arbeitszeit, also den wöchentlichen Wechsel zwischen Früh- und Nachtschicht, einzustellen und
für seine Freizeit zu planen, so dass die besondere Erschwernis “unregelmäßiger Nachtarbeit”
nicht vorliegt. Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat zB eine zulässig verlängerte
Arbeitszeit für eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern “für mehrere Wochen” als deren
“regelmäßige” Arbeitszeit gewertet (17. April 1958 - 2 AZR 477/55 - AP AZO § 2 Nr. 1) . Für die
Wertung von Nachtarbeit nach einem Monatsschichtplan als nicht unregelmäßige Nachtarbeit
kann nichts anderes gelten. Der Kläger hat auch nichts dazu vorgetragen, dass diese Änderungen
unwirksam gewesen seien, so dass die nach deren Maßgabe geleistete Nachtarbeit aus diesem
Grunde “unregelmäßig” gewesen sei. Insbesondere ist er der mehrfach aufgestellten Behauptung
der Beklagten nicht entgegengetreten, dass die Schichtplanänderungen jeweils mit dem
Betriebsrat vereinbart worden seien. War dies der Fall, spricht dies auch dafür, dass die
Änderungen mit ausreichender Vorlaufzeit getroffen worden sind.
25 II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Bepler
Creutzfeldt
Bott
Valentien
J. Ratayczak