Urteil des BAG vom 13.03.2017

BAG (Befristung, Kläger, Arbeitsvertrag, Land, Arbeitsverhältnis, Rechtsgrundlage, Grund, Mitarbeiter, Wirksamkeit, Abschluss)

Siehe auch:
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 11.7.2007, 7 AZR 718/06
Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 11.07.2007, 7 AZR 360/06.
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Brandenburg vom 16. Mai 2006 - 19 Sa 71/06 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund Befristung am 28. Februar 2005
geendet hat.
2 Der Kläger wurde auf Grund eines befristeten Arbeitsvertrags vom 12. Dezember 2002 in der Zeit
vom 1. Januar 2003 bis zum 28. Februar 2005 bei dem beklagten Land als wissenschaftlicher
Mitarbeiter am H der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus beschäftigt. Nach § 1
Abs. 4 des Arbeitsvertrags war das Arbeitsverhältnis nach §§ 57a ff. HRG befristet.
3 Mit der am 21. März 2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die
Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund der Befristung zum 28. Februar 2005 gewandt und
gemeint, die Befristung könne nicht auf die Bestimmungen des 5. HRGÄndG gestützt werden, da
dieses Gesetz durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2004 (- 2 BvF
2/02 - BVerfGE 111, 226) für nichtig erklärt worden sei. § 57b Abs. 1 HRG in der Fassung des
HdaVÄndG vom 27. Dezember 2004 sei auf das Arbeitsverhältnis nicht anwendbar, da die
Vorschrift erst nach dem Abschluss des Arbeitsvertrags in Kraft getreten sei. § 57f HRG in der
Fassung des HdaVÄndG sehe ein rückwirkendes Inkrafttreten der §§ 57a bis 57e HRG nicht vor.
Die Voraussetzungen für eine Befristung nach §§ 57a ff. HRG in der vor dem 23. Februar 2002
geltenden Fassung des 4. HRGÄndG lägen nicht vor.
4 Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch
die Befristung des Arbeitsvertrags zum 28. Februar 2005 beendet wurde,
2. das beklagte Land für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1) zu verurteilen,
den Kläger bis zur Rechtskraft einer Entscheidung im vorliegenden Verfahren als
vollbeschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter zu unveränderten
Beschäftigungsbedingungen weiterzubeschäftigen.
5 Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.
6 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des
Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Klageantrag zu 1) weiter. Das
beklagte Land beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
7 Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die rechtzeitig erhobene
Befristungskontrollklage gegen die in dem Arbeitsvertrag vom 12. Dezember 2002 vereinbarte
Befristung zum 28. Februar 2005 zu Recht abgewiesen. Die Befristung ist nach § 57a Abs. 1
Satz 1, § 57b Abs. 1, § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG idF des HdaVÄndG vom 27. Dezember 2004
gerechtfertigt. Zwar lagen die hochschulrahmenrechtlichen Voraussetzungen für eine
sachgrundlose Befristung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 12. Dezember 2002 nicht vor.
Die §§ 57a ff. HRG idF des am 23. Februar 2002 in Kraft getretenen 5. HRGÄndG waren nach der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2004 nichtig (BVerfG 27. Juli 2004 -
2 BvF 2/02 - BVerfGE 111, 226, 246, 270, 273) . Nach dem HdaVÄndG sind die zuvor in §§ 57a
bis 57e HRG idF des 5. HRGÄndG enthaltenen Regelungen jedoch auf die vom 23. Februar 2002
bis zum 27. Juli 2004 abgeschlossenen Verträge anzuwenden. Hierdurch ist nachträglich die
hochschulrahmenrechtliche Grundlage für die sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags der
Parteien geschaffen worden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der die
Befristung tragenden Normen bestehen nicht. Der Bund hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die
Gesetzgebungskompetenz für das Zeitvertragsrecht des wissenschaftlichen und künstlerischen
Personals an Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Die zeitliche Rückerstreckung der
§§ 57a bis 57e HRG auf die in der Zeit vom 23. Februar 2002 bis zum 27. Juli 2004
abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem und künstlerischem
Personal an Hochschulen verstößt nicht gegen das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende
Gebot des Vertrauensschutzes. Das HdaVÄndG stellt lediglich die Rechtslage wieder her, von der
beide Parteien bei Abschluss des Arbeitsvertrags am 12. Dezember 2002 ausgehen mussten.
