Urteil des ArbG Paderborn vom 07.07.2010

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Arbeitsgericht Paderborn, 2 Ca 392/10
Datum:
07.07.2010
Gericht:
Arbeitsgericht Paderborn
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 Ca 392/10
Nachinstanz:
Landesarbeitsgericht Hamm, 5 Sa 1498/10
Schlagworte:
Verhaltensbedingte Kündigung; Wettbewerbshandlungen im Bezug auf
den vorherigen Arbeitgeber; DVDs mit pornografischem Inhalt am
Arbeitsplatz, Beleidigung des Arbeitgebers
Normen:
§ 626 BGB
Tenor:
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende
Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 19.02.2010
nicht beendet wurde.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Streitwert wird auf 11.700,00 € festgesetzt.
Tatbestand :
1
Die Parteien streiten über eine fristlose und hilfsweise fristgerechte Kündigung des
Beklagten.
2
Der Kläger ist seit dem 01.01.2010 gemäß dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom
15.01.2010 (Bl. 11/12 d. A.) bei dem Beklagten beschäftigt. Das vereinbarte
Bruttomonatsgehalt des Klägers beträgt 3.900,00 € zuzüglich Spesen.
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In dem schriftlichen Arbeitsvertrag trafen die Parteien u. a. noch folgende
Regelungen:
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§ 2 Kündigung
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1. Das Anstellungsverhältnis ist unbefristet.
2. Eine Probezeit entfällt.
3. Das Arbeitsverhältnis kann frühestens nach zwei Jahren von seitens des
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Arbeitgebers beendet werden es sei den in beiderseitigem Einverständnis
4. Das Recht zur außerordlichen Kündigung bleibt unberührt. Eine fristlose
Kündigung gilt für den Fall der Unwirksamkeit als fristgerechte Kündigung zum
nächstzulässigen Termin.
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§ 7 Schlussbestimmungen
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1. Mündliche Nebenabsprachen zu diesem Vertrag bestehen nicht. Ergänzungen
oder Veränderungen bedürfen der Schriftform.
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Der Kläger ist der einzige Arbeitnehmer des Beklagten.
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Der Beklagte übt seine geschäftliche Tätigkeit auf dem Betriebsgelände der Firma
A2 M2 GmbH & Co. KG aus. Der Beklagten nahm erst vor kurzem seine
geschäftliche Tätigkeit auf und kauft seit dem 01.01.2010 Schrott in Polen ein und
verkauft diesen in Deutschland weiter. Hauptabnehmer und Kunde des Beklagten
ist hierbei die Firma M2, die dem Beklagten ca. 90 % des Warenimportes abkauft.
Die restlichen 10 % entfallen auf kleinere Kunden.
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Vor seiner Beschäftigung bei dem Beklagten war der Kläger seit dem 01.02.2002
Arbeitnehmer der Firma A2 M2 GmbH & Co. KG. Im Rahmen seiner Beschäftigung
bei der Firma M2 unterzeichnete der Kläger u. a. eine Verschwiegenheitserklärung
unter dem 05.06.2002 (Bl. 79 d. A.). Der Kläger war bei der Firma M2 zunächst als
Disponent tätig, wobei sich sein Arbeitsplatz im sogenannten W4 befand. An seinem
Arbeitsplatz befand sich auch ein Telefonbuch, in das die Ansprechpartner bei
Kunden mit Telefonnummer eingetragen wurden. Die weiteren Einzelheiten zu dem
Telefonbuch sind zwischen den Parteien streitig. Im Jahr 2006 kam es zu
krankheitsbedingten Ausfallzeiten des Klägers. Ab Mitte 2006 übernahm der Sohn
des Geschäftsführers A2 M2 jun. die Tätigkeit des Klägers, wobei er dessen
Telefonbuch allerdings nicht nutzte. Im Jahr 2008 kündigte die Firma M2 das mit
dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis. Da sich die Kündigung im
arbeitsgerichtlichen Verfahren als unwirksam erwies, führte der Kläger das
Arbeitsverhältnis mit der Firma M2 seit dem 01.12.2008 wieder fort. Ab diesem
Zeitpunkt wurde der Kläger als Fuhrparkleiter beschäftigt und hatte im Rahmen
seiner Tätigkeit keine Kundenkontakte mehr.
