Urteil des ArbG Wuppertal vom 15.06.2005

ArbG Wuppertal: mitbestimmungsrecht, sexuelle belästigung, annahme von geschenken, verbot der diskriminierung, drittwirkung der grundrechte, juristische person, objektive unmöglichkeit, aufzeichnung

Arbeitsgericht Wuppertal, 5 BV 20/05
Datum:
15.06.2005
Gericht:
Arbeitsgericht Wuppertal
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 BV 20/05
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
BetrVG § 87 Abs. 1
1. Gibt der Arbeitgeber den bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern auf
oder empfiehlt ihnen, sich nach einem von ihm erstellten
Verhaltenskodex zu richten, so ist diese Maßnahme nicht insgesamt
mitbestimmungspflichtig. Vielmehr ist für jeden einzelnen Abschnitt des
Verhaltenskodexes zu prüfen, ob Mitbestimmungsrechte verletzt sind
und dem Betriebsrat insoweit ein Unterlassungsanspruch zusteht.
2. Eine Regelung in einem Verhaltenskodex, wonach es Arbeitnehmern
untersagt ist, mit jemandem auszugehen oder in eine Liebesbeziehung
zu treten, wenn er die Arbeitsbe-dingungen dieser Person beeinflussen
kann oder der Mitarbeiter seine Arbeitsbedin-gungen beeinflussen kann,
betrifft zumindest auch das Ordnungsverhalten im Betrieb und ist nach §
87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig.
3. Das Betreiben einer anonymen Telefonhotline, bei der Arbeitnehmer
Verstöße von Kollegen gegen den Verhaltenskodex melden sollen, ist
als technische Überwa-chungseinrichtung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6
BetrVG mitbestimmungspflichtig. Daneben besteht ein
Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, da vom Arbeitgeber
für die Meldung von Verstößen ein bestimmtes Verfahren vorgegeben
wird.
4. Regelungen in einem Verhaltenskodex sind nicht
mitbestimmungspflichtig, soweit sie wegen ihrer Unbestimmtheit keine
konkreten Verhaltenspflichten an die Arbeitnehmer statuieren oder
soweit sie lediglich nationale Gesetzesvorschriften wiedergeben.
5. Zur Mitbestimmungspflichtigkeit weiterer Regelungsbereiche in einem
Verhaltenskodex.
Tenor:
Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, es bei Meidung eines
Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung von bis zu
250.000,- (i.W. zweihundertfünfzigtausend) zu unterlassen, den bei ihr
beschäftigten Arbeitnehmern i.S.d. § 5 BetrVG aufzugeben oder zu
empfehlen, sich nach den nachfolgenden Abschnitten der ethischen
Richtlinie des Verhaltenskodexes der Beteiligten zu 2) zu richten bzw.
diese anzuwenden und/ oder ein Poster mit einem Auszug oder einer
inhaltlichen Zusammenfassung des Kodexes, die die nachfolgenden
Abschnitte enthält, in den Räumlichkeiten der Betriebe der Beteiligten zu
2) auszuhängen oder sonst wie den Arbeitnehmern zugänglich zu
machen bzw. die nachfolgenden Abschnitte des Verhaltenskodexes den
Arbeitnehmern i.S.d. § 5 BetrVG gegenüber zur Anwendung zu bringen,
ohne dass die Zustimmung des Beteiligten zu 1) hierzu vorliegt oder
durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist:
Abschnitt Verantwortung der Mitarbeiter , Seite 3 des Kodexes, vierter
Spiegelstrich von oben (Bl. 16 d.A.)
gesamter Abschnitt Wie Sie ethische Anliegen vorbringen (Seite 5 des
Kodexes, Bl. 18 d.A.)
gesamter Abschnitt Geschenke und Zuwendung (Seite 9 des Kodexes,
Bl. 22 d.A.)
gesamter Abschnitt Pressemitteilungen (Seite 13 des Kodexes, Bl. 26
d.A.)
gesamter Abschnitt Belästigung und unangemessenes Verhalten (S. 14,
15 des Kodexes, Bl. 27, 28 d.A.)
gesamter Abschnitt Privatsphäre (S. 16, 17 des Kodexes, Bl. 29, 30 d.A.)
gesamter Abschnitt Private Beziehungen/Liebesbeziehungen (S. 17 des
Kodexes, Bl. 30 d.A.)
gesamter Abschnitt Alkohol- und Drogenmissbrauch (S. 17 des
Kodexes, Bl. 30 d.A.)
5. Spiegelstrich des als Anlage AG 1 (Bl. 91 d.A.) zu den Akten
gereichten Posters (Geschenke bzw. Gratifikationen dürfen nicht
angenommen werden)
Der Absatz Falls Sie Fragen haben..... [bis] werden anonym und
vertraulich behandelt des als Anlage AG 1 (Bl. 91 d.A.) zu den Akten
gereichten Posters
Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, es bei Meidung eines
Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung von bis zu
250.000,- (i.W. zweihundertfünfzigtausend) zu unterlassen, die
Telefonhotline für globale Unternehmensethik (0800 182 1390) zu
betreiben, ohne dass die Zustimmung des Beteiligten zu 1) hierzu
vorliegt oder durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Beteiligten streiten über die Anwendung der ethischen Richtlinien des
Verhaltenskodexes der Beteiligten zu 2. sowie über die Zulässigkeit des Betreibens der
Telefonhotline für Globale Unternehmensethik.
3
Die Beteiligte zu 2. ist ein Handelsunternehmen, das in Deutschland zur Zeit 74 Filialen
mit ca. 10.500 Mitarbeitern betreibt. Der Beteiligte zu 1. ist der im Unternehmen der
Beteiligten zu 2. gebildete Gesamtbetriebsrat mit zur Zeit 40 Mitgliedern. Die Beteiligte
zu 2. ist ein deutsches Tochterunternehmen der US-amerikanischen Firma X.-Stores,
Inc., die an der New York Stock Exchange gelistet ist. Nach Sec. 303 A Ziff. 10 des New
York Stock Exchange s Listed Company Manuals sind die ihr unterfallenden
Unternehmen zur Einführung und Veröffentlichung eines Code of business conduct and
ethics verpflichtet, der Regelungen zur Verhinderung von und dem Umgang mit
Interessenkonflikten, zur Verschwiegenheitspflicht, zu lauterem und fairem
Geschäftsgebaren, zum Schutz von Unternehmenseigentum, zur Verpflichtung der
Mitarbeiter zu gesetzeskonformem Verhalten und zur Ermutigung der Mitarbeiter,
Gesetzesverstöße und Verstöße gegen den Kodex zu melden, enthalten soll (vgl. hierzu
Schuster/Darsow, NZA 2005, 273, Fn. 2). Die US-amerikanische Muttergesellschaft hat
daher für alle weltweit bei ihr beschäftigten Mitarbeiter einen Verhaltenskodex erarbeitet,
der sodann in die deutsche Sprache übersetzt wurde. Der insgesamt 28-seitige
Verhaltenskodex enthält Regelungen über Verantwortung gegenüber Unternehmen und
Aktionären, Verantwortung gegenüber Kollegen, Verantwortung gegenüber Lieferanten,
Wettbewerbern, Kunden, Gemeinden und Behörden sowie Verantwortung hinsichtlich
internationaler Geschäftspraktiken. Wegen der Einzelheiten des Verhaltenskodexes
wird auf Blatt 9 ff d. A. Bezug genommen. Der Verhaltenskodex wurde in die X. Pipeline
(vermutlich Intranet) eingestellt.
