Urteil des BAG vom 17.10.2007

BAG (arbeitnehmer, allgemeine geschäftsbedingungen, kläger, entstehung des anspruchs, abteilung, auslegung, einschränkung, ordentliche kündigung, tarifvertrag, flughafen)

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 17.10.2007, 4 AZR 812/06
Rückwirkende Einschränkung des tariflichen Sonderkündigungsschutzes
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen
Landesarbeitsgerichts vom 16. Mai 2006 - 15/2 Sa 1840/05 - aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung.
2 Der am 10. Juli 1955 geborene Kläger, der nicht Mitglied der Gewerkschaft ver.di ist, ist bei der
Beklagten seit dem 1. Januar 1985 beschäftigt. In dem zugrunde liegenden Arbeitsvertrag ist ua.
bestimmt:
“Ihr Arbeitsvertrag richtet sich nach den Bestimmungen des
Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) einschließlich der für die Flughafen Frankfurt/Main
AG geltenden Zusatzbestimmungen, den betriebsüblichen Regelungen und den
Dienstvorschriften.”
3 Seit 1988 übte der Kläger die Tätigkeit eines Frachtagenten im Bereich Bodenverkehrsdienste-
Fracht (BVD-F) aus. Der Bereich BVD-F der Beklagten, bei der ca. 600 Arbeitnehmer/innen
beschäftigt waren, war zuständig für die Abfertigung von Luftfracht ohne deren Verladung in die
Flugzeuge bzw. Entladung aus den Flugzeugen.
4 Am 14. April 2003 beschloss der Vorstand der Beklagten, den Bereich BVD-F aus wirtschaftlichen
Gründen in die 100 %-ige Tochter der Beklagten T GmbH (später umfirmiert in F C S GmbH -
FCS GmbH) zu verlagern. Dem stimmte der Aufsichtsrat am 24. September 2003 zu. Als
absehbar war, dass die Mehrzahl der Beschäftigten dieses Bereiches dem Teilbetriebsübergang
widersprechen würden, richtete die Beklagte die neue Abteilung Frachtservice ein, in der die
Beschäftigten aus dem Bereich BVD-F aufgefangen werden sollten, die dem Teilbetriebsübergang
widersprechen würden. Die in der Abteilung Frachtservice beschäftigten Arbeitnehmer/innen
sollten dann im Wege der Arbeitnehmerüberlassung bei der T GmbH eingesetzt werden. Nach der
Unterrichtung über den bevorstehenden Teilbetriebsübergang mit Schreiben vom 27. Oktober
2003 widersprach der Kläger diesem mit Schreiben vom 12. November 2003.
5 Am 19. Dezember 2003 schlossen der Hessische Arbeitgeberverband der Gemeinden und
Kommunalverbände, dessen Mitglied die Beklagte ist, und ver.di, vertreten durch die
Landesbezirksleitung Hessen, als “Tarifvertragliche Vereinbarung Nr. 741” (TVb Nr. 741) die
“Sonderregelungen zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und zum Bundesmanteltarifvertrag
für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) für die Beschäftigten der
Abteilung Frachtservice bei der Fraport AG (TV Frachtservice Fraport)”. Nach § 1 Abs. 1 TVb
Nr. 741 gilt dieser Tarifvertrag für die Arbeitnehmer der Fraport AG, die von dem
Teilbetriebsübergang des Bereiches “BVD-F” auf die T GmbH betroffen sind und dem Übergang
ihres Arbeitsverhältnisses widersprochen haben. In § 2 Abs. 2 TVb Nr. 741 ist die
Weiterbeschäftigung auf einem freien gleichwertigen Arbeitsplatz geregelt. § 2 Abs. 5 TVb Nr. 741
bestimmt für den Fall, dass gleichwertige Arbeitsplätze nicht oder nicht in genügender Zahl zur
Verfügung stehen, die Weiterbeschäftigung dieser Arbeitnehmer in der Abteilung “Frachtservice”
zu den in den §§ 3 ff. TVb Nr. 741 geregelten Bedingungen. § 2 Abs. 6 TVb Nr. 741 lautet:
“Im Sinne der Beschäftigungssicherung sind die Arbeitnehmer verpflichtet, einen
angebotenen Arbeitsplatz im Sinne der Absätze 2 und 5 anzunehmen. Gegenüber
Arbeitnehmern, die sowohl etwaige Beschäftigungsangebote nach Absatz 2 als auch die
Beschäftigungsmöglichkeit nach Absatz 5 ablehnen, werden Änderungskündigungen mit
dem Ziel, die Arbeitnehmer in den Bereich Frachtservice und den Geltungsbereich dieses
Tarifvertrages zu versetzen, ausgesprochen. Nehmen Arbeitnehmer die geänderten
Arbeitsbedingungen im Sinne der Änderungskündigung nicht an, sind
Beendigungskündigungen zulässig. §§ 53 Abs. 3, 55 Abs. 2 BAT und § 52 BMT-G II finden
insoweit keine Anwendung.”
