Urteil des ArbG Wuppertal vom 28.05.2008

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Arbeitsgericht Wuppertal, 3 Ca 920/08
Datum:
28.05.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Wuppertal
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 Ca 920/08
Schlagworte:
Jährliche Sonderzahlung Kürzung der Sonderzahlung
Normen:
Tarifvertrag für Versorgungsbetriebe vom 05.10.2000 in der Fassung des
3. Änderungstarifvertrages vom 01.06.2005 (TV-V) §§ 16 Abs. 1 i.V.m.
13 Abs. 1 TV-V
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Unter dem Begriff "Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle" ist nur die bis
zu 6-wöchige Fortzahlung des Arbeitsentgeltes nach § 13 Abs. 1 Ziffer 1
TV-V zu verstehen. Der Zuschuß zum Krankengeld nach Ablauf des
Entgeltfortzahlungszeitraumes gemäß § 13 Abs. 1 TV-V ist nicht mit der
Entgeltfortzahlung gleichzusetzen. Daher kann die Sonderzahlung für
die Monate, in denen der Arbeitnehmer ausschließlich
Krankengeldzuschuß bezieht, um je ein Zwölftel pro Monat gekürzt
werden.
Tenor:
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Kosten des Rechtsstreites trägt der Kläger.
3.Streitwert: 1.050,80 €
T a t b e s t a n d :
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Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, in welcher Höhe die Beklagte die
Sonderzahlung für das Jahr 2007 zu zahlen hat.
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Der am 11.01.1967 geborene Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren
Rechtsvorgängerin seit dem 24.02.1987 beschäftigt, zuletzt als Kraftfahrer in einer 38,5-
Stunden-Woche zu einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von 3.137,40 € zuzüglich
15,00 € Arbeitgeberanteil vermögenswirksamer Leistungen.
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Bei der Beklagten handelt es sich um ein Entsorgungsunternehmen mit ca. 400
Beschäftigten. Der Kläger ist Vorsitzender des Betriebsrates und ist freigestellt. Auf das
Arbeitsverhältnis der Parteien findet unstreitig der Tarifvertrag für Versorgungsbetriebe
vom 05.10.2000 in der Fassung des 3. Änderungstarifvertrages vom 01.06.2005
Anwendung (TV-V). In § 16 TV-V "Sonderzahlung" heißt es:
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1.Der Arbeitnehmer, der am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis steht, hat
Anspruch auf eine jährliche Sonderzahlung, über deren Höhe der Arbeitgeber
jährlich neu entscheidet. Diese beträgt jedoch mindestens 100 v.H. des dem
Arbeitnehmer im Oktober zustehenden Arbeitsentgelts; unberücksichtigt
bleiben hierbei das zusätzlich für Überstunden gezahlte Arbeitsentgelt (mit
Ausnahme der dienstplanmäßig vorgesehenen Überstunden),
Leistungszulagen (§ 6 Abs. 5), Leistungsprämien (§ 6 Abs. 6) sowie
besondere Zahlungen (§ 17 Abs. 1). Betrieblich kann ein von Satz 2
abweichender Bemessungszeitraum vereinbart werden. Der Anspruch
ermäßigt sich um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat, in dem der
Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Entgelt (§ 6), Entgeltfortzahlung im
Krankheitsfall (§ 13) oder Fortzahlung des Entgelts während des
Erholungsurlaubs (§ 14) hat.
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2.Die Sonderzahlung wird mit dem für November zustehenden Entgelt
ausgezahlt. Ein Teilbetrag kann zu einem früheren Zeipunkt ausgezahlt
werden.
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Der Kläger war in der Zeit vom 12.05. bis zum 28.11.2007 arbeitsunfähig krank und
nahm am 29.11.2007 seine Arbeit wieder auf. Bis einschließlich zum 22.06.2007 zahlte
die Beklagte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 TV-V und
für die restliche Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit Krankengeldzuschuss gem. § 13 Abs. 1
Satz 2 TV-V.
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§ 13 Abs. 1 TV-V "Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall" lautet:
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1.Wird der Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ohne sein
Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert, erhält er für die Zeit der
Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von bis zu sechs Wochen sowie nach Maßgabe
der gesetzlichen Bestimmungen bei Wiederholungserkrankungen das Arbeitentgelt
(§ 6 Abs. 3) fortgezahlt. Nach Ablauf des nach Satz 1 maßgebenden Zeitraums
erhält der Arbeitnehmer, der zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit eine
Betriebszugehörigkeit (§ 4) von sechs Monaten erreicht hat, für die Zeit, für die ihm
Krankengeld oder entsprechende Leistungen zustehen, einen
Krankengeldzuschuss.
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2.Der Krankengeldzuschuss ergibt sich aus der Höhe der Differenz zwischen dem
festgesetzten Nettokrankengeld und dem sich nach Absatz 1 Satz 1 ergebenden
Nettoarbeitsentgelt. Es wird längstens bis zum Ende der 39. Woche seit dem
Beginn der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Erkrankung gezahlt. Zahlt die
Krankenkasse wegen Verschuldens des Arbeitnehmers kein oder nur anteiliges
Krankengeld, so entfällt oder vermindert sich der Anspruch auf den
Krankengeldzuschuss. Für den Arbeitnehmer, der nicht der Versicherungspflicht in
der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt, ist der Zuschussberechnung der
Krankengeldhöchstsatz für versicherungspflichtige Arbeitnehmer zugrunde zu
legen.
