Urteil des BAG vom 24.08.2011

Kein Anspruch auf Anpassung des Bemessungssatzes der Grundvergütung gemäß der Anpassungsklausel in § 3 Abs 1 des VTV Nr 7 zum BAT-O für den Bereich der VKA - Auslegung der Tarifvertragsbestimmung als schuldrechtliche Vereinbarung

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 24.8.2011, 4 AZR 717/10
Kein Anspruch auf Anpassung des Bemessungssatzes der Grundvergütung gemäß der
Anpassungsklausel in § 3 Abs 1 des VTV Nr 7 zum BAT-O für den Bereich der VKA - Auslegung
der Tarifvertragsbestimmung als schuldrechtliche Vereinbarung
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen
Landesarbeitsgerichts vom 22. Oktober 2010 - 2 Sa 105/10 - wird
zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über Entgeltansprüche der Klägerin nach Wegfall der
Tarifgebundenheit der Beklagten, ihrer heutigen Arbeitgeberin.
2 Die 1969 geborene Klägerin, Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di),
wurde zum 1. Februar 1997 vom Landkreis K, der im Kommunalen Arbeitgeberverband
Sachsen organisiert war, als Krankenschwester im Klinikum H, einem Eigenbetrieb des
Landkreises, eingestellt. Nach § 2 des am 6. Dezember 1996 abgeschlossenen
Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis der Parteien „nach dem BAT-O und
den diesen ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber
jeweils geltenden Fassung“. Zum 1. Januar 1998 ging das Klinikum im Wege des
Betriebsübergangs auf die Beklagte über, die bis zum 12. Januar 2010 noch als Klinikum
H gGmbH firmierte.
3 Unter dem 12. August 2002 schlossen die Parteien einen Änderungsvertrag, in welchem
eine vollschichtige arbeitsvertragliche Beschäftigung als Anästhesieschwester und eine
Vergütung nach der Vergütungsgruppe KR V BAT-O vereinbart wurde. Regelungen zum
ansonsten anwendbaren Recht enthält dieser Änderungsvertrag nicht.
4 Zum 31. Dezember 2003 trat die Beklagte aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband
Sachsen aus. Seither erhöhte sie die Vergütung der Klägerin nicht mehr entsprechend den
zwischenzeitlich vereinbarten Vergütungstarifverträgen. Sie wendet im Arbeitsverhältnis
bis heute den Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften -
(BAT-O) an.
5 Mit Schreiben vom 21. Februar 2008 verlangte die Klägerin für die Zeit ab 1. Januar 2008
Vergütung nach Vergütungsgruppe Va Stufe 9 BAT-O einschließlich Ortszuschlags sowie
allgemeiner Zulage in Höhe von 100 vH der zuletzt gültigen Fassung des BAT, hilfsweise
in Höhe von 100 vH der entsprechenden Vergütung, die sich aus der am 31. Dezember
2003 geltenden Fassung der Vergütungstarifverträge zum BAT ergab. Dabei bezog sich
die Klägerin auf den Vergütungstarifvertrag Nr. 7 zum BAT-O für den Bereich der VKA vom
31. Januar 2003 (VTV Nr. 7).
6 Dieser Tarifvertrag enthält ua. folgende Regelungen:
㤠2
Einmalzahlung
(2) Die Angestellten, die im Monat November 2004 Anspruch auf Bezüge aus
einem Arbeitsverhältnis haben, das im gesamt Monat November 2004 zu
demselben Arbeitgeber besteht, erhalten im Monat November 2004 eine
Einmalzahlung in Höhe von 46,25 EUR.
§ 3
Grundvergütungen, Gesamtvergütungen
(1) Die Grundvergütungen (§ 26 Abs. 3 BAT-O) für die Angestellten der
Vergütungsgruppen X bis I und Kr. I bis Kr. XIII, die das 21. bzw. 23. bzw.