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Im Rahmen der Aufnahme der Geschäftsbeziehungen zwischen dem Beklagten und
der Firma M2 vermittelte diese den Kläger an den Beklagten. Zeitgleich mit dem
Arbeitsvertrag vom 15.01.2010 schlossen der Kläger und die Firma M2 einen
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Aufhebungsvertrag zum 31.12.2009 (Bl. 43-45 d. A.). Der Aufhebungsvertrag enthält
unter § 4 "Betriebsgeheimnisse" die Regelung, dass sich der Kläger verpflichtet, alle
ihm während seiner Tätigkeit bekannt gewordenen betriebsinternen
Angelegenheiten, vor allem Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, geheim zu halten.
Nach dem Wechsel des Klägers zu dem Beklagten räumte der Beklagte den
Schreibtisch des Klägers bei der Firma M2 aus. Die Unterlagen des Klägers legte
der Beklagte in einen Karton. Diese sollten später verbrannt werden. Einige Tage
nach Aufnahme seiner Arbeit bei dem Beklagten am 18.01.2010 fragte der Kläger
den Beklagten nach "seinem" Telefonbuch. Der Beklagte sagte daraufhin, dieses
sei wohl verbrannt worden. Der Kläger sprach daraufhin den Mitarbeiter der Firma
M2 N2 auf das Telefonbuch an. Dieser teilte dem Kläger mit, dass sich dessen
Unterlagen noch im Heizungsraum befänden und bislang noch nicht verbrannt
worden seien. Daraufhin wurde das Telefonbuch aus dem Heizungsraum geholt
und von dem Kläger in Besitz genommen.
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Im Rahmen seiner Tätigkeit für den Beklagten kontaktierte der Kläger verschiedene
Kunden der Firma M2 und unterbreitete diesen Angebote.
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Am 18.02.2010 erhielt der Beklagte einen Anruf des Geschäftsführers der Firma M2,
A2 M2 sen., der sehr aufgebracht war und den Beklagten anschrie, dass er die
Geschäftsbeziehung sofort beenden wolle. Kurz darauf fand ein Gespräch des
Beklagten mit Herrn M2 sen. statt, der dem Beklagten vorwarf, er habe versucht,
Stammkunden von ihm abzuwerben. Nach dem Gespräch begaben sich der
Beklagte und Herr M2 sen. in das Büro des Klägers, wobei der Kläger nicht mehr
anwesend war. In der Schreibtischschublade fanden sie das ehemalige
Telefonbuch des Klägers von der Firma M2. Des Weiteren fanden sie diverse DVD’s
des Klägers mit pornografischem Material. Auf diesen ist der Kläger u. a. dabei zu
sehen, wie er sich diverse Gegenstände anal einführt. Wo die DVD’s genau
aufgefunden wurden, ist zwischen den Parteien streitig. Der Beklagte kontaktierte
den Kläger anschließend auf dem Handy. Der Inhalt des Gesprächs ist zwischen
den Parteien streitig.
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Mit zwei Schreiben vom 19.02.2010, welche dem Kläger am 20.02.2010 und am
23.02.2010 zugingen, kündigte der Beklagte das mit dem Kläger bestehende
Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise fristgemäß. Gegen die Kündigung hat der
Kläger mit einem am 26.02.2010 per Fax eingegangenen Schriftsatz
Kündigungsschutzklage erhoben.