8 I. Die von den Parteien im Arbeitsvertrag vom 12. Dezember 2002 vereinbarte Befristung zum
28. Februar 2005 bedurfte keines sachlichen Grundes. Sie ist nach § 57f Abs. 1 Satz 1 iVm. § 57a
Abs. 1, § 57b Abs. 1 HRG idF des HdaVÄndG vom 27. Dezember 2004 (im Folgenden: HRG)
gerechtfertigt.
9 1. Nach § 57b Abs. 1 Satz 1 HRG ist die Befristung von Arbeitsverträgen des in § 57a Abs. 1
Satz 1 HRG genannten Personals, das nicht promoviert ist, bis zur Dauer von sechs Jahren
zulässig. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Nach § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG sind die
§§ 57a bis 57e HRG auf den am 12. Dezember 2002 abgeschlossenen Arbeitsvertrag der
Parteien anwendbar. Der Kläger war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts
wissenschaftlicher Mitarbeiter iSd. § 57a Abs. 1 Satz 1 HRG an einer Hochschule. Der nicht
promovierte Kläger wurde vom 1. Januar 2003 bis zum 28. Februar 2005 an der
Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus beschäftigt. Die in § 57b Abs. 1 Satz 1 HRG
bestimmte Höchstbefristungsdauer wurde nicht überschritten.
10 2. Das Zitiergebot des § 57b Abs. 3 Satz 1 HRG ist eingehalten. Danach ist im Arbeitsvertrag
anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften des HRG beruht. Diese Voraussetzungen erfüllt
§ 1 Abs. 4 des Arbeitsvertrags, wonach der Arbeitsvertrag nach §§ 57a ff. HRG befristet ist.
11 3. Entgegen der Auffassung des Klägers wurde die Anwendung der Vorschriften der §§ 57a bis
57e HRG durch § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG auf Arbeitsverträge, die in der Zeit vom 23. Februar 2002
bis zum 27. Juli 2004 abgeschlossen wurden, erstreckt. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen
Wortlaut des Gesetzes. Danach sind die §§ 57a bis 57e HRG in der ab 31. Dezember 2004
geltenden Fassung auf Arbeitsverträge anzuwenden, die seit dem 23. Februar 2002
abgeschlossen wurden. Ausgenommen hiervon sind lediglich Arbeitsverträge, die zwischen dem
27. Juli 2004 und dem 31. Dezember 2004 vereinbart wurden (§ 57f Abs. 1 Satz 3 HRG). Für
diese gelten die §§ 57a bis 57e HRG in der vor dem 23. Februar 2002 geltenden Fassung.
12 Ein anderes Verständnis von § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG ist entgegen der Auffassung des Klägers
nicht deshalb geboten, weil das HdaVÄndG insgesamt nach dessen Art. 10 am Tag nach der
Verkündung und damit am 31. Dezember 2004 in Kraft getreten ist. Der Kläger verkennt, dass die
Anwendung von Vorschriften für einen zurückliegenden Zeitraum nur für die §§ 57a bis 57e in § 57f
Abs. 1 Satz 1 HRG bestimmt wurde, nicht für die übrigen Vorschriften des HdaVÄndG. Durch die
Anordnungen in § 57f Abs. 1 Satz 1 und 2 HRG wurde der Rechtszustand wieder hergestellt, der
bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2004 zum 5. HRGÄndG
gegolten hatte. Die §§ 57a bis 57e HRG idF des HdaVÄndG entsprechen wörtlich den §§ 57a bis
57e HRG idF des 5. HRGÄndG. Lediglich § 57f HRG idF des HdaVÄndG weicht von § 57f HRG
idF des 5. HRGÄndG ab. § 57f Abs. 1 Satz 3 HRG idF des HdaVÄndG enthält die erforderliche
Übergangsregelung für diejenigen befristeten Arbeitsverträge, die seit der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2004 auf der Grundlage des wieder aufgelebten
Befristungsrechts nach dem 4. HRGÄndG abgeschlossen worden sind. Ohne die Regelung in
§ 57f Abs. 1 Satz 3 HRG idF des HdaVÄndG würde diesen Arbeitsverträgen durch das
rückwirkende Inkraftsetzen des Befristungsrechts nach dem HdaVÄndG ihrerseits die
Rechtsgrundlage entzogen (BT-Drucks. 15/4132 S. 23).
