Urteil des ArbG Mönchengladbach vom 30.11.2007

ArbG Mönchengladbach: wichtiger grund, fristlose kündigung, ablauf der frist, ordentliche kündigung, juristische person, medizinische untersuchung, anhörung, geschäftsfähigkeit, arbeitsgericht

Arbeitsgericht Mönchengladbach, 7 Ca 2607/07
Datum:
30.11.2007
Gericht:
Arbeitsgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 Ca 2607/07
Schlagworte:
Kündigung wegen Unterschriftsfälschung und Gewährung von
Strohmannkrediten
Normen:
§ 626 I BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Die Fälschung von Unterschriften eines zuständigen Kreditkontrolleurs
und die Gewährung von Krediten ohne Sicherheit durch den
Geschäftsstellenleiter einer Bank, rechtfertigt grundsätzlich eine
außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Planmäßiges
Vorgehen spricht gegen die Geschäftsunfähigkeit des Arbeitnehmers.
Ein wichtigter Grund für eine außerordentliche Kündigung ist auch bei
Geschäftsunfähigkeit gegeben, da in dem Fall bei Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses mit weiteren Taten zu rechnen ist.
Tenor:
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3.Streitwert: 5.004,33.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
2
Der am 13.7.1949 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 1.4.1969 bei der Beklagten
beschäftigt, zuletzt als Geschäftsstellenleiter der Geschäftsstelle F.. Gemäß
Altersteilzeitvertrag vom 4.8.2004 zum Arbeitsvertrag vom 25.3.1969 befindet sich der
Kläger seit dem 1.8.2006 in der Arbeitsphase der Altersteilzeit im sog. Blockmodell. Auf
die vorgenannten Verträge (Bl. 18 ff. d.A.) wird Bezug genommen. Sein monatliches
Bruttogehalt beträgt 1.668,11 EUR.
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Zu den Kunden der Beklagten, für die der Kläger zuständig war, gehörte auch ein Herr
N. Q.. Dieser war im Jahr 2005 arbeitslos und machte sich im Jahr 2006 selbständig.
Inzwischen läuft über sein Vermögen ein Insolvenzeröffnungsverfahren.
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Der Dispositionskredit der Eheleute Q. wurde am 10.10.2005 zunächst auf 1.000,-
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gesenkt. Gleichzeitig wurde ein Geschäftskredit i.H.v. 45.000,- EUR durch den Kläger
gewährt. Nach den Richtlinien der Beklagten hätte der Kläger nur Kredite bis zu 25.000,-
EUR eigenständig bewilligen dürfen. Bis zum 1.3.2007 wurde der Dispositionskredit des
Kontos der Eheleute Q. wieder in mehreren Schritten auf zuletzt 25.000,- EUR erhöht.
Am 14.6.2006 eröffnete Herr Q. zudem ein Geschäftsgirokonto. Ihm wurde ein
Überziehungskredit von 30.000,- EUR eingeräumt, der in Anspruch genommen wurde.
In den anzufertigenden Überziehungsmeldungen hätten die Gesamtverpflichtungen des
Herrn Q. angegeben werden müssen. Dies unterließ der Kläger. Außerdem gab der
Kläger an, die Überziehung sei aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse gerechtfertigt.
In den Überziehungsmeldungen vom 31.8.2006 fälschte der Kläger die Unterschrift des
zuständigen Kreditkontrolleurs, Herrn L.. Auf die entsprechenden Unterlagen (Bl. 59, 61,
63 d.A.) wird Bezug genommen.
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Als die Kreditlinien auf den drei Konten des Herrn Q. ausgeschöpft waren, wurden die
Kreditrahmen der Konten der Mutter des Herrn Q., Ingrid Q. und deren Lebensgefährtin
erhöht. Obwohl der Dispositionskredit nach den Vorgaben der Beklagten den dreifachen
Betrag des Nettoeinkommens nicht übersteigen darf, wurde bei Frau Q. ein
Dispositionskredit von 25.000,- EUR bei einem Einkommen von 700,- EUR und bei Frau
T. 30.000,- EUR bei einem Nettoeinkommen von 1.500,- EUR eingerichtet. Die
Dispositionskredite wurden jeweils sofort in Anspruch genommen und erhebliche
Beträge auf die Konten von Herrn Q. überwiesen. Zusätzlich wurde Frau Q. ein
Darlehen i.H.v. 30.000,- EUR und Frau T. ein Darlehen i.H.v. 35.000,- EUR durch den
Kläger bewilligt. Auch hierbei fälschte der Kläger die Unterschrift des Herrn L..