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Der Kläger bestreitet das Vorliegen von Kündigungsgründen. Insbesondere könne
der Beklagte wegen der Regelung in § 2 Ziffer 3 des Arbeitsvertrages frühestens
nach zwei Jahren kündigen. Gründe für eine fristlose Kündigung lägen jedoch nicht
vor. Der Beklagte könne dem Kläger nicht vorwerfen, er habe das Telefonbuch bei
der Firma M2 entwendet. Vielmehr habe der Kläger das Telefonbuch selbst vor ca.
acht Jahren angeschafft und es auch geführt. Der Kläger habe bis zuletzt bei der
Firma M2 mit diesem Telefonbuch gearbeitet. Im Januar 2009 habe Herr M2 jun.
dem Kläger Kartons mit Unterlagen in sein neues Büro gebracht, wobei sich in den
Kartons auch das Telefonbuch des Klägers befunden habe. Nach dem Wechsel zu
dem Beklagten habe der Kläger den Mitarbeiter der Firma M2 N2 gebeten, das
Telefonbuch zurückzubringen, sofern dies noch nicht verbrannt worden sei. Dies
habe Herr N2 getan, wobei der Kläger Herrn N2 auch Dankbarkeit ein Mittagessen
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ausgegeben habe. Der Kläger habe dies auch dem Beklagten erzählt, der sich
gefreut habe und den Kläger aufgefordert habe, die im Telefonbuch aufgeführten
Kunden zu kontaktieren. Der Beklagte habe den Kläger auch ausdrücklich
aufgefordert, geschäftliche Kontakte zu früheren Kunden der Firma M2 herzustellen.
Zu diesem Zweck habe der Beklagte sich Kontaktadressen vom Kläger geben
lassen und sei per E-Mail mit den Kunden in Verbindung getreten, da es noch keine
Firmen-E-Mail-Adresse gegeben habe. Beim Ausscheiden des Klägers bei der
Firma M2 und der Einstellung bei dem Beklagten sei es zu keinem Zeitpunkt Thema
gewesen, dass der Kläger nicht an Kunden der Firma M2 herantreten dürfe.
Vielmehr seien solche Kontakte ausdrücklich von dem Beklagten gewünscht
gewesen. Der Beklagte habe den Kläger auch aufgefordert, nach neuen
Büroräumen zu suchen, damit der Geschäftsführer der Firma M2 ihm nicht ständig
"über die Schulter schaue". Zu diesem Zwecke habe der Kläger noch am 18. und
19.02.2010 Büroräume besichtigt.
Am 18.02.2010 sei dann ca. um 16.30 Uhr der Geschäftsführer M2 Sen. in das Büro
des Klägers gekommen und habe diesen angebrüllt, wie er denn Kunden der Firma
M2 anschreiben könne. Der Kläger habe daraufhin gesagt, dies sei nicht verboten,
sondern vielmehr sein Job. Der Kläger sei dann gegangen, weil der Beklagte dem
Kläger schon vor Ankunft des Geschäftsführers der Firma M2 gesagt habe, der
Kläger solle Feierabend machen. Die pornografischen DVD’s seien in der am
Arbeitsplatz befindlichen Jacke des Klägers und nicht im Schreibtisch gewesen. Im
Übrigen wiesen diese keinen verbotenen Inhalt auf. Der Kläger habe den Inhalt der
DVD’s auch nicht auf dem PC am Arbeitsplatz gespeichert, wobei dieser PC ihm
ohnehin erst Mitte Februar 2010 zur Verfügung gestanden habe. Kurze Zeit
nachdem der Kläger am 18.02.2010 seinen Arbeitsplatz bei dem Beklagten
verlassen habe, habe er einen Anruf von dem Beklagten erhalten. Der Beklagte
habe ihm gesagt, er werde "A6" (den Geschäftsführer der Firma M2) schon wieder
beruhigen und der Kläger solle in jedem Fall ein neues Büro suchen. Nach Zugang
der Kündigung habe der Kläger dann aber den Beklagten angerufen und diesen
gefragt, was das denn solle. Der Beklagte habe dem Kläger gesagt, man werde sich
Montag zusammensetzen und über alles sprechen. Dies sei jedoch nicht erfolgt.
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Nach der Übergabe von zwei Büroschlüsseln im Kammertermin am 07.07.2010
haben beide Parteien den Widerklageantrag übereinstimmend für erledigt erklärt.
