Urteil des ArbG Wuppertal vom 21.03.2007

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Arbeitsgericht Wuppertal, 3 Ca 2171/06
Datum:
21.03.2007
Gericht:
Arbeitsgericht Wuppertal
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 Ca 2171/06
Schlagworte:
Dringende betriebliche Erfordernise, Gleichbehandlung
Normen:
§ 6 Abs. 4b ArbZG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Eine Arbeitnehmerin, in deren Haushalt Kinder im Alter unter zwölf
Jahren leben, kann nicht verpflichtet werden, Nachtdienst zu verrichten,
wenn keine dringenden betrieblichen Erfordernisse vorliegen. Das
Verlangen des Arbeitgebers kann nicht auf Gleichbehandlung zu
Arbeitnehmern zurückgeführt werden, die keine Kinder unter zwölf
Jahren zu betreuen haben.
Tenor:
1.Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist,
Nachtschicht zu verrichten, solange sie Kinder unter 12 Jahren zu
betreuen hat.
2.Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
3.Streitwert: 1.346,00 €.
T a t b e s t a n d :
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Die am 17.04.1962 geborene Klägerin ist seit Januar 1991 im Klinikum der Beklagten
als Krankenschwester tätig mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 10 Stunden. Ihr
durchschnittliches monatliches Einkommen beträgt zur Zeit 672,83 € einschließlich
Zuschläge. Vereinbarungsgemäß findet auf das Arbeitsverhältnis der
Bundesangestelltentarifvertrag vom 23.09.1961 sowie die hierzu ergangenen und noch
ergehenden tariflichen Regelungen Anwendung.
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Die verheiratete Klägerin hat drei Kinder, wovon zwei noch minderjährig sind. Nach der
Geburt ihres dritten Kindes war die Klägerin bis zum 01.09.2003 in Elternzeit und
arbeitet seitdem nur noch 10 Stunden wöchentlich. Nach der Rückkehr aus der
Elternzeit wurde sie auf ihr Bitten hin von ihrem Stationsleiter wegen ihrer Kinder nicht
mehr zur Nachtschicht eingeteilt und bei der Einteilung in die Nachtschicht wurde
darüber hinaus berücksichtigt, dass ihr Ehemann, der in Conti-Schicht arbeitet, frei hat,
um die Kinder zu beaufsichtigen. Nunmehr wird von der Klägerin verlangt, dass sie auch
in der Nachtschicht arbeitet und nach dem Dienstplan entsprechend eingesetzt werden
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soll. Dagegen richtet sich ihre bei Gericht am 28.06.2006 eingegangene Klage. Es gebe
keinen Grund, dass die seit September 2003 herrschende Praxis, sie nur in der
Tagschicht einzuteilen, geändert werden müsse. Die Beklagte könne sich auch nicht
darauf berufen, dass eine fehlende oder schwierige Vereinbarkeit der
arbeitsvertraglichen Pflichten mit der elterlichen Sorge allein ihr privates Risiko sei. Sie
habe gemäß § 6 Abs. 4 b) ArbZG einen Anspruch darauf, dass sie einen geeigneten
Tagesarbeitsplatz zugewiesen bekommt, da in ihrem Haushalt ein Kind unter 12 Jahren
lebt, welches nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden
kann. Dringende betriebliche Erfordernisse stünden ihrem Begehren nicht entgegen.
Ihr 21-jähriger Sohn absolviere auswärts eine Ausbildung, die beiden anderen Kinder
seien 11 Jahre alt und 5 Jahre. Ihr Ehemann arbeite im 3-Schicht-Dienst einschließlich
Wochenend-/Freitagsdienst. Somit lägen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 b) ArbZG
vor.
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Mit ihrer Klage macht die Klägerin weiter die Abgeltung von 159 Mehrarbeitsstunden
geltend. Nach Klageerhebung und nach dem Gütetermin vom 26.07.2006 hat die
Beklagte die Klägerin zum Ausgleich von Mehrarbeitsstunden für die Dauer von zwei
Monaten freigestellt und nach Vortrag der Beklagten sollen die Mehrarbeitsstunden, die
sich zuletzt auf 163 Stunden belaufen hätten, insgesamt durch Freizeit ausgeglichen
werden. Daher ist im Einvernehmen mit den Parteien die geltend gemachte
Zahlungsklage vorläufig zum Ruhen gebracht worden.
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Die Klägerin stellt daher nur den Antrag,
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festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, Nachtschicht zu verrichten.