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Insgesamt ergaben sich durch dieses Vorgehensweise des Klägers Verbindlichkeiten
der Familie Q. / T. von 220.000,- EUR gegenüber der Beklagten. Der Kläger fasste diese
Verpflichtungen entgegen den bei der Beklagten gültigen Richtlinien nicht zusammen.
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Am 1.6.2007 veranlasste der Kläger selbst, nach seiner Behauptung auf Veranlassung
von Herrn Q., eine Überweisung vom Konto der Frau Q. auf das Konto des Herrn Q. in
Höhe von 7.700,- EUR.
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Am 18.6.2007 fiel dem Regionalvertriebsleiter die Überziehung auf dem Geschäftskonto
Q. auf.
10
Am 10.7.2007 wurde die Kreditrevision der Beklagten über die Kredite der Gruppe Q.
informiert und um Untersuchung gebeten.
11
Am 13.7.2007 entschied der Arbeitskreis Personalbesonderheiten bei der Beklagten,
dass der Kläger sowie Herr T. über die Kredite der Familie Q. befragt werden sollten.
Am 16.7.2007 fand eine erste Befragung des Klägers statt. Auf das Protokoll (Bl. 71 ff.
d.A.) wird Bezug genommen. Am 17.7.2007 erklärte Herr L. in einem Gespräch, dass die
fraglichen Unterschriften nicht von ihm stammten. In einem zweiten Gespräch mit dem
Kläger vom 20.7.2007, auf das Bezug genommen wird (Bl. 75 ff. d.A.), gab der Kläger
die Fälschungen der Unterschrift zu.
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Mit Schreiben vom 25.7.2007 hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Personalrat zur
fristlosen Kündigung des Klägers an. Auf das Anhörungsschreiben nebst Anlagen (Bl.
77 ff. d.A.) wird Bezug genommen. Nachdem der Personalrat am 31.7.2007 eine
Anhörung des Klägers durchgeführt hatte, verzichtete er auf eine gesonderte
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Stellungnahme. Auf das Sitzungsprotokoll vom 31.7.2007 (Bl. 76 d.A.) wird Bezug
genommen.
Mit Schreiben vom 1.8.2007, dem Kläger am selben Tage zugegangen, kündigte die
Beklagte dem Kläger fristlos. Auf das Kündigungsschreiben (Bl. 24 d.A.) wird Bezug
genommen.
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Mit am 21.8.2007 beim Arbeitsgericht eingegangener und am 23.8.2007 zugestellter
Kündigungsschutzklage wendet sich der Kläger gegen diese Kündigung.
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Der Kläger behauptet, er sei zum Zeitpunkt der Vorgänge geschäftsunfähig gewesen.
Die mit seinem zwischenzeitlichen Aufenthalt in der Psychiatrie verbundene
Untersuchung habe dies ergeben. Bei ihm habe sich eine beginnende demenzielle
Entwicklung gezeigt. Die Schuldlosigkeit seines Handelns könne das vorgelegte
Gutachten und ein gerichtliches Sachverständigengutachten belegen. Er ist der
Auffassung, eine schuldlose Pflichtverletzung könne eine fristlose Kündigung nicht
begründen und selbst wenn dies ausnahmsweise doch so sei, liege ein derartiger
Ausnahmefall hier nicht vor. Er sei in seinem Beruf in der letzten Zeit überfordert
gewesen. Auch im privaten Bereich sei es zu erheblichen Veränderungen der
Persönlichkeit gekommen. Die Beklagte habe diese Probleme allerdings nicht erkannt,
er selbst habe die Konsequenzen nicht erkennen können. Zu berücksichtigen sei bei
der Beurteilung des Sachverhalts auch, dass der Kläger sich keinen eigenen Vorteil
verschafft habe. Außerdem sei er nicht planmäßig vorgegangen und habe an der
Aufklärung des Sachverhalts mitgewirkt.