4
Mit den Lohnabrechnungen für den Monat Februar 2005 wurde den Mitarbeitern der
Beteiligten zu 2. eine Zusammenfassung des moralischen Verhaltens bei X. zugesandt.
Dort heißt es auszugsweise:
5
alle Mitarbeiter müssen die bestehenden Gesetze einhalten
6
Mitarbeiter müssen entsprechend ihrer geleisteten Arbeit vergütet werden
7
Geschenke bzw. Gratifikationen dürfen nicht angenommen werden
8
Unangemessenes Verhalten am Arbeitsplatz wird nicht geduldet.
9
Die Beteiligte zu 2. richtete zudem eine Telefonhotline ein, bei der die Mitarbeiter
anonym Verstöße gegen den Verhaltenskodex melden können und sollen. In dem
Verhaltenskodex, beziehungsweise in der den Mitarbeitern ausgehändigten
Zusammenfassung heißt es:
10
Falls Sie Fragen haben oder einen potenziellen Verstoß gegen die Richtlinie
melden möchten:
11
Nutzen Sie den Grundsatz der Offenen Tür bzw.
12
Rufen Sie die eigens dafür eingerichtete Telefonhotline für Globale
Unternehmensethik an.
13
Tel: 0800-182-1390
14
Zudem erhielten die Store-Manager von der Beteiligten zu 2. ein Ethikposter, welches
am schwarzen Brett sowie im Personalbereich permanent zum Aushang kommen
müsse.
15
Mit seinem am 21.3.2005 bei Gericht eingegangenen Antrag begehrt der Beteiligte zu 1.
von der Beteiligten zu 2. Unterlassung der Anwendung der ethischen Richtlinie des
Verhaltenskodexes sowie des Betreibens der Telefonhotline für Globale
Unternehmensethik. Er ist der Auffassung, dass der Verhaltenskodex insgesamt einem
Mitbestimmungsrecht unterliege. Das von der Beteiligten zu 2. in Verkehr gebrachte
Papier nehme für sich in Anspruch, in seiner Gesamtheit ein Leitfaden für moralisches
Handeln zu sein, dessen einzelne Bestandteile nicht im Einzelnen betrachtet werden
könnten. Im Übrigen sei die Ordnung des Betriebes im Sinne des § 87 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 BetrVG bereits deshalb betroffen, weil die Beteiligte zu 2. von ihren Mitarbeitern mit
dem Inverkehrbringen des Papiers verlange, dass die Mitarbeiter das Papier und seinen
Inhalt zur Kenntnis nehmen müssten und sich letztlich danach richten sollten. Die
Kenntnisnahme von einem solchem Papier und auch die Beachtung desselben habe
keinen Bezug zu in den Betrieben der Beteiligten zu 2. zu erbringenden Verkaufs- oder
administrativen Tätigkeiten.
16
Hilfsweise trägt der Beteiligte zu 1. vor, dass eine Vielzahl von Einzelregelungen des
Verhaltenskodexes jedenfalls einem Mitbestimmungsrecht unterfielen. Wegen der
Einzelheiten wird auf Seite 4 ff. des Schriftsatzes des Beteiligten zu 1. vom 24.5.2005
Bezug genommen.
17
Der Beteiligte zu 1. beantragt,
18
der Beteiligten zu 2. aufzugeben, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes für
jeden Fall der Zuwiderhandlung von bis zu 250.000,00 EUR (i.W. Euro
zweihundertfünfzigtausend ) zu unterlassen, den Mitarbeitern aufzugeben
oder zu empfehlen, sich nach den ethischen Richtlinien des
Verhaltenskodexes der Beteiligten zu 2. zu richten bzw. diese anzuwenden
und/oder ein Poster mit einem Auszug oder einer inhaltlichen
Zusammenfassung des Kodexes in den Räumlichkeiten der Betriebe der
Beteiligten zu 2. auszuhängen oder sonst wie Mitarbeitern zugänglich zu
machen bzw. den Verhaltenskodex den Mitarbeitern gegenüber zur
Anwendung zu bringen, ohne dass die Zustimmung des Beteiligten zu 1.
hierzu vorliegt oder durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden
ist,
19
der Beteiligten zu 2. aufzugeben, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes für
jeden Fall der Zuwiderhandlung von bis zu 250.000,00 EUR (i.W. Euro
zweihundertfünfzigtausend) zu unterlassen, die Telefonhotline für Globale
Unternehmensethik (0800-182-1390) zu betreiben, ohne dass die
Zustimmung des Beteiligten zu 1. hierzu vorliegt oder durch den Spruch der
Einigungsstelle ersetzt worden ist.
20
Die Beteiligte zu 2. beantragt,
21
die Anträge zurückzuweisen.
22
Sie trägt vor, dass die Unternehmensethik lediglich eine Einführung in Prinzipien und
Richtlinien vorgebe, die den Mitarbeitern dabei behilflich sein soll, selbst zu
entscheiden, was bei Fragen oder Problemen zu tun ist. Die Mitarbeiter würden
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie letztlich gehalten sind, sich auf ihr eigenes
Urteil und Gespür für ethisches Verhalten zu verlassen, um sicherzustellen, dass sie
jeweils das Richtige tun. Die Zusammenfassung der Unternehmensethik enthalte daher
zunächst nur stark abstrahierte Vorstellungen vom Verhalten der Mitarbeiter. Ein
Mitbestimmungsrecht sei nur dann betroffen, wenn verbindliche Verhaltensregeln für die
Arbeitnehmer normiert würden. Bei dem Verhaltenskodex fehle es aber an einer
ausreichenden Konkretisierung, die die angegriffenen Aussagen überhaupt zu einer
verbindlichen Verhaltensregelung machen könnten. Im Übrigen verweise die
Unternehmensethik an vielen Stellen ausschließlich auf eine ohnehin bestehende
nationale, gesetzliche Regelung. Insofern sei ein Mitbestimmungsrecht ausgeschlossen.
Weiterhin weise eine Vielzahl der Klauseln einen konkreten Arbeitsbezug auf. Auch
insoweit scheide ein Mitbestimmungsrecht aus.
23
Hinsichtlich der Einrichtung einer Telefonhotline für Globale Unternehmensethik trägt
die Beteiligte zu 2. vor, dass dies eine zulässige Konkretisierung einer dem
Arbeitnehmer obliegenden Nebenpflicht zur Schadensabwehr darstelle. Aus dem
Gesichtspunkt der arbeitsvertraglichen Treuepflicht werde eine Pflicht des
Arbeitnehmers gefolgert, ihm bekannt gewordene Informationen über einen möglichen
Schaden an den Arbeitgeber weiterzuleiten.
24
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
wechselseitigen Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
25
II.
26
Die Anträge haben in dem im Tenor beschriebenen Umfang Erfolg.
27
1.
