Urteil des BAG vom 26.09.2012

Anspruch auf tarifliche Zusatzleistung gegen den Betriebserwerber - Inkrafttreten des Tarifvertrags nach Betriebsübergang

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 26.9.2012, 4 AZR 512/10
Betriebsübergang - Inkrafttreten eines Tarifvertrages
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen
Landesarbeitsgerichts vom 18. März 2010 - 14/17 Sa 1178/09 - wird
zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten um eine tarifliche Zusatzzahlung.
2 Der Kläger, Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, ist seit dem
2. Januar 1989 bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen, namentlich zu Beginn
des Arbeitsverhältnisses bei der N AG, beschäftigt.
3 Im Arbeitsvertrag vom 11. Dezember 1989 wurde ua. vereinbart, dass hinsichtlich des
Lohns und der Kündigungsfristen der Tarifvertrag für den Einzelhandel in Hessen sowie
hinsichtlich des Urlaubs die „jeweils gültigen Bestimmungen des zuständigen
Tarifvertrages“ Anwendung finden sollten.
4 Die Rechtsvorgängerin N AG war an die Tarifverträge für den Hessischen Einzelhandel
gebunden.
5 Am 14./26. Oktober 2004 unterzeichneten ua. die N AG und die Gewerkschaft ver.di
(Bundesvorstand) ein sog. Eckpunktepapier „Vereinbarung zur Sanierung und zur
Beschäftigungssicherung für den K - Konzern“, das in einen „Tarifvertrag zur Sanierung
und zur Beschäftigungssicherung“ (TV Sanierung) mit dem Datum des 14. Oktober 2004
mündete, der am 1. Januar 2005 in Kraft trat und mit Ablauf des 31. Dezember 2007 ohne
Nachwirkung endete. Dieser sah für die Beschäftigten ua. die Aussetzung von
Tariflohnerhöhungen sowie den Entfall des tariflichen Urlaubsgeldes und der tariflichen
Sonderzuwendung für die Jahre 2005 bis 2007 vor. Gleichzeitig vereinbarten die
Tarifvertragsparteien einen „Tarifvertrag über tarifliche Zusatzzahlung“ vom 14. Oktober
2004 (TV Zusatzzahlung), in dem es - um auf Arbeitgeberseite nicht zur Bildung von
Rückstellungen verpflichtet zu sein - in der Endfassung heißt: „tritt am 01.01.2008 in Kraft“.
6 In § 2 TV Zusatzzahlung ist unter der Überschrift „Zusatzzahlung“ geregelt:
„Zusätzlich zu allen sonstigen tariflichen Ansprüchen haben die
vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ab dem 1.1.2008 Anspruch auf jeweils eine mit
der Entgeltzahlung für den Monat Juni fällige jährliche Zusatzleistung (1.473,--
EUR), die der Summe von monatlich 122,75 EUR brutto für die Monate des Jahres
in einem gültigen Beschäftigungsverhältnis entspricht und über die gesamte
Laufzeit für maximal die Anzahl der Monate der Geltung des Tarifvertrages zur
Sanierung und zur Beschäftigungssicherung auf ihr Arbeitsverhältnis gezahlt wird.
Teilzeitbeschäftigte haben einen anteiligen Anspruch entsprechend dem Verhältnis
ihrer arbeitsvertraglichen Arbeitszeit zur regelmäßigen tariflichen
Wochenarbeitszeit.“
7 Der TV Sanierung wurde auf das Arbeitsverhältnis des Klägers angewandt. Mit Wirkung
ab dem 1. Januar 2006 wurde der Bereich Logistik der N AG, in dem der Kläger
beschäftigt war, auf die Q GmbH übertragen. Mit weiterem Betriebsübergang wurde dieser
Bereich mit Wirkung ab dem 1. März 2007 von der nicht tarifgebundenen Beklagten
übernommen. In den Jahren 2005 bis 2007 erhielt der Kläger weder von der Beklagten
noch von deren Rechtsvorgängerinnen eine tarifliche Sonderzahlung. Die Zusatzzahlung
nach dem TV Zusatzzahlung wurde von der Beklagten nicht gezahlt.
8 Mit seiner Klage beansprucht der Kläger die tarifvertragliche Zusatzzahlung für das Jahr
2008. Der Anspruch ergebe sich aus § 2 TV Zusatzzahlung und die Beklagte sei als
Rechtsnachfolgerin der N AG nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB zur Erfüllung verpflichtet.
Daran ändere die Regelung zum Inkrafttreten mit dem 1. Januar 2008 nichts. Bei
verständiger Auslegung des TV Zusatzzahlung iVm. dem TV Sanierung sei der Anspruch
bereits vor dem ersten Betriebsübergang rechtlich begründet worden. Beide Tarifverträge
bildeten eine untrennbare Einheit.
9 Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.473,00 Euro brutto nebst Zinsen in
Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juli
2008 zu zahlen.
10 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der TV Zusatzzahlung sei nicht nach
§ 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformiert worden, weil er zum
Zeitpunkt der Betriebsübergänge noch nicht in Kraft getreten sei.
11 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung
des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision
verfolgt der Kläger das Ziel der Klagestattgabe weiter. Die Beklagte beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
12 Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu
Recht zurückgewiesen.
13 I. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den geltend gemachten
Zahlungsbetrag.
14 1. Die Klageforderung steht dem Kläger nicht auf der Grundlage beiderseitiger
Tarifgebundenheit zu. Die Beklagte ist nicht selbst Partei des TV Zusatzzahlung.
15 2. Ein Zahlungsanspruch folgt auch nicht aus § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB iVm. den Normen
15 2. Ein Zahlungsanspruch folgt auch nicht aus § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB iVm. den Normen
des TV Zusatzzahlung. Tritt ein Tarifvertrag nicht mit seinem Abschluss, sondern erst
später in Kraft, ist für den Beginn der Tarifgeltung der Zeitpunkt des Inkrafttretens
maßgebend. Zuvor gehört der tarifvertragliche Regelungsbestand nicht zu den Rechten
und Pflichten aus dem im Zeitpunkt eines Betriebsübergangs bestehenden
Arbeitsverhältnis nach § 613a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB. Dies hat der Senat bereits
entschieden und ausführlich begründet (BAG 16. Mai 2012 - 4 AZR 321/10 - Rn. 17 bis 34,
NZA 2012, 923). Da im Streitfall keine Besonderheiten erkennbar sind, verweist der Senat
zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung der genannten Entscheidung.
16 3. Ein Zahlungsanspruch folgt auch nicht aus dem Übergang der arbeitsvertraglich
vereinbarten Bedingungen nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB iVm. dem TV Zusatzzahlung.
Die Parteien haben im Arbeitsvertrag lediglich auf einzelne Bestimmungen der
Tarifverträge für den Einzelhandel in Hessen Bezug genommen. Der TV Zusatzzahlung ist
jedoch kein Tarifvertrag für den Einzelhandel in Hessen, sondern erfasst von seinem
Geltungsbereich her nur die Arbeitsverhältnisse dreier Einzel-Unternehmen, die den TV
Zusatzzahlung als Tarifvertragsparteien auf Arbeitgeberseite unterzeichnet haben.
17 II. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten
Rechtsmittels zu tragen.
Creutzfeldt
Rachor
Winter
Pieper
Th. Hess