6 Nach § 3 Abs. 1 TVb Nr. 741 sind die Arbeitnehmer der Abteilung Frachtservice verpflichtet,
Aufgaben in einem Entleiherbetrieb wahrzunehmen, wobei der Einsatz grundsätzlich bei der T
GmbH erfolgen soll. In den §§ 4 ff. TVb Nr. 741 ist das veränderte - abgesenkte -
Vergütungssystem für die Abteilung Frachtservice, die Überleitung und die Besitzstandszulage
geregelt. § 2 Abs. 1 TVb Nr. 741 enthält einen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen für die
Arbeitnehmer, die dem Teilbetriebsübergang widersprochen haben. Nach § 12 TVb Nr. 741 gilt für
die Arbeitnehmer der Abteilung Frachtservice während der Laufzeit des Tarifvertrages (bis zum
31. Dezember 2006 mit Verlängerungsalternative bis zum 31. Dezember 2011) der besondere
Kündigungsschutz gemäß § 4 Abs. 1 und 2 des Rahmentarifvertrages vom 13. Oktober 1998 zur
Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Verkehrsflughäfen und zur Sicherung der
Arbeitsplätze (Öffnungstarifvertrag), wonach - mit einer Ausnahmeregelung - betriebsbedingte
Kündigungen ausgeschlossen sind.
7 Die Beklagte übertrug durch den Vertrag vom 30. Januar 2004 sämtliche Betriebsmittel und
Kundenverträge des Bereiches BVD-F mit Wirkung zum 1. Juli 2004 auf die F C S GmbH; auch
die Gebäude und die sonstigen von der BVD-F genutzten Einrichtungen gingen in den Besitz der
FCS GmbH über.
8 Nach Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 8. Dezember 2004 kündigte die Beklagte
dem Kläger mit Schreiben vom 15. Dezember 2004 zum 30. Juni 2005 und bot ihm gleichzeitig die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in der Abteilung Frachtservice zu den durch die TVb Nr. 741
geänderten Bedingungen an. Der Kläger nahm das Angebot mit Schreiben vom 30. Dezember
2004 unter Vorbehalt an.
9 Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen diese Änderungskündigung. Er hat die Auffassung
vertreten, dass die Änderungskündigung nicht sozial gerechtfertigt und die Anhörung des
Betriebsrats fehlerhaft sei. Im Übrigen sei er nach § 53 Abs. 3, § 55 Abs. 2 BAT vor
betriebsbedingten Kündigungen geschützt. Dieser Schutz könne ihm nicht durch den TVb Nr. 741
entzogen werden. Der Kläger hat auch das wirksame Zustandekommen dieses Tarifvertrages im
Hinblick auf die Tarifzuständigkeit der Tarifvertragsparteien und die Vollmachtserteilung bestritten.
Jedenfalls sei dieser Tarifvertrag von der Bezugnahmeklausel in seinem Arbeitsvertrag nicht
erfasst.