28
Die von der US-amerikanischen Muttergesellschaft der Beteiligten zu 2
herausgegebene Unternehmensethik unterliegt in Deutschland den
Mitbestimmungsrechten der Arbeitnehmervertretungen nach dem BetrVG. Das deutsche
BetrVG gilt für sämtliche inländische Betriebe, gleichgültig, ob sie zu inländischen oder
ausländischen Unternehmen gehören (vgl. BAG v. 7.12.1989, BB 1990, 564; BAG v.
22.3.2000, BB 2000, 2098; BAG v. 20.2.2001, NZA 2001, 1033). Bei der Einführung
konzernweiter Verhaltensstandards gilt daher kollisionsrechtlich, dass in jedem
betroffenen Staat die Arbeitnehmervertretungen die nach dem dortigen Recht
vorgesehenen Befugnisse ausüben können (vgl. für die Einführung eines
Verhaltenskodexes nach französischem Recht: Tribunal de Grande Instance de
Versailles v. 17.6.2004, Droit Ouvrier 2004, 473; hierzu Junker, BB 2005, 602). Die
Mitbestimmungsrechte des BetrVG haben insoweit zwingenden Charakter und können
durch eine Weisung der ausländischen Konzernmutter in keiner Weise berührt werden.
29
2.
30
Sowohl hinsichtlich der im Tenor umschriebenen Regelungsbereiche des Antrags zu 1)
als auch hinsichtlich des Betreibens der Telefonhotline (Antrag zu 2.) besteht die
Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates nach § 50 Abs. 1 BetrVG. Es handelt sich um
Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen betreffen und nicht durch die einzelnen
Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Die originäre
Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates setzt voraus, dass es sich um eine
überbetriebliche Angelegenheit handelt. Hierbei sind zwar reine
Zweckmäßigkeitserwägungen oder ein Koordinierungsinteresse nicht ausreichend (vgl.
BAG vom 16.6.1998, AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Gesundheitsschutz; BAG vom
15.1.2002, AP Nr. 23 zu § 50 BetrVG 1972), auf der anderen Seite erfordert die fehlende
Regelungsmöglichkeit durch den örtlichen Betriebsrat keine objektive Unmöglichkeit
(vgl. BAG vom 23.9.1975, AP Nr. 1 zu § 50 BetrVG 1972; Eisemann in: Erfurter
Kommentar, 5. Aufl. 2005, § 50 BetrVG Rn. 3). Es reicht aus, dass eine zwingende
sachliche Notwendigkeit, ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende
Regelung besteht (vgl. BAG vom 15.1.2002, AP Nr. 23 zu § 50 BetrVG 1972, BAG vom
11.12.2001, NZA 2002, 688). Der Gesamtbetriebsrat ist zuständig, wenn sich eine
unterschiedliche Regelung sachlich oder rechtlich nicht rechtfertigen lässt.
31
Von diesen Grundsätzen ausgehend ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligte zu 2.
den Verhaltenskodex einheitlich in sämtlichen Betrieben in Deutschland zur
Anwendung bringen will. Aus Sicht der Beteiligten zu 2. sollen gerade
unternehmensübergreifende Ethikvorstellungen bzw. Verhaltensanordnungen statuiert
werden. Der von der Beteiligten zu 2. angestrebte Zweck, dass sich die Mitarbeiter ihren
Unternehmensgrundsätzen verpflichtet fühlen, kann entsprechend nur durch eine
unternehmenseinheitliche Regelung erreicht werden. Für den Bereich der privaten
Liebesbeziehungen kommt hinzu, dass der Regelungsbereich nicht nur
Liebesbeziehungen von Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmern ein und desselben
Betriebes, sondern auch verschiedener Betriebe erfasst.
32
3.
33
Entgegen der Rechtsansicht des Beteiligten zu 1. ist der von der Beteiligten zu 2. in
Verkehr gebrachte Verhaltenskodex nicht insgesamt mitbestimmungspflichtig. So führt
insbesondere die Tatsache, dass den Arbeitnehmern aufgegeben wird, den
Verhaltenskodex zu lesen, nicht dazu, dass bereits durch diese Aufforderung Fragen der
Ordnung des Betriebes oder des Verhaltens der Arbeitnehmer im Sinne des § 87 Abs. 1
Nr. 1 BetrVG betroffen sind. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG
bezieht sich auf die Gestaltung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens der
Arbeitnehmer im Betrieb. Bereits durch diese Formulierung wird deutlich, dass es sich
um Regelungsbereiche handeln muss, die auf Dauer oder zumindest für einen längeren
Zeitraum betroffen sind. Das einmalige Lesen bzw. das zu Kenntnisnehmen des
Verhaltenskodexes ist aber gerade nicht auf einen längeren Zeitraum ausgerichtet und
betrifft daher auch nicht die Gestaltung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens
der Arbeitnehmer im Betrieb. Dies ergibt sich auch aus Sinn und Zweck der
Mitbestimmungsrechte des § 87 BetrVG. So wäre es sinnwidrig, wenn die
Betriebspartner eine Betriebsvereinbarung darüber schlössen, wann und unter welchen
Voraussetzungen ein bestimmtes Papier zu lesen sei.
34
Die von der Beteiligten zu 2. in Verkehr gebrachte Unternehmensethik ist auch nicht
deshalb insgesamt mitbestimmungspflichtig, weil sie für sich in Anspruch nimmt,
35
insgesamt einen Leitfaden für moralisches Handeln zu sein, dessen Bestandteile nicht
im Einzelnen betrachtet werden könnten. Bei den einzelnen Regelungsbereichen der
Unternehmensethik handelt es sich um klar abgrenzbare Regelungsbereiche, wobei
jeder Regelungsbereich für sich betrachtet sinnvoll aufrechterhalten werden kann. Aus
diesem Grunde ist für jeden einzelnen Regelungsbereich der Unternehmensethik zu
fragen, ob dieser Mitbestimmungsrechte des Beteiligten zu 1. tangiert oder nicht.
4.
36
Der Antrag zu 1. ist daher nur in dem im Tenor beschriebenem Umfang begründet,
wobei der Unterlassungsanspruch auf die Anwendung des Verhaltenskodexes
gegenüber Arbeitnehmern im Sinne des § 5 BetrVG zu beschränken war. Der
Verhaltenskodex richtet sich nicht nur an Arbeitnehmer im Sinne des § 5 BetrVG,
sondern auch an das Management und an leitende Angestellte. Für diesen Bereich der
Mitarbeiter sind Mitbestimmungsrechte des Gesamtbetriebsrates nicht gegeben. Ggf.
wäre hier an die Zuständigkeit des Sprecherausschusses zu denken.
37
Hiervon ausgehend sind folgende Abschnitte der Unternehmensethik
mitbestimmungspflichtig:
38
a)
39
Die Anregung, ethische Bedenken oder jegliche Verstöße gegen den Verhaltenskodex
über eine anonyme Telefonhotline vorzubringen, wie sie auf Seite 3 des Kodexes, 4.
Spiegelstrich bzw. im Abschnitt Wie Sie ethische Anliegen vorbringen auf Seite 5 des
Kodexes enthalten ist, verstößt gegen § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.
