Urteil des ArbG Stuttgart vom 12.09.2003

ArbG Stuttgart: gewerkschaft, tarifvertrag, koalitionsfreiheit, emrk, arbeitsbedingungen, staat, durchschnittliches jahreseinkommen, numerus clausus, thüringen, anerkennung

ArbG Stuttgart Beschluß vom 12.9.2003, 15 BV 250/96
Tariffähigkeit einer Gewerkschaft - Gewerkschaftsbegriff
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin und Beteiligte Ziff. 2, die Arbeitnehmervereinigung ... keine tariffähige Gewerkschaft im
arbeitsrechtlichen Sinne ist.
Gründe
I.
1
Die Beteiligten streiten über die Gewerkschaftseigenschaft der ... (Beteiligte zu 2, Antragsgegnerin, nachfolgend mit ... bezeichnet). Die
Antragstellerin ..., Beteiligte zu 1, nachfolgend als ... bezeichnet) war bis zur Fusion der dem Dachverband ... angehörenden ...,
Gewerkschaft ... und ... – ... und ..., ... und ... Gewerkschaft ... und ... mit der dem ... nicht angehörenden ... zur ... die mit Wirkung vom
02.07.2001 wirksam geworden ist, die mitgliederstärkste Einzelgewerkschaft des ....
2
Zu ihren satzungsgemäßen Aufgaben gehört der Abschluss von Tarifverträgen in den Wirtschaftszweigen der Eisen- und Stahlerzeugung,
der Nichteisenmetallgewinnung und -verarbeitung, den Scheideanstalten usw.; den Gießereien; Ziehereien, Walzwerken und der
Stahlverformung; Schlossereien, Schweißereien, Schleifereien, Schmieden; Klempnereien, Rohrinstallationen; Stahl-, Leichtmetallbau und
Metallkonstruktionen; Maschinen-, Apparate- und Werkzeugbau; Automobilindustrie und Fahrzeugbau; Luft- und Raumfahrtindustrie;
Schiffbau; Elektrotechnik, Elektro- und Elektronik-Industrie; Feinmechanik und Optik; Uhren-Industrie und -Handwerk; Eisen-, Blech- und
Metallwaren sowie dazugehörigen Verpackungsindustrien; Musikinstrumenten; Spiel- und Sportgeräten; Schmuckwaren einschließlich den
dazugehörenden Reparatur-, Zubehör-, Montage-, Dienstleistungs- und sonstigen Hilfs- und Nebenbetrieben und Zweigniederlassungen
sowie den Betrieben anverwandter Industrie-, Handwerks- und Dienstleistungszweige, insbesondere auch der Informations- und
Kommunikationstechnologie sowie der Datenverarbeitung, wobei die Zuständigkeit unabhängig von den verarbeitenden Materialien und
unabhängig von der Rechtsform und Branchenzugehörigkeit des Unternehmens, zu dem dieser Betrieb gehört, ist (siehe § 3 der Satzung).
Nach § 2 der Satzung hat sich die ... die Aufgabe gestellt, die wirtschaftlichen, sozialen, beruflichen und kulturellen Interessen ihrer
Mitglieder zu fördern, ihre Unabhängigkeit gegenüber den Regierungen, Verwaltungen, Unternehmern, Konfessionen und politischen
Parteien jederzeit zu wahren. Sie bekennt sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und setzt
sich für die Sicherung und den Ausbau des sozialen Rechtsstaates und für die weitere Demokratisierung von Wirtschaft, Staat und
Gesellschaft, für Frieden, Abrüstung und Völkerverständigung und den Schutz der natürlichen Umwelt zur Sicherung der Existenz der
Menschheit ein. Des Weiteren hat sie sich zur Aufgabe gestellt, aktiv die Gleichstellung der Frauen in der Gesellschaft, Betrieb und
Gewerkschaft zu fördern. Im Übrigen wird auf § 2 der Satzung verwiesen. Die ... setzt den Streik als Erzwingungsmittel zur Durchsetzung
von Tarifforderungen ein. Sie hat im Rahmen der Fusion mit den ... und ... und ... ihren Organisationsbereich satzungsgemäß erweitert.
3
Nach den durch eidesstattliche Versicherung des Leiters der Abteilung "Beiträge und Leistungen" beim Vorstand der Antragstellerin, Herrn
... vor dem Notar ... am 28. Februar 2002 glaubhaft gemachten Angaben, hat die ... im Januar 2002 über 2.685.942 Mitglieder verfügt,
darunter 1.473.981 Arbeiter, 295.795 Angestellte, 118.646 Handwerker, 220.295 Jugendliche und 503.258 Frauen, von denen 1.565.166 in
Vollzeit, 47.148 in Teilzeit tätig waren. 15.099 Mitglieder befanden sich in der Arbeitsphase nach dem ATzG. 84.272 waren Auszubildende,
22.113 Schüler und Studenten. In der Freistellungsphase nach dem ATzG befanden sich 2.114 Mitglieder, arbeitslos waren 309.056. Unter
den Mitgliedern befanden sich desweiteren 28.172 Vorruheständler und 549.275 Rentner. 6.270 Mitglieder waren als Soldaten oder
Zivildienstleistende eingezogen, während 57.257 Mitglieder als Sonstige bezeichnet sind (siehe Band X, Akt.Bl. 1.662). In
Arbeitsverhältnissen befanden sich im Januar 2002 1.769.776 Mitglieder, darunter im Fahrzeugbau 459.674, im Maschinenbau 245.664, in
der Stahlindustrie 89.118, im Wirtschaftszweig Eisen, Blech, Metallwaren 105.949, im Bereich der sonstigen Metallverarbeitung 182.727, im
Metall- und Elektrohandwerk 104.597, in der Elektroindustrie 177.642, in der Büromaschinenindustrie 14.510, im Luftfahrzeugbau 19.726
(Akt.Bl. 1.664). Die in Arbeitsverhältnissen stehenden Mitglieder der ... verteilten sich auf die einzelnen Bezirke wie folgt (Arbeiter und
Angestellter zusammengezählt): Nordrhein-Westfalen 429.730, Frankfurt (zu dem auch das Bundesland Thüringen gehört) 247.903, Bezirk
Küste mit dem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern 138.889, Hannover mit dem Bundesland Sachsen-Anhalt 205.398, Berlin-
Brandenburg-Sachsen 109.226, Bayern 278.575 und Baden-Württemberg 359.355.
4
Die im Jahr 1959 unter dem Namen ... neu gegründete Antragsgegnerin benannte sich 1991 um in .... Ausweislich ihrer Satzung in der
Fassung der auf dem Gewerkschaftstag 1999 verabschiedeten Beschlüsse versteht sich die ... als eine unabhängige Gewerkschaft
gegenüber politischen Parteien, Kirchen, Regierungen und Unternehmern. Ihr Organisationsbereich erstreckt sich auf das Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland und umfasst die Bereiche der metallerzeugenden und metallverarbeitenden Industrie, des Metallhandwerks,
der Elektroindustrie und der sonstigen Metallbetriebe. Ihre Aufgaben und Ziele hat sie in § 2 ihrer Satzung festgehalten, der lautet:
5
"Die ... erstrebt u.a.:
6
– die Wahrung der geistigen, kulturellen und materiellen Interessen der Mitglieder auf christlich-sozialer Grundlage
7
– die Schaffung von Eigentum in Arbeitnehmerhand
8
– die Mitbestimmung in der Wirtschaft aus Mitbesitz
9
– eine Staats-, Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung nach christlich-sozialen Grundsätzen.
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Die ... vertritt die Interessen ihrer Mitglieder und bekannt sich ausdrücklich zum Art. 20 Abs. 4 GG.
11
Zu den Aufgaben und Zielen gehören insbesondere:
12
1. Herbeiführung einer gerechten Entgeltregelung und einer Mitarbeiterbeteiligung
13
2. Regelung der sonstigen Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge
14
3. Mitwirkung bei allen Fragen der Betriebsverfassung und Mitbestimmung
15
4. Förderung der Bemühungen zum Ausbau und zur Verbesserung des Arbeits- und Sozialrechts sowie Mitwirkung auf allen Ebenen der
Selbstverwaltung
16
5. Einwirkung auf die Gesetzgebung, des weiteren auf die Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik
17
6. Unterstützungen bei gewerkschaftlich anerkannten Streiks, bei Aussperrung und Maßregelung
18
7. Rechtsschutz in arbeits- und sozialrechtlichen Streitigkeiten der Mitglieder
19
8. Schulung der Mitglieder
20
9. Herausgabe eines Verbandsorgans und gewerkschaftlichen Schrifttums
21
10. Zusammenarbeit mit den im ... zusammengeschlossenen Gewerkschaften."
22
Die ... ist Mitgliedsgewerkschaft des Dachverbandes .... In Kooperation arbeitet sie mit den Arbeitnehmerkoalitionen ... mit Sitz in Gera, ...
Sitz in Saarbrücken und den ... mit Sitz in Saarbrücken, ... mit Sitz in Emstek/Hannover sowie dem Bund der ... mit Sitz in Bonn zusammen.
23
Die ... ist Mitglied im ... und dem ....
24
Federführend gibt die ... DGZ mit den Kooperationsgewerkschaften zusammen die zweimonatlich erscheinende ... heraus, die in den
Räumen ihres Bundesvorstands in Stuttgart redaktionell hergestellt wird. Nach bislang unwidersprochenen Angaben der ... beträgt die
Auflage dieser Mitgliederzeitschrift, deren Bezugskosten durch die Mitgliedsbeiträge aller Herausgebergewerkschaften abgegolten sind,
etwa 90.000.
25
Wie die ... finanziert sich die ... durch Mitgliedsbeiträge. Während die Mitgliedsbeiträge der ... nach dem Bruttomonatsverdiensteinkommen
gestaffelt sind (satzungsmäßiger Beitrag: 1 % davon), kennt die ... keine verdienstabhängigen Mitgliedsbeiträge. Der Mindestbeitrag beträgt
für Arbeitslose und Rentner nach der in der ...-Heft 11-12/2000 auf Seite 13 veröffentlichten Umrechnungstabelle EUR 3,00, für im
Erwerbsleben stehende Mitglieder EUR 6,00. Die Beitragstabelle endet mit einem Höchstbeitrag von EUR 60,00 monatlich (Anlage B 20,
Anlagen Band I).
26
Nach § 11 ihrer Satzung gliedert sich die ... in Landesverbände, Bezirksverbände, Ortsverbände und/oder Kreisverbände sowie
Betriebsgruppen. Die Landesverbände umfassen nach § 11 Ziffer. 4 a der Satzung grundsätzlich die politischen Ländereinheiten, wobei
über Ausnahmen der Hauptvorstand entscheidet. Satzungsgemäß müssen die Landesverbände alle vier Jahre, jeweils spätestens drei
Monate vor dem Gewerkschaftstag ihren Landesgewerkschaftstag durchführen. Bis auf Unterlagen über die Landesgewerkschaftstage
1995 in Nordrhein-Westfalen und Bildmaterialien über die Landesgewerkschaftstage 1987 – 1999 in Baden-Württemberg sind keine
Dokumente über durchgeführte Landesgewerkschaftstage in den anderen Bundesländern in das Verfahren eingeführt worden. Anträge
zum Gewerkschaftstag 1999 und der Rechenschaftsbericht des bis 1999 amtierenden Bundesvorsitzenden ... lagen dem Gericht vor.
27
Der Mitgliederbestand der ... ist zwischen ihr und der ... umstritten. Während die ... zum Stichtag 31.12.2001 einen Mitgliederbestand von
97.389 angibt, gesteht die Antragstellerin ihr allenfalls einen Mitgliederbestand in der Größenordnung von 50.000 zu.
28
Aufforderungen der Kammer, den Mitgliederbestand offenzulegen, und zwar unterschieden zwischen aktiven Mitgliedern, die die Kammer
als im Erwerbsleben stehende Jahrgänge definiert hat, und Rentnern, desweiteren aufgeschlüsselt nach Landesverbänden und schließlich
gemäß Verfügung vom 05.09.2002 weiter aufgeschlüsselt nach Mitgliedern aus ihren satzungsgemäßen Organisationsbereichen, ist die
Antragsgegnerin nicht nachgekommen. Auf die Verfügungen und Beschlüsse vom 04.10.2001 (Aktenband VIII, Akt.Bl. 1.356), vom
10.01.2002 (Aktenband VIII Akt.Bl. 1.536; Reinschrift Akt.Bl. 1.539), vom 08.08.2002 (Aktenband XI, Akt.Bl. 1.784 - 1.785) sowie vom
05.09.2002 (Aktenband XI, Akt.Bl. 1.797) wird verwiesen. Die ... hat sich vielmehr unter Verweis auf die Gefährdung ihres durch Art. 9
Absatz 3 GG verfassungsrechtlich geschützten Koalitionsbetätigungsrechts darauf beschränkt, dem Gericht die notarielle Urkunde des ...
vom 30.07.2003 vorzulegen, in der die namentlich aufgeführten Landessekretäre an Eides statt versichert haben, sich gegenseitig die
Mitgliederlisten ihrer Landesverbände zur Einsicht vorgelegt und gemeinsam eine Gesamtmitgliederzahl von 88.044 Aktiven sowie von
9.345 Rentnern ermittelt zu haben. Auf den weiteren Inhalt der Notarurkunde wird im Übrigen verwiesen (Aktenband XIII, Akt.Bl. 2326-
2333).
29
Die ... beschäftigt 43 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, unter ihnen 14 hauptamtliche Sekretäre und Funktionäre. Hauptamtlich beschäftigt
sind in den Räumen des Hauptvorstandes in Stuttgart der derzeitige Bundesvorsitzende ... und der satzungsgemäße
Bundesgeschäftsführer .... Dort sind weitere 6 weibliche Mitarbeiter beschäftigt, darunter eine ... die gleichzeitig für den Vertrieb der ...
verantwortlich ist und eine ... die in der Redaktion der ... für Text, Satz und Layout zuständig zeichnet. Im Sekretariat ... sind der
Landessekretär für Baden-Württemberg ... und eine Mitarbeiterin, im Sekretariat Friedrichshafen der Sekretär ... und eine Mitarbeiterin, im
Sekretariat Duisburg sind der Landessekretär ... und der weitere Sekretär ... sowie zwei weitere Mitarbeiterinnen beschäftigt. Herr ... ist
gleichzeitig für die ... sowie als Rechtssekretär für den ... tätig. Im Sekretariat Bonn ist eine Mitarbeiterin beschäftigt. Im Sekretariat
Schweinfurt sind neben dem Landessekretär ... der gleichzeitig Mitarbeiter der ... und im Landesvorstand Bayern als Tarifsekretär und
Vorstandsmitglied tätig ist, eine weitere Sekretärin und zwei Mitarbeiterinnen eingesetzt, im Sekretariat Regensburg zwei Sekretäre und
eine Mitarbeiterin, im Sekretariat Augsburg zwei Personen. Im Sekretariat Rüsselsheim ist der Landessekretär ... gleichzeitig Mitarbeiter der
... neben einer weiteren Mitarbeiterin beschäftigt, im Sekretariat Saarbrücken sind drei Sekretäre, darunter die Landessekretäre ...
(Saarland), der darüberhinaus noch Vorsitzender der ... und Mitarbeiter der ... ist, und ... (Rheinland-Pfalz), ebenfalls Mitarbeiter der ... sowie
..., der bis Ende 2001 gleichzeitig Vorsitzender des ... war, dazu zwei Mitarbeiterinnen. Im Sekretariat Hannover sind der für Nord/Küste
zuständige Landessekretär ... und eine Mitarbeiterin, im Sekretariat Wolfsburg ..., im Sekretariat Gera Herr ... der gleichzeitig Vorsitzender
der ... ist, mit einer Mitarbeiterin, im Sekretariat Chemnitz der für Sachsen und Thüringen zuständige Landessekretär ... im Sekretariat
Magdeburg der Landessekretär ... und in Berlin der für Nord/Ost zuständige Landessekretär ... Darüber hinaus engagiert die
Antragsgegnerin externe freie Mitarbeiter für ihren Internet-Auftritt, für Werbeartikel, einen freien Fotografen, einen freien Mitarbeiter für das
Fachgebiet Sozialrecht, zwei freie Mitarbeiter als Software-Betreuer, einen freien Mitarbeiter als Bild-Redakteur sowie als Pressesprecher
ebenfalls einen freien Mitarbeiter (siehe dazu die Angaben der Antragsgegnerin Aktenband IX, Akt.Bl. 1.405). Nach ihren Angaben sind des
Weiteren 498 ehrenamtliche Funktionsträger bundesweit auf Bezirks- und Kreisebene aktiv tätig. Einer Verwertung der der Kammer nach
den vereinbarten Bedingungen ausweislich Protokoll vom 11.01.2002 (Aktenband IX, Akt.Bl. 1.544) zur Verfügung gestellten detaillierten
Unterlagen im Anlagenband B 167, aus denen die Kammer Schlüsse über Streuung der Funktionsträger hätte schließen können, hat die
Antragsgegnerin ausweislich Gerichtsprotokoll vom 19.02.2003 ausdrücklich widersprochen. Dieser Anlageband ist dem
Verfahrensbevollmächtigten der ... unmittelbar nach der Verkündung der Entscheidung am 12.09.2003 zurückgegeben worden.
30
Die Sekretariate der Antragsgegnerin nehmen gleichzeitig Betreuungsaufgaben für Mitglieder der Kooperationsgewerkschaften und
teilweise auch für den ... wahr. Nach eigenen Angaben haben alle unter dem Dachverband des ... zusammengeschlossenen christlichen
Gewerkschaften (insgesamt 17) zusammen etwa 300.000 Mitglieder.
31
Im Jahr 2001 waren im Fahrzeugbau Deutschlands insgesamt 960.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt, in der
Elektroindustrie 708.000, im Maschinenbau 903.369, in den Branchen der Metallerzeugung und Metallbearbeitung 992.649 (Statistisches
Bundesamt Gruppe IV a, ...verarbeitendes Gewerbe). Im Metall- und Elektrohandwerk waren 1995 bundesweit 1.894.526
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt (Statistisches Bundesamt, Produzierendes Gewerbe, Handwerkszählung 1995,
Fachserie 4, Heft 1).
32
Der Beteiligte Ziffer. 3 ist der ... der sowohl mit der ... als auch mit der ... Tarifverträge vereinbart. Der Beteiligte Ziffer. 11 ist der .... Die in
diesem Verband zusammengeschlossenen Handwerksverbände schließen Tarifverträge mit der Antragstellerin und der Antragsgegnerin
ab. Die Beteiligten Ziffern 12 - 17 sind die ... in Berlin Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen/Bremen,
Thüringen und Sachsen. Die Beteiligten Ziffern 14, 16 und 17 haben bislang ausschließlich Tarifverträge mit der ... abgeschlossen, die
Beteiligten Ziffern 12, 13, 15 sowohl mit der ... als auch mit der Antragsgegnerin. Die Beteiligte Ziffer. 7 ist die ..., die für ihre Mitglieder
Tarifverträge u.a. mit der Beteiligten Ziffer. 3 und den Arbeitgeberverbänden, die im Gesamtverband der metallindustriellen
Arbeitgeberverbände e.V. zusammengeschlossen sind, vereinbart hatte. Der Beteiligte Ziffer. 6 ist der ... in dem die Einheitsgewerkschaften
Deutschlands, darunter die Beteiligten Ziffern 1 und 7, zusammengeschlossen sind. Der Beteiligte Ziffer. 8 ist der .... Die Beteiligte Ziffer. 9
ist der ... der Beteiligte Ziffer. 10 der .... Die Beteiligten Ziffern. 4 und 5 sind die ... bzw. der ....
33
Die Antragsgegnerin hat bis zur Wiedervereinigung im Jahr 1990 im Industriebereich im Wesentlichen lediglich Anschlusstarifverträge mit
den entsprechenden Arbeitgeberverbänden bzw. einzelnen Arbeitgebern (insbesondere mit dem ...) vereinbart.