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Der Kläger hat zuletzt beantragt,
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die
arbeitgeberseitige, fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung vom
19.02.2010, zugestellt sowohl am 20.02.2010, als auch am 23.02.2010, nicht
beendet worden ist.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte ist der Auffassung, die fristgerechte Kündigung sei wirksam. Der
Kläger sei seinerzeit bei der Einstellung durch die Firma M2 von dem
Geschäftsführer beauftragt worden ein neues Telefonbuch anzulegen. Dieses
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Telefonbuch sei von der Firma M2 angeschafft und gezahlt worden. Im Laufe der
Zeit seien von verschiedenen Mitarbeitern Eintragungen vorgenommen worden. Mit
Übernahme der Tätigkeit des Klägers durch Herrn M2 jun. sei das Telefonbuch in
Vergessenheit geraten, aber jedoch noch weiter geführt worden. Als der Kläger
zuletzt bei der Firma M2 als Fuhrparkleiter tätig war, sei das Telefonbuch an seinem
früheren Arbeitsplatz verblieben, dem das Buch zugeordnet gewesen sei. Während
der Tätigkeit als Fuhrparkleiter habe der Kläger dann offensichtlich sein altes
Telefonbuch entwendet.
Im Zusammenhang mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrages zwischen dem
Kläger und der Firma M2 sowie des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien sei im
Vorfeld intensiv mit dem Kläger darüber gesprochen worden, dass Voraussetzung
sei, dass der Kläger die erlangten Kundenkontakte aus der Zeit bei der Firma M2
nicht nutzen und auch keine Kunden abwerben solle. Dies sei auch nochmals
Anfang Januar 2010 im Beisein des Geschäftsführers der Firma M2 mit und
zwischen den Parteien besprochen worden. Dem Beklagten sei von dem
Geschäftsführer der Firma M2 auch mitgeteilt worden, dass er ausschließlich
Kunden aus Norddeutschland ansprechen dürfe, da es sich hierbei nicht um ein
Einzugsgebiet der Firma M2 handele. Dem Kläger sei mitgeteilt worden, dass bei
Zuwiderhandlungen kein Arbeitsvertrag geschlossen werde. In einem weiteren
Gespräch am 15.01.2010 zwischen den Parteien im Beisein des Geschäftsführers
der Firma M2 habe der Beklagte dem Kläger nochmals mitgeteilt, dass er keine
Kunden der Firma M2 abwerben dürfe, weil sonst die Firma M2 alle
Geschäftsbeziehungen zu ihm abbreche und die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses dann nicht möglich sei. Der Kläger habe dies dem Beklagten
versichert. Anschließend sei der schriftliche Arbeitsvertrag geschlossen worden.
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Nach Aufnahme seiner Tätigkeit bei dem Beklagten sei der Kläger dann selbst in
den Heizungsraum gegangen und habe sich das Telefonbuch der Firma M2 geholt.
Als am 18.02.2010 der Beklagte und der Geschäftsführer der Firma M2 um 16 Uhr
zum Büro des Klägers gegangen seien, um ihn zur Rede zu stellen, sei der Kläger
förmlich geflüchtet, obwohl sein reguläres Arbeitszeitende erst um 17 Uhr gewesen
wäre. Als der Beklagte gemeinsam mit Herrn M2 den Schreibtisch des Klägers
durchsuchte, habe der Beklagte dann erstmalig das Telefonbuch der Firma M2
gesehen. Des Weiteren hätten sich die DVD’s mit dem pornografischen Material in
den Schubladen des Schreibtisches des Klägers befunden. Die darauf
dokumentierten Neigungen des Klägers seien eindeutig als pervers zu qualifizieren.