40
Es handelt sich hierbei um eine sogenannte Whistleblower-Klausel, was sinngemäß
verpfeifen oder anschwärzen bedeutet (vgl. hierzu Schuster/Darsow, NZA 2005 273,
276). Zwar betrifft die Klausel in erster Linie das Verhältnis des Arbeitnehmers zum
Arbeitgeber und nicht das Zusammenleben der Arbeitnehmer im Betrieb, andererseits
weist die Anzeigepflicht nur geringe Berührungspunkte mit der Erbringung der
Arbeitsleistung auf (vgl. hierzu Junker, BB 2005, 602, 604, ebenfalls ein
Mitbestimmungsrecht bejahend). Derartige Klauseln betreffen jedenfalls dann die
Ordnung des Betriebes bzw. das Verhalten der Arbeitnehmer, wenn die Regelung über
die bloße Hinweispflicht hinaus ein bestimmtes Verfahren vorsieht, nach dem der
Whistleblower vorzugehen hat (so Schuster/Darsow a.a.O.). Hierdurch wird die
Koordinierung interner Abläufe und somit die betriebliche Ordnung betroffen. Zwar
enthalten die streitgegenständlichen Klauseln ausgehend von ihrem Wortlaut keine
konkrete Pflicht des Arbeitnehmers. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass ausweislich
Seite 4 des Kodexes angemessene disziplinarische Maßnahmen, bis hin zur
Kündigung, gegen jeden Mitarbeiter zu ergreifen sind, dessen Verhalten diese
Unternehmensethik oder gültige Gesetze und Bestimmungen, einschließlich dieser
ethischen Leitprinzipien, verletzt. Aufgrund dieser Androhungen wird die Möglichkeit der
Meldung von Verletzungen gegen den Verhaltenskodex de facto zur Pflicht. Es wird ein
konkretes Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer statuiert. Zudem hält das BAG bereits
die Einführung eines Formulars zum Nachweis der Einhaltung von Ethikregeln nach §
87 Abs. 1 Nr. 1 für mitbestimmungspflichtig (vgl. BAG v. 28.5.2002, NZA 2003, 166). Die
Anzeigepflicht des Arbeitnehmers bei Verstößen gegen die Unternehmensethik stellt
hierbei einen noch intensiveren Eingriff als die Einführung eines Nachweisformulars
dar, so dass eine derartige Regelung erst Recht als mitbestimmungspflichtig angesehen
41
werden muss (so auch Junker, BB 2005, 602, 604).
b)
42
Ebenso verstößt der Abschnitt Geschenke und Zuwendungen (Seite 9 des Kodexes)
gegen § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.
43
Nach dieser Klausel ist es Arbeitnehmern nicht erlaubt, von einem Lieferanten,
potenziellen Lieferanten oder einer anderen Person, von der angenommen wird, dass
diese Person dadurch Einfluss auf eine Geschäftsentscheidung oder Transaktion, bei
der X. involviert ist, gewinnen möchte, Geschenke und Zuwendungen zu fordern,
anzufragen oder anzunehmen. Als Beispiele für Geschenke und Zuwendungen werden
genannt: kostenlose Waren, Tickets für Sport- oder Unterhaltungsveranstaltungen,
Schmiergelder in Form von Geld oder Ware, abgelaufene oder nicht länger genutzte
Muster, vom Lieferanten gezahlte Reisen, Alkohol oder Lebensmittel, Trinkgelder,
persönliche Dienstleistungen oder Gefallen.
44
Auch hier wird das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb reglementiert.
Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 2. handelt es sich auch nicht um Regelungen
im Bereich des reinen Arbeitsverhaltens. Ob ein Arbeitnehmer Geschenke annimmt oder
nicht, hat mit seiner zu erbringenden Arbeitsleistung nichts zu tun. Das
Mitbestimmungsrecht ist auch nicht aufgrund einer gesetzlichen Regelung
ausgeschlossen (§ 87 Abs. 1 Eingangssatz). Lediglich für Amtsträger oder ein für den
öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter ist die Annahme von Geschenken durch die
Straftatbestände der Vorteilsannahme und der Bestechlichkeit (§§ 331, 332 StGB)
gesetzlich geregelt. Dem gegenüber bestehen in der freien Wirtschaft keine
gesetzlichen Regelungen. Ob und in welchem Umfang die Arbeitnehmer Geschenke
annehmen dürfen, insbesondere ob es eine Geringfügigkeitsgrenze gibt, ist demnach
durch die Betriebspartner zu vereinbaren. Entgegen Schuster/Darsow (NZA 2005, 273,
276) scheidet ein Mitbestimmungsrecht auch nicht deshalb aus, weil durch die
Anordnung nicht das Verhalten der Arbeitnehmer untereinander, sondern das Verhalten
der Arbeitnehmer zu außerhalb des Betriebes stehenden Dritten betroffen sei. Auch
wenn das Verhältnis zu einem Betriebsfremden betroffen ist, wird dem Arbeitnehmer
aufgegeben, wie er sich in einer konkreten Situation im Betrieb zu verhalten habe.
Untersagt die Beteiligte zu 2. den Arbeitnehmern generell die Annahme jeglicher
Geschenke, so verstößt sie hierdurch gegen das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1
Nr. 1 BetrVG.
45
c)
46
Auch der Abschnitt Pressemitteilungen (Seite 13 des Kodexes) wonach den
Arbeitnehmern ohne Zustimmung durch die Abteilung Unternehmenskommunikation
nicht gestattet ist, im Namen von X. Aussagen (schriftlich oder mündlich) gegenüber der
Presse, Zeitungen oder anderen Quellen zu machen, verstößt gegen das
Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.
47
Mit Ausnahme der Arbeitnehmer, bei denen Öffentlichkeits- bzw. Pressearbeit zu ihrem
arbeitsvertraglichen Aufgabengebiet gehört, betrifft diese Regelung nicht das
Arbeitsverhalten, sondern das Ordnungsverhalten. So ist beispielsweise für einen
Verkäufer ein Bezug zu seiner geschuldeten Arbeitsleistung nicht zu erkennen. Zum
mitbestimmungsfreien Arbeitsverhalten zählen nur Arbeitsanweisungen, mit denen der
48
Arbeitgeber die Arbeitspflicht seines Arbeitnehmers konkretisiert (vgl. BAG vom
10.3.1998, AP Nr. 5 zu § 84 ArbGG 1979). Es liegt daher eine verbindliche
Verhaltensvorschrift vor, wenn den Arbeitnehmern untersagt wird, ohne Zustimmung
durch die Abteilung Unternehmenskommunikation Aussagen gegenüber Presse,
Zeitungen oder anderen Quellen zu machen.
d)
49
Auch der Abschnitt Belästigung und unangemessenes Verhalten verstößt gegen das
Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. In diesem Abschnitt heißt es unter
anderem :
50
Verbale Äußerungen, Gesten und Blicke sowie körperliche Handlungen sexueller
Natur gehören nicht an den Arbeitsplatz und können rechtswidrige sexuelle
Belästigung darstellen.
51
52
Beispiele hierfür sind
53
Sexuelle Annäherung, Bitten um sexuelle Gefälligkeiten, Gossensprache,
zweideutige Witze, Bemerkungen über den Körper oder die sexuellen Aktivitäten
einer Person;
54
Zurschaustellung von sexuell suggestiven Bildern oder Dingen, lüsterne oder
anzügliche Blicke oder als sexuell deutbare Kommunikation jeder Art, oder
55
Unangemessenes Anfassen.