34
Nach der Einführung der westdeutschen arbeits-, wirtschafts- und gewerberechtlichen Gesetze in den fünf neuen Bundesländern und damit
einhergehend der Bildung von Arbeitgeberverbänden im Bereich der Metall- und Elektroindustrie und damit der Gründung des Beteiligten
Ziffer. 3 sowie der Gründung von Handwerksinnungen hat die ... zunehmend auch originäre Tarifverträge abgeschlossen, und zwar in den
alten Bundesländern ausschließlich im Bereich des Metall- und Elektrohandwerks einschließlich der Sanitär-, Heizungs-, Klimatechnik-
Innungen und deren Fachverbänden. In den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist die Antragsgegnerin alleiniger
Tarifpartner der Landesinnungsverbände des Metall- und Elektrohandwerks. Zum Abschluss von Tarifverträgen in diesen Branchen mit den
Innungen ist es seitens der ... bislang nicht gekommen.
35
Mit dem ... hat die ... seit 1989 ständig Tarifverträge vereinbart und laufend aktualisiert, mit der ... Berlin seit Juli 1998, mit dem ... Nordrhein-
Westfalen seit 1989, mit dem ... seit Ende 1996, mit dem ... Nordrhein-Westfalen seit November 1996, mit der ... seit Januar 1996, mit der ...
seit März 2000, mit dem ... seit Februar 1994, im Zuständigkeitsbereichs des Norddeutschen ... seit Januar 1999, mit der ... im April 1995
und seit Dezember 2000 sowie mehrere schuldrechtlich wirkende Verhandlungsergebnisse für Löhne, Gehälter und
Ausbildungsvergütungen, mit dem ... der ... im Januar 1990 über Arbeitnehmerüberlassung und seit Mai 1998, mit dem ... seit Juni 1992, mit
dem ... in Bayern seit Januar 1995, mit dem ... Brandenburg seit Januar 1994, mit dem ... im August 1993, mit dem ... im Januar 1994, mit
dem ... im April 1994, mit dem ... seit März 1998, mit dem ... seit 1991. Der Manteltarifvertrag vom 27.11.1991 ist am 12.03.1993 mit Wirkung
vom 01. Oktober 1992 unter Einschränkungen vom Sozialminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern für allgemeinverbindlich erklärt
worden (siehe dazu Anlage Band I Anlage B 32). Der nachfolgende Manteltarifvertrag vom 05.12.1997 ist dagegen nicht mehr für
allgemeinverbindlich erklärt worden. Im Zuständigkeitsbereich des ... in Thüringen sind mit der ... seit November 1991 laufend Tarifverträge
vereinbart worden. Länderübergreifend gibt es einen Tarifvertrag zur Regelung der kollegialen Arbeitnehmerüberlassung für Arbeitnehmer
in den ... der Länder ... vom 05.12.1997. Mit dem ... sind im November 1991 (Regelung der Arbeitnehmerüberlassung) und seit März 1995
laufend Tarifverträge geschlossen worden, mit dem ... im November 1991 (Regelung der Arbeitnehmerüberlassung) und seit April 1994, mit
dem ... seit Dezember 1995, mit dem ... seit Mai 1999, mit dem ... seit August 2000, mit dem ... seit Oktober 1999.
36
Zum Abschluss der Tarifverträge mit dem ... ist es auf Veranlassung des Landesinnungsverbandes gekommen, der zuvor Tarifverträge mit
der ... vereinbart hatte. Die übrigen Tarifverträge der ... sind im Wesentlichen mit den Tarifverträgen in Hessen vergleichbar, so auch die
Tarifverträge mit der Arbeitsgemeinschaft der rheinland-pfälzischen ... vom 23.12.1999 und dem Karosserie- und ... Sachsen und Thüringen
vom 09.12.1999. Mit dem Bayrischen Landmechanikerhandwerk gibt es einen Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer und
Ausbildungsvergütungen vom 06.06.2000.
37
Mit dem Arbeitgeberzusammenschluss ... sind acht Tarifvereinbarungen vom 15.05.1998 zustande gekommen, die unter dem Schlagwort
..." bundesweit Aufsehen erregt haben, insbesondere in der regionalen und überregionalen Tages- sowie in der Fachpresse.
38
Mit dem Beteiligten Ziffer. 3 hat die ... neben anderen am 10.06.1996 zwei Tarifverträge geschlossen, nämlich einen Tarifvertrag für
Standortsicherung und Beschäftigungsförderung, und einen Tarifvertrag über Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen, der mit
Tarifvertrag vom 24.03.1997 fortgesetzt worden ist. Darüber hinaus hat sie erstmals am 20.06.1997 Tarifverträge zur Schaffung zusätzlicher
Ausbildungsplätze und zur Förderung der betrieblichen Ausbildung in der ... vereinbart, die erneuert worden sind.
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Haustarifverträge hat die ... mit Unternehmen der Unternehmensgruppe ..., der Standorte Zwickau, Dresden und Wernigerode geschlossen,
desweiteren mit mehreren Außenseiterunternehmen auch in den alten Bundesländern.
40
Mit der ... Gruppe ist ein Rahmentarifvertrag vom 06.03.1999, ein Tarifvertrag zur Regelung der allgemeinen Arbeitsbedingungen, ein
Tarifvertrag zur Regelung des Arbeitsentgelts, ein Tarifvertrag zur Regelung der Leistungsentlohnung, ein Tarifvertrag zur Regelung der
Ergebnisbeteiligung und ein Tarifvertrag zur Regelung der Ausbildung in der Berufsausbildung, alle ebenfalls am 06.03.1999, geschlossen
worden. Die Tarifvertragsverhandlungen hat der Verhandlungsführer der ..., nämlich deren Arbeitsdirektor ... nach dem Austritt der ...
Gruppe aus dem Thüringischen Arbeitgeberverband und der Kündigung eines mit der Antragstellerin danach vereinbarten
Anerkennungstarifvertrags zum 31.12.1998 aufgenommen, nachdem Tarifvertragsverhandlungen zwischen der ... und der ... gescheitert
waren. Das Tarifvertragswerk mit der ... ist, nachdem die ... am 17.11.1999 mit der Antragstellerin ein eigenständiges Tarifvertragswerk
vereinbart hatte, durch gleichlautende Anschlusstarifverträge mit der ... ersetzt worden. Die entsprechenden Klauseln in den einzelnen
Haustarifverträgen der ... lauten:
41
"Er ersetzt den Tarifvertrag vom 06.03.1999 und kann mit einer Frist von drei Monaten erstmals zum 31.12.2002 gekündigt
werden."
42
Danach ist es zu originären Tarifvertragsabschlüssen mit der ... seitens der ... nicht mehr gekommen.
43
Wegen der weiteren Einzelheiten der von der ... abgeschlossenen originären Tarifverträge wird auf die Aufstellungen im Anlageordner I B
19 sowie auf die von der Antragsgegnerin und den beteiligten Arbeitgeberverbänden vorgelegten Tarifvertragswerke verwiesen.
44
Ob die Tarifverträge in der Tarifpraxis tatsächlich Geltung gewonnen haben, ist zwischen der Antragstellerin einerseits sowie der
Antragsgegnerin und den beteiligten Arbeitgeberverbänden andererseits streitig.
45
Besonders umstritten ist die Umsetzung des Tarifvertragswerks ... der Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung mit der Beteiligten Ziffer. 3
und die Tarifverträge zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze in der ... vom 20.06.1997. Feststellungen darüber, ob sich das
Beschäftigungssicherungstarifvertragswerk kraft unmittelbarer Tarifanwendung im Tarifgebiet durchgesetzt hat, lassen sich angesichts der
Tatsache, dass die Antragstellerin am 25.04.1997 ebenfalls einen Beschäftigungssicherungstarifvertrag mit der Beteiligten Ziffer. 3
abgeschlossen hat, nicht treffen (siehe dazu Vortrag der ehemaligen Bevollmächtigten der Antragsgegnerin, Aktenband II, Akt.Bl. 370 sowie
die Ausführungen ihres jetzigen Verfahrensbevollmächtigten Aktenband VII, Akt.Bl. 1176).
46
Nach Abschluss des Tarifvertragswerks zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze haben ursprünglich 13 Mitgliedsunternehmen des
Beteiligten Ziffer. 3 am 09.07.1997 einen eingetragenen Verein namens ... gegründet und zwar als Selbsthilfeeinrichtung der Wirtschaft.
Erstmals mit Ausbildungsbeginn im September 1997 sind 101 Ausbildungsverträge geschlossen worden, die die tariflichen Bedingungen
des Tarifvertrags vom 20.06.1997 in Bezug genommen haben. Bis zum Jahresende 2001 haben 200 Unternehmen Ausbildungsverträge
über diesen Verein mit Auszubildenden vereinbart. Im Oktober 2001 ist die kumulierte Zahl der auf dieser Basis abgeschlossenen
Ausbildungsverträge auf die Zahl 1.100 aufgelaufen (siehe dazu Ausführungen der Bevollmächtigten der Antragsgegnerin in Aktenband V,
Akt.Bl. 746, im Aktenband VII, Akt.Bl. 1.191, im Aktenband IX, Akt.Bl. 1.400 und die Ausführungen des Bevollmächtigten des Beteiligten
Ziffer. 3, Aktenband IX, Akt.Bl. 1.515).
47
Die Antragsgegnerin hat bei Betriebsratswahlen bis in die jüngste Zeit zum Teil in Mehrheitswahlen, zum Teil in Listenwahlen überwiegend
in Großbetrieben des Fahrzeugbaus, der Metall- und Elektroindustrie der alten Bundesländer einschließlich des ... zahlreiche
Betriebsratsmandate auf sich vereinigt. Bei den Betriebsratswahlen des Werkes Sindelfingen der ... hat die von ihr aufgestellte Liste 19 %
der abgegebenen Stimmen errungen. Auch bei Aufsichtsratswahlen nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976 hat sie Mandate errungen, u.a.
bei den Wahlen der .... In Selbstverwaltungsorganen der Sozialversicherungsträger ist die Antragsgegnerin mit 399 Mitgliedern (Stand
31.12.1998) vertreten. Sie stellt insgesamt 205 ehrenamtliche Richter in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit.
48
Nach den eigenen Angaben fließt das Beitragsaufkommen der ... zu 10 % in die Streikrücklage, zu 60 % in die Personalkosten, zu 10 % in
ein Wirtschaftsgeld für Bezirksverbände, zu 6 % in die Verwaltungskosten der Sekretariate, zu 4 % in Beiträge für den ..., die ... und
internationale Vereinigungen, zu 5 % in Werbemittel, Broschüren, Flugblätter und Info-Material, zu 3 % in die Organisation der
Gewerkschaftstage, der Betriebsrats-, Sozial- und Aufsichtsratswahlen, zu 2 % in Aktionen, Veranstaltungen und Sonstiges (siehe Seite 41
des Geschäftsberichtes zum 13. Ordentlichen Gewerkschaftstag der ... vom 14. - 16. Oktober 1999 in Duisburg, Anlage A 4).
49
Die Antragstellerin ist der Auffassung,
50
dass die Antragsgegnerin mangels Durchsetzungsfähigkeit nicht tariffähig und damit keine Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinne sei.
Den Mitgliederbestand der Antragsgegnerin schätzt die Antragstellerin auf etwa 50.000, und zwar einschließlich Rentnern. Sie geht unter
Hinweis auf das Protokoll über den Landesgewerkschaftstag NRW der Antragsgegnerin aus dem Jahr 1995 davon aus, dass bis zu 50 %
der Mitglieder der ... Rentner und nicht mehr im Erwerbsleben stehende Personen sind. Die Zweifel an den von der ... behaupteten
Mitgliederzahlen stützt sie darauf, dass alle Mitglieder der ... Anspruch auf den Bezug der Mitgliederzeitschrift ... haben. Da diese
Mitgliederzeitschrift eine Auflage von 90.000 habe und die Kooperationsgewerkschaften, darunter die ... nach ihren eigenen Angaben bis in
die 90er-Jahre über etwa 20.000 Mitglieder gehabt hätten, könne die Antragsgegnerin keine 100.000 Mitglieder haben, es sei denn, ihren
Mitgliedern würde der satzungsmäßige Bezug der ... verweigert. Darüberhinaus verwende die ... nach eigenen Angaben das
Beitragsaufkommen zu 60 % für Personalaufwendungen. Gehe man nur von einem Durchschnittsmonatsbeitrag in der Größenordnung von
DM 18,00 nach den von der ... zuletzt veröffentlichten Zahlen aus dem Jahre 1990 aus, müssten die Funktionäre und hauptamtlichen
Mitarbeiter über ein Jahreseinkommen in der Größenordnung von über DM 400.000,00 verfügen, was nicht sein könne. Auf die
Repräsentanz von ... in Betriebsräten und Aufsichtsräten komme es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht an.
Jedenfalls seien die meisten ... in den Industrieunternehmen der alten Bundesländer beschäftigt. In Betrieben mittelständischer
Industrieunternehmen und in Großbetrieben der Metall- und Elektroindustrie in den neuen Bundesländern seien kaum ...-Mitglieder
aufzufinden, auch nicht in nennenswerter Anzahl in Unternehmen, mit denen die ... Haustarifverträge abgeschlossen habe. Auch im
Handwerksbereich der neuen Bundesländer habe die ... kaum Mitglieder. Im übrigen Handwerksbereich verfüge sie ebenfalls über keine
nennenswerte Anzahl von Mitgliedern. Damit sei festzustellen, dass die von der ... abgeschlossenen Tarifverträge sowohl im
Handwerksbereich, als auch die Originärtarifverträge im Verbandsbereich der Beteiligten Ziffer. 3 und im Bereich der Ostmetall mangels
Tarifbindung auf der Arbeitnehmerseite, keine Tarifgeltung entwickelt hätten. Es handele sich ausschließlich um Gefälligkeits- und
Scheintarifverträge, mittels derer die Arbeitgeberverbände, bzw. einzelne Arbeitgeber versuchten, das von der Antragstellerin erstrebte
Tarifniveau zu unterbieten, bzw. habe sich die ... dazu hergegeben, dort einzuspringen, wo die Arbeitgeber ihre Forderungen gegenüber
der ... nicht hätten durchsetzen können. Beispiele dafür seien die Tarifverträge in der ... Gruppe und der
Beschäftigungssicherungstarifvertrag mit der Beteiligten Ziffer. 3. Mit dem Tarifvertragswerk über die Schaffung zusätzlicher
Ausbildungsplätze hätten die Arbeitgeberverbände die ... ausschließlich dazu gebraucht, das durch Verbandstarifverträge mit der ...
vereinbarte Vergütungsniveau um einige hundert DM/EUR monatlich auf Kosten der Auszubildenden zu senken. Über den Ausbildungsring
... würden damit den ausbildungsplatzsuchenden Jugendlichen Ausbildungsverträge zu weit untertariflichem Vergütungsniveau angeboten,
denen ohnehin keine Wahl zwischen Ausbildung über den Ausbildungsring und Abschluss von Ausbildungsverträgen unmittelbar mit den
ausbildenden Unternehmen wegen ihrer schwachen Position bliebe. Im Heizungs- Sanitär- und Klima Handwerksbereich in NRW hätten
sich die von der ... vereinbarten Tarifverträge nicht durchsetzen lassen. Im Übrigen schließe die Antragstellerin in den von der ...
aufgeführten Handwerksbereichen ebenfalls Tarifverträge ab. Die Beispiele ... und im Bereich des Fahrzeug- und
Karosseriebauerhandwerks zeigten auf, dass die ... nicht aufgrund eigener Aktivitäten, sondern nachdem sie von den Arbeitgebern dazu
hätte aufgefordert werden müssen, Tarifvertragsverhandlungen in Lückenbüßerfunktion aufgenommen und zu Ende geführt habe. Die
Tatsache, dass Arbeitgeber und Arbeitgeberverbände mit der ... Tarifverträge schlössen, bedeute nicht, dass sich die ... tatsächlich
durchgesetzt habe. Die Wahl der ... als Tarifvertragspartner sei vielmehr aus sachfremden Erwägungen heraus getroffen worden, nämlich
entweder tarifliche Standards der mit ihr vereinbarten Tarifverträge zu unterbieten, oder um über Betriebsnormen und einzelvertragliche
Inbezugnahmen betriebliche Einheitsregelung unter Tarifniveau durchzusetzen, schließlich um sich im Vergabebereich der ... und anderer
Aufträge auf Tarifverträge berufen zu können.
51
Das sogenannte Tarifvertragswerk ... seien keine Tarifverträge im Sinne des § 3 TVG, weil es im Belieben der Arbeitgeber stehe, ob die in
diesem Tarifvertragswerk vereinbarten Bedingungen überhaupt betrieblich zur Anwendung kämen. Aus dem Tarifvertrag zur Einführung
neuer Tarifstrukturen ergebe sich nämlich, dass die Einführung bzw. betriebliche Anwendung der ... Tarifverträge durch freiwillige
Betriebsvereinbarungen zu regeln sei. Damit werde gegen die Grundsätze der verfassungsrechtlich gewährleisteten Tarifautonomie
verstoßen. Darüberhinaus sei das mit der Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG unvereinbar. Im Übrigen habe sich das
Tarifvertragswerk nirgends durchsetzen können. Die von der ... mit ... im November 1999 abgeschlossenen Haustarifverträge wiesen zum
Teil wesentliche Verbesserungen im Vergleich zu den Haustarifverträgen mit der ... vom März 1999 auf. Ob die ... darüber hinaus noch
Haustarifverträge abgeschlossen habe, sei für die Beurteilung ihrer Durchsetzungsfähigkeit ohne Bedeutung.
52
Selbst wenn man die Angaben der ... über die Anzahl der abgeschlossenen Originärtarifverträge als richtig unterstelle, könne die ...
angesichts ihrer schwachen Organisationsstruktur und der geringen Anzahl der hauptamtlichen Beschäftigten die Durchführung dieser
Tarifverträge weder begleiten noch überwachen noch sonstwie fördern. Eigene Tarifforderungen habe die ... ohnehin nicht aufgestellt,
sondern sich regelmäßig erst auf Einladung der jeweiligen Verbände oder einzelnen Arbeitgeber in Tarifverhandlungen begeben. Dadurch
habe sie sich in eine Abhängigkeit der sozialen Gegenspieler eingelassen, die daran zweifeln lasse, ob sie noch über die erforderliche
Gegnerunabhängigkeit verfüge. Denn ohne die Bereitwilligkeit der sozialen Gegenspieler, die ... zum Abschluss von
Gefälligkeitstarifverträgen einzusetzen, sei sie weder aufgrund der Mitgliederzahlen in den Tarifgebieten, noch aufgrund ihrer
organisatorischen Struktur in der Lage, durch Druckausübung zu Tarifabschlüssen zu kommen. Beispielhaft dafür seien abgebrochene
Tarifvertragsverhandlungen in Bereichen des Bayrischen Handwerks. Schließlich könne an der demokratischen Legitimation der
Verhandlungsführer bei Tarifvertragsabschlüssen gezweifelt werden. Tarifverträge im Baden-Württembergischen Handwerk seien von
Mitgliedern aus dem Industriebereich unterzeichnet worden, die Tarifverträge mit der Beteiligten Ziffer. 3 von Gewerkschaftssekretären, die
gleichzeitig hauptamtliche Funktionen in anderen Christlichen Gewerkschaften hätten. Zwar sei die Zusammensetzung oder das Fehlen
von Tarifkommissionen ohne Bedeutung für die Wirksamkeit von Tarifverträgen, sie spreche aber dafür, dass es an einer entsprechenden
demokratischen Legitimation der Bevollmächtigten der ... fehle. Die Koalitionsfähigkeit der ... im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG bezweifele sie
nicht, wohl aber deren Tariffähigkeit und damit ihre Eigenschaft als Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinne.
53
Die Antragstellerin beantragt:
54
Es wird festgestellt, dass die ... keine Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinne ist.
55
Der Beteiligte Ziffer sechs schließt sich den Ausführungen der Antragstellerin an.
56
Die Beteiligte Ziffer sieben hat sich nicht geäußert.
57
Die Antragsgegnerin trägt vor:
58
Das aus Anlass des Abschlusses des Beschäftigungssicherungstarifvertrags mit der Beteiligten Ziffer 3 eingeleitete Beschlussverfahren
werde von der Antragstellerin nicht aus Gründen des Allgemeinwohls, sondern im Eigeninteresse geführt. Die Antragstellerin möchte einen
missliebigen gewerkschaftlichen Konkurrenten ausschalten. Vor diesem Hintergrund erwarte die Beteiligte zu 2., dass in diesem Verfahren
zentrale grundrechtliche Schutzgüter nicht in den Hintergrund träten.
