Urteil des BAG vom 13.03.2013

Wiedereinstellungsanspruch - Rückkehrrecht - rückwirkende Vertragsbegründung - AGB-Kontrolle

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 13.3.2013, 7 AZR 334/11
Wiedereinstellungsanspruch - AGB-Kontrolle
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Rheinland-Pfalz vom 13. Dezember 2010 - 5 Sa 446/10 - wird
zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über einen
Wiedereinstellungsanspruch.
2 Der Kläger war seit dem 1. August 1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin
beschäftigt. Im Zuge von Restrukturierungsmaßnahmen gliederte die Beklagte im Jahr
1999 ihr Breitbandkabelgeschäft aus und verkaufte es an die K D GmbH (KDG). Wie
andere Arbeitnehmer auch wurde der Kläger von der Beklagten für eine Tätigkeit bei der
KDG beurlaubt, mit der er gemäß Vertrag vom 11. September 1999 ein Arbeitsverhältnis
ab dem 1. Oktober 1999 begründete. Zuletzt stand er in einem Arbeitsverhältnis mit der K
D Vertrieb & Service GmbH & Co. KG (KDVS) und war am Standort T als Disponent
beschäftigt.
3 Am 1. September 2003 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Auflösungsvertrag zum
31. Dezember 2003. In dem Vertrag heißt es ua.:
„§ 2 Regelungen zum Rückkehrrecht
1.
Der Arbeitnehmer erhält in Zusammenhang mit dem bei der K Rheinland-
Pfalz/Saarland GmbH & Co. KG bzw. deren Rechtsnachfolger bestehenden
Arbeitsverhältnisses ein zeitlich begrenztes Rückkehrrecht zur Deutschen
Telekom AG, dessen Modalitäten sich abschließend aus der diesem
Vertrag beigefügten Anlage 1, die Bestandteil dieses Vertrages ist, ergeben.
Anlage 1 zum Auflösungsvertrag
‚Regelungen zum Rückkehrrecht - Stand 1.7.2003 -’
1.
Die Deutsche Telekom AG räumt den Arbeitnehmern ein Rückkehrrecht zur
1.
Die Deutsche Telekom AG räumt den Arbeitnehmern ein Rückkehrrecht zur
Deutschen Telekom AG ein
a. innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten (berechnet ab dem
1. Januar 2004) ohne das Vorliegen besonderer Gründe
(allgemeines Rückkehrrecht),
b. nach Ablauf des allgemeinen Rückkehrrechts für weitere 18 Monate
ein Rückkehrrecht unter besonderen Bedingungen (besonderes
Rückkehrrecht).
2.
Besondere Bedingungen (im Sinne des Absatzes 1.b) liegen vor, wenn
a. das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1
Absatz 2 ff KSchG aus dringenden betrieblichen Gründen wirksam
gekündigt wird
oder
…“
4 Die Beklagte, mehrere Kabelgesellschaften - ua. die KDVS - und die Gewerkschaft ver.di
trafen am 8. April 2005 eine sog. Schuldrechtliche Vereinbarung (SV). Sie lautet
auszugsweise:
„Für die am 1. Oktober 2002 beurlaubten tariflichen Arbeitnehmer mit Herkunft aus
der Deutschen Telekom AG, die durch die Restrukturierung der KDG/DeTeKS
(inklusive der Regionalgesellschaften) und MSG zum 1. Oktober 2002 in die K D
GmbH, K D Management GmbH & Co. KG, K Bayern GmbH & Co KG, K Berlin
Brandenburg GmbH & Co. KG, K Hamburg/Schleswig-Holstein/Mecklenburg-
Vorpommern GmbH & Co KG, K Niedersachsen/Bremen GmbH & Co., KG, K
Rheinland-Pfalz/Saarland GmbH & Co. KG, K Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen
GmbH & Co. KG, D Zentrale Dienste GmbH & Co KG, gewechselt sind und bei der
heutigen K D GmbH, K D Vertrieb & Service GmbH & Co. KG (6 Regionen) sowie K
D Breitband Services GmbH weiterbeschäftigt werden, wird in Zusammenhang mit
den bei einer der genannten Gesellschaften bzw. deren Rechtsnachfolgern
bestehenden Arbeitsverhältnissen ein befristetes Rückkehrrecht zur Deutschen
Telekom AG mit folgendem Inhalt vereinbart:
1. Die Deutsche Telekom AG räumt den Arbeitnehmern einzelvertraglich ein
Rückkehrrecht zur Deutschen Telekom AG ein
a.
innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten (berechnet ab dem
1. Januar 2004) ohne das Vorliegen besonderer Gründe (allgemeines
Rückkehrrecht),
b.
nach Ablauf des allgemeinen Rückkehrrechts für weitere 36 Monate
ein Rückkehrrecht unter besonderen Bedingungen (besonderes
Rückkehrrecht).