10 Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der
Beklagten vom 15. Dezember 2004 sozial nicht gerechtfertigt oder aus anderen Gründen
rechtsunwirksam ist.
11 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, dass die
Änderungskündigung sozial gerechtfertigt und auch im Übrigen wirksam sei. Auf Grund der
arbeitsvertraglichen Bezugnahme finde die TVb Nr. 741 Anwendung. Deshalb sei durch den
Ausschluss der Anwendbarkeit von § 53 Abs. 3, § 55 Abs. 2 BAT die Änderungskündigung auch
gegenüber dem Kläger zulässig.
12 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das
Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen
Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des klagabweisenden erstinstanzlichen
Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
13 Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung an das
Landesarbeitsgericht.
14 I. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Änderungskündigung nicht schon
deshalb unwirksam, weil der Kläger im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unter dem
Sonderkündigungsschutz nach § 53 Abs. 3, § 55 Abs. 2 BAT stand. Die arbeitsvertragliche
Bezugnahme ist auch unter Berücksichtigung der Unklarheitenregel in § 305c Abs. 2 BGB
dahingehend auszulegen, dass die TVb Nr. 741 grundsätzlich auf das Arbeitsverhältnis
Anwendung finden kann. Die rückwirkende Einschränkung des Sonderkündigungsschutzes nach
§ 53 Abs. 3, § 55 Abs. 2 BAT durch § 2 Abs. 6 Satz 4 TVb Nr. 741 ist nicht wegen Verstoßes
gegen das schützenswerte Vertrauen des Klägers unwirksam. Danach stünde der
Sonderkündigungsschutz des Klägers der Wirksamkeit der Kündigung an sich nicht entgegen.
Das Landesarbeitsgericht ist allerdings dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers zum
Zustandekommen der TVb Nr. 741 - in Konsequenz seiner anderen Auffassung - nicht
nachgegangen. Dies wird es nachzuholen haben, falls der Kläger an seinem Vorbringen insoweit
festhält. Im Falle der formellen Wirksamkeit der TVb Nr. 741 wird es weiter zu prüfen haben, ob die
Änderungskündigung wegen fehlender sozialer Rechtfertigung oder aus anderen Gründen
unwirksam ist. Auch dies kann das Revisionsgericht nicht abschließend entscheiden, weil das
Landesarbeitsgericht nicht die dafür erforderlichen Feststellungen getroffen hat.
15 1. Die TVb Nr. 741 wird von der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag des Klägers erfasst. Dieser
Tarifvertrag - seine formelle Wirksamkeit wird im folgenden unterstellt - ist eine “für die Flughafen
Frankfurt/Main AG geltende Zusatzbestimmung” im Sinne dieser Regelung. Das ergibt die
Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeregelung.
16 a) Bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel handelt es sich um allgemeine
Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB. Das hat das Landesarbeitsgericht entsprechend
der übereinstimmenden Auffassung der Parteien bindend festgestellt.
17 Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich
so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der
Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die
Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu
legen sind (vgl. zB BAG 9. November 2005 - 5 AZR 128/05 - Rn. 15, BAGE 116, 185 mwN) . Das
Revisionsgericht ist bei der Überprüfung der Auslegung des Berufungsgerichts nicht
eingeschränkt (vgl. BAG 9. November 2005 - 5 AZR 128/05 - aaO; 25. September 2002 - 4 AZR
294/01 - BAGE 103, 9, 12) .
18 b) Danach ist die TVb Nr. 741 entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts von der
arbeitsvertraglichen Bezugnahme erfasst.