Es sei davon auszugehen, dass der Kläger den Inhalt der DVD’s auch während der
Arbeitszeit sichtete. Die auf Blatt 86 und 87 der Akte gezeigten Fotos seien am 17.
und 18.02.2010 auf dem Rechner des Beklagten gespeichert worden. Nach
Durchsuchung des Schreibtisches des Klägers habe der Beklagte den Kläger auf
seinem Handy kontaktiert. Der Beklagte habe hierbei sein Telefon wegen der
Anwesenheit des Geschäftsführers Firma M2 auf Lautsprecher gestellt und diesen
Umstand dem Kläger mitgeteilt. Daraufhin habe der Beklagte den Kläger in
sachlicher Form mit dem Sachverhalt konfrontiert. Der Kläger habe sich inhaltlich
nicht äußern wollen. Er habe lediglich gesagt: "Ich pisse auf euch alle. Ihr
Arschlöcher, ihr könnt mich alle mal". Danach sei die Verbindung abgebrochen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe :
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A. Die Klage ist zulässig und begründet.
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34
Die streitgegenständliche Kündigung vom 19.02.2010 vermochte das
Arbeitsverhältnis der Parteien weder fristlos noch fristgemäß zu beenden.
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I. Die fristlose Kündigung vom 19.02.2010 ist unwirksam.
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1.
KSchG eingehalten.
38
2.
des Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 Abs. 1 BGB.
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Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne
Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen,
aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu
der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden
kann.
40
a.
den Beklagten nicht zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
41
aa.
anderswo ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gemäß §§ 74 ff. HGB
vereinbart. Auch die zwischen dem Kläger und der Firma M2 vereinbarte
nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht begründet keine Verpflichtung des
Klägers, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses an Kunden der Firma M2
heranzutreten. Im Übrigen handelt es sich hierbei um vertragliche Regelungen
zwischen dem Kläger und der Firma M2, welche für das Arbeitsverhältnis der
Parteien keine unmittelbaren Auswirkungen haben.
42
bb.
sich auch nicht aus dem Vorbringen des Beklagten zu den getroffenen Absprachen
im Zusammenhang mit der Eingehung des Arbeitsverhältnisses, wonach der Kläger
nicht an Kunden der Firma M2 herantreten dürfe.
43
Einer Beweisaufnahme über die von dem Beklagten behaupteten Abreden vor
Abschluss des Arbeitsvertrages bedurfte es nicht. Denn dem Beklagten ist es wegen
der Regelungen in § 7 Ziffer 1 des Arbeitsvertrages der Parteien verwehrt, sich auf
die von ihm behauptete mündliche Abrede zu berufen.
44
Gemäß § 7 Abs. 1 des Arbeitsvertrages bestehen mündliche Nebenabsprachen zu
diesem Vertrag nicht. Derartige Abreden vor Vertragsschluss behauptet der
Beklagte jedoch. Es handelt sich insbesondere bei den von der Beklagten
dargelegten Absprachen nicht lediglich um Arbeitsanweisungen durch den
Beklagten, sondern vielmehr um Abreden im Zusammenhang mit dem Abschluss
des Arbeitsvertrages der Parteien. Denn die von dem Beklagten behaupteten
Gespräche fanden alle vor Abschluss des Arbeitsvertrages der Parteien statt. Zu
diesem Zeitpunkt gab es noch kein arbeitsvertragliches Weisungsrecht, welches der
Beklagte gegenüber dem Kläger hätte ausüben können. Vielmehr ging es nach dem
Vortrag des Beklagten ihm und dem Geschäftsführer der Firma M2 darum, die
Voraussetzungen für den Abschluss eines Arbeitsverhältnisses der Parteien
festzulegen. Nach den Ausführungen des Beklagten sollte die Absprache, dass
keine Kunden der Firma M2 abgeworben werden, sozusagen Geschäftsgrundlage
für das Arbeitsverhältnis der Parteien seien.
