Urteil des ArbG Solingen vom 21.04.1999

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Arbeitsgericht Solingen, 3 Ca 158/99
Datum:
21.04.1999
Gericht:
Arbeitsgericht Solingen
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 Ca 158/99
Schlagworte:
xxxxxxxxxxxxxxxxxx
Normen:
xxxxxxxxxxxxxxxxxxx
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
Tenor:
.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 2.000,--
(i.W.: zweitausend Deutsche Mark) brutto nebst
4 % Zinsen seit dem 21.01.1999 zu zahlen.
2.) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3.) Streitwert: DM 2.000,--.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger, der nicht Mitglied einer Gewerkschaft ist, ist seit nahezu 30 Jahren im
Betrieb der Beklagten beschäftigt, die bis zum 31.12.1996 Mitglied in dem für ihre
Branche zuständigen Arbeitgeberverband war. Der Verdienst des Klägers beträgt
DM 25,50 brutto pro Stunde bei einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 35
Stunden.
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Die Beklagte, die in der Vergangenheit an alle Mitarbeiter immer
Sonderzahlungen in Form eines 13. Monatseinkommens oder Weihnachtsgeldes
nach dem Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13.
Monatseinkommens in der Metallindustrie NW gezahlt hat, hat hiervon aufgrund
ihrer schlechten wirtschaftlichen Situation im Jahre 1998 Abstand genommen.
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In einer am 07.12.1998 abgeschlossenen Betriebsvereinbarung über einen
Konsolidierungsvertrag zwischen dem Betriebsrat der Beklagten und der
Beklagten (Kopien Bl. 25 ff. d.A.), deren Beginn ausweislich Ziffer 6) der
Vorbemerkung auf den 01.01.1999 festgelegt ist und die auch von jemanden von
der IG Metall Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen unterschrieben ist (s. Kopie Bl.
35 d.A.) ist unter Ziffer 3) geregelt:
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Gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte ohne Leitungsfunktion:
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Variabilisierung der 13. tariflichen Sonderzahlung (Weihnachts- und
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Urlaubsgeld)
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Die 13. tarifliche Sonderzahlung (nach Tarif) für die Geschäftsjahre 98/99,
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99/00, 00/01 (MTV-NRW 01.01.1997) für die gewerblichen Arbeitnehmer(innen)
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wird variabilisiert. In diesen Geschäftsjahren erfolgt für den Fall, daß
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mindestens 3 % x Unternehmensrendite erwirtschaftet werden, die 13.
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tarifliche Sonderzahlung nach der tariflichen Norm. Basis ist die steuerliche
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Bilanz sowie das Berechnungsschema nach Punkt 6.
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Ab dem 01.01.2002 tritt die bis dahin ausgesetzte gültige Regelung laut
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Anerkennungstarifvertrag wieder in Kraft.
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Die Sonderzahlungen für die Geschäftsjahre 98/99, 99/00, 00/01 sollen
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zukünftig variabel, d. h. gewinnabhängig, vergütet werden. Daher wird
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für das Geschäftsjahr 98/99 zunächst auf die Auszahlung der 13. tarif-
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lichen Sonderzahlung verzichtet. Erst nach Feststellung der Rendite
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für 98/99 (steuerliche Bilanz) wird die 13. tarifliche Sonderzahlung bei
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Erfüllung der Mindestvoraussetzung (3 %) nachgezahlt, maximal in
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der tariflich vereinbarten Höhe. Sofern der steuerliche Gewinn für die
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Auszahlung der vollständigen 13. tariflichen Sonderzahlung nicht
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ausreicht, wird diese anteilig ausgezahlt.
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Unter II, Ziffer 6.1 der Vereinbarung ist eine einmalige Zahlung in Höhe von DM
500,-- an alle Mitarbeiter die an der Verzichtsregelung und der Flexibilisierung
teilnehmen vorgesehen.
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Unter III, 2 heißt es, daß Wirksamkeitssvoraussetzung der Abschluß eines
gültigen Anerkennungstarifvertrages für die Metallindustrie NRW ist.
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Ein solcher Anerkennungstarifvertrag ist unter dem 01.01.1999 abgeschlossen
worden (Kopien Bl. 21 - 22 d.A.). Er ist seitens der IG Metall von demjenigen
unterzeichnet worden, der auch die Betriebsvereinbarung mitunterzeichnet hat.
Nach § 4 dieses Tarifvertrages ist der Anerkennungstarifvertrag am 01.01.1999 in
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Kraft getreten.
Der Kläger, der bereits mit Anwaltsschreiben vom 18.12.1998 (Kopie Bl. 3 d.A.)
der Beklagten mitgeteilt hat, daß er nicht verstehen könne, daß er nach 30 Jahren
jetzt kein Weihnachtsgeld mehr bekommen soll begehrt mit seiner der Beklagten
am 21.01.1999 zugestellten Klage die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung
eines Weihnachtsgeldes in Höhe von DM 2.000,-- brutto zuzüglich Prozeßzinsen.
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Der Kläger ist der Ansicht, er habe aufgrund jahrzehntelanger Übung einen
Anspruch auf jährliche Zahlung eines Weihnachtsgeldes erworben. Der
Anerkennungstarifvertrag vom 01.01.1999 könne diesen Anspruch schon deshalb
nicht berühren, weil er erst abgeschlossen worden sei, nachdem das
Weihnachtsgeld schon längst hätte gezahlt sein müssen. Jedenfalls habe er aber
Anspruch auf den Betrag in Höhe von DM 500,-- der an Mitarbeiter gezahlt worden
ist, die sich mit der Regelung per Unterschrift einverstanden erklärt hätten.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
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DM 2.000,-- brutto nebst 4 % Zinsen seit
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Rechtshängigkeit zu zahlen;
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor, mit dem Kläger sei bei der Einstellung, wie in allen anderen Fällen
auch, vereinbart worden, daß auf das Arbeitsverhältnis die von der IG Metall
abgeschlossenen Tarifverträge Anwendung finden.