19 aa) Dafür spricht bereits der Wortlaut der Bezugnahmeklausel. Für das Arbeitsverhältnis sollen der
BAT “einschließlich der für die Flughafen Frankfurt/Main AG geltenden Zusatzbestimmungen”
Anwendung finden. Danach sollen auch die speziellen, für das damals als Flughafen
Frankfurt/Main AG firmierende beklagte Unternehmen geltenden tariflichen Regelungen
Anwendung finden. Eine Einschränkung dahingehend, dass die in Bezug genommenen
Zusatzbestimmungen nur ergänzenden Charakter und nicht abändernden Charakter haben
können, lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen (vgl. Duden Die Sinn- und sachverwandten
Wörter “zusätzlich”: und, weitere, auch: außer der Reihe, Extra-; Wahrig Deutsches Wörterbuch
2006 “zusätzlich”: ergänzend hinzukommend, hinzugefügt) . Durch den Wortlaut wird also der
mögliche Inhalt der unternehmensbezogenen zusätzlichen tariflichen Regelungen nicht
determiniert. Es gibt vom Begriffsverständnis keine Grundlage für die einschränkende Auslegung
des Landesarbeitsgerichts dahingehend, dass unter Zusatzbestimmungen aber nur solche den
BAT abändernden Regelungen zu verstehen sind, die nicht in die zentralen Regelungen des BAT
eingreifen bzw. dass die Zusatzbestimmungen von den Tarifvertragsparteien des BAT oder deren
Nachfolgeorganisationen abgeschlossen sein müssen.
20 bb) Diese Auslegung entspricht dem Verständnis eines verständigen und redlichen
Vertragspartners unter Abwägung der Interessen der beteiligten Verkehrskreise. Durch die
Anwendbarkeit der speziellen für den Flughafen vereinbarten tariflichen Regelungen soll erkennbar
erreicht werden, dass für die Arbeitsverhältnisse auch von nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern
die unternehmensbezogenen tariflichen Regelungen gelten, die den spezifischen
Regelungsbedürfnissen des Flughafens Rechnung tragen können. Dem entspricht, dass diese
unternehmensbezogenen tariflichen Zusatzbestimmungen in jedem Fall Anwendung finden und
nicht nur dann oder insoweit, wie sie lediglich ergänzende oder verbessernde Regelungen
enthalten. Die auch für den verständigen Vertragspartner erkennbare Funktion der Bezugnahme
auf unternehmensbezogene tarifliche Sonderregelungen rechtfertigt keine einschränkende
Auslegung der TVb Nr. 741, wie sie das Landesarbeitsgericht vorgenommen hat, weder im
Hinblick auf den zulässigen Inhalt der tariflichen Zusatzbestimmungen noch im Hinblick auf die
Parteien, die die Zusatzbestimmungen vereinbaren.
21 cc) Dieser Auslegung steht auch nicht entgegen, dass in der Bezugnahmeklausel weder
hinsichtlich des BAT noch hinsichtlich der Zusatzbestimmungen für den Flughafen auf die jeweils
geltende Fassung verwiesen wird. Nach der Rechtsprechung ist eine Bezugnahme auf einen nicht
näher individualisierten Tarifvertrag auch ohne ausdrückliche Regelung in der Regel dahingehend
zu verstehen, dass der Tarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung, dh. zeitlich dynamisch
Anwendung finden soll, es sei denn, es gibt Anhaltspunkte für einen anderweitigen
Regelungswillen, zB durch die begrenzte Verweisung auf einen Tarifvertrag in einer bestimmten
Fassung (zB BAG 13. November 2002 - 4 AZR 351/01 - BAGE 103, 338, 343; 19. September
2007 - 4 AZR 710/06 -; vgl. zu weiteren Nachweisen Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 3 Rn. 327
Fn. 172).
22 dd) Auch der Umstand, dass die Bezugnahme nur auf den BAT und nicht zusätzlich auf die ihn
ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträge verweist, stützt nicht die abweichende
Auslegung des Landesarbeitsgerichts. Denn vorliegend geht es nicht um die Anwendbarkeit
allgemeiner, den BAT ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträge, sondern um die
Anwendbarkeit einer speziellen unternehmensbezogenen tariflichen Sonderregelung. Auf solche
Tarifverträge wird aber gerade durch die ergänzende arbeitsvertragliche Einbeziehung “der für die
Flughafen Frankfurt/Main AG geltenden Zusatzbestimmungen” verwiesen. Dass solche
unternehmensbezogenen Sonderregelungen ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Inhalt
haben können, ergibt sich aus dem Charakter und der Funktion dieser Tarifverträge.