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Der Kläger beantragt,
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1) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die
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schriftliche Kündigung der Beklagten vom 01.08.2007, zuge-
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gangen am 01.08.2007, nicht aufgelöst worden ist,
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2) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für den Fall des Obsiegens
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mit dem Feststellungsantrag zu 1) bis zu einer rechtskräftigen Ent-
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scheidung über den Feststellungsantrag zu 1) unter den bisherigen
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Bedingungen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den
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Feststellungsantrag weiter zu beschäftigten.
25
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, der Kläger habe neben den Pflichtverletzungen im Rahmen der
Familie Q. / T. ähnliche Taten begangen, die insgesamt zu einem Schaden von ca.
700.000,- EUR geführt hätten. Die Art seiner Vorgehensweise zeige, dass er sich
bewusst gewesen sei, was er getan habe. Die Beklagte ist im Übrigen der Auffassung,
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dass es auf die Frage der Geschäftsfähigkeit nicht ankomme. Abgesehen davon sei das
vorgelegte Gutachten in sich widersprüchlich.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
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I. Die Klage ist zulässig.
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Die Kammer ist von der Prozessfähigkeit des Klägers ausgegangen. Der Kläger selbst
hat zwar behauptet, während der ihm zur Last gelegten Taten geschäftsunfähig
gewesen zu sein. Er hat andererseits aber behauptet, der Zustande habe sich
zwischenzeitlich gebessert. Die Beklagte hat die Geschäftsfähigkeit des Klägers zu
keinem Zeitpunkt in Abrede gestellt. Die Kammer sah folglich keinen Anlass, vom
Gegenteil auszugehen.
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II. Die Klage ist unbegründet.
34
1. Der Kläger hat zwar fristgemäß Kündigungsschutzklage erhoben (§ 4 T.. 1 KSchG
i.V.m. §§ 253 Abs. 1, 167 ZPO.
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2. Die Klage war jedoch abzuweisen, weil ein fristloser Kündigungsgrund im Sinne von
§ 626 Abs. 1 BGB vorliegt.
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a) Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn Tatsachen
gegeben sind, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche
Kündigung oder zum Ablauf einer vereinbarten Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht
zugemutet werden kann.
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Nach der ständigen Rechtsprechung ist bei der Prüfung einer außerordentlichen
Kündigung in zwei Stufen vorzugehen (vgl. etwa BAG, Urt. v. 29.1.1997 - 2 AZR 292/96,
AP Nr. 68 zu § 626 BGB). Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob ein Grund vorliegt, der
ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls an sich geeignet ist, einen
wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen.
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Stellt sich heraus, dass ein an sich für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung
geeigneter Kündigungsgrund vorliegt, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob im
Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalls und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips die
berechtigten Interessen des Kündigenden als überwiegend anzusehen sind. Alle in
diesem Rahmen vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände müssen
vollständig berücksichtigt werden (BAG, Urt. v. 29.1.1997 - 2 AZR 292/96, AP Nr. 68 zu
§ 626 BGB).
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b) Nach den vorgenannten Maßstäben ist ein fristloser Kündigungsgrund gegeben.
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aa) Allein die Tatsache, dass der Kläger Unterschriften des zuständigen
Kreditkontrolleurs gefälscht hat, ist geeignet, einen fristlosen Kündigungsgrund
darzustellen. Denn damit hat er der Beklagten einen erheblichen Schaden zugefügt und
gleichzeitig Verstöße gegen interne Anweisungen zum Verhalten bei der Gewährung
von Krediten verschleiert. Darüber hinaus ist die Tatsache allein, dass er in erheblichem
Umfang Kredite ohne jede Sicherheit eingeräumt hat und sogenannte
"Strohmannkredite" eingeräumt hat, geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen
Kündigung darzustellen. Denn diese Handlungen zerstören das notwendige Vertrauen
des Arbeitgebers grundlegend und dauerhaft. Auch hat der Kläger nicht aufgezeigt, wie
er sich eine störungsfreie Weiterbeschäftigung bei der Beklagten vorstellt. Gerade seine
Einlassung hinsichtlich seiner Geschäftsunfähigkeit zeigt, dass bei einer Fortsetzung
des Arbeitsverhältnisses mit weiteren Taten zu rechnen wäre. Weder die Taten selbst
noch die rechtliche Konsequenz einer fristlosen Kündigung hat der Kläger zu
irgendeinem Zeitpunkt des Verfahrens in Abrede gestellt.