2. Besondere Bedingungen (im Sinne des Absatzes 1.b) liegen vor, wenn
a.
das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1
Absatz 2 ff KSchG aus dringenden betrieblichen Gründen wirksam
gekündigt wird
oder
3. Der Arbeitnehmer kann von seinem Rückkehrrecht nach der Ziffer 1
frühestens 6 Monate nach Beginn des Rückkehrzeitraums für das allgemeine
Rückkehrrecht Gebrauch machen. Es ist bei dem Rückkehrrecht nach
Ziffern 1 a. und b. eine Ankündigungsfrist von 3 Monaten einzuhalten. Im Falle
des besonderen Rückkehrrechts nach Ziffer 1 b. i.V.m. 2 a. findet eine
Rückkehr jedoch erst nach Ablauf der für den Arbeitgeber (Kabelgesellschaft
bzw. Rechtsnachfolger) geltenden jeweiligen individuellen Kündigungsfrist
statt, soweit diese länger ist als die dreimonatige Ankündigungsfrist.
4. Im Falle der Rückkehr finden ab diesem Zeitpunkt die Bestimmungen der
jeweils geltenden Rationalisierungsschutz-Tarifverträge der Deutschen
Telekom AG Anwendung. Der Arbeitnehmer wird hinsichtlich der zu
vereinbarenden Arbeitsvertragsbedingungen und anzuwendenden
tarifvertraglichen Regelungen so gestellt, als wäre er ohne Unterbrechung bei
der Deutschen Telekom AG weiter beschäftigt worden.
...
5. Das Rückkehrrecht besteht nicht, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund einer
Kündigung bzw. eines Aufhebungsvertrags beendet wird und die Beendigung
des Arbeitsverhältnisses aufgrund verhaltensbedingter Gründe des
Arbeitnehmers oder aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen
erfolgt und ein eventueller Rechtsstreit nicht zu Gunsten des Arbeitnehmers
entschieden hat.
...
6. Derzeit noch von der Deutschen Telekom AG zu einer Kabelgesellschaft
beurlaubte Arbeitnehmer erhalten ein Angebot zur Annahme dieser
schuldrechtlichen Vereinbarung bei gleichzeitiger Beendigung der
Beurlaubung sowie Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Deutschen
Telekom AG.“
5 § 5 Abs. 1 bis Abs. 3 des Tarifvertrags Rationalisierungsschutz und
Beschäftigungssicherung (TV Ratio) zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di
idF vom 15. März 2004 lautet auszugsweise:
„(1) Der nach den §§ 3 und 4 ausgewählte Arbeitnehmer erhält ein Angebot auf
Abschluss eines Änderungsvertrags. Inhalt dieses Vertrags ist die
Bereitschaft, eine Tätigkeit im Vermittlungs- und Qualifizierungsbetrieb
Vivento der Deutschen Telekom AG zu den in Abschnitt 1 Unterabschnitt 1
(nebst Anlagen) genannten Bedingungen aufzunehmen. Im Übrigen bleibt
das Arbeitsverhältnis unverändert. Für die Annahme des Änderungsvertrags
wird dem Arbeitnehmer eine Frist von zwei Wochen eingeräumt. Nach
Abschluss des Änderungsvertrags wird der Arbeitnehmer in Vivento versetzt.
...
(2) Als Alternative zum Abschluss eines Änderungsvertrags kann der
Arbeitnehmer einen Auflösungsvertrag mit Abfindungsregelung wählen. …
(3) Lehnt der Arbeitnehmer die Angebote nach Absatz 1 und Absatz 2 ab, so
erfolgt eine Kündigung unter Aufrechterhaltung des Vertragsangebots zur
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen nach
Absatz 1. …“
6 Der Kläger und die Beklagte schlossen am 30. April 2005 einen „Vertrag zur Abänderung
des Auflösungsvertrages in Zusammenhang mit der Schuldrechtlichen Vereinbarung vom
08.08.2002“. Dem Vertrag war als Anlage 1 die SV beigefügt. In ihm ist ua. geregelt:
„§ 1 Regelungen zum Rückkehrrecht
Die Parteien sind sich darüber einig, dass für das zeitlich begrenzte Rückkehrrecht
zur Deutschen Telekom AG gemäß § 2 Abs. 1 des Auflösungsvertrages in
Zusammenhang mit der Schuldrechtlichen Vereinbarung vom 08.08.2002 ab dem
01. Juni 2005 die in der Anlage 1, die Bestandteil dieses Vertrages ist, festgelegten
Regelungen gelten. Die bisherigen Regelungen werden ohne Nachwirkung mit
Ablauf des 31. Mai 2005 aufgehoben.
Darüber hinaus bleiben alle weiteren Regelungen des Auflösungsvertrages
unverändert bestehen.
§ 2 Einverständniserklärung zur Personaldatenweitergabe
Herr K ist damit einverstanden, dass im Falle der Inanspruchnahme des
Rückkehrrechtes die KD Vertrieb & Service GmbH & Co KG Rheinland-
Pfalz/Saarland der Deutschen Telekom AG die Daten mit Bezug auf sein
Arbeitsverhältnis offen legt sowie die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung
stellt, aus denen sich die Voraussetzungen für das und die Folgen aus dem geltend
gemachten Rückkehrrecht ergeben. Im Falle der Rückkehr auf Grund Ziffer 2a der
schuldrechtlichen Vereinbarung erfasst dies auch die soziale Rechtfertigung,
Wirksamkeit und Zulässigkeit der Kündigung.
Die Deutsche Telekom AG gewährleistet bezüglich der ihr von der KD Vertrieb &
Service GmbH & Co KG Rheinland-Pfalz/Saarland übermittelten
personenbezogenen Daten die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zum
Schutze der personenbezogenen Daten.“
7 Mit Schreiben vom 9. Dezember 2008 kündigte die KDVS das Arbeitsverhältnis des
Klägers aus betriebsbedingten Gründen zum 31. Juli 2009. Die Kündigung war Teil einer
umfangreichen Restrukturierung im Bereich Technical Operations („M“), in deren Verlauf
die KDVS, die KDG und die K D Breitband Services GmbH mit dem Konzernbetriebsrat
am 12. November 2008 einen Interessenausgleich und Sozialplan schlossen. Mit am
22. Dezember 2008 der Beklagten übersandten Schreiben beanspruchte der Kläger ein
Rückkehrrecht; die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 22. Dezember 2008 ab. Die
vom Kläger gegen die KDVS erhobene Kündigungsschutz- und
Weiterbeschäftigungsklage wurde rechtskräftig abgewiesen.
8 Mit seiner gegen die Beklagte erhobenen Klage(-erweiterung) hat der Kläger
hauptsächlich eine tatsächliche Beschäftigung ab dem 1. August 2009 und hilfsweise die
Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung verlangt. Er hat die Auffassung vertreten,
ihm stehe ein Rückkehrrecht zur Beklagten aufgrund der SV zu. Dieses habe er
fristgerecht geltend gemacht.
9 Der Kläger hat - soweit gegen die Beklagte gerichtet - beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, ihn aufgrund des Auflösungsvertrags vom
1. September 2003 und des Vertrags zur Abänderung des Auflösungsvertrags
im Zusammenhang mit der Schuldrechtlichen Vereinbarung vom 8. August
2002, vom 30. April 2005 ab dem 1. August 2009 weiterzubeschäftigen;
2. hilfsweise für den Fall, dass das Gericht die Schuldrechtliche Vereinbarung
vom 8. April 2005 dahingehend auslegt, dass der Antrag auf Begründung
eines Arbeitsverhältnisses gerichtet ist, die Beklagte zu verurteilen, sein
Angebot vom 22. Dezember 2008 auf Abschluss eines Arbeitsverhältnisses
anzunehmen.
10 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, dem
Kläger stehe kein Rückkehrrecht zu. Er habe nicht bis 31. Dezember 2008 tatsächlich zu
ihr zurückkehren können, weil er wegen der Kündigungsfrist noch bis 31. Juli 2009 an das
Arbeitsverhältnis mit der KDVS gebunden gewesen sei. Jedenfalls sei das Erfordernis
einer wirksamen Kündigung, die aus dringenden betrieblichen Gründen ausgesprochen
worden sei, dh. die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG erfülle, nicht gewahrt. Der
Kläger könne jedenfalls nur einen Vertragsschluss zu den Bedingungen einer
Beschäftigung im Betrieb Vivento verlangen; als Disponent könne ihn die Beklagte nicht
beschäftigen.
11 Das Arbeitsgericht hat die Klage mit verkündetem Urteilstenor abgewiesen; das bei der
Akte befindliche, mit Tatbestand und Entscheidungsgründen versehene Urteil ist nicht
unterschrieben. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht - unter
Zurückweisung der weitergehenden Berufung - dem gegen die Beklagte gerichteten
Hilfsantrag entsprochen und den Urteilstenor wie folgt gefasst:
„Die Beklagte wird verurteilt, das ihr vom Kläger gemäß der schuldrechtlichen
Vereinbarung vom 08.04.2005 unterbreitete Angebot auf Abschluss eines
Arbeitsvertrags für die Zeit ab dem 01.08.2009 (unbefristetes Arbeitsverhältnis
gemäß den Arbeitsvertragsbedingungen und den tarifvertraglichen
Regelungen, wie sie in Ziffer 4 der schuldrechtlichen Vereinbarung genannt
werden) anzunehmen.“
12 Zu dem (Haupt-)Antrag auf Beschäftigung verhalten sich die Entscheidungsgründe des
landesarbeitsgerichtlichen Urteils nicht. Die Beklagte begehrt mit ihrer ua. auf die Rüge
einer Verletzung von § 313 Abs. 1 Nr. 4 iVm. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gestützten Revision
die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt die
Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
13 Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das angefochtene Urteil unterliegt
keinen zu seiner Aufhebung führenden Verfahrensfehlern. Weder das Fehlen der
Unterschrift des arbeitsgerichtlichen Urteils noch das Fehlen einer Begründung der
Abweisung des hauptsächlichen Beschäftigungsantrags im Berufungsurteil sind
revisionsrechtlich beachtlich. Der Urteilsausspruch ist entgegen der Ansicht der Beklagten
nicht unbestimmt. Der in der Revisionsinstanz angefallene Antrag in der vom
Landesarbeitsgericht tenorierten Fassung ist zulässig und begründet. Der Anspruch des
Klägers auf Abgabe der begehrten Willenserklärung folgt aus § 1 des Änderungsvertrags
der Parteien vom 30. April 2005 iVm. § 2 Nr. 1 ihres Vertrags vom 1. September 2003 und
iVm. Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 Buchst. a SV.
14 A. Das angefochtene Berufungsurteil weist keine revisionsrechtlich relevanten
Verfahrensfehler auf.
15 I. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht in der Sache entschieden, obwohl das
arbeitsgerichtliche Urteil aktenkundig nicht unterschrieben ist. Mit der Verkündung war das
arbeitsgerichtliche Urteil in der Welt und konnte Gegenstand eines Berufungsverfahrens
sein. Die fehlende Unterschrift begründet lediglich einen unbeachtlichen Verfahrensfehler.
16 1. Nach § 60 Abs. 4 Satz 1 ArbGG ist das arbeitsgerichtliche Urteil nebst Tatbestand und
Entscheidungsgründen vom Vorsitzenden zu unterschreiben. Das zwar vollständig
abgefasste, jedoch nicht vom Vorsitzenden der Kammer unterschriebene Urteil ist
verfahrensfehlerhaft; es ist ein nicht mit Gründen versehenes Urteil (vgl. ausf.
GMP/Germelmann 7. Aufl. § 68 Rn. 3 mwN).
17 2. Der vom Landesarbeitsgericht nicht erkannte Verfahrensmangel führt nicht zu einem
Rechtsfehler seiner Berufungsentscheidung. Im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren
ist nach § 68 ArbGG eine Zurückverweisung wegen eines wesentlichen Mangels des
erstinstanzlichen Verfahrens ausgeschlossen. Zu den Verfahrensmängeln, die eine
Zurückverweisung nach § 68 ArbGG nicht zulassen, zählt auch der Fall eines nicht mit der
Unterschrift des Kammervorsitzenden versehenen arbeitsgerichtlichen Urteils (vgl.
Hauck/Biebl in Hauck/Helml/Biebl ArbGG 4. Aufl. § 68 Rn. 3 mwN).
18 II. Die Beklagte kann ihren Revisionsangriff nicht erfolgreich auf die - allerdings
zutreffende - Rüge stützen, dass sich die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils
nicht zu dem im Tatbestand wiedergegebenen Hauptantrag des Klägers auf (tatsächliche)
Beschäftigung verhalten. Das Landesarbeitsgericht hat die gegen die Abweisung (auch)
des Hauptantrags gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat den
Hauptantrag damit zwar nicht übergangen (vgl. zu solch einer Konstellation zB BAG
29. Juni 2011 - 7 AZR 774/09 - Rn. 38 f., AP TzBfG § 14 Nr. 83 = EzA TzBfG § 14 Nr. 78),
denn seine Befassung mit dem Hilfsantrag setzt eine solche mit dem Hauptantrag voraus.
Es handelt sich aber insoweit um eine nicht mit Gründen versehene Entscheidung. Auf
den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 6 ZPO kann sich die Beklagte dennoch nicht
stützen, denn sie ist durch die Abweisung des Hauptantrags nicht beschwert. Sinn eines
Rechtsmittelverfahrens ist es, dem Rechtsmittelkläger Gelegenheit zu geben, eine ihm
ungünstige vorinstanzliche Entscheidung durch Inanspruchnahme einer weiteren Instanz
überprüfen zu lassen (vgl. BAG 21. März 2012 - 5 AZR 320/11 - Rn. 11 mwN, NJW 2012,
3327). Die Abweisung des Hauptantrags ist für die Beklagte nicht ungünstig.
19 III. Das Landesarbeitsgericht hat den Hilfsantrag, dem es stattgegeben hat, zu Recht für
bestimmt genug gehalten. Entgegen der Rüge der Revision verstößt das angefochtene
Urteil nicht gegen § 313 Abs. 1 Nr. 4 iVm. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
20 1. Nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO enthält ein verfahrensbeendendes Urteil eine
Urteilsformel. Diese muss hinreichend deutlich gefasst sein. Das Erfordernis der - von
Amts wegen zu prüfenden - Bestimmtheit des Urteilsausspruchs dient der Rechtsklarheit
und Rechtssicherheit. Der Umfang der materiellen Rechtskraft iSv. § 322 Abs. 1 ZPO und
damit die Entscheidungswirkungen müssen festgestellt werden können. Bei diesen
Feststellungen sind Tatbestand und Entscheidungsgründe ergänzend heranzuziehen,
wenn die Urteilsformel den Streitgegenstand und damit den Umfang der Rechtskraft nicht
für sich gesehen erkennen lässt. Insbesondere bei einer Verurteilung zu einer
Willenserklärung kann zur Ermittlung des Inhalts einer auslegungsbedürftigen
Urteilsformel ein Rückgriff auf Tatbestand und Entscheidungsgründe erforderlich sein. Ein
auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichteter Urteilsspruch ist nur dann bestimmt,
wenn er so gefasst ist, dass der Inhalt der nach § 894 Satz 1 ZPO fingierten Erklärung klar
ist. Geht es um den Abschluss eines Arbeitsvertrags, muss die nach der speziellen
Vollstreckungsregel des § 894 Satz 1 ZPO als abgegeben geltende Willenserklärung den
für eine Vertragseinigung notwendigen Mindestinhalt (essentialia negotii) umfassen. Nach
§ 611 Abs. 1 BGB gehören hierzu die „versprochenen Dienste“, also Art und Beginn der
Arbeitsleistung. Eine Einigung über weitere Inhalte ist nicht erforderlich, sofern klar ist,
dass die Arbeitsleistung überhaupt vergütet werden soll. Der Umfang der Arbeitsleistung
und die Dauer des Arbeitsverhältnisses bestimmen sich ggf. nach den üblichen
Umständen; die Vergütung folgt ggf. aus § 612 BGB (vgl. zu all dem BAG 14. März 2012 -
7 AZR 147/11 - Rn. 19 mwN).
21 2. Hiernach ist die Entscheidungsformel im landesarbeitsgerichtlichen Urteil hinreichend
bestimmt. Die Verurteilung zur Annahme eines Angebots auf Abschluss eines
Arbeitsvertrags benennt den Zeitpunkt des begehrten Vertragsschlusses („ab dem
01.08.2009“). Der Tenor ist dahin zu interpretieren, dass das Landesarbeitsgericht nicht -
anders als von der Beklagten verstanden und mit der Revision beanstandet - das
„klägerische Angebot in der Schuldrechtlichen Vereinbarung vom 08.04.2005“ sieht. Der
Passus der Urteilsformel „… das ihr vom Kläger gemäß der schuldrechtlichen
Vereinbarung vom 08.04.2005 unterbreitete Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags
…“ zielt bei verständiger Würdigung nur auf eine überflüssige, aber verständliche
Nennung der Rechtsgrundlage des Angebots. Der Umfang der geschuldeten
Arbeitsleistung in dem mit der Verurteilung zustande gekommenen Vertrag lässt sich
ausreichend deutlich klären. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte handelt es sich um eine
unbefristete Vollzeitbeschäftigung. Der Inhalt der Tätigkeit ist zwar nicht näher
beschrieben. Unter Hinzuziehung von Tatbestand und Entscheidungsgründen ist aber
deutlich, dass die tenorierte Willenserklärung eine Arbeitsleistung des Klägers als
Disponent umfasst. In dieser Tätigkeit war der Kläger zuletzt bei der KDVS beschäftigt;
dass er im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten
andere Aufgaben geschuldet hätte, ist nicht ersichtlich. Die „weit gefasste“ Beschreibung
der Tätigkeit als Disponent führt zu einem größeren Spielraum bei den arbeitgeberseitigen
Weisungsrechten, nicht zu deren Unklarheit.
22 B. Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
23 I. Die Klage ist nicht schon deswegen teilweise unbegründet, weil die Verurteilung der
Beklagten zur Abgabe der Annahmeerklärung zum 1. August 2009 (rück-)wirken soll. Die
rückwirkende Begründung eines Arbeitsverhältnisses durch Urteil, die mit der Fiktion der
Abgabe der Annahmeerklärung den Vertragsschluss bewirkt, ist zulässig (ausf. BAG
9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 25 ff. mwN, AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002
§ 311a Nr. 2). Mit der Geltendmachung seines Rückkehrrechts gegenüber der Beklagten
mit Schreiben vom 22. Dezember 2008 hat der Kläger ein Angebot abgegeben.
24 II. Der Anspruch des Klägers auf Abgabe der begehrten Annahmeerklärung folgt aus § 1
Abs. 1 Satz 1 des Vertrags der Parteien vom 30. April 2005 iVm. § 2 Nr. 1 des Vertrags
vom 1. September 2003 und Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 Buchst. a SV.
25 1. Der Senat hat über die zu behandelnden Rechtsfragen großteils schon mit Urteil vom
9. Februar 2011 entschieden (- 7 AZR 91/10 - AP BGB § 307 Nr. 52 = EzA BGB 2002
§ 311a Nr. 2) und unter Berücksichtigung der weiteren Argumente der Beklagten an den
Ergebnissen in den Urteilen vom 19. Oktober 2011 (- 7 AZR 471/10 -, - 7 AZR 672/10 - AP
BGB § 307 Nr. 58 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 10, - 7 AZR 33/11 -
und - 7 AZR 743/10 -) sowie vom 13. Juni 2012 (- 7 AZR 519/10 -, - 7 AZR 537/10 -, -
7 AZR 647/10 -, - 7 AZR 669/10 -, - 7 AZR 738/10 - und - 7 AZR 169/11 -) festgehalten. § 1
Abs. 1 Satz 1 des nach einem einheitlichen Muster geschlossenen Vertrags zwischen
vormals beurlaubten Arbeitnehmern und der Beklagten vom 30. April 2005 iVm. § 2 Nr. 1
des ebenso mit mehreren Arbeitnehmern inhaltsgleich geschlossenen Vertrags vom
1. September 2003 und Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 Buchst. a SV begründen für die
vertragsschließenden Arbeitnehmer ein sog. besonderes, bis 31. Dezember 2008
auszuübendes Rückkehrrecht in die Dienste der Beklagten, welches mit einer Klage auf
Abgabe einer Annahme- oder einer Angebotserklärung geltend gemacht werden kann. Die
benannten Regelungen des Rückkehrrechts enthalten Allgemeine Geschäftsbedingungen
iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB und unterliegen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1
Satz 1 BGB. Wie die Auslegung von Nr. 2 Buchst. a SV ergibt, verlangt die Vorschrift nicht
nur eine wirksame Kündigung; erforderlich ist darüber hinaus, dass die Kündigung unter
Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG ausgesprochen wurde. Dieses
in Nr. 2 Buchst. a SV begründete Erfordernis einer nicht nur wirksamen, sondern unter
Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG ausgesprochenen Kündigung
ist unwirksam. Es benachteiligt den betroffenen Arbeitnehmer entgegen den Geboten von
Treu und Glauben unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Weder § 310 Abs. 4
Satz 1 BGB noch § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB stehen der Inhalts- und
Angemessenheitskontrolle entgegen. Das besondere Rückkehrrecht in Nr. 1 Buchst. b und
Nr. 2 Buchst. a SV ist teilbar und kann ohne unzumutbare Härte für die Beklagte iSv. § 306
Abs. 3 BGB aufrechterhalten bleiben. Der wirksame Teil der Nr. 2 Buchst. a SV beschränkt
sich auf die Voraussetzung einer - aus betrieblichen Gründen ausgesprochenen -
„wirksamen Kündigung“. Erfüllt der Arbeitnehmer die Voraussetzungen des besonderen
Rückkehrrechts in diesem Verständnis, hat er - von den Fällen eines kollusiven
Zusammenwirkens zwischen ihm und dem kündigenden Vertragsarbeitgeber im Zeitpunkt
der Kündigung abgesehen - einen Anspruch auf (Wieder-)Einstellung bei der Beklagten
und ist nicht auf einen Vertrag zu den Arbeitsbedingungen verwiesen, die im Vermittlungs-
und Qualifizierungsbetrieb Vivento gelten (ausf. zu all dem zB BAG 9. Februar 2011 -
7 AZR 91/10 -; zuletzt zB 13. Juni 2012 - 7 AZR 519/10 -).
26 2. Hiernach hat das Landesarbeitsgericht zu Recht nach dem in der Revision noch
angefallenen Antrag erkannt.
27 a) Die Anspruchsvoraussetzungen des besonderen Rückkehrrechts nach Nr. 1 Buchst. b,
Nr. 2 Buchst. a SV iVm. § 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags der Parteien vom 30. April 2005
sowie § 2 Nr. 1 des Vertrags vom 1. September 2003 sind erfüllt. Der Kläger ist ehemaliger
Arbeitnehmer der Beklagten. Er stand zum 1. Oktober 2002 in einem Arbeitsverhältnis mit
einer der sog. Kabelgesellschaften und war von der Beklagten beurlaubt. Die KDVS
kündigte sein Arbeitsverhältnis mit ihr unter dem 9. Dezember 2008 „aus
betriebsbedingten Gründen“. Der Kläger machte das besondere Rückkehrrecht mit der
Beklagten am 22. Dezember 2008 übersandten Schreiben geltend. Die von der KDVS aus
betrieblichen Gründen ausgesprochene Kündigung ist wirksam. Sie hat das
Arbeitsverhältnis beendet. Die vom Kläger gegen die KDVS erhobene
Kündigungsschutzklage ist rechtskräftig abgewiesen. Der Kläger musste entgegen der
Ansicht der Beklagten nicht darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen des § 1
Abs. 2 ff. KSchG erfüllt sind.
28 b) Für ein kollusives Zusammenwirken des Klägers mit der KDVS bei Ausspruch der
Kündigung bestehen keine Anhaltspunkte. Dagegen sprechen schon der im
Zusammenhang mit der Restrukturierungsmaßnahme geschlossene Interessenausgleich
und Sozialplan.
29 c) Der Kläger ist nicht auf einen Vertrag zu den Arbeitsbedingungen verwiesen, die im
Vermittlungs- und Qualifizierungsbetrieb Vivento gelten. Die von der Beklagten geltend
gemachte Unmöglichkeit einer Beschäftigung des Klägers zu den Konditionen des
begehrten Arbeitsvertrags („Disponent“) steht dem auf die Abgabe einer Willenserklärung
gerichteten Klageanspruch nicht entgegen. Mit Rechtskraft der den Vertrag begründenden
Annahmeerklärung steht der Vertragsmindestinhalt fest; die Abgabe einer solchen
Erklärung ist der Beklagten nicht unmöglich. Allenfalls der - nicht (mehr)
streitgegenständlichen - Beschäftigungsverpflichtung könnte die Beklagte mit dem
Unmöglichkeitseinwand begegnen.
30 C. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Zwanziger
Kiel
Schmidt
R. Gmoser
Glock