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Eine derartige Abrede findet sich jedoch in dem schriftlichen Arbeitsvertrag der
Parteien nicht wieder. Wegen der Regelung und § 7 Abs. 1 des Arbeitsvertrages
kann sich der Beklagte auch nicht auf die von ihm behauptete Absprache der
Parteien berufen. Da es sich bei den Regelungen des schriftlichen Arbeitsvertrages
um allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB handelt, ist es dem
Beklagten als Verwender der allgemeinen Geschäftsbedingungen zudem verwehrt,
sich auf eine etwaige Unwirksamkeit der vertraglichen Regelung in § 7 Abs. 1 zu
berufen (vgl. BAG vom 27.10.2005 - 8 AZR 3/05 - AP BGB § 310 Nr. 5).
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Allein die Unterbreitung von Angeboten an Kunden der Firma M2 durch den Kläger
rechtfertigt allein vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Firma M2 unstreitig um
den größten Kunden des Beklagten handelt, nicht die fristlose Kündigung des
Arbeitsverhältnisses. Insbesondere ist nach der rechtlichen Beendigung des
Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer grundsätzlich frei, seinem ehemaligen
Arbeitgeber Wettbewerb zu machen. Dass es sich bei seinem Verhalten um eine
Pflichtverletzung handeln könnte, war aus Sicht des Klägers damit überhaupt nicht
erkennbar. Von daher rechtfertigt das Ansprechen von Kunden der Firma M2
allenfalls nach einer vorherigen Abmahnung die Kündigung des
Arbeitsverhältnisses. Eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung ist daher
unwirksam.
47
b.
Abs. 1 BGB auch nicht darauf berufen, dass der Kläger das bei der Firma M2
verwendete Telefonbuch an sich nahm und die darin befindlichen Informationen
weiter verwendete.
48
Das Telefonbuch ist nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten bei der Firma M2
bereits seit dem Jahr 2006 in Vergessenheit geraten. Nach dem übereinstimmenden
Vortrag der Parteien stand das Buch bereits im Heizungskeller zur Verbrennung
bereit. Von daher hat es nach Auffassung der Kammer nicht das Gewicht eines
49
wichtigen Grundes gemäß § 626 Abs. 1 BGB, wenn der Kläger sein (ehemaliges)
Telefonbuch vor der Verbrennung bewahrt und an sich nimmt. Insbesondere ist
unabhängig von den Eigentumsverhältnissen hinsichtlich des Telefonbuchs dieses
Verhalten nicht mit der Begehung eines Vermögensdeliktes zu Lasten des größten
Kunden des Beklagten gleichzusetzen, zumal es sich bei dem Kläger zudem um
den ehemaligen Arbeitnehmer der Firma M2 handelt.
Soweit man auf die Verwendung der sich aus dem Telefonbuch ergebenden
Informationen durch den Kläger abstellt, ergibt sich daraus – wie bereits unter
I. 2. a.
ausgeführt – kein Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäß §
626 Abs. 1 BGB. Vielmehr war der Kläger grundsätzlich frei, nach Beendigung des
Arbeitsverhältnisses seine Kenntnisse hinsichtlich der Kunden der Firma M2 zu
verwenden. In diesem Zusammenhang wiegt auch die Nutzung von Informationen
aus dem Telefonbuch der Firma M2 nicht schwer. Insbesondere ist zu
berücksichtigen, dass bei der Beurteilung, ob ein wichtiger Grund zur fristlosen
Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt, ausschließlich auf das Verhältnis der
Arbeitsvertragsparteien abzustellen ist. Darauf, wie der Geschäftsführer der Firma
M2 das Verhalten des Klägers wertet, kommt es nicht an.
50
c.
Aufnahmen des Klägers berechtigen den Beklagten nicht zur fristlosen Kündigung
des Arbeitsverhältnisses.
51
Strafrechtlich relevant ist der Inhalt der DVD’s unstreitig nicht. Grundsätzlich handelt
es sich bei den auf den DVD’s zu sehenden sexuellen Praktiken des Klägers um
dessen Privatangelegenheiten, auch wenn der Beklagte die DVD’s im Bereich der
klägerischen Arbeitsplatzes auffand. Das außerdienstliche Verhalten eines
Arbeitnehmers kommt jedoch nur dann als wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung
in Betracht, wenn hierdurch das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird.