59
Die vom Grundgesetz in Art. 5 GG geschützte Meinungsfreiheit und die in Art. 9 A bs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit gingen von einem
verfassungsrechtlichen Leitbild aus, das den demokratischen "Kampf der widerstreitenden Ideen" und die Meinungsvielfalt als einen der
zentralen Grundsätze der Gesellschaft festschreibe. Das Grundgesetz und das in ihm verankerte Demokratieprinzip basierten auf der
Vorstellung, dass sich in einem freien Meinungsbildungsprozess die von der Mehrheit der Bürger bevorzugte Meinung durchsetzen werde
und dass sich die Auseinandersetzung zwischen gegenläufigen Positionen letztlich befruchtend auf die Entscheidungsfindung und das
daraus erwachsene Ergebnis auswirke.
60
Dieses Leitbild, das mit den Worten "demokratischer Wettbewerbsgedanke" (hier Wettbewerb der Ideen) umschrieben werden könne, solle
nach dem Willen der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren deren Alleinvertretungsanspruch und damit einem verfassungswidrigen
gewerkschaftlichen Monopolgedanken geopfert werden. An die Stelle von Wettbewerb solle die Ausschaltung bzw. Liquidierung des
Konkurrenten, möglichst durch das Gericht, treten.
61
Der vorliegende Rechtsstreit sei ferner im Zusammenhang mit dem vom ... immer stärker verfolgten Konzept einer Einheitsgewerkschaft zu
sehen, so dass sich auch das Arbeitsgericht der Frage stellen müsse, ob das Vorgehen der Antragstellerin im vorliegenden Rechtsstreit
noch mit den elementaren Zielen des Grundgesetzes in Einklang stehe oder ob hier nicht in gewisser Weise Machtmissbrauch betrieben
werde, bei dem nicht mehr die Vertretung der Interessen der Mitglieder, sondern primär die Sicherung der eigenen Organisation im
Vordergrund stehe.
62
Da es der Antragstellerin offenkundig nicht gelänge, der Konkurrenz der Beteiligten zu 2. mit überzeugender Sacharbeit in den Betrieben
und in Tarifverhandlungen zu begegnen (siehe Metall-Handwerk, siehe ... siehe ... etc.), wähle sie den weniger aufwändigen Weg des
gerichtlichen Verfahrens nach § 97 ArbGG.
63
Die Antragsgegnerin verfüge über die soziale Mächtigkeit, mit der der grundgesetzliche Gewerkschaftsbegriff unterlegt sei. Das von der
Rechtsprechung entwickelte Kriterium der "sozialen Mächtigkeit" stelle kein Dogma dar, das es aus Selbstzweckgründen zu verteidigen
gelte. Das Kriterium der "sozialen Mächtigkeit" sei vielmehr immer im Kontext mit der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährten Tarifautonomie zu
sehen. Dadurch, dass der soziale Gegenspieler die Gewerkschaft infolge ihrer sozialen Mächtigkeit ernst nehme, solle sichergestellt sein,
dass im Tarifvertrag vernünftige Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ausgehandelt und das Tarifsystem nicht durch den Abschluss von
Gefälligkeitstarifverträgen in seinem Bestand gefährdet werde. Die Tarifautonomie solle vor der Beeinträchtigung durch solche Verbände
geschützt werden, die die ihnen gestellten Aufgaben, wie man meine, nicht ordentlich erfüllen könnten. Das Grundrecht der
Koalitionsfreiheit verbiete es, die Tariffähigkeit von Umständen abhängig zu machen, die nicht von der Sache selbst gefordert seien,
nämlich von der im allgemeinen Interesse liegenden Aufgabe der Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens.
64
Anerkanntermaßen schütze Art. 9 Abs. 3 GG nicht nur das Recht der Bürger, sich zu Koalitionen zusammenzuschließen, sondern auch die
Koalition als solche. Eingriffe in die Rechte der Antragsgegnerin seien somit stets mit Blick auf Art. 9 Abs. 3 GG zu bewerten. Die durch Art.
9 Abs. 3 GG gewährleistete Koalitionsfreiheit sei nur dann sinnvoll, wenn die Rechtsordnung den Koalitionen die Möglichkeit gebe, durch
spezifisch koalitionsmäßige Betätigung die in Art. 9 Abs. 3 GG genannten Zwecke zu verfolgen, insbesondere die Arbeits- und
Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern. Diesem Zweck diene in erster Linie der Abschluss von Tarifverträgen.
Art. 9 Abs. 3 GG wolle ebenso wie Art. 159 WRV nach Sinn und Zweck nur solche frei gebildeten Vereinigungen schützen, die nach ihrer
Gesamtstruktur unabhängig genug seien, um die Interessen ihrer Mitglieder auf arbeits- und sozialrechtlichem Gebiet wirksam und
nachhaltig zu vertreten. Dass die Beteiligte zu 2. hierzu in der Lage sei, zeigten sowohl die Vergangenheit als auch insbesondere die
Gegenwart.
65
Die Beteiligte zu 2. erfülle die von der Rechtsprechung aufgestellten Merkmale bzw. Voraussetzungen einer Gewerkschaft, nämlich
freiwilliger Zusammenschluss von Arbeitnehmern zum Zwecke der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen,
Interessenwahrnehmung ihrer Mitglieder in deren Eigenschaft als Arbeitnehmer, Zusammenschluss auf privatrechtlicher, auf Dauer
angelegter Grundlage, leistungsfähige körperschaftliche Organisation zur Erfüllung der an sie als Gewerkschaft gestellten Aufgaben,
Tarifvertragsabschlüsse nach Vorbereitungen bei Vermittlung unter der Mitgliedschaft und tatsächlicher Durchführung, Gegnerfreiheit,
Unabhängigkeit vom Staat und gesellschaftlichen Gruppen, überbetrieblich organisiert, innere Organisation der Beteiligten und
Willensbildung demokratisch, Anerkennung des geltenden Tarifrechts einschließlich des Schlichtungs- und Arbeitskampfrechts,
Tarifwilligkeit, ausreichende Druckausübungsfähigkeit bzw. Durchsetzungskraft (Mächtigkeit) gegenüber ihrem tarifpolitischen
Gegenspieler.
66
Bei der Prüfung, ob die Beteiligte zu 2. die vorgenannten Kriterien erfülle, sei die Rechtsprechung des BVerfG vom 20.10.1981 (BVerfG 58,
233 ff.) zu berücksichtigen, wonach die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung zwar von gewissen Mindestvoraussetzungen
abhängig gemacht werden könne, aber keine Anforderungen gestellt werden dürften, die die Bildung und Betätigung einer Koalition
unverhältnismäßig einschränkten und so zur Aushöhlung der durch Art. 9 Abs. 3 GG gesicherten freien Koalitionsbildung und -betätigung
führten.
67
Insbesondere die beiden zentralen, für das vorliegende Beschlussverfahren maßgebenden Merkmale der Mächtigkeit und
Leistungsfähigkeit der Beteiligten zu 2. stünden entscheidend unter dem Einfluss des Art. 9 Abs. 3 GG. Da der Abschluss von Tarifverträgen
das zentrale Mittel darstelle, um die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der Mitglieder einer Koalition zu regeln, dürften Koalitionen im
Bereich der Tarifautonomie nur solche Schranken gezogen werden, die zum Schutz anderer Rechtsgüter von der Sache her geboten seien.
Der Ausschluss vom Tarifvertragssystem sei daher ausschließlich funktionsbedingt zu rechtfertigen. Das heiße, nur solche Hindernisse
oder Eigenschaften einer Koalition, die eine verantwortungsvolle Wahrnehmung der Tarifautonomie ausschlössen, könnten einen
tragfähigen Grund zur Versagung der Tariffähigkeit abgeben. Strenge oder überstrenge Maßstäbe bei den Voraussetzungen der
Mächtigkeit und/oder Leistungsfähigkeit bewirkten notwendig einen Verfassungsverstoß, weil sie eine Koalition ohne hinreichenden
Sachgrund von der Tarifbetätigung ausschlössen. Aus dem Verhältnismäßigkeitsgebot sei abzuleiten, dass, wenn die Beurteilung der
Tariffähigkeit angesichts der tatsächlichen Umstände zweifelhaft sei, zugunsten der Arbeitnehmervereinigung und ihrer Tariffähigkeit
entschieden werden müsse. Die Versagung der Koalitionsfreiheit sei die Beschränkung der Koalitionsbetätigung. Im Zweifel müsse stets für
die Freiheit entschieden werden.
68
Soweit die Antragstellerin mit ihrem Hauptantrag über das Merkmal der Tariffähigkeit hinaus feststellen lassen wolle, dass die Beteiligte zu
2. keine Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinne sei, begegne ihr Antrag verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar gehe die ältere BAG
Rechtsprechung von einem einheitlichen Gewerkschaftsbegriff für alle Koalitionsbetätigungsrechte aus und erstrecke das
Beschlussverfahren nach § 97 ArbGG auf diesen Gewerkschaftsbegriff. Diese Sichtweise stelle sich jedoch mit Blick auf den das
Grundgesetz prägenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als verfassungswidrig dar. Bei Anwendung des einheitlichen
Gewerkschaftsbegriffs würden in rechtlich unzulässiger Weise alle Formen der Koalitionsbetätigung, also neben der eigentlichen
Tariffähigkeit auch die Betätigung von Arbeitnehmervereinigungen in der Betriebsverfassung und die arbeitsgerichtliche Prozessvertretung,
an den hohen Hürden gemessen, die eine Gewerkschaft im tarifrechtlichen Sinne überwinden müsse. Das stelle nicht nur eine Verletzung
der Koalitionsbetätigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG dar, weil damit Koalitionsbetätigungsfelder ohne Sachgrund genommen würden,
sondern auch eine nicht zu rechtfertigende Behinderung der Koalitionsentwicklung, weil minder starke Koalitionen oder neu gegründete
Arbeitnehmervereinigungen praktisch kaum eine Chance hätten, aus dem Stand heraus die Anforderungen an die Tariffähigkeit zu
erlangen, obwohl sie insbesondere im Rahmen der Betriebsratsarbeit darauf angewiesen seien, als Gewerkschaft Arbeitnehmerinteressen
im nichttariflichen Bereich vertreten zu dürfen. Mit Blick auf diese tragenden grundrechtlichen Wertungen sei der einheitliche
Gewerkschaftsbegriff des BAG mit der herrschenden Meinung in der Literatur abzulehnen. Stünden verfassungsrechtliche Erwägungen der
Annahme eines einheitlichen Gewerkschaftsbegriffs entgegen, folge, dass im Verfahren des § 97 ArbGG keine Möglichkeit bestehe, über
die behauptete fehlende Tariffähigkeit hinaus feststellen zu lassen, dass eine Arbeitnehmervereinigung keine Gewerkschaft im Sinne des
BetrVG bzw. des ArbGG sei. Das Verfahren nach § 97 ArbGG sei ersichtlich nur auf die tarifrechtliche Betätigung von Koalitionen
zugeschnitten. Im Ergebnis führe dies zwar nicht zur vollständigen Unzulässigkeit des Antrages der Antragstellerin, weil in der Negation der
Gewerkschaftseigenschaft zugleich als Minus immer auch die Negation der Tariffähigkeit enthalten sei. Jedoch sei der Antrag insoweit als
unzulässig zurückzuweisen, als er über die Feststellung der Tarifunfähigkeit der ... hinausreiche.
69
Das Grundgesetz und die durch es garantierten Grundrechte seien nicht direkt auf einen Rechtsstreit zwischen zwei Gewerkschaften
zugeschnitten, in dem die eine der anderen die Tariffähigkeit aberkennen lassen wolle. Jedoch müssten auch im Rahmen einer solchen
"Konkurrentenklage" die Grundrechte der angegriffenen Gewerkschaft aus Art. 9 Abs. 3 GG beachtet werden. Solange die Tarifautonomie –
wie vorliegend – durch das Auftreten eines Verbandes nicht gefährdet werde, könne auch die Sorge um das Gedeihen der Tarifautonomie
es nicht rechtfertigen, dass einer Koalition die Freiheit der wichtigsten Betätigung, der Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen
durch Tarifvertrag, versagt werde. Dabei seien auch die möglichen Folgen der fehlenden Tariffähigkeit (mit Wirkung erga omnes) zu
bedenken. Durch eine Aberkennung der Tariffähigkeit stehe eine weitaus größere Rechtsunsicherheit und Gefährdung des
Tarifvertragssystems zu befürchten, als bei einer zurückweisenden Entscheidung und dementsprechender Anerkennung ihrer
Tariffähigkeit. Gerade im Handwerk käme es bei der Aberkennung ihrer Tariffähigkeit zu weitgehend tarifrechtslosen Zuständen. Die
Zukunft einer ganzen Branche wäre damit auf das stärkste gefährdet und das zu einem Zeitpunkt, in dem rezessive Tendenzen in der
Wirtschaft ohnehin schon zahllose Arbeitsplätze entfallen liessen.
70
Desweiteren weise sie besonders darauf hin, dass auch nach Abschluss des Staatsvertrages der ständigen höchstrichterlichen
Rechtsprechung noch immer der Grundsatz entnommen werden könne, dass bereits die Vereinbarung von Anschlusstarifverträgen den
Schluss auf die ausreichende Mächtigkeit einer Gewerkschaft und damit auf ihre Tariffähigkeit zulasse. Entscheidend sei, dass die
Anschlusstarifverträge auf eigene tarifpolitische Vorstellungen zurückgingen, dass eigene tarifpolitische Forderungen erhoben würden und
dass darüber Tarifverhandlungen stattfänden. Sie habe dargelegt, dass sie eine Vielzahl von Anschlusstarifverträgen nach vorherigen
langwierigen, ernst geführten Tarifverhandlungen abgeschlossen und dass sie in die Verhandlungen ihre eigenen Vorstellungen
eingebracht habe. Insoweit seien auch die abgeschlossenen Anschlusstarifverträge bei der Klärung der Frage nach ihrer Tariffähigkeit
durch das Gericht zu berücksichtigen.
71
Das Kriterium der "sozialen Mächtigkeit" fuße auf der Überlegung, dass wenn der Gesetzgeber seine Zuständigkeit zugunsten des
Tarifvertrags "weit zurücknehme", das nur zugunsten solcher starker und unabhängiger Verbände zu rechtfertigen sei, denen man
vertrauen könne, dass sie ihre Aufgaben verantwortungsbewusst erfüllten (Schutzgedanke). Allerdings sei das Kriterium der
Durchsetzungsfähigkeit von bedenklicher Unbestimmtheit geprägt. Die Rechtsprechung begnüge sich mit Wendungen, die man in anderen
Entscheidungen sonst in dieser vagen Form nicht vorfinde. So müsse tariffähige Verband "sozial glaubwürdig" sein, "fühlbaren Druck
ausüben" können. In BAG, AP Nr. 40 zu § 2 TVG heiße es, er müsse "zumindest soviel Druck ausüben" können, "dass sich die
Arbeitgeberseite veranlasst sehe, sich auf Verhandlungen einzulassen". Selbst diese Voraussetzungen habe die Beteiligte zu 2. in einer
Vielzahl von Fällen erfüllt. Sie werde von ihrem sozialen Gegenspieler ernst genommen. Dies spiegele auch der Vortrag der
Arbeitgeberseite im vorliegenden Verfahren wider. Entscheidend sei aber zugunsten der Beteiligten zu 2. zu berücksichtigen, dass es bei
ihr nicht um die abstrakte Feststellung ihrer Durchsetzungsfähigkeit gehe. Durch den Abschluss von originären und Anschlusstarifverträgen
habe die Beteiligte zu 2. über Jahre hinweg konkret nachgewiesen, dass sie durchsetzungs- und damit tariffähig sei. Dieses Ergebnis
werde durch die errungenen Mandate bei Aufsichtsrats- und Betriebsratswahlen zusätzlich untermauert. Um der Beteiligten zu 2. ihre
Tariffähigkeit absprechen zu können, müsste letztlich jeder einzelne von der Beteiligten zu 2. abgeschlossene Tarifvertrag im Rahmen
einer wertenden Gesamtwürdigung auf den Prüfstand gestellt werden. Angesichts der Vielzahl der abgeschlossenen Tarifverträge zeige
dies bereits die Absurdität des Feststellungsantrags der Antragstellerin.
72
Die Koalitionsfreiheit gestatte es nicht, dass sich die Beteiligte zu 2. angesichts von über 3.500 Tarifverträgen für jedes Wort ihrer
Tarifverträge gegenüber ihrem gewerkschaftlichen Konkurrenten in einem gerichtlichen Verfahren rechtfertigen müsse, zumal die
Antragstellerin in einer Reihe von Fällen die gleichen Tarifverträge weitgehend als Anschlusstarifverträge oder weitgehend vergleichbare
Tarifverträge als originäre Tarifverträge geschlossen habe.
73
Sie habe in ihrer langjährigen gewerkschaftlichen Tätigkeit gezeigt, dass sie in hohem Maße verantwortungsbewusst mit der übertragenen
Regelungsmacht umgehe. Gefälligkeitstarifverträge seien mit ihr nicht umzusetzen. Insoweit habe sie umfangreich vorgetragen. Die in
diesem Verfahren vorgelegten zahlreichen und innovativen Tarifverträge spiegelten ihre tarifpolitische Kompetenz und ihr wirtschaftliches
Augenmaß wider. Die Beteiligte zu 2. sei ein verlässlicher Sachwalter ihrer Mitglieder und anderer Arbeitnehmer. Die erzielten Ergebnisse
zeigten ihre soziale Mächtigkeit und Durchsetzungskraft.
74
Die seitens der Antragstellerin geäußerten Bedenken, ihre tarifpolitische Aktivität gefährde das Tarifvertragssystem, überzeugten auch aus
einer anderen Überlegung heraus nicht. Zwingende Wirkung entfalteten die Tarifwerke der Beteiligten zu 2. nur für ihre eigenen Mitglieder.
Dass auch die Arbeitsverhältnisse der Außenseiter über Bezugnahmeklauseln mitgestaltet würden, sei Ausdruck der Privatautonomie. Der
Antragstellerin stehe es jederzeit frei, für ihre Mitglieder ihrer Auffassung nach günstigere Tarifverträge durchzusetzen. Gelinge ihr dies –
wie die Praxis zeige – nicht, so spreche dies eben nicht für die fehlende Durchsetzungsfähigkeit der Beteiligten zu 2., sondern für die
fehlende Durchsetzungsfähigkeit der Antragstellerin selbst. Offenbar sei die Antragstellerin nicht in der Lage, über Arbeitskämpfe einen
solchen Druck zu erzeugen, dass die Arbeitgeberseite die Tarifverträge mit ihr statt mit der Beteiligten zu 2. abschließe. Insoweit werde
deutlich, dass die Antragstellerin zur Begründung des Gewerkschaftsstatus der Beteiligten zu 2. Forderungen erhebe, die sie selber nicht
erfülle.
75
Gänzlich unzutreffend sei der Rückschluss der Antragstellerin, die Auswahl der am Abschluss der Tarifverträge beteiligten Personen
belege die fehlende Mitgliederbasis und damit einhergehend die fehlende Tariffähigkeit der Beteiligten zu 2. Wenn sie beim Abschluss
ihrer Verträge bewusst auf tarifpolitisch erfahrene Mitglieder zurückgreife, könne daraus nicht auf eine fehlende Mitgliederbasis etwa im
Handwerksbereich geschlossen werden. Es gehe beim Abschluss eines Tarifvertrages eben nicht um eine Handwerksarbeit, sondern um
die rechtssichere Gestaltung umfassender Tarifwerke. Insoweit könne ihr nicht vorgeworfen werden, dass sie bei Verhandlungen auf
bewährte, rechtskundige Vertreter setze, die natürlich über die betreuenden Sekretäre und Ehrenamtlichen im direkten Kontakt mit der
Mitgliederbasis stünden. Entscheidend beim Abschluss eines Tarifvertrages sei die Sachkompetenz der Handelnden. Der Beteiligten zu 2.
könne nicht untersagt werden, externe Berater, wie etwa auf Tarifrecht spezialisierte Anwälte oder Unternehmensberater, mit in die
Verhandlungen einzubeziehen und diese die Verhandlungen führen zu lassen. Überdies sei angemerkt, dass die Antragstellerin insoweit
in genau der gleichen Art und Weise arbeite.