56
Die Regelungen verweisen nicht lediglich auf nationale gesetzliche Regelungen zum
Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, sondern gehen über § 2 Abs. 2
BeschSchG hinaus. Zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz gehören nach § 2 Abs. 2
BeschSchG sexuelle Handlungen und Verhaltensweisen, die nach den
strafgesetzlichen Vorschriften unter Strafe gestellt sind sowie sonstige sexuelle
Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche
Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie Zeigen und sichtbares Anbringen
von pornografischen Darstellungen, die von dem Betroffenen erkennbar abgelehnt
werden. Das Gesetz verbietet ein Flirten am Arbeitsplatz nicht grundsätzlich. So stellt es
keine sexuelle Belästigung dar, wenn ein Arbeitnehmer einer Arbeitnehmerin lüsterne
Blicke zuwirft, wenn nicht die Arbeitnehmerin dies erkennbar ablehnt. Der in der Presse
als sogenanntes Flirt-Verbot bezeichnete Abschnitt der Unternehmensethik
reglementiert daher das Verhalten der Arbeitnehmer und ihren Umgang miteinander im
Betrieb über die Regelungen in § 2 BeschSchG hinaus und ist daher nach § 87 Abs. 1
Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig.
57
e)
58
Auch der Abschnitt Privatsphäre verstößt gegen § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, soweit hierin
Einsichtsrechte in die Personalakte geregelt werden. Nach der entsprechenden Klausel
sind nur berechtigte Mitarbeiter und solche mit einem betrieblich-begründeten Anliegen
berechtigt, die Personal- und Krankenakten des Unternehmens einzusehen. Was unter
59
einem Mitarbeiter mit einem betrieblich-begründeten Anliegen zu verstehen ist, bleibt
offen. Die Beteiligte zu 2. legt im Ergebnis einseitig fest, wer in die Personalakten
einsehen darf. Die Regelung von Einsichtsrechten in die Personalakte ist aber nach §
87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig (vgl. Küttner-Reinecke, Personalbuch
2004, Personalakte, Rn. 17).
f)
60
Soweit von der Beteiligten zu 2. in dem Abschnitt Private
Beziehungen/Liebesbeziehungen von Mitarbeitern ein Verhalten verlangt wird, das
Respekt, Vertrauen, Sicherheit und Effizienz am Arbeitsplatz fördern soll und daher den
Arbeitnehmern untersagt ist, mit jemandem auszugehen oder in eine Liebesbeziehung
mit jemandem zu treten, wenn er die Arbeitsbedingungen dieser Person beeinflussen
kann oder der Mitarbeiter seine Arbeitsbedingungen beeinflussen kann, stellt nicht nur
aus individualarbeitsrechtlicher Sicht einen erheblichen Verstoß gegen das allgemeine
Persönlichkeitsrecht aus Artikel Abs. 1, 2 Abs. 1 GG dar, sondern verstößt darüber
hinaus auch gegen § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.
61
Die Regelung betrifft nicht nur das außerbetriebliche Verhalten der Mitarbeiter, sondern
zumindest auch das Verhalten im Betrieb. Wird Arbeitnehmern untersagt miteinander
eine Liebesbeziehung einzugehen, so wird hierdurch auch das Verhalten der
Arbeitnehmer im Betrieb reglementiert. Bei Einhalten der Verhaltensregel wäre den
Arbeitnehmern beispielsweise das Küssen am Arbeitsplatz verboten. Den
Arbeitnehmern wäre jedwedes Verhalten im Betrieb untersagt, das bei Außenstehenden
den Eindruck einer Liebesbeziehung entstehen ließe. Das von der Beteiligten zu 2.
vorgebrachte Anliegen, dass die Regelung gerade verhindern solle, dass Vorgesetzte
unter Missbrauch ihrer Vorgesetztenfunktion die ihnen unterstellten Mitarbeiter
belästigen oder es im Falle einer Beziehung zur Benachteiligung anderer Mitarbeiter
komme und betriebliche Abläufe dadurch gefährdet würden, mag zwar durchaus ein
berechtigtes Anliegen sein, ändert aber nichts daran, dass die Einzelheiten der
Regelung dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates unterliegen.
62
g)
63
Der Abschnitt Alkohol- und Drogenmissbrauch verstößt gegen das Mitbestimmungsrecht
des § 95 BetrVG. Soweit die Verhaltensrichtlinie vorsieht, dass, sofern erlaubt, von allen
Bewerbern für einen Arbeitsplatz als Teil des Einstellungsprozesses ein Drogentest
verlangt wird und jeder Bewerber, der positiv auf Drogen getestet wird, nicht angestellt
wird, ist dies eine Auswahlrichtlinie im Sinne des § 95 BetrVG. Auswahlrichtlinien sind
Grundsätze, die der Entscheidungsfindung bei personellen Einzelmaßnahmen dienen
sollen, wenn für diese mehrere Arbeitnehmer und Bewerber in Frage kommen (vgl.
Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, 22. Aufl. 2004, § 95 BetrVG, Rn. 7; Kania
in: Erfurter Kommentar, 5. Aufl. 2005, § 95 BetrVG Rn. 3). Durch sie können, wie sich
aus Absatz 2 Satz 1 ergibt, die zu beachtenden fachlichen, persönlichen und sozialen
Voraussetzungen festgelegt werden. Indem der Verhaltenskodex bestimmt, dass
Bewerber, die positiv auf Drogen getestet werden, generell nicht angestellt werden,
handelt es sich auch um eine Regelung, die nicht nur für den Einzelfall, sondern für alle
zukünftigen personellen Einzelmaßnahmen gelten soll.
64
Auch die Einschränkung sofern gesetzlich erlaubt führt nicht dazu, dass ein
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates entfiele. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es
65
gesetzliche Regelungen zu Drogentests als Einstellungsvoraussetzungen nicht gibt. Da
ein Drogentest aber in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers oder
potenziellen Arbeitnehmers nach Artikel 2 Abs. 1 GG sowie in das Recht auf körperliche
Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 GG) eingreift, bedarf es stets einer gegenseitigen
Abwägung der gegenläufigen Grundrechtspositionen von Arbeitgeber und
Arbeitnehmern. Daher ist es gesetzlich per se nicht unzulässig, einen Drogentest zum
Teil des Einstellungsprozesses zu machen.
Soweit in dem Abschnitt darauf hingewiesen wird, dass die Beteiligte zu 2. sich für eine
drogen- und alkoholfreie Arbeitsumgebung einsetzt und eine strenge Richtlinie zu
Alkohol- und Drogenmissbrauch hat, ist insofern das Mitbestimmungsrecht des § 87
Abs. 1 Nr. 1 BetrVG betroffen, da die Einführung eines Alkoholverbotes
mitbestimmungspflichtig ist (vgl. BAG vom 23.9.1986, DB 1987, 337;
Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, 22. Auflage 2004, § 87 BetrVG, Rn. 71).
66
Sofern Alkohol- oder Drogentests im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses
durchgeführt werden sollen, unterfallen derartige Gebote aus Gründen des
Arbeitsschutzes zudem dem Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (vgl.
Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, 22. Auflage 2004, § 87 BetrVG, Rn. 71).