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Der Kläger hat sich allein auf die nach seinem Vortrag fehlende Geschäftsfähigkeit
berufen. Nach Auffassung der Kammer kommt es aber auf die Frage der
Geschäftsfähigkeit des Klägers zum Zeitpunkt der Taten nicht einmal entscheidend an.
Zwar ist vom Ausgangspunkt her die Auffassung des Klägers zutreffend, der mit einer
fristlosen Kündigung verbundene Vorwurf setze auch in rechtlicher Hinsicht die
Vorwerfbarkeit der Tat und damit ein schuldhaftes Handeln voraus. Allerdings folgt die
erkennende Kammer der Rechtsprechung des BAG, wonach dies nicht ausnahmslos
gilt (BAG, Urt. v. 21.1.1999 - 2 AZR 665/98, AP Nr. 151 zu § 626 BGB). Das BAG hat
sich in vorgenannter Entscheidung ausführlich mit den in Rechtsprechung und Literatur
vertretenen Auffassungen auseinandergesetzt. Hierbei hat es deutlich gemacht, dass
der Wortlaut der § 1 KSchG und § 626 BGB sich in entscheidender Weise unterscheide.
In Bezug auf § 626 BGB werde erst im Rahmen der Folgevorschrift des § 628 BGB
zwischen einem vorwerfbaren und einem schuldlosen Handeln unterschieden. Folglich
dürfe dieser Umstand für § 626 BGB keine entscheidende Rolle spielen (BAG, Urt. v.
21.1.1999 - 2 AZR 665/98, AP Nr. 151 zu § 626 BGB mit zahlreichen weiteren
Nachweisen). Den insgesamt überzeugenden Erwägungen des BAG wäre nach
Auffassung der Kammer nur noch hinzuzufügen, dass auch das anerkannte
Rechtsinstitut der Verdachtskündigung dagegen spricht, schuldhaftes Handeln zur
Voraussetzung für eine fristlose Kündigung zu machen. Denn eine Verdachtskündigung
kann auch dann wirksam sein, wenn der Arbeitnehmer überhaupt nicht gehandelt hat.
Damit setzt auch die Verdachtskündigung kein schuldhaftes Verhalten voraus. Folglich
ist die Schuldhaftigkeit des Verhaltens auch kein taugliches Abgrenzungskriterium bei
der Beurteilung, ob ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB vorliegt.
Vielmehr wird die Frage der persönlichen Vorwerfbarkeit richtigerweise erst bei der
Interessenabwägung maßgeblich (s. dazu unten, bb).
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Doch selbst wenn man entgegen der Auffassung des BAG die Schuldhaftigkeit zur
Voraussetzung machte, sprechen hier keine durchgreifenden Indizien gegen die
Schuldhaftigkeit des klägerischen Handelns. Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers
spricht sein gesamtes Handeln für ein planmäßiges Vorgehen. Dabei kann die Kammer
die Motive, sei es nun bisher unentdeckt gebliebener Eigennutz oder schlichtweg eine
Überforderungs- oder Drucksituation, der sich der Kläger möglicherweise nach einem
einmaligen Verstoß gegen die Richtlinien ausgesetzt sah, ebenfalls dahinstehen
lassen. Der Kläger hat über einen langen Zeitraum konsequent Herrn Q. immer neue
Geldquellen erschlossen. Er hat sich dabei immer wieder und immer in der gleichen
Weise über interne Anweisungen hinweggesetzt. Hierbei wusste er genau, wie er
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vorzugehen hatte, damit diese Vorgehensweise über einen möglichst langen Zeitraum
nicht auffallen konnte. So muss ihm bewusst gewesen sein, dass er die Unterschrift des
Herrn L. fälschen musste, um Herrn Q. den nächsten Kredit gewähren zu können. Für
die Kammer ist schlechterdings undenkbar, dass Taten über einen derart langen
Zeitraum, die immer wieder in der gleichen Weise vom Kläger vertuscht wurden, mit
fehlender Geschäftsfähigkeit erklärt werden können oder im Zustand fehlender
Geschäftsfähigkeit begangen worden sein können. Denn ein derartiger, auch
intellektueller Aufwand, bestimmte Handlungen, die über Jahre hinweg vorgenommen
werden, lassen sich mit den Symptomen eines demenziellen Syndroms kaum in
Einklang bringen. Hiergegen spricht auch, dass der Kläger - wie er selbst vorträgt - an
der Aufklärung des Sachverhalts mitgewirkt hat. Er konnte sich ausweislich der
Gesprächsprotokolle, deren Inhalt er nicht bestritten hat, auch an Einzelheiten erinnern.