76
Abschließend sei nochmals auf die gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung verwiesen, wonach die Tarifautonomie auch bei der
gerichtlichen Nachprüfung von Tarifverträgen respektiert werden müsse. Die gerichtliche Kontrolle eines Tarifvertrages dürfe nicht zu einer
Tarifzensur führen. Tarifverträge seien von den Gerichten nur darauf zu prüfen, ob sie gegen das Grundgesetz, gegen zwingendes
Gesetzesrecht, gegen die guten Sitten oder gegen tragende Grundsätze des Arbeitsrechts verstießen. Im übrigen sei es nicht Aufgabe der
Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die sachgerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen hätten. Es käme auch nicht
darauf an, ob mit den in Frage stehenden Tarifverträgen die Arbeitsbedingungen für die Mitglieder schon ähnlich günstig geregelt worden
seien wie von großen und anerkannten Gewerkschaften. Das bedeute, dass die Entscheidung über die Tariffähigkeit und ihren damit
einhergehenden Gewerkschaftsstatus nicht auf einen wertenden Vergleich der Tarifverträge der Beteiligten zu 2. und der Antragstellerin
gestützt werden dürfe. Ein solches Vorgehen verstieße gegen das Verbot der Tarifzensur.
77
Ungeachtet dieser rechtlichen Vorgabe zeugten die abgeschlossenen Tarifverträge von ihrem in der Fachwelt beachtetem tarifpolitischen
Sachverstand und dem gebotenen wirtschaftlichen Weitblick. Sie brauchten einen Vergleich mit den Verträgen der Antragstellerin nicht zu
scheuen. Die abgeschlossenen Tarifverträge seien unumstößlicher Beweis für ihre Durchsetzungsfähigkeit.
78
Die Antragsgegnerin beantragt,
79
den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
80
Der Beteiligte Ziffer 8 hat sich nicht geäußert.
81
Die Beteiligten Ziffer 3, 9, 10, 12-17 vertreten die Auffassung,
82
dass es der ... ausschließlich darum gehe, die ... als Tarifvertragspartei vom Markt zu verdrängen. Sie sei der ... als innovative Kraft lästig
und stehe ihr und damit auch den im ... zusammengeschlossenen Gewerkschaften bei der Bestrebung, ein Gewerkschaftsmonopol zu
bilden, im Wege. Sie wolle sich mit der ... einer Konkurrenz entledigen, die ihre Pflichten anders definiere, als es die ... tue. Diese
Überlegung sei wichtig, da das Gericht zu entscheiden habe, welche Maßstäbe anzulegen seien, um zu prüfen, ob die Anträge der ...
gerechtfertigt seien. Es gehe im Kern somit um Wettbewerb. Wettbewerb sei in unserer Gesellschaftsform aber gerade erwünscht. Auch
Wettbewerb unter Gewerkschaften sei mit Maßstäben zu regulieren, die an der Unlauterkeit des Handelns des Wettbewerbers ansetzten
und nicht an sachfremden Maßstäben, die völlig wettbewerbsunabhängig seien, wie insbesondere der Maßstab "Mächtigkeit". Das Gericht
müsse berücksichtigen, dass es um Minderheitenschutz gehe, wenn die große ... die kleine ... aus dem Wettbewerb verdrängen wolle. Eine
Ausschaltung der Konkurrentin durch das Gericht und damit die Verneinung der Gewerkschaftseigenschaft käme einem Parteiverbot gleich.
83
Unter Hinweis auf die Entscheidung des BVerfG vom 20.10.1981 weisen sie darauf hin, dass das Grundrecht der Koalitionsfreiheit es
verbiete, die Tariffähigkeit der ... von Umständen abhängig zu machen, die nicht von der Sache selbst, also von der im allgemeinen
Interesse liegenden Aufgabe der Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens gefordert seien. Die ... sei in Zusammenarbeit sowohl mit dem
Beteiligten Ziffer 3 als auch mit den Beteiligten Ziffern 12-17 bereit und in der Lage, den von der staatlichen Rechtsordnung freigelassenen
Raum des Arbeitslebens durch Tarifverträge sinnvoll zu gestalten, um so die Gemeinschaft sozial zu befrieden. Das sei mit den
abgeschlossenen Tarifverträgen erwiesen, die weder Schein- noch Gefälligkeitstarifverträge seien. Keinesfalls müsse die ... vor unlauteren
Tarifverträgen geschützt werden wie sie glauben machen wolle. Die von der ... ausgehandelten Tarifverträgen in den jeweiligen Situationen
und die erzielten Erfolge in den Tarifverhandlungen gegen den Widerstand des Beteiligten zu 3) und den Beteiligten zu 12)-17) mache
deutlich, dass die ... die vom BVerfG aufgestellten Kriterien für die Anerkennung als tariffähige Gewerkschaft erfülle. Das zeige die Fülle der
originär abgeschlossenen Tarifverträge und auch der zeitliche Ablauf bis zum Ende der Verhandlungen des Tarifwerks ..., bei dem es der ...
gelungen sei, sich gegenüber der Arbeitgeberseite durchzusetzen. Bei einem den Parteien des Tarifvertragswerks ... unterstellten
verschleierten Diktat der Arbeitgeberseite oder einem Gefälligkeitsabschluss, hätte es nicht nicht 1 1/2-jähriger Verhandlungen bedurft.
Entgegen der Behauptung der ... sei die Initiative zu Gesprächen über einen Beschäftigungssicherungsvertrag im Jahr 1996 nicht von dem
Beteiligten zu 3), sondern von der ... ausgegangen, die über ihren Sekretär ... Verhandlungen über die Aufnahme von Tarifverhandlungen
vorgeschlagen habe, und zwar aus Sorge über das Verhalten der ..., die ihre Ziele der Angleichung des Lohnniveaus und der Lohnpolitik
an das Niveau in den westlichen Bundesländern ohne Rücksicht darauf verfolgt habe, dass in den neuen Bundesländern eine völlig
anders geartete und sich bereits wieder verschlechternde Situation vorgeherrscht habe und deshalb Ziel das Erhalten von Arbeitsplätzen
hätte sein müssen und nicht das Vernichten von Arbeitsplätzen durch Angleichung an das Westniveau. Der Vorstand des Beteiligten zu 3),
habe sich entschlossen, Gespräche aufzunehmen, zumal die ... bereits seit 1991 Tarifpartner des Beteiligten zu 3) sei und führende
Tarifpartei im Bereich des Handwerks. Im folgenden seien dann der Tarifvertrag für Standortsicherung und Beschäftigungsförderung in der
sächsischen Metall- und Elektroindustrie und der Tarifvertrag über die Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen für die sächsische
Metall- und Elektroindustrie verhandelt und abgeschlossen worden. Entgegen der Darstellung der ... sei die ... ein kompetenter und
konsequenter Verhandlungspartner gewesen, weshalb es auch dem Beteiligten zu 3) nicht gelungen sei, dringend nötige Ziele zu
erreichen, insbesondere die direkte Anbindung zum bayerischen Tarifvertrag aufzuheben, einen neuen sächsischen Entgelttarifvertrag
abzuschließen und die 100 %-Anpassung an das bayerische Tarifniveau zu beseitigen. Das verantwortliche Verhalten werde von der ... mit
den Begriffen "Lückenbüßer" und "Schein- und Gefälligkeitstarifverträge" desavouiert und zum Anlass genommen, dieses
Beschlussverfahren in die Wege zu leiten. Dass die ... sich mit einiger Verzögerung im Jahr 1997 doch noch zum Abschluss eines ...
Beschäftigungssicherungstarifvertrags bereitgefunden habe, der sich erheblich an den von ihr bekämpften Tarifvertrag mit der ... aus dem
Jahr 1996 anlehne und mit dem sie endlich die Realitäten der notleidenden ... in Sachsen zur Kenntnis genommen habe, sei lediglich
angemerkt.
84
Auch die Erfolge bei der Verbesserung der Ausbildungsmöglichkeiten dokumentierten, dass die ... eine ernstzunehmende Gewerkschaft
und Tarifvertragspartei sei, die ihrer Verantwortung für den Arbeitsmarkt und die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen gerecht
werde. Die ... und der Beteiligte zu 3) hätten mit dem Tarifvertrag zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze und zur Förderung der
betrieblichen Ausbildung in der ... und ... vom 20.06.1997 wichtige Voraussetzungen für eine betriebliche Ausbildung geleistet, indem die
Ausbildungsvergütungen der wirtschaftlichen Realität in den kleinen und mittelständischen Unternehmen angepasst worden seien. Die
Verhandlungen hätten auf einem Vorschlag der ... vom 15.05.1997, unterbreitet durch den Landessekretär ... der ... beruht, der die
Aufnahme von Tarifverhandlungen vorgeschlagen habe. Mittels des am 09.07.1997 von 13 Unternehmen der ... mit Unterstützung des
Beteiligten zu 3) gegründeten Ausbildungsrings ... seien bis 2001 dann die über 1000 zusätzlichen Ausbildungsverträge geschlossen
worden. Über 200 Unternehmen nähmen die Dienste von ... in Anspruch.
85
Weiterhin habe der Beteiligte zu 3) als Mitglied des ... in Sachsen, Sachen-Anhalt und Thüringen – Ostmetall e.V. an den intensiven, harten
aber eben auch zukunftsweisenden Tarifvertragsverhandlungen mit der ... teilgenommen, die beginnend im Winter 1996 über 14 jeweils
zweitägige, auch dreitägige intensive und schwierige Verhandlungsrunden bis zum Frühjahr 1998 schließlich am 15.05.1998 zur
Unterzeichnung des Tarifvertragswerks ... geführt hätten, einem neuen innovativen Tarifvertrag für Sachsen, Sachsen-Anhalt und
Thüringen. Allein die Verhandlungsdauer über ca. 30 Verhandlungstage hinweg bewiese, dass es sich weder um einen Scheintarifvertrag
noch um einen Gefälligkeitstarifvertrag handele. Das Rahmentarifsystem ... werde sowohl von einer Vielzahl von Unternehmen, die
Mitglieder der vorgenannten Verbände seien, angewandt als auch von Außenseitern. Besonders bemerkenswert sei, dass die ...
zwischenzeitlich den Erfolg des Rahmentarifwerks ... anerkenne und im Haustarifvertrag mit der ... zusammen mit der ... und der damals
noch selbständigen ... mit einer Laufzeit bis zum 31.12.2002 wesentliche Regelungsinhalte von ... akzeptiere. Festzustellen sei, dass das
Tarifsystem ... Rahmenregelungen und Angebote an die Betriebsparteien biete, ohne das Bedürfnis der Mitarbeiter und der Unternehmen
nach der Schutzfunktion von Tarifverträgen aufzugeben. ... sei kein Billig-Tarifvertrag. So habe die ... z.B. durchgesetzt, dass die tariflich
bedingte Personalkostensumme in einem Unternehmen nicht reduziert werden dürfe. Somit biete ... moderne Entgeltlösungen auf der
Grundlage verbindlicher und trotzdem flexibler Strukturen. Damit stelle ... zugleich eine Chance und eine innovative Lösung für einen
modernen Flächentarifvertrag dar, zu dem sich die Beteiligten zu 3) und zu 10), aber auch die ... grundsätzlich bekannt hätten. Ein solches
innovatives Tarifsystem zur Verfügung zu haben, sei zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen erforderlich. Wenn die ... in diesem
Verfahren die ... diskreditiere, weil sie die besonderen Gegebenheiten der neuen Bundesländer erkannt habe und in diesem Umfeld ihrer
Verantwortung als Tarifvertragspartei und Gewerkschaft nachkomme, dann kommentiere sich das selbst.
86
Schließlich wiesen die nach 1999 abgeschlossenen Fortschreibungstarifverträge nach, dass die ... nach wie vor aktiv und
verantwortungsbewusst am Tarifgeschehen in den Neuen Bundesländern teilnehme und es beeinflusse. Der Vortrag der ..., die ... habe in
Ostdeutschland keine Mitglieder und die mit ihr vereinbarten Tarifverträge würden nicht angewandt, sei unsubstantiiert. Auch im
arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren obliege es dem Antragsteller, seinen Antrag mit einer schlüssigen Begründung zu versehen.
Demgegenüber stelle die ... Behauptungen zu Lasten der ... auf, in der Hoffnung, mit Hilfe des § 83 I ArbGG die ... ausforschen zu können,
um auf diesem Umweg zu einer schlüssigen Anspruchsbegründung zu kommen. Das ersetze aber keinen schlüssigen Vortrag.
87
Letztlich komme es auf die Durchsetzungsfähigkeit der ... nicht an, weil dieses Kriterium gegen supranationales Recht verstoße und
deshalb für die Beurteilung, ob die ... fähig sei, Tarifverträge für ihre Mitglieder abzuschließen außer Betracht zu bleiben habe.
88
Aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 8 VO 1612/68 der EU folge, dass zugewanderte Arbeitnehmer die bereits Mitglied in einer
(heimatlichen) Gewerkschaft seien, nicht durch konkurrierende deutsche Gewerkschaften oder durch den Arbeitgeber diskriminiert werden
dürften. Deshalb müsse der Gewerkschaftsbegriff europaweit einheitlich bestimmt werden, auch hätten die Europabürger Anspruch, sich
von den heimatlichen Gewerkschaften vertreten zu lassen. Andernfalls würde Druck auf die Zugewanderten ausgeübt, aus ihrer
Heimatgewerkschaft auszutreten und in eine deutsche Gewerkschaft einzutreten. Im Sinne einer effektiven Gleichstellung könne daher Art.
8 VO 1612/68 nur bedeuten, dass Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates seien und im Hoheitsgebiet eines anderen
Mitgliedsstaates beschäftigt würden, das Recht hätten, ihre Heimatgewerkschaft quasi mitzubringen. Nur dies gewährleiste eine
vergleichbare Berücksichtigung bei der Willensbildung und dies werde beispielsweise dem erforderlichen Vertrauensverhältnis zu einem
Rechtsschutzsekretär gerecht. Der Nachzug der Heimatgewerkschaft werde aber durch das Mächtigkeitserfordernis verhindert, das damit
eine faktische Diskriminierung respektive eine unterschiedslos anwendbare Maßnahme mit mobilitätsbehindernder Wirkung darstelle.
89
Auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit i. V. m Art. 4 des Sozialabkommens erfordere eine freie Wahl des Tarifstatuts. Dem werde die deutsche
Rechtsordnung nicht gerecht, wenn sie beim Tarifvertragsrecht am Arbeitsortsprinzip festhalte und durch das Mächtigkeitserfordernis
ausländische Gewerkschaften effektiv fernhalte. Im Verhältnis zu Gewerkschaften anderer Mitgliedsstaaten, in denen die Anerkennung der
Gewerkschaftseigenschaft nicht am Maßstab der "Mächtigkeit" gemessen werde, und die Interessen ihrer Mitglieder in Deutschland
wahrnehmen dürften, läge dann aber im Fall der Aberkennung der Gewerkschaftsqualifikation der Antragsgegnerin eine unzulässige
Inländerdiskriminierung vor. Dann müßte nach Art. 100 GG ein konkretes Normenkontrollverfahren eingeleitet werden, um das
Mächtigkeitserfordernis wegen der dann bestehenden Ungleichbehandlung deutscher Gewerkschaften im Vergleich zu solchen aus
anderen Mitgliedsstaaten an Art. 3 I/III GG i.V.m. Art. 12 und Art. 9 III GG zu messen. Eine solche Inländerdiskriminierung festzustellen, hätte
aber wiederum zur Voraussetzung, dass geklärt werde, ob das Mächtigkeitserfordernis überhaupt mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar
sei. Eine solche mittelbare Entscheidungserheblichkeit reiche nach ständiger Rechtsprechung des EuGH aus, die Rechtsfrage dem EuGH
vorzulegen. Außerdem seien die Artikel 12, 28 und 52 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000) tangiert. Da Art. 12 Art.
11 EMRK entspreche und der EuGH in ständiger Rechtsprechung auf den Grundrechtskatalog der EMRK als Quelle gemeinschaftlicher
menschenrechtlicher Errungenschaften aller Mitgliedsstaaten zurückgreife, bilde auch die Reichweite des Art 11 EMRK einen Gegenstand
eines Vorlageverfahrens. Gleiches folge schließlich aus der Kompetenzvorschrift des Art. 137 Abs. 3, dritter Spiegelstrich i.V.m. Abs. 6 EUV:
Wenn der Rat die Kompetenz habe, über die "Vertretung und kollektive Wahrnehmung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen" zu
entscheiden und hiervon nur das Koalitionsrecht und das Arbeitskampfrecht in Abs. 6 ausgenommen sind, dann bleibe es bei der
Gemeinschaftskompetenz für das Tarifvertragsrecht. Somit sei auch der EuGH befugt, die im EGV selbst vorausgesetzte Garantie effektiver
Kollektivverhandlungen durchzusetzen und nationale Rechte zu beanstanden, die dieses Recht unverhältnismäßig erschwerten. Das
Mächtigkeitserfordernis schränke die Koalitionsfreiheit des Art 11 EMRK unzulässig ein. Denn das widerspreche dem auch von Preis
anerkannten Grundsatz, dass die Gemeinschaften an die Grundrechte gebunden sind. Dies ergebe sich unmittelbar aus Art. 6 II EGV.
Danach verbiete sich jede sekundärrechtliche Regelung oder Rechtsprechung, die den Grundrechtsschutz einschränke.
90
Desweiteren seien Art 5 und 6 der ESC zu beachten, woraus folge, dass es angesichts des engen Zusammenhangs von Tarifautonomie
und Streikrecht nicht auf die Tariffähigkeit ankommen dürfe, womit das konventionelle Kriterium sozialer Mächtigkeit entfalle.
91
Auch beim Beamtenstatut der EU hätten die Organe der EU die arbeitsrechtlichen Beziehungen zu ihren Beamten dahingehend regeln
können, dass die gewerkschaftliche Vertretung nur sozial mächtigen, respektive repräsentativen Koalitionen zustehen solle. Dies sei
gerade nicht geschehen. In Art. 24 a) des Beamtenstatuts werde den Beamten die Vereinigungsfreiheit ohne eine derartige Einschränkung
gewährt. Wenn also überhaupt eine Einschränkung der Koalitionsfreiheit durch das Mächtigkeitserfordernis zu legitimieren wäre, dann
wäre dies am ehesten bei Beamten des tendenzgeschützten Arbeitgebers EU zu erwarten gewesen.
92
Damit werde deutlich, dass die für dieses Verfahren entscheidungserhebliche Materie entweder bereits vom Arbeitsgericht
gemeinschaftsrechtskonform i.S. der ... auszulegen oder aber das Verfahren auszusetzen und dem EuGH zur Vorabentscheidung
vorzulegen wäre.
93
Schließlich sei Art. 49 EGV dahingehend auszulegen, dass die Dienstleistungsfreiheit nationale Normen verbiete, welche die Erbringung
gewerkschaftlicher Dienstleistungen von Voraussetzungen abhängig mache, die den Marktzutritt für ausländische Gewerkschaften
beschränkten ohne durch ein zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses gerechtfertigt zu sein. Dies sei auch
entscheidungserheblich. Entgegen der von Preis in seinem für die ... in diesem Verfahren gefertigten Gutachten vertretenen Auffassung
falle die Regelung der Tariffähigkeitsvoraussetzungen nicht allein in die Regelungskompetenz der Mitgliedsstaaten. Auch aus der in Art.
137 Abs. 6 EGV auf der Ebene des Gemeinschaftsrechtes angeordneten Regelungssperre hinsichtlich des Koalitionsrechts folge nicht,
dass das Koalitionsrecht gemeinschaftsrechtsfreie Zone sei. Art. 137 Abs. 6 EGV beschränke sich darauf, die Regelungskompetenz des Art.
137 Abs. 2 EGV zurückzunehmen. Bereichsausnahmen i.S. von absoluten Autonomiebereichen seien dem Recht der EG jedoch fremd.