20. Lebensjahr vollendet haben, betragen
a) vom 1. Januar bis
31. Dezember 2003
91,0 v. H.,
b) vom 1. Januar 2004 an
92,5 v. H.
der nach dem jeweiligen Vergütungstarifvertrag zum BAT für den Bereich der
Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Beträge.
Die Anpassung des Bemessungssatzes wird für die Angestellten der
Vergütungsgruppen X bis V b und Kr. I bis Kr. VIII bis zum 31. Dezember 2007 und
für die übrigen Angestellten bis zum 31. Dezember 2009 abgeschlossen.
(2) Die Grundvergütungen für die Angestellten der Vergütungsgruppen X bis I sind
für die Zeit
a)
vom 1. Januar bis 31. Dezember 2003 in den Anlagen
1 a und 1 a.1,
b)
vom 1. Januar bis 30. April 2004 in der Anlage 1 b,
c)
vom 1. Mai 2004 an in der Anlage 1 c
festgelegt.“
7 Die Beklagte lehnte unter dem 11. April 2008 eine Bezahlung entsprechend den
Forderungen der Klägerin ab und vertrat den Standpunkt, der VTV Nr. 7 enthalte nur eine
Absichtserklärung, die Ost-West-Angleichung vornehmen zu wollen. Es gebe insoweit
noch keine verbindliche Festlegung. Im Übrigen unterfalle die Beklagte mangels
Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband nicht dem Geltungsbereich des TVöD.
8 Bereits zuvor, unter dem 20. März 2008, hatte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der
Klägerin zum 30. September 2008 gekündigt und ihr angeboten, das Arbeitsverhältnis mit
einer wöchentlichen regelmäßigen Arbeitszeit von 30 Stunden fortzusetzen; im Übrigen
sollte es bei den bisher geltenden Bedingungen bleiben. Nachdem das Arbeitsgericht der
Änderungsschutzklage der Klägerin stattgegeben und die fehlende soziale Rechtfertigung
des Änderungsangebots festgestellt hatte, schlossen die Parteien am 14. August 2008
eine Vereinbarung, wonach das Arbeitsverhältnis ab 1. Oktober 2008 mit einer
wöchentlichen regelmäßigen Arbeitszeit von 35 Stunden fortgesetzt wird und es im
Übrigen „bei den bislang geltenden Bedingungen des Arbeitsverhältnisses“ bleibt.
9 Die Klägerin hatte zunächst den Standpunkt eingenommen, in ihrem Arbeitsverhältnis
seien bis heute die einschlägigen tariflichen Regelungen anwendbar, die bei kongruenter
Tarifgebundenheit normativ gelten würden. Außerdem lege § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 VTV
Nr. 7 fest, dass die Anpassung des Bemessungssatzes für Angestellte, die so wie sie, die
Klägerin, eingruppiert seien, bis zum 31. Dezember 2007 abgeschlossen werde. Deshalb
seien die jeweiligen Vergütungsbestandteile mit Wirkung vom 1. Januar 2008 auf 100 vH
der jeweils am 31. Dezember 2007 im Tarifgebiet West zu zahlenden Vergütungen
anzuheben. Insoweit hat die Klägerin zuletzt aber nur noch den Standpunkt
eingenommen, die ihr jeweils zustehenden Vergütungsbestandteile seien auf 100 vH der
zum Ende der Tarifgebundenheit der Beklagten am 31. Dezember 2003 für das Tarifgebiet
West festgelegten Vergütungen zu erhöhen. In § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 VTV Nr. 7 liege eine
verbindliche Rechtsbegründung, wie der Ausschluss der Kündbarkeit dieser Regelung in
§ 8 Satz 2 VTV Nr. 7 zeige. Nachdem die Klägerin in erster Instanz noch die Feststellung
der Anwendbarkeit des TVöD auf ihr Arbeitsverhältnis geltend gemacht hatte, hat sie
zuletzt in der Sache nur noch beantragt:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin für die Zeit ab
1. Januar 2008 die Grundvergütung gemäß Vergütungsgruppe KR Va, Stufe 9, der
Anlage 1b zum BAT-O in Höhe des für den Bereich der VKA am 31. Dezember
2003 geltenden Vergütungstarifvertrages zum BAT (West) zu zahlen und die sich
daraus ergebenden monatlichen Differenzbeträge jeweils ab dem jeweiligen
Monatsersten des Folgemonats mit 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
zu verzinsen.