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Angesichts der mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft getroffenen
Regelungen sei ein Anspruch des Klägers jedenfalls nicht fällig. Da das
Geschäftsjahr 98/99 erst am 31.07.1999 auslaufe, könne erst dann festgestellt
werden, ob die in den Regelungen niedergelegten Voraussetzungen für die
Zahlung erfüllt seien.
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Im übrigen sei auch nicht erkennbar, wie sich der verlangte Betrag von DM 2.000,-
- zusammensetzen solle.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt
der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und den übrigen
Akteninhalt, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist,
ergänzend Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist begründet.
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Der Kläger hat einen einzelvertraglichen Anspruch darauf, für das Kalenderjahr
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1998 eine Zahlung entsprechend dem Tarifvertrag über die Zahlung eines
abgesicherten Teiles eines 13. Monatseinkommens der Metallindustrie NRW (TV-
13.ME) zu erhalten. Dabei kann dahinstehen, ob dieser einzelvertragliche
Anspruch entsprechend den von der Rechtsprechung zur betrieblichen Übung
entstandenen Rechtsgrundsätzen entstanden ist, da die Beklagte über Jahre
hinweg entsprechende Zahlungen an den Kläger erbracht hat oder dadurch, daß
bereits bei der Einstellung einzelvertraglich vereinbart worden ist, daß auf das
Arbeitsverhältnis die von der IG Metall abgeschlossenen Tarifverträge
Anwendung finden sollen.
Dieser Anspruch des Klägers konnte auch durch die Betriebsvereinbarung im
Zusammenhang mit dem Anerkennungstarifvertrag nicht beseitigt werden.
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Durch Betriebsvereinbarung konnte schon wegen des Tarifvorbehaltes in § 77
Abs. 3 BetrVG keine Regelung getroffen werden, die Ansprüche der Arbeitnehmer
auf Sonderzahlungen beseitigt, da diese Ansprüche durch den TV-13.ME
tarifvertraglich ohne Öffnungsklausel geregelt sind.
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Aber auch, wenn angesichts der für die IG Metall unter die Betriebsvereinbarung
geleisteten Unterschrift davon ausgegangen würde, daß es sich bei der
Betriebsvereinbarung rechtlich in Wirklichkeit um einen (Haus-) Tarifvertrag
handelt, vermag diese Regelung Ansprüche des Klägers für das Kalenderjahr
1998 selbst dann nicht zu beseitigen, wenn zugunsten der Beklagten von deren
Vortrag ausgegangen wird, daß einzelvertraglich vereinbart wurde, daß die
jeweils von der IG Metall vereinbarten Regelungen auf das Arbeitsverhältnis
Anwendung finden sollen.
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Dem steht nämlich schon entgegen, daß die Regelung erst mit Abschluß des
Anerkenntnis-Tarifvertrages - also erst am 01.01.1999 - wirksam geworden ist.
Diese Regelung konnte nicht rückwirkend in die bereits am 01.12.1998
entstandene Rechtsposition - an diesem Tag war gemäß § 3 des TV-13.ME die
Zahlung für 1998 fällig - zum Nachteil der Arbeitnehmer eingreifen. Zwar kann der
Regelung in Ziffer 3 der Betriebsvereinbarung, die auf das Geschäftsjahr 98/99 (=
01.08.1998 bis 31.07.1999) abstellt, der Wille der Vertragspartner entnommen
werden, auch die Ansprüche aus dem Kalenderjahr 1998 der Regelung zu
unterwerfen. Einer derartigen Rückwirkung steht aber jedenfalls der Grundsatz
des Vertrauensschutzes entgegen. Davon, daß die IG Metall als zuständige
Tarifvertragspartei diese Regelung billigen würde, konnte der Kläger frühestens
am 07.12.1998, dem Tag der Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung,
ausgehen. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Zahlung aber schon erfolgt sein müssen.
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Der Anspruch des Klägers ist auch der Höhe nach begründet. Nach der
tarifvertraglichen Regelung hat er Anspruch auf 55 % eines Monatseinkommens,
das sind sogar mehr als DM 2.000,--.
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Nach alledem war der Klage mit der sich aus § 291, 288 BGB ergebenden
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Zinsentscheidung stattzugeben.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO,
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die Streitwertfeststezung aus §§ 3 ff. ZPO, 25 Abs. 2 GKG.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
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Gegen dieses Urteil kann von der B e k l a g t e n
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B e r u f u n g
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eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes
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800,-- Deutsche Mark übersteigt.
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Für den Kläger
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ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muß
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innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
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(*eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht
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verlängert werden)
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nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem
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Landesarbeitsgericht Düsseldorf
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Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf
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eingelegt werden.
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Sie ist gleichzeitig oder
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innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung
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schriftlich zu begründen.
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Berufungsschrift und Berufungsbegründung müssen von einem bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Sie können
auch von einem Vertreter von Gewerkschaften oder von Vereinigungen von
Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher Verbände unterzeichnet
werden, wenn diese Vertreter kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt
sind und der Zusammenschluß, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind.
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M a e r c k s
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