Urteil des BAG vom 16.01.2008

BAG (wiedereinsetzung in den vorigen stand, kläger, ende der frist, zpo, wiedereinsetzung, revisionsfrist, frist, verkündung, stand, verschulden)

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 16.1.2008, 7 AZR 1090/06
Zulässigkeit der Revision - Versäumung der Revisionsfrist - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Brandenburg vom 16. Juni 2006 - 22 Sa 87/06 - wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis am 31. Juli 2005 geendet hat.
2 Der am 6. Juli 1940 geborene Kläger war seit dem 13. Juli 1970 bei der Beklagten und ihrer
Rechtsvorgängerin, der Deutschen Bundespost, als Arbeiter im Postfach- und Verwaltungsdienst
teilzeitbeschäftigt. Nach dem zwischen dem Kläger und der Rechtsvorgängerin der Beklagten
abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 30. Juli 1971 gelten die Bestimmungen des Tarifvertrags für
die Arbeiter der Deutschen Bundespost in ihrer jeweils geltenden Fassung als unmittelbar zwischen
den Parteien vereinbart. Sowohl in dem Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV
Arb) als auch in § 37 Abs. 1 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der Deutschen Post AG
vom 18. Juni 2003 (MTV-DP AG) ist bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats
endet, in dem der Arbeitnehmer das 65. Lebensjahr vollendet. Die Beklagte teilte dem Kläger mit
Schreiben vom 20. Juli 2005 unter Hinweis auf § 37 Abs. 1 MTV-DP AG mit, dass sein
Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Juli 2005 ende.
3 Mit der am 22. August 2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die
Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund der Altersgrenzenregelung gewandt.
4 Der Kläger hat zuletzt beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Befristung auf die Vollendung
des 65. Lebensjahres, mithin zum 31. Juli 2005, nicht beendet worden ist.
5 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
6 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des
Klägers zurückgewiesen. Das Berufungsurteil wurde am 16. Juni 2006 verkündet. Es wurde dem
Prozessbevollmächtigten des Klägers am 20. November 2006 zugestellt. Dem Urteil war eine
Rechtsmittelbelehrung beigefügt, nach der der Kläger gegen das Urteil “innerhalb eines Monats
nach seiner Zustellung bzw. fünf Monate nach seiner Verkündung” beim Bundesarbeitsgericht
schriftlich Revision einlegen könne. Mit der am 19. Dezember 2006 beim Bundesarbeitsgericht
eingegangenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. In der
Revisionsverhandlung vor dem Senat am 16. Januar 2008 hat der Prozessbevollmächtigte des
Klägers wegen Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt
und zur Begründung geltend gemacht, die Versäumung der Revisionsfrist liege an seinem
Verschulden. Die Beklagte hat beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
7 Die Revision ist unzulässig, da sie entgegen § 74 Abs. 1 ArbGG nicht innerhalb von sechs
Monaten nach Verkündung des Berufungsurteils eingelegt wurde und die Voraussetzungen für die
Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gegeben sind.
8 I. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG beträgt die Frist für die Einlegung der Revision einen Monat.
Nach § 74 Abs. 1 Satz 2 ArbGG beginnt die Frist mit der Zustellung des in vollständiger Form
abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Diese
Frist hat der Kläger versäumt. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts wurde am 16. Juni 2006
verkündet. Es wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 20. November 2006
zugestellt. Die Revision ging beim Bundesarbeitsgericht am 19. Dezember 2006, somit nach
Ablauf von sechs Monaten nach Verkündung des Berufungsurteils ein. Da das Ende der Frist für
die Einlegung der Revision auf Samstag, den 16. Dezember 2006 fiel, hätte die Revision nach
§ 222 Abs. 2 ZPO spätestens am Montag, dem 18. Dezember 2006 eingelegt werden müssen.