Daraus, dass das Koalitionsrecht nicht von der Kompetenz gem. Art. 137 Abs. 2 EGV erfasst werde, folge nicht, dass die europäischen
Institutionen nicht bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine andere Ermächtigungsgrundlage heranziehen könnten. Man
brauche hier nur z.B. an Art. 95 EGV (Marktharmonisierung) zu denken. Das von Preis vorgestellte Ergebnis eines Grundfreiheits- und
Grundrechtsfreiraumes, dessen Einmaligkeit aus der Ausnahmevorschrift des Art. 137 Abs. 6 EGV hergeleitet werden solle, finde
nirgendwo eine Stütze. Die Rücknahme der Regelungskompetenz aus Art. 137 Abs. 2 EGV durch Art. 137 Abs. 6 EGV erlaube es den
Mitgliedsstaaten also nicht, in die geschützten Grundfreiheiten der ... und ihrer Mitglieder einzugreifen oder gegen sekundäre
Grundfreiheiten zu verstoßen.
94
Die Beteiligten 12-17 tragen ergänzend zu den Ausführungen der Beteiligten 3 und 10 vor:
95
Ihre Durchsetzungsfähigkeit habe die Antragsgegnerin durch ihre Alleinstellung im ... in den 5 neuen Bundesländern mehr als deutlich
unter Beweis gestellt. Dort sei die Antragstellerin als Tarifvertragspartei seit der Vereinigung im Jahr 1990 überhaupt nicht zum Zug
gekommen. Ein vergleichbares Bild ergebe sich in den Tarifgebieten der einschlägigen Handwerksinnungen in den alten Bundesländern.
Mit der Antragsgegnerin seien in zahlreichen Tarifverhandlungen die einzelnen Tarifverträge verhandelt und schließlich abgeschlossen
worden. Es habe sich keinesfalls um Gefälligkeitstarifverträge gehandelt: In einzelnen Fällen hätten die Verhandlungspartner der
Arbeitgeberseite ihre Mitglieder sogar ob des Verhandlungsergebnisses besänftigen müssen. Allein die Tatsache, daß die Antragsgegnerin
die dokumentierten Tarifverträge abgeschlossen habe, bestätige unübersehbar, dass der Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen sei.
Alle Tarifverträge im Handwerksbereich stammten, wie das jeweilige Datum zeige, aus aktueller Zeit. Sie seien regelmäßig seitens der
Antragsgegnerin gekündigt worden und hätten nach Tarifverhandlungen zu erneuten Abschlüssen geführt. Die mit den Beteiligten 12-17
abgeschlossenen Tarifverträge hätten sich auch durchgesetzt. Die von der Antragsgegnerin abgeschlossenen (Bundes-) Tarifverträge über
Mindestentgelte im Elektrohandwerk seien im übrigen auch für allgemeinverbindlich erklärt worden. In den neuen Bundesländern sei im
Handwerksbereich nicht die Antragsgegnerin, sondern die Antragstellerin faktisch tarifunfähig.
96
Die Beteiligten Ziffern 3, 9-10, 12-17 beantragen,
97
den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
98
Der Beteiligte Ziffer 11 trägt vor:
99
Grundsätzlich gebe es keinen Anspruch der ..., die Interessen von Arbeitnehmern in dem vom Bundesverband Metall bzw. dessen
Landesverbänden vertretenen Bereichen alleine zu vertreten. Aus Artikel 9 GG lasse sich nicht entnehmen, dass das Feld zur Gründung
von Arbeitnehmervereinigungen auf die ... beschränkt sei, bzw. sie mit den im ... zusammengeschlossenen anderen Gewerkschaften sich
die Branchen und Regionen u.a., aufteilen dürfe. Eine gesetzliche Regelung ähnlich dem § 79 HwO, der für bestimmte Branchen und
Gebiete nur einen Landesinnungsverband bzw. Innung zulasse, gebe es für Gewerkschaften nicht. Als Spitzenverband der
Landesinnungen des Metallhandwerks schließe er zwar auf Bundesebene weder mit der ... noch ... Tarifverträge ab, wohl aber
Landesinnungen z.B. in Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen. Zum Teil gebe es dort Tarifverträge, die neue Wege
beschritten bzw. Bereiche regelten, die von Tarifverträgen mit der ... nicht erfasst würden, z.B. einen Tarifvertrag über eine zusätzliche
Altersvorsorge in Nordrhein-Westfalen. Bei all den bisherigen Verhandlungen über Tarifverträge sei von der Arbeitgeberseite des
Metallhandwerks nie die Gewerkschaftseigenschaft der ... in Frage gestellt worden. Die Streikfähigkeit der ... wegen angeblich fehlender
Mittel, einen Streik über längere Zeit auch finanziell durchführen zu können (finanzielle Leistungskraft), spiele im Bereich des
Metallhandwerks keine gewichtige Rolle. Soweit bekannt, hätten auch die tarifvertragsschließenden Landesinnungsverbände keine
Rücklagen, um bestreikten Betrieben über lange Zeit unterstützen zu können. Auch das Argument, es fehle der ... zur
Gewerkschaftseigenschaft an der erforderlichen Anzahl von Mitgliedern, sei im Bereich des Metallhandwerks ohne große Bedeutung, da
die Anzahl der Beschäftigten ohnehin geringer sei als die z.B. in der Metallindustrie. Eine sozialpolitische Bedeutung habe die ... durchaus.
Sie habe sich in ihrem Programm zu christlichen Vorstellungen des Abendlandes bekannt. In einer Zeit der offenen Grenzen flössen
zwangsläufig auch religiöse Strömungen und Vorstellungen aus anderen Weltreligionen in das Arbeitsleben ein, so z.B, inwieweit ein
Arbeitgeber von Mitarbeitern nichtchristlichen Glaubens an deren religiösen Feiertagen eine Arbeitsleistung verlangen könne. Unter
diesem Gesichtspunkt sei es durchaus verständlich, wenn die christliche Glaubenslehre auch hier über eine Gewerkschaft Einfluss auf
Arbeitsverhältnisse nehmen möchte. Die beiden großen Kirchen hätten mangels Vertragsbeziehungen zu den Arbeitgebern oder deren
Verbänden keine Möglichkeit, christliche Elemente in den Betrieben durchzusetzen. Gegen das Argument, die CGM könne keinen
tarifpolitischen Druck ausüben, spreche schon der Abschluss von verschiedenen Tarifverträgen in einigen Landesverbänden. Inhaltlich
seien diese Tarifregelungen für die Arbeitnehmer günstiger als vergleichbare gesetzliche Regelungen des gleichen Sachverhaltes.
Insofern spreche einiges dafür, dass die ... tarifpolitischen Druck auf die entsprechenden Organisationen ausgeübt habe. Unter rein
wirtschaftlichen Gesichtspunkten gesehen, wäre es für den einzelnen Betrieb günstiger, die gesetzliche Regelungen für Arbeitsverhältnisse
anzuwenden. Abstrakt betrachtet bilde das deutsche Arbeitsrecht ein durch Gesetz, Tarifverträge und Richterrecht entstandenes im Prinzip
vollständiges Mosaik an Arbeitnehmergrundrechten, zu dem sicherlich auch der "Stein" Gewerkschaftsgründung gehöre. Auf europäischer
Ebene gebe es allenfalls einzelne Steinchen zu einzelnen Themen, die aber nicht einmal im Gegensatz zu dem bildlich angesprochenen
Mosaik miteinander verbunden seien. Die deutsche Rechtsprechung zur Gewerkschaftseigenschaft ist insoweit wesentlich deutlicher als
das Gemeinschaftsrecht. Andererseits müsse auch die Frage gestellt werden, ob nicht die deutsche "Messlatte" für die
Gewerkschaftseigenschaft zu Unrecht höher sei, als die allerdings bislang nicht so eindeutig erkennbare europäische. Die Institution
Gewerkschaft werde durch das Gemeinschaftsrecht geschützt, für die Frage, welche Eigenschaften an eine Gewerkschaft nach
Gemeinschaftsrecht zu stellen sei, gebe es allerdings keine ausreichenden Hinweise. Politisch möge die Grundrechts-Charta sicherlich
überzeugen rechtlich jedoch nicht, fehle es doch an "Ausführungsverordnungen". Im Zusammenhang mit dem Mächtigkeitserfordernis sei
noch darauf hingewiesen, dass im ArbGG 1946 der Begriff Gewerkschaft anstelle des früher gebräuchlichen Begriffes Wirtschaftliche
Vereinigung von Arbeitnehmern verwendet sei. Damals sei bereits anerkannt gewesen, dass eine Gewerkschaft frei gebildet, auf Dauer
angelegt und vom Gegner unabhängig, sein müsse. Die Frage der Mächtigkeit, also die Möglichkeit, Druck auf den sozialen Gegenspieler
ausüben zu können, sei damals nicht als Problem diskutiert und sei vom Gesetzgeber auch nicht vorausgesetzt worden. Letztendlich habe
das BAG dieses Merkmal zusätzlich "kreiert", obwohl es von Gesetzes wegen nicht gewollt gewesen sei. Auch dürfe der Begriff nicht nur
unter dem Blickwinkel des Tarifvertraggesetzes gesehen werden. In § 11 ArbGG sei den Gewerkschaften die Postulationsfähigkeit vor
Arbeitsgerichten – ebenso wie vor Sozialgerichten eingeräumt. Um hier als Gewerkschaft tätig werden zu können, sei eine "Mächtigkeit"
nicht erforderlich. Nach Art. 9 III GG gehöre auch die Mitgliederwerbung zu den geschützten Tätigkeiten. Es sei nicht erkennbar, weshalb
dazu "Mächtigkeit" erforderlich sei. Diese Betätigung würde damit unzulässig erschwert. Mangels Gewerkschaftseigenschaft wegen
fehlender Mächtigkeit wären solche Vereinigungen für Arbeitnehmer kaum attraktiv und somit hätten diese Vereinigungen keine
Möglichkeit, Mitglieder zu gewinnen. Es sei auch kaum denkbar, dass ein Arbeitnehmer in eine Gewerkschaft eintrete, die für ihn keine
Tarifverträge abschließen dürfe. Neben der Möglichkeit der Prozessvertretung vor den Arbeitsgerichten, den sozialen Angeboten einer
Gewerkschaft und der Möglichkeit zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit in dieser Organisation spielten die Chancen auf eine wirtschaftliche
Verbesserung durch entsprechende Tarifverträge die wichtigste Rolle für einen Gewerkschaftsbeitritt eines Arbeitnehmers. Räume man
dem Punkt "Mächtigkeit" eine zu gewichtige Rolle ein, würde man auf diese Weise die ... faktisch beerdigen bzw. die Gründung neuer
Gewerkschaften sehr erschweren.
100
Der Beteiligte Ziffer 11 beantragt,
101
den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
102
Der Beteiligte Ziffer 4 vertritt die Ansicht,
103
dass die Kriterien, die eine Gewerkschaft im Tarifsinne ausmachten, im Lichte des Art 9 Abs. 3 GG zu sehen seien. Eine Rechtsprechung,
die Kriterien anlege, die das Recht einer Gewerkschaft aus Art 9 Abs. 3 verletze, wäre daher verfassungswidrig. Das hier im Streit
befindliche Erfordernis "soziale Mächtigkeit", wie es in den mündlichen Verhandlungen diskutiert worden sei, schütze ohne
verfassungsrechtliche Korrektur bestehende Gewerkschaften gegen neue Konkurrenz (H. Otto, Fs. f. Zöllner, 1996, 895) und sichere somit
Monopolstellungen. Das verstoße gegen Art 9 Abs. 3 GG. Gewerkschaften sollten daran mitwirken, das Arbeitsleben sinnvoll zu ordnen und
der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu dienen. Hauptkriterium sei daher, ob sich bei den Parteien
Partner gegenüberstehen, die die Qualität besäßen, die Interessen ihrer Mitglieder kraftvoll zur Geltung zu bringen, in dem Sinn, dass ein
gegenseitiges Ernstnehmen und kein einseitiges Diktat vorliege. Um auch den Start neuer Koalitionen zu ermöglichen, reiche es für die
Annahme sozialer Mächtigkeit aus, dass eine Gewerkschaft tarifwillig und als Tarifvertragspartei anerkannt sei. Es sei wichtig, dass die
Antragsgegnerin kraft ihrer Autorität der Gegenseite und ihren Mitgliedern gegenüber und kraft ihrer organisatorischen Stärke in der Lage
sei, ihre Funktion in der Tarifauseinandersetzung seriös wahrzunehmen. Das umschreibe die Tariffähigkeit. Da die Antragsgegnerin dies
bereits durch zahlreiche konkurrenzfähige Tarifabschlüsse (ca. 700 Anschlusstarifverträge, ca. 500 Originär-Tarifverträge), unter Beweis
gestellt habe, sei ihr Tariffähigkeit zuzusprechen. Bei der Frage der Tariffähigkeit könne es nicht um rein zahlenmäßige Argumente gehen.
Denn dies bedeutete, dass das Monopol einer Gewerkschaft festgeschrieben werde und keine andere neugegründete Gewerkschaft sich
jemals etablieren könnte. Wenn das Grundgesetz die Vereinigungsfreiheit unter Schutz stelle, bedeute das, dass von Staats wegen keine
Hürden aufgebaut werden dürften, die die Tariffähigkeit einer Gewerkschaft verunmögliche. Ob eine Koalition in der Lage sei, die
Interessen ihrer Mitglieder durchzusetzen, könne auch durch gute Verhandlungsergebnisse erreicht werden und sei nicht nur mit
arbeitskampflichen Mitteln. Wolle man einer Koalition die Kompetenz zum Abschluss von Tarifverträgen von vornherein versagen, so
erzeuge man damit erst die Schwäche, auf die sich die Versagung dann berufe. Die Forderung nach einer Mindest-Mächtigkeit als
Voraussetzung des Schutzes aus Art. 9 Abs. 3 GG verwechsele Ursache und Wirkung. Die Macht gegenüber dem sozialen Widerpart
beruhe wesentlich auf den rechtlichen Möglichkeiten der widerstreitenden Parteien. Wenn dieser Schutz mit dem Argument versagt werde,
die Macht der Betroffenen sei noch nicht groß genug, hätten es der Staat oder die als solche schon anerkannte Koalitionen in der Hand,
selbst die Voraussetzungen für den Grundrechtsschutz zu schaffen oder zu vereiteln.
104
Der Beteiligte Ziffer 4 beantragt,
105
den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
106
Die Beteiligte Ziffer 5 hat sich nicht geäußert.
II.
107
Wegen der Antragsbefugnis der Antragstellerin, der im Beschlussverfahren zu beteiligenden Arbeitnehmerkoalitionen und deren
Spitzenverbände, der Arbeitgeberverbände, deren Spitzenverbände, der öffentlich rechtlichen Innungen und Innungsverbände, wird auf die
Ausführungen im Zwischenbeschluss der Kammer vom 19.02.1998 sowie auf die Feststellungen und Ergänzungen insbesondere in Bezug
auf den Beteiligten Ziff. 11 in dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 06. Juni 2000, Az. 1 ABR 21/99 im
Rechtsbeschwerdeverfahren verwiesen.
108
Zu ergänzen ist lediglich, dass sich das Beteiligungserfordernis bezüglich der Beteiligten Ziff. 7, der ... daraus ergibt, dass sie
Rechtsnachfolgerin der ... ist, deren Mitglieder aus im satzungsgemäßen Zuständigkeitsbereich sowohl der Antragstellerin als auch der
Antragsgegnerin im Betreuungsbereich der Beteiligten Ziff. 7 verblieben sind, wobei zwischen ... und der ... Kooperationsvereinbarungen
bestehen. Desweiteren ist festzustellen, dass sich die Organisationsbereiche der Antragstellerin und der Antragsgegnerin decken. Das gilt
auch für den von der Antragstellerin im Zuge der Fusion mit der Gewerkschaft ... mit übernommenen Organisationsbereich für das ... in
Hessen.
III.
109
1. Nach der Rücknahme des Hilfsantrags durch entsprechende Erklärung im Gerichtsprotokoll vom 10.01.2002, dort auf Seite 2
(Aktenband IX, Akt.Bl. 1538), steht zur Entscheidung noch der Antrag an, festzustellen, dass die Antragsgegnerin keine Gewerkschaft
im arbeitsrechtlichen Sinne ist.
110
2. Dieser Antrag ist auslegungsbedürftig. Ersichtlich geht es der Antragstellerin in dem nach § 97 ArbGG eingeleiteten Verfahren darum,
festgestellt zu wissen, dass die Antragsgegnerin nicht tariffähig und damit keine Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinn ist.
111
2.1 Die Antragstellung beruht darauf, dass die ... und der sie unterstützende Beteiligte Ziff. 6 von dem durch das BAG in ständiger
Rechtsprechung entwickelten sogenannten einheitlichen Gewerkschaftsbegriff ausgehen. Danach sind Gewerkschaften im
arbeitsrechtlichen Sinne nur tariffähige Arbeitnehmerkoalitionen (BAG in ständiger Rechtsprechung; BAG vom 15.03.1977, AP Nr. 24
zu Art.9 GG mit Anmerkung von Wiedemann; vom 14.03.1978, AP Nr. 30 zu § 2 TVG; vom 16.11.1982, AP Nr. 32 § 2 TVG m. kritischer
Anmerkung von Rüthers/Roth; vom 25.11.1986, AP Nr. 36 zu § 2 TVG = EzA § 2 TVG Nr. 17 mit Anmerkung von Schulin, vom
16.11.1990, AP Nr. 32 zu § 2 TVG ; vom 16.01.1990, AP Nr. 38 zu § 2 TVG < CG Holz u. Bau = AR-Blattei Berufsverbände
Entsch 31 mit Anmerkung von Löwisch; vom 06.06.2000, AP Nr. 55 zu § 2 TVG mit Anmerkung von Oetker).
112
Die Fähigkeit und der Wille im Zusammenwirken mit dem sozialen Gegenspieler ggf. unter Ausüben von Druck bis hin zum
Arbeitskampf Tarifverträge abzuschließen, ist aber nur ein, wenn auch wesentlicher Aspekt, unter dem Arbeitnehmerkoalitionen die
Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder fördern.
113
2.1.1 Der Schutzbereich der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG erfasst über die mitgeschützte Tarifautonomie zwar auch das vom Staat
zur Verfügung zu stellende funktionsfähige Tarifvertragssystem wie es in dem Tarifvertragsgesetz gesetzlich geregelt ist. Der
Schutzbereich geht aber weit darüber hinaus. Die in Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Betätigungsfreiheit der geschützten
Arbeitnehmerkoalitionen beinhaltet auch die Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen außerhalb des
Tarifvertragssystems. Zu Recht weisen Löwisch/Rieble (Münchner Handbuch Arbeitsrecht Band 3, 2. Aufl. 2000, § 243 RdNr. 234 f.)
darauf hin, dass die Koalitionsfreiheit ein verfassungsrechtliches Diskriminierungsverbot enthält. Dieses Diskriminierungsverbot
entscheidet die Frage, welche Anforderungen an einfach-gesetzliche Regelungen über die Befugnisse von Koalitionen von der
Tariffähigkeit bis hin zur Rechtsberatung gestellt werden dürfen. Dieses in der Koalitionsfreiheit enthaltene Diskriminierungsverbot
zwingt bei der Formulierung einfach-rechtlicher Koalitionsbefugnisse zu einem ausdifferenzierten Anforderungsprofil. Der Staat und
damit auch der gesetzesvertretende Richter dürfen danach rechtliche Kompetenzen von Koalitionen nur von solchen spezifischen
Merkmalen abhängig machen, die für die Wahrnehmung gerade dieses Rechts zwingend und unabdingbar erforderlich sind.