23 ee) Dieser Auslegung steht auch die Unklarheitenregelung in § 305c Abs. 2 BGB nicht entgegen,
wonach Zweifel bei der Auslegung von allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Lasten des
Verwenders gehen. Zwar finden die Regelungen zur Kontrolle der allgemeinen
Geschäftsbedingungen nach den §§ 305 ff. BGB auf Arbeitsverhältnisse und damit auch auf in
Arbeitsverträgen enthaltene Bezugnahmeklauseln Anwendung, weil die Ausnahmeregelung in
§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nur für die Tarifverträge selbst gilt, nicht aber für die arbeitsvertragliche
Bezugnahmeklausel auf Tarifverträge (vgl. zB BAG 9. November 2005 - 5 AZR 128/05 -
BAGE 116, 185; 9. Mai 2007 - 4 AZR 319/06 -) . Die Unklarheitenregelung setzt aber voraus, dass
die Auslegung nach den einschlägigen Auslegungsregeln zu nicht behebbaren Zweifeln führt, was
aus den dargelegten Gründen hier nicht der Fall ist.
24 c) Nach der somit auf Grund der Bezugnahmeklausel auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren TVb
Nr. 741 gilt der besondere Kündigungsschutz des Klägers nach § 53 Abs. 3, § 55 Abs. 2 BAT nicht
für die vorliegende, von der Beklagten nach der TVb Nr. 741 ausgesprochenen
Änderungskündigung.
25 2. Diese Einschränkung des Sonderkündigungsschutzes durch die TVb Nr. 741 ist wirksam.
26 a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können die
Tarifvertragsparteien die Regelungen des von ihnen abgeschlossenen Tarifvertrages während
dessen Laufzeit rückwirkend ändern, was sich zu Lasten der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber
auswirken kann. Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zu einem rückwirkenden Eingriff
in ihr Regelwerk ist durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes für die Normunterworfenen
begrenzt. Insoweit gelten die gleichen Regeln wie nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts bei der Rückwirkung von Gesetzen (zB 19. Dezember 1961 - 2 BvL
6/59 - BVerfGE 13, 261, 271 f.) . Ob und wann die Tarifunterworfenen mit einer rückwirkenden
Regelung rechnen müssen, ist eine Frage des Einzelfalls (zB Senat 11. Oktober 2006 - 4 AZR
486/05 - AP TVG § 1 Rückwirkung Nr. 24 = EzA TVG § 1 Rückwirkung Nr. 9) . Dabei ist das
Vertrauen in den Bestand der tariflichen Regelung unabhängig davon schutzwürdig, ob der
Tarifvertrag für das Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Parteien gilt oder ob
dessen Anwendung vertraglich vereinbart ist. In der Regel müssen Arbeitnehmer nicht damit
rechnen, dass in bereits entstandene Ansprüche eingegriffen wird, auch wenn sie noch nicht erfüllt
oder noch nicht fällig sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn bereits vor der Entstehung des
Anspruchs hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Tarifvertragsparteien diesen
Anspruch zu Ungunsten der Arbeitnehmer ändern werden.