10 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, § 3 Abs. 1
Unterabs. 2 VTV Nr. 7 sei keine normativ wirkende Anspruchsgrundlage, sondern nur eine
Absichtserklärung der Tarifvertragsparteien und bedürfe noch einer Umsetzung durch
einen Anpassungstarifvertrag.
11 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung
der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision
verfolgt die Klägerin ihren letzten Sachantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
12 Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die zulässige Klage
zu Recht abgewiesen.
13 I. Die Klage ist zulässig.
14 Der Feststellungsantrag, den die Klägerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor
dem Senat klargestellt hat, auch weiterhin verfolgt, ist hinreichend bestimmt iSd. § 253
Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin strebt mit ihrer Klage zuletzt nur noch die Verpflichtung der
Beklagten an, ab dem 1. Januar 2008 die Vergütung zu zahlen, welche die Klägerin als in
Vergütungsgruppe KR Va Stufe 9 BAT-O eingruppierte Krankenschwester im Tarifgebiet
West aufgrund der dortigen Tariflage am 31. Dezember 2003 zu erhalten gehabt hätte.
15 1. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klage einen bestimmten Antrag enthalten.
Streitgegenstand und der Umfang der gerichtlichen Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis
müssen klar umrissen sein (BAG 19. März 2003 - 4 AZR 271/02 - zu II 2 der Gründe,
BAGE 105, 275). Die klagende Partei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie
begehrt. Bei einer stattgebenden Entscheidung darf keine Unklarheit über den Umfang der
Rechtskraft bestehen, damit der Streit der Parteien nicht in die Vollstreckung verlagert
wird. Diese Anforderung ist auch erfüllt, wenn der Antrag durch Auslegung, insbesondere
unter Heranziehung der Klageschrift und des sonstigen Vorbringens, hinreichend
bestimmt ist (st. Rspr., etwa BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 230/04 - zu B I 2 a der Gründe
mwN, BAGE 114, 299).
16 2. Hiernach genügt der Klageantrag dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO. Die Klägerin bezeichnet den Tarifzustand, von dem aus sie ihre Vergütung ermittelt
haben will, zeitlich präzise. Dass sie nicht die zu diesem Zeitpunkt maßgebende
Tarifvorschrift benennt, ist unschädlich. Die maßgebende Vergütung ist ohne weiteres
ermittelbar, weil die Beklagte von dieser Bezugsvergütung ausgehend nach einem
Bemessungssatz die Vergütung der Klägerin errechnet hat. Diese Vergütung soll auch der
Maßstab für den Vergütungsanspruch der Klägerin ab dem 1. Januar 2008 sein. Dies
ergibt sich ohne weiteres auch aus der Klageschrift, in der die Klägerin ihren zunächst
bezifferten Klageantrag dergestalt ermittelt hat, dass sie die ihr von der Beklagten gezahlte
Bruttovergütung ausgehend von dem damals für das Tarifgebiet Ost geltenden
Bemessungssatz von 92,5 vH auf eine 100 vH-Vergütung hochgerechnet und die
monatlichen Differenzbeträge eingeklagt hat.
17 3. Die Klägerin hat für ihren Feststellungsantrag auch das erforderliche besondere
Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. Sie hat ein rechtliches Interesse daran,
dass das im Antrag bezeichnete Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald
festgestellt wird.