67
Die Beteiligte zu 2. hat zwar zuletzt in ihrem Schriftsatz vom 10.6.2005 ausgeführt, dass
keine Drogen- oder Alkoholtests durchgeführt worden sind und auch zukünftig nicht
durchgeführt werden, da die Regelungen zum Alkohol- und Drogenmissbrauch aufgrund
der gesetzlichen Vorgaben in Deutschland praktisch gegenstandslos seien. Da die
Beteiligte zu 2. bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung ihren
Arbeitnehmern gegenüber nicht erklärt hat, dass dieser Abschnitt für die deutschen
Arbeitnehmer gegenstandslos sei, ist der Unterlassungsanspruch des Beteiligten zu 1.
nach wie vor gegeben, da die Beteiligte zu 2. dem Unterlassungsbegehren noch nicht
nachgekommen ist.
68
h)
69
Soweit die Beteiligte zu 2. auf dem zu den Gerichtsakten gereichten Poster darauf
hinweist, dass Geschenke bzw. Gratifikationen nicht angenommen werden dürften und
zudem die Arbeitnehmer auffordert, Verstöße gegen den Verhaltenskodex bei der
eigens dafür eingerichteten Telefonhotline für Globale Unternehmensethik zu melden,
liegt auch hier ein Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1
BetrVG vor. Insoweit wird auf die Ausführungen unter a) und b) verwiesen.
70
5.
71
Auch der Antrag zu 2. ist begründet, da das Betreiben der Telefonhotline für Globale
Unternehmensethik ein Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1
BetrVG darstellt. Wie bereits unter 4 a) dargelegt, wird durch das Betreiben der
anonymen Telefonhotline ein bestimmtes Verfahren statuiert, um Verstöße gegen die
Unternehmensethik zu melden. In einem solchen Fall ist die Koordinierung interner
Abläufe und somit die betriebliche Ordnung betroffen.
72
Darüber hinaus verstößt das Betreiben der Telefonhotline auch gegen § 87 Abs. 1 Nr. 6
BetrVG. Es handelt sich um eine technische Einrichtung, die dazu bestimmt ist, das
Verhalten der Arbeitnehmer zu überwachen. Dem steht nicht entgegen, dass nach
73
Aussage der Beteiligten zu 2. die Hotline anonym betrieben wird. Entgegen des
Wortlautes setzt § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht voraus, dass die technische Einrichtung
ausschließlich oder überwiegend die Überwachung der Arbeitnehmer zum Ziel hat.
Insbesondere braucht der Arbeitgeber die Überwachung nicht zu beabsichtigen. Da das
Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gerade zum Persönlichkeitsschutz
des einzelnen Arbeitnehmers gegen anonyme Kontrolleinrichtungen, die stark in den
persönlichen Bereich der Arbeitnehmer eingreifen, eingefügt worden ist (vgl. die
Begründung zum RE, BT-Drucks. VI/1786, S. 48 f.), ist es ausreichend, wenn die
Einrichtung auf Grund ihrer technischen Gegebenheiten objektiv zur Überwachung der
Arbeitnehmer geeignet ist, unabhängig davon, ob es sich nur um einen Nebeneffekt
handelt oder die Arbeitnehmerdaten überhaupt durch den Arbeitgeber ausgewertet
werden (vgl. BAG v. 14.5.1974, 9.9.1975, 10.7.1979, 6.12.1983, 23.4.1985, AP Nr. 1-3,
7, 11 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Da bei einer Telefonhotline aufgrund der
technischen Gegebenheiten registriert werden kann, von welchem Anschluss angerufen
worden ist, wäre es der Beteiligten zu 2. durchaus möglich, hieraus Rückschlüsse auf
den einzelnen Arbeitnehmer zu ziehen. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer die
Hotline beispielsweise von zu Hause aus anruft.
6.
74
Im Übrigen war der Antrag zu 1) zurückzuweisen.
75
Für die verbleibenden Regelungen in der Unternehmensethik war keine Verletzung von
Mitbestimmungsrechten feststellbar, da entweder die Zuständigkeit des
Gesamtbetriebsrates nach § 50 Abs. 1 BetrVG nicht gegeben ist (Telefonie), oder weil
die Regelungen lediglich einen Verweis auf die Anwendbarkeit nationaler gesetzlicher
Regelungen darstellt und insofern kein Raum für ein Mitbestimmungsrecht besteht oder
weil die Regelung so allgemein und pauschal gefasst ist, dass sie keine konkrete
Verhaltenspflicht der Arbeitnehmer begründet.
76
Der Beteiligte zu 1. kann seinen Unterlassungsanspruch insoweit auch nicht auf § 75
Abs. 2 BetrVG stützen, so dass die Kammer offen lassen konnte, ob eine Reihe von
Vorschriften der Unternehmensethik zwar nicht mitbestimmungspflichtig, aber wegen
Verstoßes gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der einzelnen Arbeitnehmer
unwirksam ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes folgt aus § 75
Abs. 2 Satz 1 BetrVG kein unmittelbarer Anspruch des Betriebsrates gegen den
Arbeitgeber, persönlichkeitsrechtsverletzende Maßnahmen gegen den Arbeitnehmer
oder eine Gruppe von Arbeitnehmern zu unterlassen (vgl. BAG v. 28.5.2002, NZA 2003,
166 m.w.N.).
77
Zu den vom Beteiligten zu 1. weiterhin für mitbestimmungswidrig gehaltenen
Abschnitten der Unternehmensethik sei folgendes ausgeführt:
78
a)
79
Die Regelungen über finanzielle Integrität, wonach die Beteiligte zu 2. stets ehrliche und
korrekte Aufzeichnungen und Berichterstattung über die Finanzen fordert, betreffen das
Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer. Dem Verständnis der Klausel nach kann sie sich nur
an diejenigen Arbeitnehmer richten, zu deren arbeitsvertraglichem Aufgabengebiet die
Aufzeichnung und Berichterstattung über die Finanzen gehört. Auch soweit der
Beteiligte zu 1. meint, ein Mitbestimmungsrecht sei deshalb gegeben, weil die
80
Aufzeichnung in der Regel auf elektronischem Wege erfolge, kann dem nicht gefolgt
werden. Zwar mag es zutreffend sein, dass die Aufzeichnung der Finanzen in der Regel
auf elektronischem Wege erfolgt, jedoch stellt diese Aufzeichnung keine technische
Einrichtung dar, die dazu bestimmt ist, das Verhalten oder die Leistung der
Arbeitnehmer zu überwachen, so dass ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6
BetrVG nicht gegeben ist. Im Übrigen erfolgt die Aufzeichnung der Finanzen bereits seit
je her auf elektronischem Wege und soll durch die Unternehmensethik der Beteiligten
zu 2. nicht verändert oder eingeführt werden. Streitgegenstand der Klausel ist nicht auf
welchem Wege die Aufzeichnung erfolgt, sondern dass die Aufzeichnung korrekt
erfolgen soll.
b)
81
Die Regelungen über Interessenkonflikte, wonach Situationen und Beziehungen zu
vermeiden sind, die tatsächliche oder mögliche Interessenkonflikte beinhalten,
begründen kein Mitbestimmungsrecht im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Der
Beteiligte zu 1. trägt zutreffend vor, dass die Regelung in weitem Umfang das enthalte,
was der Jurist unsubstantiiert nennt. Die Regelungen sind derart pauschal gefasst, dass
es sich hierbei lediglich um Programmsätze handelt. Ein Mitbestimmungsrecht nach §
87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG erfordert aber eine verbindliche Verhaltensregel für die
Arbeitnehmer. Dieses statuiert die Klausel gerade nicht.