27 Auch bei tarifvertraglichen Beendigungsnormen können Vertrauensschutzgesichtspunkte
gegenüber einer tarifvertraglichen Neuregelung durchschlagen. Diese Vertrauensgesichtspunkte
stehen grundsätzlich dem Wegfall eines bereits erlangten Unkündbarkeitsstatus durch eine
tarifliche Neuregelung entgegen. Die tarifliche Unkündbarkeit soll den Arbeitnehmer im Hinblick auf
langjährig von ihm geleistete Dienste so sichern, dass er gegen den Verlust seines Arbeitsplatzes
durch ordentliche Kündigung in Zukunft gesichert sein soll (BAG 16. Februar 1962 - 1 AZR
164/61 - AP TVG § 4 Günstigkeitsprinzip Nr. 11) . Die Begrenzung rückwirkender Regelungen
zum tariflichen Sonderkündigungsschutz greifen aber nicht, wenn der Ausschluss der ordentlichen
Kündigung schon bisher Ausnahmetatbestände enthält und die Neuregelung den
Sonderkündigungsschutz nicht vollständig abschafft, sondern die Ausnahmetatbestände
modifiziert. Solche Änderungen der tarifvertraglichen Regelungen über die ordentliche
Unkündbarkeit verstoßen regelmäßig nicht gegen Vertrauensschutzgesichtspunkte und liegen
deshalb in der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien (vgl. BAG 2. Februar 2006 - 2 AZR
58/05 - BAGE 117, 53; 15. November 1995 - 2 AZR 521/95 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa
Nr. 20 = EzA BGB § 315 Nr. 45) .
28 b) Nach diesen Grundsätzen kann der Einschränkung des Sonderkündigungsschutzes durch die
TVb Nr. 741 die Wirksamkeit nicht abgesprochen werden.
29 aa) Der Sonderkündigungsschutz nach § 53 Abs. 3 BAT enthält Ausnahmetatbestände. Nach § 55
Abs. 2 Unterabs. 1 BAT rechtfertigen zwar andere wichtige, insbesondere dringende betriebliche
Erfordernisse keine Kündigungen. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis
jedoch, wenn eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen
Gründen nachweisbar nicht möglich ist, zum Zwecke der Herabgruppierung um eine
Vergütungsgruppe kündigen. Eine Kündigung zum Zwecke der Herabgruppierung um eine
Vergütungsgruppe ist nach § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT grundsätzlich auch möglich, wenn der
Angestellte dauernd außerstande ist, diejenigen Arbeitsleistungen zu erfüllen, für die er eingestellt
ist und die die Voraussetzung für seine Eingruppierung in die bisherige Vergütungsgruppe bilden,
und ihm andere Arbeiten, die die Tätigkeitsmerkmale seiner bisherigen Vergütungsgruppe erfüllen,
nicht übertragen werden können.
30 bb) Die TVb Nr. 741 hebt den Sonderkündigungsschutz nach § 53 Abs. 3, § 55 Abs. 2 BAT auch
nicht vollständig auf, sondern enthält dazu nur eine in mehrfacher Hinsicht begrenzte weitere
Einschränkung. Sie ist nicht nur auf die Personengruppe des Bereichs BVD-F des Flughafens
beschränkt, die dem Teilbetriebsübergang auf die T GmbH widersprochen hat. Sie ermöglicht
auch nur Änderungskündigungen, die auf den Einsatz in der Abteilung Frachtservice zu den dafür
geltenden - verschlechterten - Vergütungsregelungen gerichtet sind und die nur bei Ablehnung des
Änderungsangebots zu einer Beendigungskündigung führen.
31 cc) Hinzu kommt, dass die Einschränkung des Sonderkündigungsschutzes Teil der
Gesamtregelung der TVb Nr. 741 ist, die eine Regelung für die sich aus dem Teilbetriebsübergang
und dem Widerspruch der Mehrheit der betroffenen Arbeitnehmer ergebenden Probleme
beinhaltet. Sie hat das Ziel der Erhaltung der Arbeitsplätze der widersprechenden Arbeitnehmer
einerseits und der Verringerung des Personalaufwands andererseits (vgl. Präambel der TVb
Nr. 741). Dementsprechend enthalten die §§ 2, 12 TVb Nr. 741 Regelungen über
“Kündigungsschutz, Arbeitsplatzangebot, Beschäftigungssicherung”, während in den §§ 4 - 11 und
13 die Absenkung der Vergütung einschließlich einer begrenzten Besitzstandszulage und einer
Anpassungsklausel geregelt ist.