18 a) Da sich eine Feststellungsklage auch auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus
einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den
Umfang einer Leistungspflicht beschränken kann - sog. Elementenfeststellungsklage - (s.
nur BAG 15. März 2006 - 4 AZR 75/05 - Rn. 15, BAGE 117, 248), kann die Klägerin im
Rahmen des § 256 Abs. 1 ZPO auch eine gerichtliche Feststellung über den für sie
maßgebenden Vergütungsanspruch anstreben.
19 b) Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn
durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird
und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (st. Rspr., etwa
BAG 14. Dezember 2005 - 4 AZR 522/04 - Rn. 12, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 94 = EzA
ZPO 2002 § 256 Nr. 7; 29. November 2001 - 4 AZR 757/00 - zu I 2 b der Gründe,
BAGE 100, 43). Diese Voraussetzung liegt vor. Die Rechtskraft der Entscheidung
verhindert weitere gerichtliche Auseinandersetzungen (zu diesem Kriterium s. etwa BAG
29. November 2001 - 4 AZR 757/00 - aaO) über die zukünftige Vergütung der Klägerin, für
die zwischen den Parteien allein der maßgebende Bemessungssatz streitig ist. Die
Beklagte hat darüber hinaus durch Protokollerklärung in erster Instanz - im Anschluss an
eine entsprechende Zusicherung in ihrem Schreiben vom 11. April 2008, mit dem sie die
angestrebte Zahlung abgelehnt hat - auch ausdrücklich klargestellt, dass sie sich einem
Feststellungsurteil unterwerfen werde; damit war erkennbar gemeint, dass sie schon
aufgrund einer lediglich feststellenden Entscheidung entsprechend dem Klageantrag eine
hieran orientierte (Neu-)Abrechnung und Auszahlung vornehmen werde.
20 II. Die zulässige Feststellungsklage ist jedoch unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat
im Ergebnis zu Recht darauf erkannt, dass die Klägerin nicht verlangen kann, ab dem
1. Januar 2008 die Vergütung zu erhalten, welche eine wie sie eingruppierte
Krankenschwester am 31. Dezember 2003 im Tarifgebiet West zu beanspruchen hatte.
Ein derartiger Anspruch ergibt sich nicht aus § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 VTV Nr. 7, der sowohl
kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit, im Falle der Beklagten aus § 3 Abs. 3 TVG, als
auch kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme im Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung
findet. Die von der Klägerin angezogene Tarifbestimmung begründet keine individuellen
Ansprüche. § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 VTV Nr. 7 ist keine Inhaltsnorm iSv. § 4 Abs. 1 iVm. § 1
Abs. 1 Halbs. 2 TVG, sondern eine schuldrechtliche Bestimmung (§ 1 Abs. 1 Halbs. 1
TVG).
21 1. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob es sich bei der vertraglichen
Verweisung im ursprünglichen Arbeitsvertrag um eine „Altklausel“, also eine
Gleichstellungsabrede, oder im Hinblick auf die nach dem 1. Januar 2002
abgeschlossenen Änderungsverträge um eine „Neuklausel“, also möglicherweise um eine
unbedingt zeitdynamische Verweisung, handelt (vgl. hierzu nur BAG 18. April 2007 -
4 AZR 652/05 - BAGE 122, 74). Für die von der Klägerin angestrebte
Vergütungsanpassung kommt als Anspruchsgrundlage zunächst ausschließlich der VTV
Nr. 7 in Betracht. Er wurde vor dem Ende der Tarifgebundenheit der Beklagten im Januar
2003 vereinbart und ist deshalb in jedem Falle auch von der Bezugnahmeklausel im
Arbeitsvertrag der Parteien mit umfasst.
22 2. Die von der Klägerin angezogene Tarifbestimmung des § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 VTV
Nr. 7 ist keine Rechtsgrundlage für den von ihr verfolgten Anspruch. Es handelt sich nicht
um eine Inhaltsnorm, die den tarifunterworfenen Arbeitnehmern zu dem festgelegten
Endtermin einen Anspruch auf eine bestimmte angepasste Vergütung gibt. Sie enthält
lediglich eine schuldrechtliche Regelung zwischen den Tarifvertragsparteien des VTV
Nr. 7 zur künftigen Anpassung des Bemessungssatzes Ost.