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Mit der Entgeltabrechnung für November 2007 zahlte die Beklagte eine Sonderzahlung
in Höhe von 2.101,60 € brutto. Bei der Berechnung der Sonderzahlung nahm die
Beklagte eine Kürzung von 4/12 für die Monate Juli bis Oktober 2007 vor, also eine
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Kürzung für die Monate, in denen der Kläger ausschließlich einen
Krankengeldzuschuss bezog.
Mit seiner bei Gericht am 25.03.2008 eingegangenen Klage fordert der Kläger auch die
Auszahlung des Kürzungsbetrages in der unstreitigen Höhe von 1.050,80 € brutto. Er ist
der Auffassung, dass eine Kürzung zu unterbleiben habe, da eine Kürzung nur dann
vorgenommen werden dürfe, wenn kein Anspruch auf Entgelt (§ 6 TV-V),
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 13 TV-V) oder Fortzahlung des Entgelts während
des Erziehungsurlaubs (§ 14 TV-V) bestehe. Eine Kürzung habe auch dann zu
unterbleiben, wenn nur noch ein Anspruch auf Krankengeldzuschuss (§ 13 Abs. 1 Satz
2 TV-V) dem Arbeitnehmer zustehe. Eine Kürzung um 1/12 je Monat dürfe erst nach
Ablauf der 39. Woche der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Erkrankung
vorgenommen werden.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn die restliche Sonderzahlung für das Jahr 2007 in
Höhe von 1.050,80 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01.12.2007 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte trägt vor, entgegen der Auffassung des Klägers sei unter
"Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall" nur die bis zu 6-wöchige Fortzahlung des
Arbeitsentgeltes nach § 13 Abs. 1 Satz TV-V zu verstehen. Dieser Verpflichtung zur
Entgeltfortzahlung sei die Beklagte bis einschließlich zum 22.06.2007 nachgekommen.
Danach sei nur noch der Krankengeldzuschuss gezahlt worden. Somit habe der Kläger
für die Monate Juli bis Oktober 2007 kein Entgelt im Sinne des § 16 Abs. 4 Satz 4 TV-V
erhalten. Dies berechtige zur Kürzung der Sonderzahlung um 4/12.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Beklagte hat zu Recht die Sonderzahlung 2007 um 4/12 gemäß § 16 Abs. 1 Satz 4
TV-V gekürzt, denn in den Monaten Juli bis einschließlich Oktober 2007 hat der Kläger
keinen Anspruch auf Entgelt, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Fortzahlung der
Entgelts während des Erholungsurlaubes gehabt. Soweit der Kläger meint, dass die
Monate, in denen ihm zu dem von der Krankenkasse bezogenen Krankengeld noch ein
Zuschuss gemäß § 13 Abs. 2 TV-V gezahlt worden ist, gleichzusetzen seien mit den
Monaten, in denen ihm Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gem. § 13 Abs. 1 TV-V
gezahlt worden ist, ist dies irrig, denn der Kläger übersieht, dass schon die
Begrifflichkeit "Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall" und "Krankengeldzuschuss" eine
völlig andere ist, was sich aus den verschiedenen Anspruchsgrundlagen ergibt. Bei der
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist für die ersten sechs Wochen der
Arbeitsunfähigkeit weiterhin der normale Vergütungsanspruch fällig. Auch ohne
ausdrückliche tarifliche Regelung entsteht dieser Anspruch von Gesetzes wegen und ist
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im Entgeltfortzahlungsgesetz geregelt. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im
Krankheitsfall ist im Übrigen auch unabdingbar.
Dagegen beruht der Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses zum Krankengeld nach
Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraumes allein auf der tariflichen Regelung des § 13
Abs. 1 Saz 2 TV-V. § 13 Abs. 2 regelt allein die Berechnungsweise und die Dauer der
Zahlung eines Krankengeldzuschusses und ist nicht eine selbständige
Anspruchsgrundlage.
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Da in § 16 TV-V die "Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall" genannt wird, führt die
Benennung des Paragraphen nicht dazu, dass der Zeitraum des
Krankengeldzuschusses dem Zeitraum des Bezuges der Entgeltfortzahlung gleichsteht.
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Den Tarifvertragsparteien wäre es ohne weiteres möglich gewesen, wenn sie die
Absicht gehabt hätten, dass auch der Bezugszeitraum der Zahlung von
Krankengeldzuschüssen nicht zu einer Minderung der Sonderzahlung führen soll, dies
zu regeln. Da die Tarifvertragsparteien dies unterlassen haben, ist der hier vom Kläger
gemachte Anspruch unbegründet. Zu bedenken darüber hinaus ist auch, dass die
Zahlung des Zuschusses zum Krankengeld letztlich auch eine Sonderzahlung darstellt.
Würde man diesen Zeitraum nun auch noch in die Berechnung der
Jahressonderzahlung miteinbeziehen, wäre das Ergebnis, dass die Arbeitgeber mit dem
Krankengeldzuschuss auch noch die Jahressonderzahlung gemäß § 16 TV-V
bezuschussen. Dies ist sicherlich nicht die Absicht der Tarifvertragsparteien gewesen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die der Festsetzung des Streitwertes im
Urteil auf den §§ 61 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit 3 ZPO, 63 Abs. 2 GKG.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
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B e r u f u n g
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eingelegt werden.
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Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
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beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung
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Die Berufungsschrift muss von einem Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle
können Vertreter einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von
Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht
zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren
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Mitglieder Partei sind. Die gleiche Befugnis haben Angestellte juristischer Personen,
deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten
Organisationen stehen, solange die juristische Person ausschließlich die
Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend
deren Satzung durchführt.
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Tittel
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A u s g e f e r t i g t :
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Eickelmann
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als Urkundsbeamter
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der Geschäftsstelle
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