Hierbei ist der Arbeitgeber grundsätzlich nicht zum Sittenrichter über die in seinem
Betrieb tätigen Arbeitnehmer berufen (vgl. KR-Fischermeier, 8. Auflage, § 626 BGB,
Rdnr. 414).
52
Allein der Umstand, dass die auf den DVD’s zu sehenden Aufnahmen den
Beklagten anwidern und er diese als "pervers" empfindet, berechtigt den Beklagten
daher nicht zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses, da der Inhalt der
DVD’s keinen Bezug zur Tätigkeit des Klägers und seinen Arbeitsleistungen
aufweist. Konkrete Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses sind damit nicht
erkennbar.
53
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Behauptung des Beklagten, die auf
Blatt 86 und 87 der Akte befindlichen Aufnahmen hätten sich auf dem Rechner des
Klägers befunden. Der Kläger hat in Abrede gestellt, Fotos auf seinem dienstlichen
Computer gespeichert zu haben. Der Beklagte hat für seine Behauptung keinen
Beweis angetreten. Allein aus den auf den Fotos aufgedruckten Datums- und
Uhrzeitangaben ergibt sich nicht, dass diese auf dem PC am Arbeitsplatz des
Klägers gespeichert waren.
54
Dass der Kläger die pornografischen Fotos während seiner Arbeitszeit anschaute
und bearbeitete, ist nicht ersichtlich. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine
Vermutung des Beklagten, die dieser nicht weiter substantiiert hat.
55
d.
Beklagten behaupteten Äußerungen des Klägers in dem Handytelefonat der
Parteien nach Auffinden der DVD´s am Arbeitsplatz des Klägers nicht die fristlose
Kündigung gemäß § 626 BGB.
56
Zwar können grobe Beleidigungen des Arbeitgebers bzw. seiner Vertreter oder
Repräsentanten, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den
Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine
Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen und eine fristlose Kündigung an sich
rechtfertigen (vgl. BAG vom 10. Oktober 2002 – 2 AZR 418/01 – DB 2003, 1797 –
BAG vom 17. Februar 2000 – 2 ARZ 927/98 – juris). Unter Berücksichtigung der
Umstände des Einzelfalles ist die von dem Beklagten angeführte Beleidigung nicht
als so gravierend zu erachten, als dass eine fristlose Kündigung des
Arbeitsverhältnisses ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt wäre.
57
Nachdem der Beklagte noch im Klageerwiderungsschriftsatz die behaupteten
Beleidigungen des Klägers gänzlich unerwähnt ließ und lediglich vortrug, der
Kläger habe sich in dem Handytelefonat nicht zum Sachverhalt äußern wollen, hat
er im Schriftsatz vom 25. Mai 2010 erstmals behauptet, der Kläger habe – nachdem
ihm der Beklagte im sachlichen Ton den Sachverhalt schilderte - abschließend
geäußert: "Ich pisse auf euch alle. Ihr Arschlöcher, ihr könnt mich alle mal." Hierbei
handelt es sich tatbestandlich um eine erhebliche Beleidigung sowohl des
Beklagten als auch des mithörenden Geschäftsführers der Fa. M2.
58
Jedoch ist diese Äußerung in den gesamten Geschehensablauf einzuordnen und in
diesem Licht zu betrachten. Unstreitig hat der Beklagte zusammen mit dem
Geschäftsführer der Fa. M2 die DVD`s mit dem pornografischen Material des
Klägers aufgefunden und sich diese mit ihm zusammen angeschaut. Unabhängig
davon, ob sich die DVD`s des Klägers in der Schreibtischschublade oder in der
Jacke des Klägers befanden, war es vom Kläger sicherlich nicht bezweckt, den
Inhalt dieser DVD´s seinem jetzigen und seinem ehemaligen Arbeitgeber
zugänglich zu machen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Sichtung
des Bild- und Filmmaterials auf den DVD´s durch den Beklagten und Herrn M2 sen.
für den Kläger zumindest unangenehm war.