So konnte er Stellung nehmen zu der Überweisung von 7.700,- EUR vom Konto der
Frau Q. auf das Konto ihres Sohnes. Diese Indizien sprechen sämtlich für die
Geschäftsfähigkeit des Klägers.
Das im Auftrag des Klägers erstellte und von ihm im Prozess vorgelegte Gutachten ist
nicht geeignet, substantielle Zweifel an der Schuldfähigkeit des Klägers zu hegen. Das
Gutachten kommt nämlich zu einer aus dem Inbegriff des Gutachtens nicht
nachvollziehbaren Abschlussbeurteilung und ist daher als substantiierter
Tatsachenvortrag nicht verwertbar. Über mehrere Seiten beschreibt das Gutachten zwar
bestimmte Verhaltensauffälligkeiten und Verhaltensveränderungen des Klägers im
Laufe der Zeit. Die medizinische Untersuchung, die ebenfalls ausführlich dargestellt
wird, ergibt ebenfalls kleinere Auffälligkeiten. Auf Seite 14 des Gutachtens ist dann
davon die Rede, dass die Voraussetzungen des § 21 StGB gegeben sein können.
Ferner heißt es, es ließe sich nicht klären, ob die Voraussetzungen des § 20 vorgelegen
hätten. Es sei nicht auszuschließen, dass die Voraussetzungen des § 20 StGB
vorgelegen hätten. Ohne dass dies aufgrund der vorangegangenen Erläuterungen
nachvollziehbar wäre, kommt das Gutachten letztlich zu dem Schluss, von einer
Geschäftsunfähigkeit sei aus ärztlicher Sicht zum damaligen Zeitpunkt auszugehen.
Interessant ist, dass das Gutachten in keiner Weise deutlich macht, was es mit "zum
damaligen Zeitpunkt" meint. Das ganze Gutachten nimmt zum Zeitpunkt der Verstöße,
die sich immerhin über knapp zwei Jahre erstreckten, nicht Stellung. Insofern erschließt
es sich der Kammer nicht, wie das Gutachten ohne Kenntnis der konkreten Abläufe zwar
von einer "demenziellen Entwicklung" sprechen kann, ohne Stellungnahme zu
bestimmten Zeiträumen aber pauschal hinsichtlich eines nicht näher definierten
Zeitpunkts in der Vergangenheit von Geschäftsunfähigkeit ausgehen kann. Dies ist nicht
nachvollziehbar und in sich widersprüchlich. Dies gilt umso mehr, beruht das Gutachten
nach Auffassung der Kammer auch auf einem irreparablen Zirkelschluss. Aus den
Angaben des Klägers, keine Erinnerungen bzw. einen "Blackout" zu haben, wird auf
einen Verlust der Steuerungsfähigkeit geschlossen, ohne die Angabe des Klägers zu
hinterfragen oder zu versuchen, dies mit der medizinischen Diagnose in Einklang zu
bringen. Letztlich wendet das Gutachten auch den falschen Maßstab an. Auf die
Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB kommt es nämlich nicht an. Denn diese
Vorschriften sind schon anwendbar, wenn eine entsprechende Störung nicht
ausgeschlossen werden kann. Die Voraussetzungen für § 104 BGB sind anderer Natur
und höher (Vgl. die Beispiele bei Palandt/Heinrichs, § 104 BGB Rn. 5), sodass für deren
Vorliegen erst recht keine Indizien sprechen.
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bb) Auch die vorzunehmende Interessenabwägung führt nicht zu einem anderen
Ergebnis. Es kann nach Auffassung der Kammer auch hier zu Gunsten des Klägers
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unterstellt werden, dass er geschäftsunfähig war. Zwar würde dies dagegen sprechen,
dem Kläger einen Vorwurf im Sinne schuldhaften Verhaltens zu machen. Gleichzeitig
wäre aber auch in diesem Fall nach Auffassung der Kammer eine Weiterbeschäftigung
des Klägers als Geschäftsstellenleiter ebenso wenig noch denkbar. Hinzu kommt, dass
gegen den Kläger die hohe Schadenssumme spricht, welche sich durch die
zwischenzeitliche Einleitung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen
des Herrn Q. realisieren dürfte. Darüber hinaus spricht auch die Dauer der Verletzungen
des Arbeitsvertrags und deren Schwere gegen den Kläger. Letztlich ist die Kammer
auch hier zu der Auffassung gelangt, dass die Interessen der Beklagten an einer
sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses höher zu bewerten sind.
c) Die Beklagte hat auch die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten. Zumindest die
Urkundenfälschungen sind vom Kläger erst im Rahmen seiner zweiten Anhörung am
20.7.2007 zugegeben worden. Aber auch unabhängig hiervon hat die Beklagte
nachvollziehbar den Ablauf der Ermittlungen dargestellt, bei denen die Kammer keinen
Zweifel hatte, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB als gewahrt anzusehen. Die 2-Wochen-
Frist ist vom Kläger darüber hinaus auch nicht gerügt worden.
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d) Die Beteiligung des Personalrats war ordnungsgemäß. Nach der Rechtsprechung
gelten für die Beteiligung des Personalrats (§ 72 Abs. 4 LPersVG) die für die
Betriebsratsanhörung geltenden Grundsätze entsprechend (vgl. zuletzt BAG, Urt. v.
2.3.2006 - 2 AZR 53/05, AP Nr. 14 zu § 626 BGB Krankheit). Die Darlegungs- und
Beweislast für eine ordnungsgemäße Anhörung des Personalrats trägt im
Kündigungsschutzprozess der Arbeitgeber. Dies gilt allerdings nur soweit der
Arbeitnehmer die Existenz eines Personalrats behauptet und dessen ordnungsgemäße
Anhörung bestritten hat. Sodann muss der Arbeitgeber den Ablauf des
Beteiligungsverfahrens im Einzelnen darlegen und erläutern, welche Informationen dem
Personalrat mitgeteilt wurden. Hat der Arbeitgeber im Prozess den Ablauf des
Beteiligungsverfahrens dargestellt, so ist der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung
des BAG (BAG, Urt. v. 16.3.2000 - 2 AZR 75/99, AP Nr. 114 zu § 102 BetrVG 1972)
gehalten, anzugeben, "welche Angaben er aus welchem Grund weiterhin bestreiten
will" (BAG, Urt. v. 16.3.2000 - 2 AZR 75/99, AP Nr. 114 zu § 102 BetrVG 1972). Erst
dann muss der Arbeitgeber die noch bestrittenen Punkte beweisen.
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Auf die Rüge des Klägers, die Anhörung werde "einstweilen" bestritten, hat die Beklagte
das Beteiligungsverfahren nach Auffassung der Kammer schlüssig dargelegt. Sie hat
den Personalrat über die Person des Klägers informiert und über die Kündigungsgründe
einschließlich der entsprechenden Gesprächsprotokolle und Übersichten. Ferner hat sie
dem Personalrat die Gelegenheit gegeben, sich durch Anhörung des Klägers selbst ein
Bild von der Sachlage zu machen. Damit war die Anhörung des Personalrats
ordnungsgemäß. Der Kläger hat dies auch nicht mehr gerügt.
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Die Klage war daher abzuweisen.
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III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO,
die gem. § 61 Abs. 1 ArbGG erforderliche Streitwertentscheidung folgt aus § 3 ZPO in
Anlehnung an § 42 Abs. 4 GKG.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
52
B e r u f u n g
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eingelegt werden, weil es sich um eine Bestandsschutzstreitigkeit handelt.
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Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t * von einem Monat
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beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
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Die Berufungsschrift muss von einem Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle
können Vertreter einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von
Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht
zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren
Mitglieder Partei sind. Die gleiche Befugnis haben Angestellte juristischer Personen,
deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten
Organisationen stehen, solange die juristische Person ausschließlich die
Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend
deren Satzung durchführt.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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gez. Dr. Clemens
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