82
c)
83
Auch die Regelungen über vertrauliche Information und Behandlung von
Geschäftsgeheimnissen unterfallen keinem Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1.
Zum einen sind auch hier die Regelungen derart pauschal und unsubstantiiert, dass sie
keine konkreten Verhaltenspflichten der Arbeitnehmer begründen. Für einen
Arbeitnehmer ist bereits nicht erkennbar, was unter einer vertraulichen Information zu
verstehen ist. Im Übrigen bezieht sich die Anweisung, vertrauliche Informationen und
Geschäftsgeheimnisse gesichert und vertraulich zu behandeln, nicht auf das Verhalten
der Arbeitnehmer im Betrieb, sondern auf ein Verhalten außerhalb des Betriebes. Es
soll gerade verhindert werden, dass die Informationen an außerhalb der Beteiligten zu 2.
stehende Dritte weitergegeben werden. Die Art und Weise des Zusammenlebens und
Zusammenwirkens der Arbeitnehmer im Betrieb wird dadurch gerade nicht tangiert.
84
d)
85
Ebenfalls keinem Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1. nach § 87 Abs.1 Nr. 1
BetrVG unterfällt der Abschnitt Insiderhandel . Der Abschnitt verweist auf die in
Deutschland anwendbaren §§ 38, 14, 13 WpHG. Nach § 14 WpHG ist es einem Insider
verboten, unter Ausnutzung seiner Kenntnis von einer Insidertatsache Insiderpapiere für
eigene oder fremde Rechnung zu kaufen oder für einen anderen zu erwerben oder zu
veräußern, einem anderen eine Insidertatsache unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu
machen bzw. einem anderen auf der Grundlage seiner Kenntnis von einer
Insidertatsache den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zu empfehlen.
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 WpHG ist Insider unter anderem auch, wer aufgrund seines
Berufes oder seiner Tätigkeit bestimmungsgemäß Kenntnis von einer nicht öffentlich
bekannten Tatsache hat, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von
Insiderpapieren oder auf Insiderpapiere bezieht und die geeignet ist, im Falle ihres
öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen.
86
Verstöße hiergegen sind in § 38 WpHG strafbewährt. Auf diese abschließende
gesetzliche Regelung werden die Arbeitnehmer im Abschnitt Insiderhandel der
Unternehmensethik lediglich hingewiesen und aufgefordert sich an diese Regelungen
zu halten. Ein Mitbestimmungsrecht ist nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz ausgeschlossen.
Eine Vergleichbarkeit mit dem Sachverhalt, der der Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts vom 28.5.2002 (NZA 2003, 166) zugrunde lag, ist im Übrigen
nicht gegeben. Soweit das BAG die Frage des Bestehens von Mitbestimmungsrechten
dort offen gelassen hat, aber ausgeführt hat, dass die Regelungen insoweit rechtswidrig
seien, als dass sie einer gesonderten Vereinbarung der Arbeitnehmer mit dem
Arbeitgeber bedurft hätten, ging es zum Einen um die Verpflichtung der Offenlegung
privater Vermögensverhältnisse (die Arbeitnehmer sollten angeben von welchen
Unternehmen sie Aktien besitzen) sowie um die Einführung eines Erlaubnisvorbehaltes
für Nebentätigkeiten. Eine Mitteilungspflicht über den Besitz von Aktien die sicherlich
über die Vorgaben des WpHG hinaus gingen enthält der Abschnitt Insiderhandel aber
gerade nicht.
87
e)
88
Für den Abschnitt X.-Eigentum besteht kein Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1.
Die Beteiligte zu 2. stellt durch diese Klausel klar, dass Eigentum der Beteiligten zu 2.
nicht für private Zwecke bzw. für den persönlichen Vorteil eingesetzt werden darf. Die
Frage, ob der Arbeitgeber sein Eigentum den Arbeitnehmern auch für private Zwecke
zur Verfügung stellt, ist eine nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
unterliegende unternehmerische Entscheidung. Erst wenn der Arbeitgeber die
Entscheidung getroffen hat, Eigentum auch für den privaten Gebrauch zur Verfügung zu
stellen, ist die Regelung der Einzelheiten mitbestimmungspflichtig. Zu unterscheiden ist
zwischen dem OB und dem WIE der privaten Nutzung. Wird die Nutzung zu privaten
Zwecken generell verboten, ist für ein Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1. kein
Raum.
89
Auch hinsichtlich der Telefonüberwachung scheidet ein Mitbestimmungsrecht aus, da
der Beteiligte zu 1. insofern nicht nach § 50 Abs. 1 BetrVG zuständig ist. Regelungen
über die Einführung und Anwendung eines Telekommunikationssystems müssen nicht
zweckmäßigerweise unternehmenseinheitlich geregelt werden. Vielmehr erscheint es
sogar zweckmäßiger, dies in den einzelnen Betrieben zu regeln, da die technischen
Anforderungen an die jeweilige Telefonanlage von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich
sind und Betriebsvereinbarungen mit den einzelnen Betriebsräten den örtlichen
Gegebenheiten besser Rechnung tragen können. Dies zeigen auch die von der
Beteiligten zu 2. in der mündlichen Verhandlung vom 15.6.2005 zur Akte gereichten
Betriebsvereinbarungen mit dem örtlichen Betriebsrat des SB-Warenhauses Hamburg
St. Pauli, des Stores in Hagen und des Stores Groß-Zimmern. Bereits aus diesen
wenigen Betriebsvereinbarungen wird deutlich, dass unterschiedliche technische
Anforderungen bestehen (zum Einen Telekommunikationssystem Integral 3 der Firma
Bosch Telekom in St. Pauli, zum Anderen T-Octopus Telefonanlage in Hagen).
90
f)
91
Ein Mitbestimmungsrecht besteht auch nicht hinsichtlich der Abschnitte Würde und
Respekt sowie Nichtdiskriminierung . Der Abschnitt Würde und Respekt , wonach X.-
Mitarbeiter Kollegen mit Würde und Respekt behandeln sollen und bezüglich der
92
Zusammenarbeit am Arbeitsplatz immer fair und höflich sein sollen, ist zu
unsubstantiiert, um konkrete Verhaltenspflichten im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG
zu begründen.
Für den Bereich Nichtdiskriminierung ist angesichts der bestehenden gesetzlichen
Regelung kein Raum für die Ausübung eines weiteren Mitbestimmungsrechtes. Auch
ohne dass der deutsche Gesetzgeber die europäische Antidiskriminierungsrichtlinie
durch Verabschiedung eines Antidiskriminierungsgesetzes bereits umgesetzt hat, ergibt
sich das Verbot der Diskriminierung soweit nicht spezielle gesetzliche Regelungen wie
z.B. § 611a BGB bestehen letztlich aus Artikel 3 Abs. 3 GG. Hiernach darf niemand
wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner
Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen
Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Zudem darf niemand wegen
seiner Behinderung benachteiligt werden. Zwar weist der Beteiligte zu 1. zutreffend
darauf hin, dass eine mittelbare Drittwirkung der Grundrechte nur im Verhältnis
Arbeitgeber/Arbeitnehmer stattfinde, nicht hingegen im Verhältnis der Arbeitnehmer
untereinander. Für ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG fehlt es aber
schon an einem möglichen Regelungsspielraum. Was sollten die Betriebspartner im
Rahmen einer Einigungsstelle verhandeln? Vom Beteiligten zu 1. sicherlich nicht
gewollt und im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 GG rechtlich unzulässig wäre, die
Diskriminierung bestimmter Gruppen zu erlauben. Nach Art. 3 GG ist jegliche
Diskriminierung untersagt; nichts anderes regelt die Unternehmensethik der Beteiligten
zu 2.
93
g)
94
Die Regelung über Bezahlung , wonach Arbeitnehmer ohne Bezahlung für die Beteiligte
zu 2. keine Arbeit leisten sollen, ergibt sich bereits aus § 611 BGB, wonach der
Arbeitnehmer für seine Tätigkeit eine entsprechende Vergütung erhält. Aufgrund der
abschließenden gesetzlichen Regelung ist kein Raum für ein Mitbestimmungsrecht.
95
Gleiches gilt für den Abschnitt Immigration . Auch dass niemand eingestellt werden darf,
der nicht berechtigt ist, in dem Land zu arbeiten, in dem er/sie um Arbeit nachsucht, stellt
letztlich nur einen Verweis auf die nationalen gesetzlichen Vorschriften dar.
96
h)
97
Die Regelungen über Lieferantenbeziehungen begründen kein Mitbestimmungsrecht im
Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, da hier lediglich das Arbeitsverhalten und nicht das
Ordnungsverhalten betroffen ist. So obliegt es beispielsweise allein der
unternehmerischen Entscheidung der Beteiligten zu 2., auf welcher Basis und
Grundlage die Auswahl der Lieferanten durch den Arbeitnehmer getroffen werden soll.
Die Auswahl der Lieferanten gehört auch zu den arbeitsvertraglichen Pflichten eines
Arbeitnehmers im Bereich Einkauf. Dass sich diese Regelung im Verhaltenskodex nur
auf diese Arbeitnehmer beziehen kann, dürfte offenkundig sein, da sich für andere
Arbeitnehmer die Frage der Auswahl der Lieferanten nicht stellt.
98
i)
99
Der Abschnitt unangemessene Zahlungen , wonach niemandem (auch nicht Behörden)
etwas Wertvolles angeboten werden darf, um einen unzulässigen Vorteil beim Verkauf
100
von Waren und Dienstleistungen u.ä. zu erhalten, ist angesichts der mangelnden
Konkretheit der Vorschriften worauf auch der Beteiligte zu 1. selber hinweist nicht
mitbestimmungspflichtig. Wo beginnt die Grenze zu etwas Wertvollem ? Aufgrund der
mangelnden Konkretheit der Vorschrift wird keine verbindliche Verhaltenspflicht der
Arbeitnehmer begründet. Soweit sich die Vorschrift darüber hinaus auch auf
Zuwendungen an Behörden bezieht, wird insoweit lediglich auf die gesetzlichen
Vorschriften der §§ 333, 334 StGB (Vorteilsgewährung und Bestechung) verwiesen.
Auch der Abschnitt Umwelt, Gesundheit und Sicherheit enthält lediglich Programmsätze
und ist nicht hinreichend bestimmt, um konkrete Verhaltenspflichten zu begründen.
Soweit die Mitarbeiter aufgefordert werden, Abfälle zu vermeiden, Umweltrechte und
Interessen der Nachbarn und Gemeinden, in den die Stores ansässig sind, zu
respektieren, eine sichere Arbeitsumgebung zu schaffen und helfen sollen, Unfälle und
Verletzungen von Kunden und Mitarbeitern zu vermeiden, stellen diese Regelungen
nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit dar, ohne dass von dem einzelnen
Arbeitnehmer ein konkretes Verhalten gefordert würde. Dass Notausgänge nicht
zugestellt werden dürfen, ergibt sich aus den nationalen Unfallverhütungsvorschriften.
101
j)
102
Soweit im Abschnitt politische Aktivitäten den Arbeitnehmern untersagt wird, ohne
Zustimmung der Abteilung Government Relations Geldentnahmen für politische
Spenden zu tätigen oder sonstiges Vermögen der Beteiligten zu 2. für politische Zwecke
zu nutzen, so ist bereits an obiger Stelle darauf hingewiesen worden, dass die
Entscheidung, ob Eigentum der Beteiligten zu 2. für private oder aber auch für politische
Zwecke verwandt werden darf, alleine der unternehmerischen Entscheidung der
Beteiligten zu 2. obliegt.
103
Die Regelung, wonach Mitarbeiter ihre Arbeitszeit nicht für politische Aktivitäten nutzen
dürfen, meint letztlich nur, dass bei einer politischen Betätigung während der Arbeitszeit
keine bezahlte Freistellung durch die Beteiligte zu 2. erfolgt, wozu sie angesichts des
Grundsatzes Ohne Arbeit kein Lohn auch nicht verpflichtet ist. Außerhalb der Arbeitszeit
wird politisches Engagement und politische Betätigung der Arbeitnehmer ausweislich
des 1. Absatzes diesen ausdrücklich gestattet.
104
k)
105
Soweit der Beteiligte zu 1. meint, die Beteiligte zu 2. würde ihre Arbeitnehmer dem
Anwendungsbereich des U.S. Foreign Corrupt Practices Act unterwerfen, lässt sich dies
dem Abschnitt USA PATRIOT Act nicht entnehmen. Als konkrete Verhaltensanweisung
enthält dieser Abschnitt die Aufforderung alle gültigen Gesetze zu beachten, die
Geldwäsche untersagen und Benachrichtigung über Geldtransaktionen sowie über
andere verdächtige Transaktionen verlangen. Dies stellt einen Verweis auf die national
gültigen Gesetze dar. Die Befolgung des USA PATRIOT Act wird von Arbeitnehmern
nur gefordert, sofern für die jeweilige Position zutreffend. Im Übrigen werden die
Arbeitnehmer lediglich ähnlicher Gesetzgebung in anderen Ländern unterworfen, was
mit anderen Worten heißt, dass die nationalen einschlägigen Regelungen zu beachten
sind.
106
III.
107
Gemäß §§ 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, 890 Abs. 1 ZPO war der Beteiligten zu 2. auf Antrag
für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00
anzudrohen. Die Androhung des Ordnungsgeldes kann bereits in dem entsprechenden
Titel erfolgen (vgl. § 890 Abs. 2 ZPO).
108
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
109
Rechtsmittelbelehrung
110
Gegen diesen Beschluss kann von dem Antragsteller und der Antragsgegnerin
111
B e s c h w e r d e
112
eingelegt werden.
113
Die Beschwerde muss
114
innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
115
beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
116
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf
Monaten nach Verkündung des Beschlusses. § 9 Abs. 5 ArbGG bleibt unberührt.
117
Die Beschwerdeschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter einer Gewerkschaft
oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher
Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und
der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Die gleiche
Befugnis haben Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im
wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange
die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der
Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt.
118
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
119
Dr. Elz
120
Richter
121
Ausgefertigt:
122
Reg.-Angestellte als Urkundsbeamtin
123
der Geschäftsstelle
124