23 a) Bereits der Wortlaut der Bestimmung spricht entscheidend gegen die Annahme, die
Tarifvertragsparteien hätten eine die Anpassung abschließende Inhaltsnorm und einen
unmittelbaren Anspruch der normunterworfenen Arbeitnehmer begründen wollen. Durch
die Formulierung, die Anpassung des Bemessungssatzes „wird“ „bis zum 31. Dezember
2007“ „abgeschlossen“, bringen die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck, dass sie insoweit
nicht bereits durch den VTV Nr. 7 selbst eine Regelung treffen wollen, sondern dass die
entsprechende Festlegung für die Tarifunterworfenen erst noch erfolgen muss. Sie
formulieren ein für sie selbst verbindliches Regelungsprogramm, regeln aber noch nicht
selbst mit normativer Wirkung. Es bedarf für die Umsetzung des Regelungsprogramms
noch mindestens eines weiteren tariflichen Rechtsetzungsaktes. Hätten die
Tarifvertragsparteien Weitergehendes gewollt, hätten sie es angesichts der von ihnen im
VTV Nr. 7 sonst gewählten Regelungstechniken anders zum Ausdruck gebracht. Sie
hätten etwa ebenso wie in der Inhaltsnorm des § 3 Abs. 1 Unterabs. 1 VTV Nr. 7
festgelegt, dass die Vergütung ab einem bestimmten Zeitpunkt 100 vH des
Bemessungssatzes „beträgt“ oder hätten den Bemessungssatz zu einem festgelegten
Zeitpunkt „auf 100 vH erhöht“.
24 b) Für dieses Auslegungsergebnis spricht auch, dass der genaue Zeitpunkt der
Anpassung nicht abschließend bestimmt worden ist. Die Tarifvertragsparteien haben
keinen Abschluss der Anpassung „auf den“ oder „am 31. Dezember 2007“ festgelegt,
sondern „bis zum 31. Dezember 2007“. Anders als die hinsichtlich der Höhe und des
Zeitpunkts der Zahlungsansprüche präzisen Regelungen in § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 1
Unterabs. 1 und Abs. 2, § 4 Abs. 1 VTV Nr. 7 und in den zugehörigen Vergütungstabellen,
nennt § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 VTV Nr. 7 nur allgemein das Ziel „Anpassung des
Bemessungssatzes“. Abweichend vom voranstehenden Satz werden weder die
zahlenmäßige Höhe noch ein konkreter Zeitpunkt bestimmt, in dem die Anpassung
abgeschlossen sein soll.
25 c) Die Klägerin hat in der Vorinstanz in diesem Zusammenhang gemeint, die fehlende
tabellenmäßige Festlegung erkläre sich daraus, dass beide Tarifvertragsparteien zum
Zeitpunkt des Abschlusses des VTV Nr. 7 davon ausgegangen seien, es werde in der
Zwischenzeit noch zu weiteren Zwischen-Anpassungsschritten kommen; außerdem sei
aufgrund der Prozessvereinbarung für die Tarifverhandlungen zum TVöD vom 9. Januar
2003 schon damals klar gewesen, dass es zu einer tiefgreifenden Reform des Tarifrechts
für den öffentlichen Dienst kommen würde, die sich auch bei den Vergütungen auswirken
werde, weshalb eine tabellenmäßige Festschreibung von vornherein nicht in Betracht
gekommen sei. Auch seien die korrespondierenden „Westvergütungen 2007“ zum
Zeitpunkt des Abschlusses des VTV Nr. 7 noch nicht festgelegt gewesen. Diese
Überlegungen der Klägerin erklären zwar, warum es in diesem Tarifvertrag nicht zu einer
tabellenmäßigen Festlegung der Vergütungen ab 1. Januar 2008 gekommen ist. Sie
verdeutlichen aber zugleich auch, dass die Tarifvertragsparteien sich bei Abschluss des
VTV Nr. 7 in einer derart offenen Situation befanden, dass mehr als eine programmatische
Festlegung der weiteren Vorgehensweise der beiderseitigen Gestaltungsaufgabe nicht
angemessen gewesen wäre.