114
2.1.2 Der von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelte einheitliche Gewerkschaftsbegriff, der sämtliche
gesetzlichen Regelungsbereiche erfassen soll, ist nach Auffassung der Kammer mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 9 Abs. 3
GG weder vereinbar, noch ist er zeitgemäß. Gerade im Hinblick auf die sich aus den Privatisierungen der ehemaligen öffentlich-
rechtlich organisierten Einrichtungen der ..., der ... und der ... ergebenden Verpflichtung, ursprünglich ausschließlich Beamten
organisierende Verbände als Gewerkschaften im Sinne des Betriebsverfassungsrechts und der §§ 10 und 11 des
Arbeitsgerichtsgesetzes anzuerkennen, verdeutlicht, dass der Gewerkschaftsbegriff funktionsbezogen zu beschreiben und zu
entwickeln ist, und zwar nach Tariffähigkeit, nach dem Wollen und Können von Rechtsschutzgewährung durch eigene
Rechtsschutzsekretäre im Arbeitsgerichtsverfahren und danach, ob Arbeitnehmerkoalitionen in der Lage sind, als Gewerkschaften
im Rahmen der Betriebsverfassung tätig zu sein, ohne dass sie dazu noch tariffähig sein müssen, (Franzen, RdA 2001, 1ff.).
115
Die Kammer ist davon überzeugt, dass mit einer Ausdifferenzierung des Gewerkschaftsbegriffs je nach Funktionsbereichen, in denen
Arbeitnehmerkoalitionen ihre verfassungsrechtlich geschützten spezifischen Koalitionsbetätigungen entfalten, eine Diskriminierung
nicht tariffähiger Gewerkschaften, die seit jeher mit der gewährleisteten Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG nicht recht vereinbar ist,
zu vermeiden ist. Damit wird auch der Bereich des § 97 ArbGG von Verfahren entlastet, die mit der Feststellung der Tariffähigkeit bzw.
der Tarifzuständigkeit von Gewerkschaften, wenn überhaupt, nur am Rande zu tun haben.
116
Schließlich trägt eine klarstellende unterschiedliche Handhabe und Beschreibung des in Einzelgesetzen enthaltenen
Gewerkschaftsbegriffs dazu bei, die Rechtsprechung von dem auch in diesem Verfahren massiv vorgebrachten Vorwurf zu befreien,
sie leiste einem Alleinstellungsanspruch der im ... zusammengeschlossenen Einheitsgewerkschaften zu Unrecht Vorschub und
diskriminiere kleine oder im Gründungsstadium befindliche, sich durchaus als Gewerkschaften begreifende Arbeitnehmerkoalitionen
anläßlich ihrer satzungsgemäßen Betätigungen auf dem Gebiet der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer
Mitglieder.
117
3. Der so verstandene Antrag, nämlich festzustellen, dass die Antragsgegnerin keine tariffähige Gewerkschaft im Sinne des Arbeitsrechts
ist, ist begründet.
118
3.1. Weder aus Art. 9 Abs. 3 GG noch aus den Bestimmungen des Tarifvertragsgesetzes lassen sich die Voraussetzungen bestimmen, die
eine Arbeitnehmerkoalition zu erfüllen hat, um als tariffähige Gewerkschaft anerkannt zu werden. § 2 Abs. 1 TVG setzt vielmehr den
Begriff der tariffähigen Gewerkschaft voraus, dessen unabdingbare Mindestvoraussetzungen aus dem Arbeitnehmerkoalitionsbegriff
des Art. 9 Abs. 3 GG abzuleiten ist. Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet für Jedermann und für alle Berufe das Recht, zur Wahrung und
Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Koalitionen zu bilden. Darüber haben die am Arbeits- und Wirtschaftsleben
Beteiligten selbst und eigenverantwortlich, grundsätzlich frei von staatlicher Einflussnahme, zu bestimmen
(Bundesverfassungsgericht vom 01. März 1979 E 50, 290, 369 = AP Nr. 1 zu § 1 Mitbestimmungsgesetz; Bundesverfassungsgericht
vom 20. Oktober 1981 E 58, 233 f. = AP Nr. 31 zu § 2 TVG). Die Gewährleistung umfasst auch den Schutz der Koalition als solcher
und ihr Recht, durch koalitionsmäßige Betätigung die in Art. 9 Abs. 3 GG genannten Zwecke zu verfolgen (BVerfG a.a.O.).
Mitgewährleistet sind die Gründungs- und Beitrittsfreiheit, die Freiheit des Austritts und des Fernbleibens. Zu den besonders
geschützten Bereichen der koalitionsmäßigen Betätigung, vom Bundesverfassungsgericht bis zur Aufgabe der Kernbereichslehre als
spezifisch koalitionsmäßige Betätigung bezeichnet (BVerfG vom 14.11.1995, E 93, 352 = NZA 1996, 381), gehört auch der Abschluss
von Tarifverträgen, durch die die Koalitionen insbesondere Lohn- und sonstige materielle Arbeitsbedingungen in einem Bereich
eigenverantwortlich regeln, in dem der Staat seine Regelungszuständigkeit weit zurückgenommen hat (E 44, 322<340>; E 100, 271 =
NZA 1999, 992). Insofern dient die Koalitionsfreiheit einer sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens (Bundesverfassungsgericht E 4,
96<107>; E 18, 18<27>). Als Partner von Tarifverträgen müssen die Koalitionen darüberhinaus frei gebildet, gegnerfrei, grundsätzlich
auf überbetrieblicher Grundlage organisiert und ihrer Struktur nach unabhängig genug sein, um die Interessen ihrer Mitglieder auf
arbeits- und sozialrechtlichem Gebiet auch nachhaltig vertreten zu können. Sie müssen darüberhinaus das geltende Tarifrecht als für
sich verbindlich anerkennen. Anders als das Tarifvertragsrecht überlässt Art. 9 Abs. 3 GG den Koalitionen grundsätzlich die Wahl der
Mittel, die sie zur Erreichung ihres Zwecks für geeignet halten. Obwohl schrankenlos gewährleistet, braucht die Koalitionsfreiheit zur
Entfaltung in der gesellschaftlichen und Rechtswirklichkeit eine gesetzliche Ausgestaltung. Diese besteht in der Schaffung der
Rechtsinstitute und Normenkomplexe, die erforderlich sind, um die grundrechtlich garantierten Freiheiten überhaupt ausüben zu
können. Darüberhinaus erfordern die Bedeutung und die Vielzahl der von den Koalitionsbetätigungen erfassten Belange der
Wirtschafts- und Sozialordnung vielfältige gesetzliche Regelungen, die der Koalitionsfreiheit auch Schranken setzen. Dies gilt nach
der feststehenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umso mehr, als die Gewährleistungen des Art. 9 Abs. 3 GG auf
sich wandelnde wirtschaftliche und soziale Bedingungen bezogen sind, die mehr als bei den "klassischen" Freiheitsrechten die
Möglichkeit zur Modifikation und Fortentwicklung lassen müssen (BVerfG vom 20. Oktober 1981 und vom 01.03.1979 a.a.O.). Art. 9
Abs. 3 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Tragweite der Koalitionsfreiheit insofern zu bestimmen, als er die Befugnisse der
Koalition im Einzelnen gestaltet und näher regelt. Dabei kann den besonderen Erfordernissen des jeweils zu regelnden Sachverhalts
Rechnung getragen werden.
119
3.2. Allerdings dürfen dem Betätigungsrecht der Koalition nur solche Schranken gezogen werden, die zum Schutz anderer Rechtsgüter
von der Sache her geboten sind. Regelungen, die in dieser Weise nicht gerechtfertigt sind, greifen in den durch Art. 9 Abs. 3 GG
geschützten Bereich der Koalitionsbetätigung ein und sind nicht verfassungsgemäß (Bundesverfassungsgericht E 19, 303<321>; 28,
295<306>, 50, 290<369>; 58, 233 f., dort unter B I 1).
120
3.3. Diese Grundsätze gelten auch für die durch Art. 9 Abs. 3 GG mitgewährleistete Tarifautonomie. Sie weist dem Gesetzgeber einen
weiten Bereich zur Ausgestaltung zu und schafft damit den erforderlichen Spielraum, die Voraussetzungen der Tariffähigkeit der
jeweiligen gesellschaftlichen Wirklichkeit so anzupassen, dass die Koalitionen ihre Aufgaben auch sinnvoll erfüllen können
(Bundesverfassungsgericht vom 20. Oktober 1981 a.a.O.). Der Schutzbereich der Koalitionsfreiheit verbietet es jedoch, die
Tariffähigkeit von Umständen abhängig zu machen, die nicht von der Sache selbst, also von der im allgemeinen Interesse liegenden
Aufgabe der Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens gefordert sind. Der Gesetzgeber ist allerdings an einer sachgemäßen
Fortbildung des Tarifvertragssystems nicht gehindert. Begrenzt wird die Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers lediglich durch die
Garantie eines gesetzlich geregelten und geschützten Tarifvertragssystems, dessen Partner frei gebildete Koalitionen im Sinne des
Art. 9 Abs. 3 GG sein müssen.
121
3.4. Da der Gesetzgeber auf die Normierung der Voraussetzungen für die Gewerkschaftseigenschaft und die Tariffähigkeit verzichtet hat,
sind die Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit nicht nur befugt, sondern verpflichtet, die unbestimmten Rechtsbegriffe im Wege der
Auslegung des Tarifvertragsgesetzes unter Berücksichtigung und insbesondere unter Beachtung des Schutzbereichs des Art. 9 Abs.
3 GG auszufüllen, also gesetzesvertretend die Voraussetzungen für die Tariffähigkeit einer Gewerkschaft selbst näher zu
umschreiben (Bundesverfassungsgericht vom 20.10.1981 a.a.O.).
122
3.4.1 Die in § 2 TVG vorausgesetzte Tariffähigkeit einer Gewerkschaft als Partei von Tarifverträgen ist aus der Funktion der Tarifverträge
als Ausgestaltung der in Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Tarifautonomie heraus zu entwickeln. Tarifverträge sollen demnach in
einem Bereich, in dem der Staat seine Regelungskompetenzen weit zurückgenommen hat, insbesondere die Lohn- und
Arbeitsbedingungen regeln. Die Tarifverträge haben deshalb aufgrund der dem staatlichen Gesetzgeber durch Art. 12 Abs. 1 GG
auferlegten Schutzpflicht die Aufgabe, einen sachgerechten Interessenausgleich zu gewährleisten. Dazu sind Tarifverträge nur dann
geeignet, wenn sie von Parteien abgeschlossen worden sind, von denen man annehmen kann, dass sich die individualvertragliche
Fremdbestimmung des einzelnen Arbeitnehmers nicht auf kollektivvertraglicher Ebene fortsetzt. Demnach kann der Tarifvertrag als
Arbeitsvertrag auf kollektiver Ebene mit der Funktion, die Vertragsschwäche der Arbeitnehmer zu kompensieren und zu einem frei
ausgehandelten Arbeitsvertrag zu gelangen, begriffen werden. Tarifautonomie als kollektive Privatautonomie dient damit dem
Einzelnen, dem in seiner vereinzelten Vertragsschwäche gegenüber der Arbeitgeberschaft beigestanden wird und zwar wie Rieble
sich ausdrückt, durch kollektive Bildung von Marktmacht (Rieble, ZFA 2000, 5 f., 17, 23, siehe auch Dieterich RdA 2002, 1 f., 9).
123
4. Kollektivvertraglich ausgeübte Privatautonomie auf dem Gebiet der vom Staat den Tarifvertragsparteien überlassenen
Regelungsbereich der Ordnung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen erfordert, die Anerkennung der Tariffähigkeit von
Mindestvoraussetzungen abhängig zu machen. Dazu gehören nicht nur die unabdingbaren Merkmale eines auf freiwilliger Basis
erfolgten Zusammenschlusses der Mitglieder, eine demokratisch aufgebaute Struktur, die Anerkennung des Tarifvertragssystems und
der Verfassungsordnung, sondern dazu kommt eine ausreichende Durchsetzungskraft gegenüber dem sozialen Gegenspieler. Dieses
von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelte zusätzliche Merkmal der Tariffähigkeit (siehe zuletzt Beschluss vom
06.06.2000, AP Nr. 55 zu § 2 TVG), das auf nicht unerheblichen Widerspruch von Teilen der Wissenschaft gestoßen ist (siehe statt
Aller Zöllner-Loritz, Arbeitsrecht § 34), stellt sicher, dass ein ausgewogener Interessenausgleich durch Kollektivvertragsabschluss nur
dann als Tarifvertrag akzeptiert wird, wenn Gewerkschaften so leistungsfähig sind, dass sich die Arbeitgeberseite zumindest
veranlasst sieht, auf Verhandlungen über tarifliche Regelungen der Arbeitsbedingungen einzugehen und zum Abschluss eines
Tarifvertrags zu kommen.
124
4.1 Zur Durchsetzungsfähigkeit gehört desweiteren das Merkmal der Leistungsfähigkeit, die darin besteht, dass die Gewerkschaft, die
tariffähig sein will, nicht nur Autorität gegenüber den Gegenspieler hat, sondern auch gegenüber der eigenen Mitgliederschaft. Sie
muss deshalb vom organisatorischen Aufbau her in der Lage sein, die ihr gestellten Aufgaben auch sinnvoll zu erfüllen. Ohne
ausreichende Leistungsfähigkeit wäre sie vom guten Willen des sozialen Gegenspielers oder anderer dann allerdings tariffähiger
Gewerkschaften abhängig.
125
5. Ob eine Gewerkschaft tariffähig ist, muss im Einzelfall anhand der im Verfahren erörterten oder von Amts wegen ermittelten Tatsachen
festgestellt werden. Kollektiv ausgeübte Privatautonomie bedingt, dass die von der Gewerkschaft abgeschlossenen Tarifverträge sich
in der betrieblichen Praxis auch durchgesetzt haben, und zwar durch die tatsächliche Anwendung der Bestimmungen des normativen
Teils unter den Tarifgebundenen. Tarifgebunden sind auf Arbeitnehmerseite allerdings nur die Mitglieder der
tarifvertragsschließenden Gewerkschaft.
126
6. Entgegen der von den Beteiligten Ziff. 3, 9-10, 12-17 vertretenen Rechtsauffassung stehen internationalrechtliche Gewährleistungen
der Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit dem von der deutschen Arbeitsrechtsprechung entwickelten Begriff der tariffähigen
Gewerkschaft nicht entgegen.
127
6.1. Durchsetzungsfähigkeit als zusätzliches Merkmal einer tariffähigen Gewerkschaft ist nichts anderes als die deutsche Ausformung des
Begriffs Repräsentativität, der als Begriff erstmals in Art. 389 des Versailler Vertrags auftaucht und zwar als Voraussetzung für die
Entsendung von Vertretern in die dreigliedrigen Organe der Internationalen Arbeitsorganisation. Art. 11 Abs. 1 EMRK geht mit seiner
Anerkennung des Rechts, zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer Gewerkschaften zu bilden und diesen beizutreten auch von
diesem Begriff aus. Er gewährleistet nicht mehr als Art. 9 Abs. 3 GG. Darüberhinaus lässt Art. 11 Abs. 2 EMRK Beschränkungen der
Vereinigungsfreiheit zu, soweit sie gesetzlich festgelegt sind. Demgegenüber lässt Art. 9 GG keinerlei staatliche Eingriffe zu und
gewährt damit einen weitergehenden Schutz als Art. 11 EMRK. Hinsichtlich ihrer Statuten gewährt Art. 11 EMRK den Gewerkschaften
Autonomie und Schutz. Da auch das Recht besteht, jederzeit Gewerkschaften zu verlassen, wären staatliche Zwangsgewerkschaften
konventionswidrig. Aus der Koalitionsfreiheit des Art. 11 EMRK ergibt sich jedoch kein Recht der Gewerkschaften, gehört (Belgische
Polizeigewerkschaft, E 19) oder als Tarifpartner anerkannt (Schwedische Lokomotivführer-Gewerkschaft, E 20) zu werden. Der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Übrigen die Beschwerde des DAV gegen die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 20. Oktober 1981 (E 58, 233 = AP Nr. 31 zu § 2 TVG), die die mit der Verfassungsbeschwerde
angegriffene Mächtigkeitsrechtsprechung des BAG (Beschluss vom 14.03.1978, AP Nr. 30 zu § 2 TVG) als verfassungsgemäß
gebilligt hat, nicht zugelassen und dabei inzidenter festgestellt, dass die zusätzlichen Anforderungen an die Tariffähigkeit einer
Gewerkschaft nach der deutschen Arbeitsrechtsprechung keine Verstöße gegen Art. 11 EMRK darstellen.
128
6.2. In Art. 5 der Europäischen Sozial Charta vom 18. Oktober 1961 (ESC) ist das nationale und internationale Koalitionsrecht als reine
Staatenverpflichtung behandelt. Im Übrigen entspricht die in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland gewährleistete
Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG den Erfordernissen des Art. 5 ESC. Selbst wenn aus Art. 5 ESC eine staatliche Verpflichtung
herzuleiten wäre, das nationale Recht und seine Anwendung dem Grundgedanken der Gewährleistung und Förderung der
Koalitionen anzugleichen, ergäbe sich daraus nicht, dass jede Gewerkschaft auch tariffähig sein muss. Art. 5 ESC gewährleistet
lediglich das Arbeitnehmerrecht, frei darin zu sein, Koalitionen zu bilden, die dann unter den gegebenen nationalen Voraussetzungen
die Möglichkeit haben müssen, sich zu tariffähigen Gewerkschaften zu entwickeln. Das ist durch die Gewährleistung des Art. 9 Abs. 3
GG gesichert.
129
6.3. Auch das Übereinkommen Nr. 87 der IAO über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechts, das zum einfachen
innerstaatlichen Recht durch Zustimmungsgesetz vom 20. Dezember 1956 (Bundesgesetzblatt II Seite 2072) geworden und das seit
dem 20. März 1958 (Bundesgesetzblatt II Seite 113) in Kraft gesetzt ist, gewährleistet die Koalitionsfreiheit nur in allgemeiner Form
und geht keinesfalls über die Grundsätze hinaus, die ohnehin durch Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleistet sind. Das
Gleiche gilt für den internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966, der mit Gesetz
vom 23. November 1973 (Bundesgesetzblatt II Seite 1569) ratifiziert ist. Insbesondere durch dessen Art. 8 Abs. 1 a sind weder
Tariffähigkeit noch Gewerkschaftseigenschaft geregelt.
130
6.4. Aus Art. 139 des EG-Vertrages in der Amsterdamer Fassung lässt sich entgegen der Auffassung der Beteiligten Ziffern 3, 9-10, 12-17
nichts dafür herleiten, dass die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anstelle des einfachen Gesetzgebers
gesetzesvertretend entwickelten Tatbestandsvoraussetzungen für die Anerkennung einer tariffähigen Gewerkschaft
europarechtswidrig sind. Zwar wird damit der Dialog zwischen den Sozialpartnern auf Gemeinschaftsebene zur Herstellung
vertraglicher Beziehungen einschließlich des Abschlusses von Vereinbarungen ermöglicht. Diese Sozialpartnervereinbarungen
haben allerdings keine tariflichen, sondern allenfalls schuldrechtliche Wirkungen (Löwisch-Rieble, Münchener Handbuch
Arbeitsrecht Band 3, § 254 RdNr. 19). Denn das Regelungsergebnis muss, um Geltung zu erlangen, entweder auf nationaler Ebene
nach den Gepflogenheiten der Sozialpartner, also durch Tarifverträge, oder auf gemeinsamen Antrag der Parteien der
Sozialpartnervereinbarung durch Beschluss des Rates auf Vorschlag der Kommission umgesetzt werden. Erst dieser staatliche
Rechtssetzungsakt verschafft Sozialpartnervereinbarungen auf europäischer Ebene Wirksamkeit. Gegenüber nicht organisierten
Arbeitnehmern und Arbeitgebern läuft der Ratsbeschluss also auf eine voraussetzungslose Allgemeinverbindlichkeitserklärung
hinaus, wobei das Erfordernis demokratischer Legitimation dadurch gewahrt ist, dass die staatlich legitimierten Gemeinschaftsorgane
die Entscheidung letztverantwortlich treffen.
131
6.5. Zwar lässt Art. 137 Abs. 3 EGV die Schaffung eines europäischen Tarifvertrags offen. Dieser könnte allerdings weder Arbeitsentgelte
erfassen noch sich auf das Koalitionsrecht, das Streikrecht sowie das Aussperrungsrecht erstrecken. Selbst wenn die Tarifautonomie
gemeinsam mit der Koalitionsfreiheit als ein der Gemeinschaftsordnung immanentes ungeschriebenes Grundrecht anzusehen wäre,
ließe sich daraus noch nicht folgern, dass die Gemeinschaft zur Ausformung einer eigenen Tarifvertragsordnung verpflichtet ist, die,
solange sie nicht erlassen ist, richterrechtlich zu ersetzen wäre. Denn ohne eigene Regelungskompetenz der Gemeinschaft bleibt es
bei der Zuständigkeit der nationalen Gesetzgeber und damit bei der nationalen Ausformung des Koalitionsrechts (Löwisch-Rieble
a.a.O., RdNr. 22).