13 Die Anwendung der §§ 57a bis 57e HRG auf Verträge, die in der Zeit vom 23. Februar 2002 bis
zum 27. Juli 2004 abgeschlossen wurden, entspricht entgegen der Auffassung des Klägers dem
erklärten Willen des Gesetzgebers und dem von ihm mit der Regelung in § 57f Abs. 1 HRG
verfolgten Zweck. Der befristungsrechtliche Teil des HdaVÄndG ist entsprechend dem Vorschlag
der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drucks. 15/4132) vom Bundestag
unverändert beschlossen worden und in Kraft getreten. Dies entsprach der Beschlussempfehlung
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung vom 1. Dezember 2004
(BT-Drucks. 15/4418 S. 5). Danach wurde dem Bundestag empfohlen, “den Gesetzentwurf -
Drucks. 15/4132 - unverändert anzunehmen”. In der Begründung hierzu heißt es, der durch das
Urteil des Bundesverfassungsgerichts verursachte Wegfall der Rechtsgrundlage für die
Zeitverträge werde durch rückwirkende Wiederinkraftsetzung des Befristungsrechts geheilt. Die
am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten sind daher unzweifelhaft von einer im Ergebnis
rückwirkenden Inkraftsetzung der §§ 57a bis 57e HRG ausgegangen und haben dies in § 57f
Abs. 1 Satz 1 HRG auch unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.
14 In Anbetracht des eindeutigen Gesetzeswortlauts, des mit § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG erkennbar
verfolgten Zwecks, die durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entfallene
Rechtsgrundlage für die in der Zeit vom 23. Februar 2002 bis zum 27. Juli 2004 abgeschlossenen
befristeten Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal an Hochschulen
und Forschungseinrichtungen wiederherzustellen, und der Entstehungsgeschichte der Norm kann
daher die vom Kläger bzw. seinem Prozessbevollmächtigten offenbar vertretene
Rechtsauffassung, die Vorschrift habe keinerlei Regelungsgehalt und sei inhaltslos, nicht
nachvollzogen und nur als abwegig bezeichnet werden.
15 II. Gegen die Wirksamkeit der die Befristung des Arbeitsvertrags vom 12. Dezember 2002
tragenden Vorschriften bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die §§ 57a bis 57f HRG
sind nicht verfassungswidrig. Der Bundesgesetzgeber hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die
Gesetzgebungskompetenz für die Regelung des Zeitvertragsrechts des wissenschaftlichen und
künstlerischen Personals an Hochschulen. Die sich aus Art. 72 Abs. 2 GG für die konkurrierende
Gesetzgebung ergebenden Anforderungen an das Gesetzgebungsrecht des Bundes sind erfüllt.
Die in § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG enthaltene Erstreckung der §§ 57a bis 57e HRG auf die in der Zeit
vom 23. Februar 2002 bis zum 27. Juli 2004 abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge stellt
keine mit Art. 12 Abs. 1 GG iVm. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) unvereinbare
Rückwirkung dar. Dies hat der Senat bereits durch das den Parteien zur Kenntnis gebrachte Urteil
vom 21. Juni 2006 (- 7 AZR 234/05 - AP HRG § 57a Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 620 Hochschulen
Nr. 2, zu III der Gründe) entschieden, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen
wird.
16 III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Dörner
Gräfl
Koch
Willms
Bea