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Die Beklagte betragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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Die Klägerin hat ein Rechtsschutzinteresse daran, dass festgestellt wird, in welchem
Umfange sie ihren vertraglichen Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag der Parteien
nachzukommen hat, ob sie auch verpflichtet ist, in der Nachtschicht zu arbeiten.
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Die Klage ist begründet.
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Die Beklagte ist gemäß § 6 Abs. 4 ArbZG verpflichtet, den Nachtarbeitnehmer auf
dessen Verlangen auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz anzusetzen, wenn im
Haushalt des Arbeitnehmers ein Kind unter 12 Jahren lebt, dass nicht von einer anderen
im Haushalt lebenden Person betreut werden kann, sofern dem nicht dringende
betriebliche Erfordernisse entgegenstehen.
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Die Beklagte hat nicht in erheblicher Form dargelegt, dass dringende betriebliche
Erfordernisse dem Verlangen der Klägerin, nur in Tagschicht beschäftigt zu werden,
entgegenstehen. Die Klägerin hat zwei Kinder unter 12 Jahren in ihrem Haushalt, so
dass die erste Voraussetzung des § 6 Abs. 4 b) ArbZG erfüllt ist. Diese Kinder können
auch nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person regelmäßig betreut werden,
da der Ehemann der Klägerin 3-schichtig arbeitet. Es kann keiner Partei zugemutet
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werden, dass die Einteilung der Klägerin nach dem Schichtplan ihres Ehemannes
erfolgt. Vielmehr ist es der Beklagten ohne weiteres möglich, wie die vergangenen drei
Jahre gezeigt haben, die Klägerin mit ihren 10 Stunden wöchentlich ausschließlich in
der Tagschicht einzusetzen. Dringende betriebliche Erfordernisse, dies zu unterlassen,
gibt es nicht. Der wahre Grund liegt darin, dass Kollegen und Kolleginnen neidisch sind,
dass die Klägerin nur in der Tagschicht eingeteilt wird. Dies räumt die Beklagte auch
ausdrücklich ein, indem sie ausführt, dass unter dem Aspekt der Gleichbehandlung nicht
einzusehen sei, weshalb die Klägerin gegenüber den in der Nachtschicht tätigen
Mitarbeitern bevorzugt behandelt werden sollte.
Der Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen
durch die Beklagte ist im vorliegenden Fall unerheblich. Es ist davon auszugehen, dass
nicht alle Mitarbeiter und alle Krankenschwestern, mit der die Klägerin verglichen
werden könnte, Kinder unter 12 Jahren in ihrem Haushalt haben und deren Ehemänner
in Conti-Schicht arbeiten. Dieser Aspekt ist aber auch deshalb unerheblich, denn die
Verpflichtung des Arbeitgebers, eine in § 6 Abs. 4 ArbZG angesprochene
Arbeitnehmerin auf einen geeigneten Tagesarbeitsplatz umzusetzen, besteht nur dann,
wenn dies auch von dem Arbeitnehmer verlangt wird. Dass die Beklagte aufgrund der
Einteilung der Klägerin in den letzten drei Jahren in die Tagesschicht von Anträgen
anderer Arbeitnehmer überrollt worden ist, hat die Beklagte nicht dargelegt.
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Es ist auch völlig unglaubwürdig, dass dringende betriebliche Erfordernisse, die dem
Verlangen der Klägerin, nur in Tagschicht eingesetzt zu werden, entgegenstehen.
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Obwohl nicht beantragt, ist im Tenor die Einschränkung bezüglich der Dauer erfolgt,
obwohl dies auch eindeutig aus den Entscheidungsgründen hervorgeht.
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Die Kostenentscheidung ist dem Schluss-Urteil vorzubehalten gewesen.
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Die Festsetzung des Streitwertes im Urteil folgt aus den §§ 61 Abs. 1 ArbGG i. V. mit 42
Abs. 4, 63 Abs. 2 GKG, wobei der Höhe nach die Streitwertfestsetzung entsprechend
einer Änderungskündigung erfolgt ist, also zwei Monatseinkommen zugrunde gelegt
worden sind.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
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B e r u f u n g
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eingelegt werden.
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Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
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beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung. § 9 Abs. 5 ArbGG
bleibt unberührt.
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Die Berufungsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter einer Gewerkschaft
oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher
Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und
der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Die gleiche
Befugnis haben Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im
wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange
die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der
Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Tittel
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Direktor des Arbeitsgerichts
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