32 Durch § 2 Abs. 6 Satz 4 TVb Nr. 741 werden auch die Arbeitnehmer mit dem
Sonderkündigungsschutz nach § 53 Abs. 3 BAT in diese Gesamtregelung in vollem Umfang
einbezogen, dh. es gilt auch für sie § 2 Abs. 6 Satz 2 und 3 TVb Nr. 741, wonach bei Ablehnung
einer - von den Tarifvertragsparteien vorrangig angestrebten - gleichwertigen Weiterbeschäftigung
im Betrieb bzw. der Weiterbeschäftigung in der Abteilung Frachtservice zu den verschlechterten
Bedingungen eine Änderungskündigung mit dem Angebot der Weiterbeschäftigung im
Frachtservice zulässig ist.
33 Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Arbeitnehmer mit dem Sonderkündigungsschutz nach
§ 53 Abs. 3 BAT nach den Regelungen des TVb Nr. 741 zur Weiterbeschäftigung im Ergebnis
besonders geschützt sind. Denn die Auswahlrichtlinien in der Anlage 1 zur TVb Nr. 741 gewichten
die Umstände, die den Sonderkündigungsschutz begründen, als Auswahlkriterien so hoch, dass
die Beschäftigten mit Sonderkündigungsschutz vorrangig auf den gleichwertigen freien
Arbeitsplätzen beschäftigt werden müssen, die Möglichkeit der Beschäftigung in der Abteilung
Frachtservice, gegebenenfalls auf Grund einer Änderungskündigung, also nur in Betracht kommt,
wenn keine Möglichkeit der Beschäftigung auf einem gleichwertigen anderen Arbeitsplatz besteht.
Denn nach den Auswahlkriterien wird jedes volle Jahr der Betriebszugehörigkeit mit drei Punkten
und jedes volle Jahr des Lebensalters über 18 Jahre mit zwei Punkten bewertet. Danach hat ein
Beschäftigter bei Beginn des Sonderkündigungsschutzes schon 89 Punkte, einen Wert, der von
kürzer Beschäftigten durch die anderen Kriterien (Ehefrau und kindergeldberechtigtes Kind je fünf
Punkte und Schwerbehinderung von 30 bis 50 % fünf Punkte und über 50 % zehn Punkte) nur
sehr selten erreicht werden kann.
34 dd) Diese in mehrfacher Hinsicht begrenzte rückwirkende Einschränkung des
Sonderkündigungsschutzes ist von der Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien gedeckt.
Das schützenswerte Vertrauen der betroffenen Beschäftigten ist nicht so gewichtig, dass es
dieser Einschränkung des Schutzes im Rahmen der Gesamtregelung der TVb Nr. 741
entgegensteht. Somit ist der Sonderkündigungsschutz des Klägers durch § 2 Abs. 6 TVb Nr. 741
für die ihm gegenüber ausgesprochene Änderungskündigung wirksam eingeschränkt worden. Die
Änderungskündigung ist damit nicht bereits nach § 53 Abs. 3 BAT unwirksam.
35 II. Sollte der Kläger seine Bedenken hinsichtlich der Zuständigkeit der Parteien der TVb Nr. 741
und der Vollmacht der Landesbezirksvertretung von ver.di aufrechterhalten, wird das
Landesarbeitsgericht nach Sachaufklärung zunächst hierüber Klarheit gewinnen müssen. Ist von
einer formell wirksamen tarifvertraglichen Regelung auszugehen, kommt es darauf an, ob die
Änderungskündigung wegen fehlender sozialer Rechtfertigung oder aus anderen Gründen
unwirksam ist. Dies kann das Revisionsgericht nicht entscheiden, weil das Landesarbeitsgericht -
nach seiner Begründung konsequent - die dafür erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat.
Der Kläger hat in der Berufungsinstanz die Bewertung des Arbeitsgerichts, dass die Änderungen
der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt sind und eine ordnungsgemäße Anhörung des
Betriebsrats stattgefunden hat, mit ausführlichen Darlegungen angegriffen, wozu die Beklagte
umfassend Stellung genommen hat.
Bepler
Creutzfeldt
Wolter
Jürgens
Rupprecht