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Selbst wenn man also unterstellt, dass der Beklagte – wie er vorträgt – auch diesen
Sachverhalt dem Kläger am Handy sachlich und wertungsfrei schilderte, wiegt in
diesem Zusammenhang die behauptete Beleidigung des Klägers als Überreaktion
nicht derart schwer, als dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den
Beklagten nicht mehr zumutbar wäre. Vielmehr rechtfertigt die zwar
schwerwiegende, aber jedoch einmalige und unüberlegt ausgeführte Beleidigung
(vgl. auch BAG vom 17. Februar 2000 – 2 AZR 927/98 – a. a. O.) nicht die sofortige
Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Beklagten.
60
e.
Fehlen des Klägers am 18. Februar 2010 in der Zeit von 16:00 Uhr bis 17:00 Uhr
nicht die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Ohne vorherige Abmahnung
kann eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses allenfalls gerechtfertigt sein,
wenn der Arbeitnehmer über längere Zeit unentschuldigt fehlt. Ein einziger Fehltag
rechtfertigt grundsätzlich noch keine außerordentliche Kündigung (vgl. KR-
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Fischermeier, 8. Auflage, § 626 BGB, Rd-Nr. 409).
Von daher reicht eine einzige Stunde unentschuldigtes Fehlen nicht aus, um einen
wichtigen Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB darzustellen und die fristlose
Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.
62
f.
jeweils für sich gesehen nicht reichen, um das Arbeitsverhältnis außerordentlich
gemäß § 626 BGB zu beenden, ergibt sich ein fristloser Kündigungsgrund nicht
auch aus einer Gesamtbetrachtung aller Vorwürfe. Nach alledem ist die fristlose
Kündigung unwirksam.
63
II.
vermag das Arbeitsverhältnis der Parteien ebenfalls nicht zu beenden. Denn die
ordentliche Kündigung des Beklagten ist schon deshalb unwirksam, weil sie
aufgrund § 2 Ziffer 3 des von den Parteien unter dem 15. Januar 2010
geschlossenen Arbeitsvertrages ausgeschlossen ist. Grundsätzlich kann ein
Arbeitsvertrag unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist gekündigt werden.
Die Parteien können jedoch das Recht zur ordentlichen Kündigung ausschließen.
Dies kann ausdrücklich geschehen oder sich aus den Umständen zweifelsfrei
ergeben (vgl. BAG vom 13. Juni 1990 – 5 AZR 301/89 – juris; KR-Spilger, 8.
Auflage, § 622 BGB, Rd-Nr. 116 ff.).
64
Gemäß § 2 Abs. 3 des Arbeitsvertrages kann das Arbeitsverhältnis frühestens nach
2 Jahren von Seiten des Arbeitgebers beendet werden. Aus dieser Regelung ergibt
sich der Ausschluss der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit für den Beklagten für
die Dauer von zwei Jahren nach Abschluss des Arbeitsvertrages. Dies hat zur
Folge, dass während dieser Zeit zugegangene ordentliche Kündigungen unwirksam
sind. Eine Umdeutung dahingehend, dass die Wirkung erst zum Ablauf der 2-
Jahres-Frist eintritt, erfolgt nicht.
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Somit war dem Klageantrag vollumfänglich stattzugeben.
66
B.
ZPO. Soweit die Parteien hinsichtlich der Widerklage den Rechtsstreit
übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wären die Kosten des Rechtsstreits
insoweit dem Kläger aufzuerlegen gewesen, da er sich nach der (faktischen)
Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Rückgabe der Büroschlüssel in
Verzug befand. Da für die Widerklage jedoch lediglich ein Streitwert von 250,00
Euro zugrunde zu legen war und das Unterliegen des Klägers sich insoweit
geringfügig darstellt und keine höheren Kosten veranlasst hat, waren dem
Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
67
C.
den Kündigungsschutzantrag mit einem Vierteljahreseinkommen des Klägers
gemäß § 42 Abs. 4 GKG zu bewerten.
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