132
6.6. Aus der Gemeinschafts-Charta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer vom 09.12.1989 lässt sich ebenfalls nichts dafür herleiten,
dass die besonderen Anforderungen, die an die Tariffähigkeit von Gewerkschaften in Deutschland gestellt werden,
europarechtswidrig sind. Zwar heißt es in der Nr. 11 der Gemeinschafts-Charta, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der
europäischen Gemeinschaft das Recht haben, sich zur Bildung beruflicher oder gewerkschaftlicher Vereinigungen ihrer Wahl frei
zusammenzuschließen, um ihre wirtschaftlichen und sozialen Interessen zu vertreten. Dabei handelt es sich aber lediglich um
Programmsätze, denen keine Rechtsverbindlichkeit zukommt und die im Übrigen bereits in Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet sind.
Rechtsverbindlichkeit haben diese Programmsätze auch nicht durch den Verweis in Art. 136 Abs. 1 EGV auf die sozialen Grundrechte
der Gemeinschafts-Charta und auf die sozialen Grundrechte der europäischen Sozialcharta gewonnen. Denn durch die Bezugnahme
sind sie nicht zu primärem Gemeinschaftsrecht geworden. Da Art. 136 EGV selbst keine unmittelbar wirkenden Pflichten begründet,
kann er auch keine sozialen Grundrechte zubilligen. Allerdings kann die Gemeinschafts-Charta als politischer Leitfaden für zukünftige
gemeinschaftsrechtliche Entwicklungen herangezogen werden, ebenso als Auslegungshilfe bei der Bedeutung arbeitsrechtlicher
Begriffe auf Gemeinschaftsebene (Wank Arbeitsrecht nach Maastrich, RdA 1995, 10 <12>). Zwar konkretisiert zusätzlich die Charta
der Grundrechte der europäischen Union vom 07.12.2000 gemeinsame Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten im Sinne
des Art. 6 Abs. 2 EUV, aus denen neben der EMRK die Gemeinschaftsgrundrechte hergeleitet werden. Die in Art. 12 Abs. 1
gewährleistete Vereinigungsfreiheit entspricht vollinhaltlich Art. 11 Abs. 1 EMRK. Daraus folgt, dass Einschränkungen des Art. 12 Abs.
1 nach Art. 52 Abs. 3 nur im Rahmen der in Art. 11 Abs. 2 EMRK vorgesehenen Grenzen zulässig sind. Da, wie oben ausgeführt, Art. 9
Abs. 3 GG in seinem Gewährleistungsbereich noch über Art. 11 EMRK hinausgeht, entspricht der für die Tariffähigkeit der
Gewerkschaften entwickelte numerus clausus der tariffähigen Koalitionen den durch das europäische Recht gewährleisteten
Koalitionsfreiheitsrechten.
133
6.7 .Da die Kammer von den von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Durchsetzungsfähigkeit bzw. sozialen Mächtigkeit
und Leistungsfähigkeit als Voraussetzung von tariffähigen Gewerkschaften entwickelten Grundsätzen nicht abzuweichen gedenkt,
diese im Übrigen mit übergeordneten internationalen Gewährleistungen für vereinbar hält, erübrigt sich eine Entscheidung über die
Vorlagefähigkeit der Rechts- und Tatfrage an den Europäischen Gerichtshof, nämlich, ob ein Ausschluss der Antragsgegnerin aus
dem Kreis der tariffähigen Gewerkschaften im Sinne des § 2 Abs. 1 TVG europarechtswidrig ist.
134
7. Die weiteren von den Beteiligten Ziff. 3 und 10 aufgeworfenen Fragen des Wettbewerbsrechts und der sogenannten
Inländerdiskriminierung, soweit sie auf europäisches oder deutsches Wettbewerbsrecht oder das Recht der europäischen
Dienstleistungsfreiheit verweisen, sind entgegen den vertretenden Auffassungen der Antragsgegnerin und der Beteiligten Ziff. 3, 9-10,
12-17 nicht im Sinne der vorgebrachten Argumente zu entscheiden. Insbesondere führen sie nicht dazu, von der Mächtigkeitslehre
des Bundesarbeitsgerichts Abstand zu nehmen. Denn die in Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Tarifautonomie umfasst denknotwendig eine
Kartellwirkung (vgl. dazu Löwisch-Riebl a.a.O., § 247 RdNr. 6 unter Hinweis auf die Entscheidung des Kammergerichts vom
21.02.1990 in AP Nr. 60 zu Art. 9 GG). Mit der Formulierung des § 1 GWB "Verkehr mit Waren oder gewerblichen Leistungen" hat der
Gesetzgeber den Arbeitsmarkt bewusst aus dem Kartellrecht herausgenommen. Obwohl der Tarifvertrag selbst kein Kartell ist,
sondern ein Kartellvertrag, sind Kartelle nur die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände. Diese bündeln die Angebots- und
Nachfragefunktionen auf ihrer jeweiligen Marktstufe horizontal. Auch wirkt der Flächen- oder Verbandstarifvertrag nicht
marktverstärkend, sondern stellt einen vertikalen Ausgleich zwischen den beiden Marktstufen als marktmachtbegrenzend dar. Die in
Art. 9 Abs. 3 GG mit gewährte verfassungsrechtliche Kartellerlaubnis kann durch einfachrechtliches Kartellrecht nicht eingeschränkt
werden. Außerdem ist das Kartellrecht als Wettbewerbsordnung für den Güter- und Dienstleistungsmarkt geschaffen. Weder der
deutsche Gesetzgeber noch die europäische Gemeinschaft haben mit den jeweiligen Kartellrechten Wettbewerbsordnungen für den
Arbeitsmarkt schaffen wollen (Löwisch-Rieble a.a.O., § 247 RdNr. 8). Eine andere Sicht wäre nur gestattet, wenn, wie es offenbar die
Beteiligten Ziff. 3, 9-10, 12-17 vorhaben, die verfassungsgemäßen Koalitionsbetätigungen als gewerbliche Dienstleistungen
hingestellt würden. Das ist aber weder bei den koalitionsmäßigen Betätigungen der Antragstellerin noch der Antragsgegnerin
ersichtlich. Eine solche gewerbsmäßige Dienstleistung wäre im Übrigen nach den Satzungen der ... und der ... keine satzungsgemäße
Betätigung. Demnach bleibt festzuhalten, dass der sich in soweit entsprechende Vortrag der Antragsgegnerin und der Beteiligten Ziff.
3, 9-10, 12-17, wonach Beschränkungen des Wettbewerbs durch angebliche Bevorzugung etablierter Gewerkschaften wie die der
Antragstellerin zu Lasten innovativer, flexibler Minderheitsgewerkschaften wie die der Antragsgegnerin einen Wettbewerbsverstoß ...
darstellen sollen, der unter kartellrechtlichen Kautelen zu behandeln wäre, rechtsirrig. Denn der Wettbewerb unter konkurrierenden
Gewerkschaften im Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG kann nicht als Wettbewerb unter gewerbsmäßigen Anbietern von
Dienstleistungen eingeordnet werden. Die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften ist schließlich
den im Geschäftsverkehr geltenden Wettbewerbsregeln nicht zugänglich, weil ihre koalitionsmäßige Betätigung nicht zum Zwecke des
Wettbewerbs im Geschäftsverkehr erfolgt und sie als solche auch keine Unternehmen sind.
135
7.1. Allerdings sind die Grundsätze des Rechts des unlauteren Wettbewerbs nicht von vornherein für das Koalitions- und
Tarifvertragsrechts ohne Bedeutung. Auch wenn die Koalitionsbetätigung ohne Rücksicht auf das Recht des unlauteren Wettbewerbs
erfolgen kann, sind im Geschäftsverkehr Tarifverträge als Ergebnis der Koalitionsbetätigungen unter dem Aspekt unlauteren
Wettbewerbs zu beachten, insbesondere, wenn die Beschäftigung von Arbeitnehmern unter Tarif als wettbewerbswidrig im Sinne von
§ 1 UWG angesehen werden kann. Streitig ist allein, ob Tarifbruch für sich allein genommen bereits wettbewerbswidrig ist, weil schon
die abstrakte Möglichkeit, günstigere Angebote abgeben zu können, einen Wettbewerbsvorsprung darstellen kann, oder ob
hinzukommen muss, dass Tarifverstöße konkret und absichtlich dazu benutzt werden, tariftreue Mitbewerber zu unterbieten (siehe
dazu Löwisch-Rieble a.a.O., § 247 RdNr. 30). Diese Frage ist allerdings hier nicht entscheidungserheblich und kann dahinstehen.
136
8. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die nicht durchsetzungsfähigen Koalitionen die Tariffähigkeit aberkennt und damit die
Tariffähigkeit anderen durchsetzungsfähigen Gewerkschaften zuweist, sorgt dafür, dass ein funktionsfähiges Tarifsystem zur
Verfügung gestellt wird, das dazu beiträgt, den Staat selbst nicht zur sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens zu zwingen und
gesetzliche Mindestarbeitsbedingungen festzusetzen vermeidet (BVerfG vom 20.10.1981 a.a.O.). Das Bundesarbeitsgericht stellt in
der Entscheidung vom 25.11.1986 (AP Nr. 36 zu § 2 TVG) bei der Feststellung der Tariffähigkeit darauf ab, dass die Gewerkschaft, die
ihre Tariffähigkeit nachweisen will, dafür Tarifverträge aufzuführen hat, die kein Diktat der Arbeitgeber sind. Hinzu kommt nach
Auffassung der Kammer der Nachweis, dass sich die Tarifverträge durch unmittelbare Anwendung unter den Tarifgebundenen auch
durchgesetzt haben müssen.
137
8.1. Bei der Frage, unter welchen Bedingungen welche Tarifverträge für welche Bereiche abgeschlossen worden sind, kommt es auf eine
Gesamtschau an, bei der folgende Punkte zu beachten sind:
138
– Wer hat die Arbeitnehmerkoalition über Tarifvertragsverhandlungen unterrichtet?
139
– Sind eigene Vorstellungen zum Inhalt des Tarifvertrags entwickelt worden und konnten diese in die Verhandlung eingebracht
werden?
140
– Welchen Zweck haben die Arbeitgeber mit dem Abschluss der Tarifverträge verfolgt?
141
– Wo sind die Tarifverträge zur Geltung gelangt?
142
8.2. Dabei hat der Abschluss von Tarifverträgen bzw. die Prognose, dass Tarifvertragsverhandlungen ernsthaft zu erwarten sind, für die
Beantwortung der Frage der Tariffähigkeit lediglich das Gewicht eines Indizes. Auch die Organisationsstärke kann ausreichen, um die
Tariffähigkeit zu begründen. Dabei darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass bloße Mitgliederzahlen keine zwingenden und
allein entscheidenden Anhaltspunkte liefern. Denn ein hoher Organisationsgrad sowie Mitglieder in Schlüsselstellungen können
geringe Mitgliederzahlen kompensieren. Andererseits können selbst höhere oder hohe Mitgliederzahlen bei einer Vielzahl der
erfassten Berufe dazu nicht ausreichen. Schließlich ist auch die organisatorische Ausstattung in die Gesamtschau mit einzubeziehen,
wozu zählt, dass die Verhandlungen aufgrund eigener Beobachtungen und Prognosen zur konjunkturellen Entwicklung so realistisch
vorbereitet werden müssen, dass die Durchführung des Tarifvertrages gesichert ist (BAG vom 14.03.1978, AP Nr. 30 zu § 2 TVG und
vom 25.11.1986, AP Nr. 36 zu § 2 TVG ).
III.
143
1. Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Grundsätze und unter Würdigung des Prozessverhaltens der Beteiligten einschließlich des
jeweiligen Vorbringens muss die Kammer davon ausgehen, dass es der Antragsgegnerin an der erforderlichen
Durchsetzungsfähigkeit sowie an der Leistungsfähigkeit ihrer Organisation fehlt, um als tariffähige Gewerkschaft angesehen werden
zu können.
144
2. Zu Recht weisen die Antragsgegnerin und die Beteiligten Ziff. 3, 9, 10, 12 - 17 darauf hin, dass ungeachtet des im arbeitsgerichtlichen
Beschlussverfahrensrecht geltenden Amtsermittlungsgrundsatz zunächst der Antragsteller verpflichtet ist, seinen Antrag mit
schlüssigem Antragsvorbringen zu untermauern. Die ... hatte demnach Tatsachen vorzutragen und zu begründen, aus denen sie das
mit dem Antrag verfolgte Begehren herleiten wollte. Auch das Beschlussverfahren nach § 97 ArbGG wird nicht von dem Grundsatz
beherrscht, dass es allein den entscheidenden Gerichten obliegt, den wahren Sachverhalt ohne Rücksicht auf schlüssiges
Antragsvorbringen zu erforschen (BAG vom 14.03.1978 in AP Nr. 3 zu § 97 ArbGG 1953 unter Hinweis auf die ... Entscheidungen in
AP Nr. 1 und 3 zu § 20 BetrVG 1972). Zumindest muss der Vortrag des Antragstellers so viele Anhaltspunkte enthalten, dass das
Tatsachengericht daraus entnehmen kann, worauf der Antrag überhaupt gestützt wird. Das hat im Übrigen bereits das
Reichsarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 16. Mai 1931 (Bensheimer Sammlung Band 12, Seite 279) so gesehen. Ist allerdings
das Antragsvorbringen schlüssig, so obliegt es allen Beteiligten, die für die Prüfung der Rechtsfrage notwendigen Unterlagen dem
Gericht vorzulegen bzw. gerichtlichen Aufklärungs- und Beweisbeschlüssen auch nachzukommen.
145
2.1. Entgegen der von der Antragsgegnerin und den Beteiligten Ziff. 3, 9, 10, 12 - 17 vertretenen Meinung hat die ... schlüssige
Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass es der Antragsgegnerin an der erforderlichen Durchsetzungsmacht und Leistungsfähigkeit
mangelt. Insbesondere hat sie schlüssig dargelegt, dass die von der ... angeführten Mitgliederzahlen zu bezweifeln sind. Die
Antragsgegnerin hat ihren Mitgliederbe stand bei Einleitung des Verfahrens noch mit 110.000 angegeben, diesen im Verlaufe des
Verfahrens über 103.000 auf 97.823 korrigiert. Auch dieser zuletzt angegebene Mitgliederbestand ist trotz des Umstandes
anzuzweifeln, dass sämtliche Sekretäre der einzelnen Landesverbände der ... die Mitgliederzahlen durch übereinstimmende
eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht haben wollen. Denn nach den eigenen Angaben aus dem Jahr 1999 (andere
Angaben liegen dem Gericht nicht vor), verwendet die Antragsgegnerin 60 % ihrer Mitgliedsbeiträge, aus denen sie sich
ausschließlich finanziert, für Personalkosten. Bei 88.044 aktiven Mitgliedern und 9.345 Rentnern müsste bei der Antragsgegnerin bei
einem durchschnittlichen Beitragsaufkommen aus der aktiven Mitgliedschaft von durchschnittlich EUR 10,00 im Monat, was die untere
Grenze dessen darstellen dürfte, womit ein Facharbeiter in der ... bzw. im Handwerk sich und seine Familie mit der daraus
errechneten Streik- und Aussperrungsunterstützung von wöchentlich EUR 140,00 über Wasser halten kann, zu einem
Jahresbeitragseinkommen in Höhe von EUR 10.565.280,00 führen. Bei einem Mindestbeitrag von EUR 3,00 für Rentner kämen EUR
336.420,00 hinzu. Also käme ein Gesamtmitgliedsaufkommen in Höhe von EUR 10.901.700,00 in Betracht. 60 % davon wären EUR
6.541.020,00. Da die Antragsgegnerin bundesweit 14 hauptamtliche Sekretäre einschließlich des Geschäftsführers und des
Vorsitzenden beschäftigt und damit zu entlohnen hat und 29 angestellte Büro- und Redaktionskräfte, müssten die hauptamtlich
Beschäftigten einschließlich der Schreibkräfte über ein durchschnittliches Jahreseinkommen von EUR 152.117,00 brutto verfügen.
Das hält die Kammer für ausgeschlossen. Desweiteren gibt die Antragsgegnerin zusammen mit ihren Kooperationsgewerkschaften
eine regelmäßig erscheinende Gewerkschaftszeitschrift, die ... heraus. Diese hat 90.000 Auflagen. Die Mitglieder der Antragsgegnerin
und die Mitglieder der Kooperationsgewerkschaften haben Anspruch auf kostenfreien Bezug .... Da nicht davon auszugehen ist, dass
die Kooperationsgewerkschaften über keine Mitglieder verfügen, muss der tatsächliche Mitgliederbestand der Antragsgegnerin
wesentlich niedriger sein als angegeben. Darüberhinaus hat die Antragstellerin vorgebracht, dass die Antragsgegnerin von den
sozialen Gegenspielern, sei es der Beteiligte Ziff. 3, seien es die Handwerksinnungen und Landesinnungsverbände des
Elektrohandwerks, des Metallbaus und der Feinwerktechnik, auf die Antragsgegnerin als Tarifvertragspartnerin immer dann
zukommen, wenn die Antragstellerin ihrerseits aus gewerkschaftsinternen oder grundsätzlichen Erwägungen heraus für den
Abschluss bestimmter, das bestehende Tarifvertragsniveau unterschreitende Tarifverträge nicht zur Verfügung steht. Das gilt sowohl
für die Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung, die Anlass der Einleitung dieses Beschlussverfahrens waren, als auch für die
Tarifverträge im Bereich des eingetragenen Vereins ... und insgesamt für die Tarifverträge mit den Innungen und
Landesinnungsverbänden aus den Organisationsbereichen der ... und der Antragsgegnerin. Dieser Vortrag reicht nach Auffassung
der Kammer aus, Ermittlungen dahingehend anzustellen, ob die Antragsgegnerin in den Konkurrenzbereichen des Handwerks und in
den Organisationsbereichen des Beteiligten Ziff. 3 einschließlich des Bereichs der ... überhaupt ausreichende Mitglieder hat, auf
deren Arbeitsverhältnisse die abgeschlossenen Tarifverträge kraft Tarifgebundenheit unmittelbar und zwingend anzuwenden sind. Im
Hinblick darauf, dass sowohl die Beteiligte Ziff. 3 als auch die Beteiligten 11 bis 17 die Antragsgegnerin als Tarifpartnerin deshalb
benötigen, weil sie bei der Ausschreibung öffentlicher Aufträge und der dazu erforderlichen Offenlegung ihrer
Personalkostenkalkulationen regelmäßig gezwungen sind, tarifvertragliche Lohnbedingungen zu Grunde zu legen, im Hinblick auf
die Ausweitung tarifvertraglicher Bestimmungen kraft Gesetzes gemäß § 3 Abs. 2 TVG (Betriebsverfassungsnormen) und im Hinblick
darauf, dass bei einer durchschnittlichen Tarifgebundenheit der Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland in der
Größenordnung von 40 % aller Beschäftigten tarifvertragliche Arbeitsbedingungen die Beschäftigungsverhältnisse zwischen 80 %
und 90 % der Arbeitnehmer in Deutschland bestimmen, was nur durch einzelvertragliche Inbezugnahme, insbesondere durch
Formulararbeitsverträge zu realisieren ist, kommt es für die Beantwortung der Frage, ob der Abschluss von Verbands- oder
Firmentarifverträgen Anhaltspunkte dafür bietet, dass die Antragsgegnerin auch durchsetzungsfähig ist, entscheidend darauf an, dass
sich die von ihr abgeschlossenen Tarifverträge tatsächlich durch unmittelbare und zwingende Anwendung unter ihren
tarifgebundenen Mitgliedern und den tarifgebundenen Mitgliedern der Beteiligten 3, 11-17 bzw. unter tarifvertraglichen
Arbeitgeberaußenseiten (über Firmentarifverträge) durchgesetzt haben.