26 d) Auch der Umstand, dass § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 VTV Nr. 7 im Zusammenhang mit
tariflichen Inhaltsnormen steht, spricht nicht gegen das gefundene Auslegungsergebnis.
Die Tarifvertragsparteien haben das von ihnen vereinbarte Regelungsziel an passender
Stelle, im Zusammenhang mit den nächsten beiden Anpassungen des Bemessungssatzes
zum 1. Januar 2003 und dem 1. Januar 2004 in den Tarifvertrag aufgenommen. Rechtliche
Bedenken, eine solche Regelung in einen Tarifvertrag einzufügen, der im Übrigen auch
Rechtsnormen enthält, bestehen nicht.
27 e) Demgegenüber sprechen sowohl die Entstehungsgeschichte als auch die spätere
Tarifentwicklung für die Annahme, dass es sich bei § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 VTV Nr. 7 um
eine nur schuldrechtlich wirkende Vereinbarung handelt.
28 Die Festlegung der jeweils geltenden Bemessungssätze wurde stets in eigenständigen
Tarifregelungen vorgenommen. Der Bemessungssatz für das Tarifgebiet Ost lag im Jahre
1991 ursprünglich bei 60 vH der für das Tarifgebiet West maßgebenden Sätze. Die
weitere Anpassung der Entgelte vollzog sich schrittweise durch die
Vergütungstarifverträge Nr. 2 bis Nr. 6 auf 90 vH. Der VTV Nr. 7 legte dann zwei weitere
Stufen fest. In der weiteren Folge stieg der Bemessungssatz Ost durch den „Tarifvertrag
zur Anhebung des Bemessungssatzes ab 1. Juli 2005 für den Bereich der Vereinigung der
kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) - Tarifbereich Ost -“ vom 9. Februar 2005 zum
1. Juli 2005 auf 94 vH, später ab dem 1. Juli 2006 auf 95,5 vH und ab 1. Juli 2007 auf
97 vH. Schließlich setzten die Tarifvertragsparteien das in § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 VTV
Nr. 7 enthaltene Regelungsziel durch den „Tarifvertrag zur Anhebung des
Bemessungssatzes im TVöD für den Bereich der Vereinigung der kommunalen
Arbeitgeberverbände (VKA) - Tarifbereich Ost -“ vom 16. November 2007 für ua. diejenige
Entgeltgruppe, in die die Klägerin bei Anwendung des TVöD überzuleiten gewesen wäre,
um. In dessen § 2 heißt es:
„Für Beschäftigte der Entgeltgruppen 1 bis 8 und für Beschäftigte der Entgeltgruppe
9 gemäß Anlage bestimmt sich das Tabellenentgelt (§ 15 Abs. 1 TVöD) ab
1. Januar 2008 nach der Anlage A (VKA). Im Übrigen bleiben § 3 Abs. 1 Satz 2 des
Vergütungstarifvertrages Nr. 7 zum BAT-O für den Bereich der VKA und § 3 Abs. 1
Satz 2 des Vergütungstarifvertrages Nr. 7 zum BAT-Ostdeutsche Sparkassen
unberührt.“
29 Für die weiteren Entgeltgruppen wurde die Entwicklung durch § 6 Abs. 4 Satz 6 des
Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den
TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) vom 13. September 2005 in der
Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 4 vom 13. November 2009 abgeschlossen:
„Am 1. Januar 2010 wird das Entgelt der individuellen Endstufe für Beschäftigte der
Entgeltgruppe 10 und höher, auf die die Regelungen des Tarifgebiets Ost
Anwendung finden, um den Faktor 1,03093 erhöht.“
30 Auch dieser Ablauf steht im Gegensatz zu der Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten
im VTV Nr. 7 über die in § 3 Abs. 1 Unterabs. 1 VTV Nr. 7 genau festgelegten
Anhebungen hinaus bereits im Jahre 2003 eine weitere Anpassung unter Aussparung
etwaiger Zwischenschritte normativ festlegen wollen. Die zuletzt vorgenommene
Erhöhung um den Faktor 1,03093 entspricht der letzten Anhebung des Bemessungssatzes
von 97 vH auf 100 vH. Dieses letzten Umsetzungsschrittes hätte es hinsichtlich des dort
festgelegten Faktors nicht bedurft, wenn dieser bereits im VTV Nr. 7 unmittelbar und
zwingend festgelegt worden wäre.
31 f) Eine andere Auslegung wird auch nicht deshalb nahegelegt, weil die
Tarifvertragsparteien nach dem Vortrag der Klägerin übereinstimmend den Willen hatten,
mehr als zehn Jahre nach der deutschen Einigung eine Einkommensangleichung
herbeizuführen. Diese Zielvorstellung erklärt nur, dass die Tarifvertragsparteien sich schon
im Jahre 2003 festgelegt haben, zum 1. Januar 2008 eine Entgeltangleichung vornehmen
zu wollen. Sie spricht auch für das Verständnis des Senats, dass § 3 Abs. 1 Unterabs. 2
VTV Nr. 7 nicht, wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat, eine bloße Absichtserklärung
ist, sondern dass es sich hier um die schuldrechtliche Festlegung des Regelungsplans der
Tarifvertragsparteien handelt. Eine Notwendigkeit zu einer normativen Regelung ergibt
sich aus der vorgetragenen Zielvorgabe indes nicht.
32 g) Auch der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 VTV Nr. 7 in
§ 8 Satz 3 dieses Tarifvertrages ausdrücklich von der Kündigungsmöglichkeit frühestens
zum 31. Januar 2005 ausgenommen haben, stützt nicht die Annahme, es sei eine normativ
wirkende Regelung zum Inhalt der Arbeitsverhältnisse der Tarifunterworfenen getroffen
worden. Die Tarifvertragsparteien haben ihr schuldrechtlich verbindliches
Regelungsprogramm festgeschrieben und durch § 8 Satz 3 VTV Nr. 7 verhindert, dass aus
Anlass der nächsten Stufenanhebung erneut darüber verhandelt werden muss, zu
welchem Zeitpunkt die Anpassung der Vergütungen in den beiden Tarifgebieten vollendet
werden soll.
33 3. Die Klage kann auch nicht allein auf die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der
Parteien vom 6. Dezember 1996 gestützt werden, wonach der BAT-O und die
ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträge im Arbeitsverhältnis Anwendung finden.
34 a) Es ist bereits sehr zweifelhaft, ob ein sich aus einer solchen Verweisung
möglicherweise ergebender Anspruch auf Vergütung nach Tarifgebiet West, Stand
31. Dezember 2007, den mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf eine derartige
Vergütung nach dem Stand 31. Dezember 2003 mit umfasst, oder ob es sich insoweit um
einen anderen Streitgegenstand handelt.
35 b) Dies kann aber letztlich offenbleiben, weil die Bezugnahmeklausel nicht zur Geltung der
tariflichen Vergütungsregelungen zum TVöD/VKA führt. Der Arbeitsvertrag der Klägerin
enthält keine unbedingt zeitdynamische Verweisung auf das öffentliche Dienstrecht,
sondern nur eine Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des
Senats, die aus Gründen des Vertrauensschutzes für Verträge, die vor dem 1. Januar 2002
abgeschlossen worden sind, weiter zugrunde gelegt wird; hiernach endet die vereinbarte
Dynamik mit dem Ende der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers, weil danach auch
gegenüber den tarifgebundenen Beschäftigten, mit denen die Gleichstellung beabsichtigt
ist, neu abgeschlossene Tarifverträge nicht mehr angewendet werden müssen (vgl. nur
BAG 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - BAGE 116, 326; 18. April 2007 - 4 AZR
652/05 - BAGE 122, 74).
36 aa) Der Arbeitsvertrag vom 6. Dezember 1996 wurde von der tarifgebundenen früheren
Arbeitgeberin der Klägerin vorgegeben und bezog sich auf das für diese maßgebende
Tarifwerk. Damit erfüllt die Vertragsklausel in einem „Altvertrag“ die Voraussetzungen,
unter denen die frühere Senatsrechtsprechung eine Gleichstellungsabrede annahm.
Danach umfasst die Klausel die Tarifverträge, die erst nach dem Wegfall der
Tarifgebundenheit der Beklagten zum 31. Dezember 2003 abgeschlossen wurden nicht
mehr. Weder der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) noch die hierzu
abgeschlossenen Vergütungstarifverträge finden aufgrund der arbeitsvertraglichen
Verweisungsregelung im Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung.
37 bb) Am Inhalt der arbeitsvertraglichen Vereinbarung als Gleichstellungsabrede hat sich in
der Folgezeit nichts geändert.
38 Im Änderungsvertrag vom 12. August 2002, in dem es um eine Veränderung der
regelmäßigen Arbeitszeit ging, gibt es weder eine ausdrückliche Inbezugnahme des
ursprünglich Vereinbarten noch wird das ansonsten anwendbare Tarifrecht angesprochen.
Ein Wille der Parteien dieses Vertrages, ihre ursprüngliche Bezugnahmevereinbarung
erneut zum Gegenstand ihrer Vertragsbeziehungen zu machen, kommt nicht zum
Ausdruck.
39 In dem außergerichtlichen Vergleich vom 14. August 2008 wird die zuvor im - auch
gerichtlichen - Streit befindliche Arbeitszeit neu geregelt und festgelegt, dass es ansonsten
„bei den bislang geltenden Bedingungen des Arbeitsverhältnisses“ bleibt. Die
letztgenannte Klausel stellt schon nach ihrem Wortlaut keine bewusste Aufnahme des
1996 vertraglich Gewollten in den neu gebildeten Vertragswillen dar (dazu zuletzt BAG
24. Februar 2010 - 4 AZR 691/08 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 75 = EzA
TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 47). Zumindest ist mit dieser Vereinbarung unter
den Begleitumständen des Einzelfalles keine neue unbedingt zeitdynamische Verweisung
auf das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes vereinbart worden. Als der Vergleich, der nur
auf das bislang Geltende Bezug nimmt, vereinbart wurde, hatte die Beklagte bereits im
Streit um die Frage, ob die Klägerin Vergütung nach dem VTV Nr. 7 iVm. den Tarifen des
BAT verlangen kann, unter dem 11. April 2008 auf ihren Rechtsstandpunkt hingewiesen,
dass sie zu einer entsprechenden Zahlung nicht verpflichtet sei, ua. weil sie mangels
Mitgliedschaft nicht dem TVöD unterfalle. Unter diesen Umständen konnte die Klägerin
auch dann, wenn sie aus der Verweisung auf das alte Vertragsrecht auch eine willentliche
Inkorporierung der alten Verweisungsklausel in das neue Arbeitsvertragsrecht
geschlossen haben sollte, nicht davon ausgehen, dass die Beklagte sich mit einer
derartigen nicht näher bestimmten Wiederholung entgegen der wenige Monate zuvor
deutlich gemachten Rechtsauffassung unbedingt zeitdynamisch dem Tarifrecht für den
öffentlichen Dienst unterwerfen wollte.
40 III. Da die Klägerin nach alledem keinen Anspruch auf die geltend gemachte Vergütung
hat, ist die Klage in den Vorinstanzen zu Recht abgewiesen worden, weshalb ihre
Revision mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen ist.
Bepler
Treber
Winter
Valentien
J.Ratayczak