9 Der Kläger konnte die Revision trotz der Unrichtigkeit der vom Landesarbeitsgericht erteilten
Rechtsmittelbelehrung nicht nach § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG innerhalb eines Jahres nach
Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils einlegen. § 9 Abs. 5 ArbGG ist auf die
Revisionsfrist bei der Zustellung eines Berufungsurteils mit fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung
nach Ablauf von fünf Monaten seit der Verkündung nach der durch das Gesetz zur Reform der
Zivilprozessordnung vom 27. Juli 2001 mit Wirkung vom 1. Januar 2002 erfolgten Neufassung von
§ 74 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nicht mehr anwendbar. Nach § 74 Abs. 1 ArbGG nF beginnen die
Revisionsfrist und die Revisionsbegründungsfrist spätestens fünf Monate und nicht - wie nach der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor der Gesetzesänderung - 17 Monate nach der
Verkündung des Berufungsurteils zu laufen. Nur diese Gesetzesauslegung dient der vom
Gesetzgeber mit der Neuregelung beabsichtigten Verfahrensbeschleunigung und trägt dem
Umstand Rechnung, dass § 9 Abs. 5 ArbGG nur eine Rechtsmittelbelehrung über die
Revisionsfrist, nicht jedoch über die Revisionsbegründungsfrist vorschreibt. Bei der Anwendung
von § 9 Abs. 5 ArbGG ließe sich nach der Neufassung des § 74 Abs. 1 ArbGG das widersinnige
Ergebnis nicht vermeiden, dass die Frist für die Revisionsbegründung fünf Monate, die Frist für die
Einlegung der Revision jedoch erst 17 Monate nach Verkündung des Berufungsurteils anfinge zu
laufen (vgl. zur Berufungsfrist: BAG 28. Oktober 2004 - 8 AZR 492/03 - BAGE 112, 286 = AP
ArbGG 1979 § 66 Nr. 29 = EzA ArbGG 1979 § 66 Nr. 38, zu B II der Gründe; 16. Dezember 2004
- 2 AZR 611/03 - AP ArbGG 1979 § 66 Nr. 30 = EzA ZPO 2002 § 233 Nr. 3, zu II 1 der Gründe;
23. Juni 2005 - 2 AZR 423/04 - AP ArbGG 1979 § 66 Nr. 31, zu I der Gründe; 24. Oktober 2006 -
9 AZR 709/05 - AP ArbGG 1979 § 66 Nr. 34 = EzA ArbGG 1979 § 66 Nr. 41, zu A I 1 der Gründe)
. Die in einer nicht tragenden Begründung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde im
arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren vertretene abweichende Auffassung (BAG 14. Februar
2007 - 7 ABR 26/06 - Rn. 22, EzA BetrVG 2001 § 54 Nr. 3) hält der Senat nicht aufrecht.
10 II. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen
nicht vor.
11 1. Nach § 233 Abs. 1 ZPO ist einer Partei, die ohne ihr Verschulden verhindert war, eine Notfrist
einzuhalten, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Wiedereinsetzung muss bei
Versäumung der Revisionsfrist nach § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO innerhalb von zwei Wochen nach
Wegfall des Hindernisses beantragt werden. Nach Ablauf eines Jahres, vom Ablauf der
versäumten Frist an gerechnet, kann Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden (§ 234
Abs. 3 ZPO). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen. Ist dies
geschehen, kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 236 Abs. 2 Satz 2
ZPO).
12 2. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand steht zwar nicht entgegen, dass der Kläger den Wiedereinsetzungsantrag später als ein
Jahr nach Ablauf der Revisionsfrist gestellt hat. Da der Kläger die Revision innerhalb der
Wiedereinsetzungsfrist eingelegt und begründet hat, hätte nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO bei
Vorliegen der Voraussetzungen des § 233 ZPO auch ohne Antrag Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gewährt werden können. Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor, da der
Kläger die Revisionsfrist nicht unverschuldet versäumt hat. Nach den Erklärungen des
Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat beruht die
Fristversäumung auf seinem Verschulden. Nach § 85 Abs. 2 ZPO steht das Verschulden des
Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich.
13 III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Dörner
Gräfl
Koch
Krollmann
Hökenschnieder