146
2.2. Durch einzelvertragliche Inbezugnahme von Tarifverträgen wird die Privatautonomie auf kollektivvertraglicher Ebene nicht realisiert.
Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Tarifverträge etwa von gleich starken Tarifvertragsparteien in freier
Selbstbestimmung ausgehandelt worden sind. Durch die einzelvertragliche Inbezugnahme wird den Tarifverträgen der
Antragsgegnerin allenfalls die Bedeutung von allgemeinen Arbeitsvertragsbedingungen zugewiesen. Als Tarifvertragsnormen setzen
sie sich damit nicht durch. Die einzelnen Arbeitnehmer stehen im Verhältnis zu den Arbeitgebern ebenso schwach da, wie sie
stünden, wenn die Arbeitgeberschaft ohne Inanspruchnahme der ... als Tarifvertragspartnerin einseitig Arbeitsbedingungen festlegt.
Den einzelnen Arbeitnehmer bleibt lediglich die Entscheidung darüber offen, ob die vorgelegten Arbeitsbedingungen akzeptiert
werden und es zu einem Arbeitsvertragsabschluss kommt oder nicht, was dann allerdings den erhofften Arbeitsvertragsabschluss
zunichte macht. Den Mitgliedern der Arbeitsstellerin wird darüberhinaus zugemutet, ungeachtet ihrer eigenen
Gewerkschaftsmitgliedschaft sich fremden Tarifvertragswerken zu unterwerfen.
147
3. Das hat die Kammer dazu bewogen, von der Antragsgegnerin den Nachweis ihrer Gewerkschaftsmitglieder aufgeschlüsselt nach
Landesverbänden und aufgeschlüsselt nach Organisationsbereichen zu fordern. Dieser Aufforderung ist die Antragsgegnerin nicht
nachgekommen. Der Vortrag zu ihrer Gesamtmitgliederschaft reicht nicht aus, um festzustellen, welche der insgesamt
abgeschlossenen 3.500 Tarifverträge sich tatsächlich durch Anwendung unter ihren tarifgebundenen Mitgliedern durchgesetzt haben.
Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die nach Einschätzung der Kammer mitgliederstärksten Landesverbände, die sich
ausschließlich in den alten Bundesländern befinden, dort im Bereich der Metall- und Elektroindustrie und des Fahrzeugbaus keinen
einzigen originären Tarifvertrag abgeschlossen haben, so dass die Anschlusstarifverträge, die die Antragsgegnerin regelmäßig mit
den industriellen Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie dort vereinbart, nicht einmal als ein Indiz dafür herhalten
können, dass sie sich in diesen Bereichen durch Abschluss von Tarifverträgen auch dem sozialen Gegenspieler gegenüber
durchgesetzt hat.
148
3.1. Die Kammer verkennt nicht, dass Art. 9 Abs. 3 GG die Antragsgegnerin davor schützt, durch Aufdeckung ihres Mitgliederbestands ihr
Recht auf unbeeinträchtigte Koalitionsbetätigung zu gefährden. Deshalb hat die Kammer trotz erheblicher Bedenken es der
Antragsgegnerin freigestellt, in einem Geheimverfahren den Mitgliederbestand jedenfalls der Kammer nach den aufgestellten
Kriterien, nämlich aufgeschlüsselt nach Landesverbänden und aufgeschlüsselt nach Organisationsbereichen und weiter
aufgeschlüsselt nach Aktiven und Rentnern offenzulegen. Die Kammer hat der Antragsgegnerin dabei den Weg aufgezeigt, wie sie
ohne Gefährdung ihres Bestandes den gerichtlichen Auflagen nachkommen kann. Insbesondere hat die Kammer auf die
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25. März 1992, AP Nr. 4 zu § 2 BetrVG 1972 und den Nichtannahmebeschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 21. März 1994 in AP Nr. 4a zu § 2 BetrVG 1972 hingewiesen. Der Antragsgegnerin war damit der
Weg eröffnet, die erforderlichen Angaben, die die Kammer zur Beantwortung der Frage benötigt, ob sich die von der Antragsgegnerin
abgeschlossenen Tarifverträge insbesondere im Bereich des Beteiligten Ziff. 3 und im Bereich ... (wegen des sogenannten Tarifwerks
... sowie im Handwerksbereich durch unmittelbare Tarifgeltung überhaupt haben durchsetzen können. Diesen Weg zu beschreiten
hat die Antragsgegnerin abgelehnt und sich statt dessen dazu entschlossen, dem Gericht eine übereinstimmende eidesstattliche
Erklärung ihrer Landessekretäre zusammengefasst in einer notariellen Urkunde vorzulegen, aus der sich lediglich der
Gesamtmitgliederbestand aufgeschlüsselt nach im arbeitsfähigen Alter stehenden Mitgliedern und Rentnern ergibt. Das ist kein
ausreichender Nachweis. Hätte sich die Antragsgegnerin die Mühe gemacht, die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts in
dem Nichtannahmebeschluss vom 21. März 1994 nachzulesen, so hätte sie unschwer feststellen können, dass der Inhalt der
notariellen Urkunde vom Juli 2003 wertlos ist und nicht einmal ansatzweise Anhaltspunkte dafür erbringt, dass der geforderte
Nachweis der Mitgliederzahlen aufgeschlüsselt nach Landesverbänden und Organisationsbereichen erbracht ist.
149
3.2. Die Antragsgegnerin und die beteiligten Arbeitgeberverbände verkennen die Verteilung der Darlegungslast im Beschlussverfahren.
Nicht die Antragstellerin hat nachzuweisen, dass die vereinbarten Tarifverträge sich nicht durchgesetzt haben, sondern wegen ihrer
Sachnähe haben die Antragsgegnerin und die beteiligten Arbeitgeberverbände jedenfalls schlüssig Anhaltspunkte dafür vorzutragen,
in welchen Bereichen die Tarifverträge eine unmittelbare Tarifgeltung durch Anwendung unter tarifgebundenen Arbeitnehmern und
Arbeitgebern gefunden haben. Wenn nicht schon die Antragsgegnerin, so können doch eher die Beteiligten Ziff. 3 und die beteiligten
Handwerksverbände und -innungen Anhaltspunkte dafür liefern, in welchen Bereichen die vereinbarten Tarifverträge sich durch
unmittelbare und zwingende Geltung der Tarifvertragsnormen tatsächlich durchgesetzt haben. Beides ist nicht erfolgt. Es ist nicht
Sache der entscheidenden Kammer, sozusagen aus dem Blauen heraus Amtsermittlungen im Bereich des Beteiligten Ziff. 3 oder gar
der beteiligten Handwerksinnungen und -verbände darüber anzustellen, woraus sich u.U. eine unmittelbare Tarifgeltung ergeben
kann. Das Prozessverhalten der Antragsgegnerin und der sie unterstützenden Beteiligten lässt nur den Schluss zu, dass die
Antragsgegnerin in den Bereichen, in denen sie originäre Tarifverträge abgeschlossen hat, keine oder keine nennenswerten
Mitglieder aufzuweisen hat.
150
3.2.1 Dafür spricht im Übrigen auch die Rolle der ... in der Tarifauseinandersetzung im Unternehmen .... Die Antragstellerin hatte sich nach
dem Austritt der ... aus dem Thüringischen Arbeitgeberverband zunächst geweigert, Abstriche an den nachwirkenden Tarifverträgen
zu machen. In diesem Stadium ist nicht die Antragsgegnerin etwa auf die Vorstandschaft der ... zugegangen, sondern die
Arbeitgeberseite hat die Antragsgegnerin aufgefordert, mit ihr in Tarifvertragsverhandlungen einzutreten, die dann letztlich auch zum
Abschluss gebracht worden sind. Da aber dieser Tarifvertrag unter den Beschäftigten der ... nicht durchzusetzen war, weil erhebliche
Teile der Beschäftigten als Mitglieder der ... sich auf die nachwirkenden Tarifverträge zwischen der ... und der ... berufen konnten,
musste die ... zur Durchsetzung ihrer Tarifvertragsvorstellungen wieder auf die Antragstellerin und die damals noch existierende ...
zukommen, worauf es dann zum Abschluss eigenständiger, wenn auch dem Tarifvertragswerk mit der Antragsgegnerin sehr nahe
kommender Tarifverträge mit der ... und der ... gekommen ist. Zur Bedeutungslosigkeit in diesem Tarifvertragsgerangel ist die
Antragsgegnerin dann allerdings von der Vorstandschaft der ... dadurch verurteilt worden, dass ihr zugemutet worden ist, nunmehr
wortwörtlich identische Anschlusstarifverträge an das mit der ... vereinbarte Tarifvertragswerk zu vereinbaren, womit das
ursprüngliche originäre Tarifvertragswerk außer Kraft gesetzt worden ist. Das gleiche Bild lässt sich aus den Verhandlungen
zwischen den Beteiligten Ziff. 3 und der Antragsgegnerin über beschäftigungssichernde Tarifverträge im Jahr 1996 herleiten. Denn
durchgesetzt haben sich diese Tarifverträge nicht als Tarifvertragswerk ..., sondern allein dadurch, dass im Jahr 1997 sich die
Antragstellerin dann doch noch, und zwar unter dem Druck der präjudizierenden Tarifverträge mit der ... bereit gefunden hat, einen
entsprechenden Beschäftigungssicherungstarifvertrag abzuschließen. Daraus wird nach Auffassung der Kammer deutlich, dass die
Arbeitgeberseite, jedenfalls was die ... in Sachsen und im Bereich von ... angeht, die Antragsgegnerin als Werkzeug dafür benötigt,
die Antragstellerin zum Abschluss von Tarifverträgen zu zwingen, die sie ohne das Druckmittel der mit der ... zuvor vereinbarten
Verträge nie und nimmer abgeschlossen hätte. Damit gerät jedenfalls in diesem Bereich die ... zu einem Werkzeug in der Hand der
Arbeitgeber. Das legt die Annahme nahe, dass die Antragsgegnerin nicht ausreichend durchsetzungsfähig ist.
151
4. Unbestritten bleibt die Tatsache, dass die Antragsgegnerin im Bereich der ... und ... als Tarifvertragspartner die Antragstellerin nahezu
verdrängt hat. Aber auch das lässt nicht den Schluss zu, damit sei die Tarifvertragsfähigkeit der ... nachgewiesen. Anders als die
Antragsgegnerin hat die Antragstellerin durch entsprechend glaubhaft gemachte Nachweise ausreichend Beweis dafür erbracht, dass
sie im Handwerksbereich nicht nur in den alten Bundesländern, sondern auch in den neuen Bundesländern über einen
Mitgliederbestand verfügt, der über den Gesamtmitgliederbestand der Antragsgegnerin weit hinausgeht.
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4.1 Die Antragstellerin ist, will sie Tarifverträge im Handwerksbereich zur Zufriedenheit ihrer Mitglieder abschließen, darauf angewiesen,
einen bestehenden Tarifvertragsstandard nicht zu unterschreiten. Sollte sie das tun, hat sie damit zu rechnen, dass ihr die
Mitgliedschaft den Rücken kehrt. Schlagkräftiger Beweis dafür sind die massenhaften Mitgliederaustritte nach dem gescheiterten
Arbeitskampf zur Einführung der 35-Stunden-Woche in den neuen Bundesländern in diesem Jahr. Verfügt die Gewerkschaft, die
Tarifvertragswerke vereinbart, aber nicht über Mitglieder, so kann auch niemand seine Unmut äußern und es kommt auch nicht zu
Austritten. Sie ist also keinem Mitglied Rechenschaft darüber schuldig, dass die abgeschlossenen Tarifverträge auch seinen
Interessen entsprechen. Dieser Umstand, von dem die Kammer wegen des Prozessverhaltens der Antragsgegnerin ausgehen muss,
führt zu einem unlauteren Vorteil der Antragsgegnerin als Tarifvertragspartei nicht nur im Bereich des Handwerks, sondern auch in
bestimmten Bereichen der ... und im Bereich von .... Deshalb geht die Kammer davon aus, dass die Tarifvertragsabschlüsse, die die
Antragsgegnerin in den letzten Jahren aufzuweisen hat, nicht wegen ihrer hohen Mitgliederzahl zustandegekommen sind, sondern im
Gegenteil wegen einer außerordentlich geringen Mitgliedschaft, die dazu bei der Vorbereitung der Tarifvertragsverhandlungen nicht
einmal beteiligt worden ist. Denn die Antragsgegnerin kann anhand ihrer Mitgliederliste nicht einmal feststellen, welche ihrer
Mitglieder in den Handwerksbereichen tätig sind (Siehe die Erklärung ihres Verfahrensbevollmächtigten zu gerichtlichem Protokoll
vom 12.09.2003, Aktenband XIII, Akt.Bl. 2352). Die Kammer muss deshalb davon ausgehen, dass in diesen Bereichen die
Antragsgegnerin nicht mehr Mitglieder hat, als sie durch die jeweiligen insoweit aber verwertbaren notariellen Urkunden
nachgewiesen hat. Das heißt, dass die Antragsgegnerin lediglich glaubhaft machen konnte, dass sie in jedem Fachbereich der mit
den Handwerksinnungen abgeschlossenen Tarifverträgen jeweils über ein Mitglied verfügt. Das reicht für die Bejahung der
Durchsetzung der abgeschlossenen Tarifverträge durch unmittelbare Anwendung unter Tarifgebundenen nicht aus.
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5. Selbst unterstellt, dass der angegebene Mitgliederbestand den Tatsachen entspricht, und unterstellt, dass die Antragsgegnerin in den
Tarifbereichen, in denen sie originäre Tarifverträge abschließt, über ausreichend Mitglieder verfügt, spricht die Mitgliederzahl von
88.084 Aktiven und ihre Streuung im satzungsgemäßen Organisationsbereich, der sich auf die Metall- und Elektroindustrie und den
gesamten Metall- und Elektrohandwerksbereich in der Bundesrepublik Deutschland erstreckt, dagegen, dass die Mitglieder der
Antragsgegnerin einen repräsentativen Anteil der Gesamtbeschäftigten in ihrem Organisationsbereich verkörpern. Auch ist nichts
dafür vorgetragen, dass ihre Mitglieder etwa herausragende Schlüsselpositionen im Organisationsbereich besetzen, die den Druck
auf den oder die Gegenspieler deutlich verstärken könnten, was z.B. Gewerkschaften mit geringer Mitgliederzahl aber hohem
Organisationsgrad wie die ... in der Vergangenheit verdeutlicht haben.
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5.1. Im Handwerk des Organisationsbereichs der ... sind bundesweit etwa 1,5 Mio. Arbeitnehmer beschäftigt, im Bereich der Metall- und
Elektroindustrie etwa 3,6 Mio.. Selbst bei einem unterstellten Mitgliederbestand von etwa 88.000 Aktiven, die ausschließlich dazu
noch im Handwerk tätig sein müssten, hätte sie weniger als 5 % der Arbeitnehmer organisiert, im Industriebereich wären es etwa 2,5
%. In beiden Bereichen organisiert die Antragsgegnerin maximal 1,6 % aller dort Beschäftigen. Da sich die Antragsgegnerin für den
Bereich der Metall- und Elektroindustrie und den entsprechenden Handwerksbereich für allumfassend zuständig erklärt, ist ihre
organisierte Mitgliedschaft nicht von erheblicher Bedeutung.
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6. Die Antragsgegnerin ist auch von ihrem organisatorischen Aufbau her kaum in der Lage, die Aufgaben zu erfüllen, die an eine
tariffähige Gewerkschaft gestellt werden. Denn der Abschluss von Tarifverträgen erfordert Vorbereitungen. Konjunkturelle
Entwicklungen und sonstige Rahmenbedingungen sind zu beobachten und zu prognostizieren, um daraus Tarifforderungen zu
entwickeln. Desweiteren muss auch die tatsächliche Durchführung der Tarifverträge überwacht und abgesichert werden. Das
Verhandlungsergebnis, das regelmäßig Kompromisscharakter hat, muss verbandsintern vermittelt und durchgesetzt werden. Dies
alles muss sichergestellt sein, um eine Gewerkschaft als tariffähige Tarifvertragspartei anerkennen zu können.
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6.1. Die Antragsgegnerin beschäftigt einschließlich des hauptamtlichen Bundesvorsitzenden 14 Gewerkschaftssekretäre, die dazu zum
Teil noch für Kooperationsgewerkschaften auftreten, für den ... als Rechtssekretäre tätig sind und die noch Redaktionsaufgaben im
Gewerkschaftsorgan ... wahrnehmen. Auch unter Zuhilfenahme der 29 Angestellten ist nach Auffassung der Kammer die
Antragsgegnerin nicht in der Lage, die Durchführung der zahlreichen aktuellen Tarifverträge allein in den Handwerksbereich der
Beteiligten Ziffern 11-17 zu überprüfen, geschweige denn, die entsprechenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kennzahlen zu
erarbeiten. Da die Antragsgegnerin nicht einmal durch Befragen ihrer Landesvorsitzenden ermitteln kann, welche ihrer aktiven
Mitglieder im Industriebereich und welche im Handwerksbereich tätig sind, auch nicht in der Lage ist, die im Handwerksbereich
Beschäftigten nach den entsprechenden Innungen aufzuschlüsseln, muss die Kammer davon ausgehen, dass eine verbandsinterne
Willensbildung jedenfalls im Handwerksbereich überhaupt nicht stattfindet, was vice versa den Schluss nahelegt, dass die
Antragsgegnerin dort über keine nennenswerte Anzahl von Mitgliedern verfügt. Die geringe organisatorische und personelle
Ausstattung der Antragsgegnerin, noch dazu verteilt auf 13 Landessekretariate, kann auch nicht durch moderne Computertechnik und
Vernetzung aufgefangen werden. Die hauptamtlichen Sekretäre können 88.000 Mitglieder im Hinblick auf die Durchführung und
Vermittlung der abgeschlossenen Tarifverträge nicht betreuen. Ob dazu noch die von der Antragsgegnerin angeführten 433
ehrenamtlichen Funktionärinnen und Funktionäre in der Lage wären, kann die Kammer nicht beurteilen, da die ... der Kammer
ausdrücklich die Verwertung der dem Gericht überlassenen Liste der Funktionärinnen und Funktionäre nicht gestattet hat. Die im
Hinblick auf die Gesamtmitgliedschaft geringe Zahl der hauptamtlichen Sekretäre lässt nur den Schluss zu, dass die Tarifverträge, die
die Antragsgegnerin zum Nachweis ihrer Durchsetzungsfähigkeit als originäre Tarifverträge in das Verfahren eingeführt hat, mangels
ausreichender Mitglieder weder in den betreffenden Organisationsbereichen vorbereitet, noch nach Abschluss den Mitgliedern
vermittelt werden mussten, geschweige denn Bedarf daran bestand, die Durchführung der Tarifverträge in den jeweiligen
Tarifbezirken zu überwachen.
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7. Auf die Anzahl der errungenen Betriebsratsmandate und Gewerkschaftsmandate bei Aufsichtsratswahlen nach dem
Mitbestimmungsgesetz kommt es für die Feststellung der Tariffähigkeit der Antragsgegnerin nicht an. (BAG vom 14.03. 1978, AP Nr. 30
zu § 2 TVG; BVerfG vom 20.10.1981, AP Nr. 31 zu § 2 TVG).
158
8. Alles in allem war die Kammer wegen des Prozessverhaltens der Antragsgegnerin nicht in der Lage, festzustellen, ob sich die
abgeschlossenen Tarifverträge durch Normgeltung in den jeweiligen räumlichen und fachlichen Tarifbereichen auch durchgesetzt
haben. Desweiteren ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass die Antragsgegnerin aufgrund ihrer geringen Anzahl an
hauptamtlichen Kräften von ihrer Organisationsstruktur her in der Lage ist, die Aufgaben einer tariffähigen Gewerkschaft im Sinne
einer sinnvollen Ordnung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in ihrem Organisationsbereich zu erfüllen. Dem Antrag der
Antragstellerin war demnach zu entsprechen.
IV.
159
Die Entscheidung ergeht gerichtskosten- und auslagenfrei, § 12 Abs. 5 ArbGG
160
D.Vorsitzende:
...
161
Ausgefertigt
162
Stuttgart, den 02.02.2004
163
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle