Urteil des ArbG Mönchengladbach vom 21.05.2008

ArbG Mönchengladbach: wirtschaftliche einheit, ordentliche kündigung, stadt, kindergarten, betriebsübergang, juristische person, anhörung, arbeitsgericht, kaufvertrag, betriebsmittel

Arbeitsgericht Mönchengladbach, 7 Ca 132/08
Datum:
21.05.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 Ca 132/08
Schlagworte:
Betriebsstilllegung, Betriebsübergang
Normen:
§ 1 KSchG, § 613a BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Eine Betriebsstilllegung ist nicht beabsichtigt, wenn das
Betriebsgrundstück einschließlich aller Betriebsmittel mit der Abrede
veräußert wird, dass der Betrieb beim Erwerber fortgeführt wird. Die
Kündigung ist dann nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse
bedingt.
Tenor:
1.Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende
Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom
27.12.2007 nicht aufgelöst ist.
2.Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3.Streitwert: 7.422,81 €.
T A T B E S T A N D
1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
2
Die am 7.3.1972 geborene Klägerin ist seit dem 1.9.1992 bei der beklagten L., die
regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, in einem von dieser betriebenen
Kindergarten zu einem Bruttomonatsgehalt von 2.474,27 EUR beschäftigt.
3
Die Beklagte entschloss sich bereits Ende 2005/Anfang 2006, den von ihr betriebenen
Kindergarten T. G. aufzugeben. Sie verfolgte danach das Ziel, in Zusammenarbeit mit e.
Stadt O. einen neuen Träger für den Kindergarten zu finden. Am 9.11.2007 teilte e. W.
e.V. (im Folgenden: ….) mit, der Vorstand habe grundsätzlich einer Übernahme des
Kindergartens zugestimmt. Ferner wurde um Übersendung eines aktuellen
Inventarverzeichnisses des Kindergartens und sämtlicher Verträge über
Dauerschuldverhältnisse gebeten. Auf das Schreiben der M. (Bl. 74-76 d.A.) wird Bezug
genommen.
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Die Beklagte beantwortete das Schreiben der M. am 14.11.2007. Parallel hierzu
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verhandelte die Beklagte mit der Stadt O. über eine Veräußerung des
Kindergartengrundstücks nebst vollständiger Einrichtung. Bereits am 30.11.2007
übersandte die Stadt O. einen Entwurf über einen Kaufvertrag an die Stadt O..
Nachdem in der Zwischenzeit die M. zunächst Abstand von einer Übernahme des
Kindergartens genommen hatte, entschloss sich die Beklagte am 14.12.2008, den
Kindergarten über den 30.6.2008 jedenfalls nicht mehr selbst zu betreiben.
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Die Beklagte hörte mit Schreiben vom 14.12.2007 die bei ihr gebildete
Mitarbeitervertretung zur Kündigung der Klägerin an. Auf das Anhörungsschreiben (Bl.
95-96 d.A.) wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 20.12.2007, auf das Bezug
genommen wird (Bl. 100 d.A.), äußerte die Mitarbeitervertretung keine Bedenken gegen
die Kündigung.
7
Trotz der neuen Entwicklungen im Hinblick auf die nicht mehr bestehende Bereitschaft
der M., den Kindergarten zu übernehmen, kam am 20.12.2007 ein notarieller
Kaufvertrag zwischen der Beklagten und der Stadt O. zustande. In diesem Kaufvertrag
heißt es auszugsweise:
8
"§ 1
9
Kaufgegenstand
10
(...)
11
2.Die Verkäuferin verkauft und überträgt der dies annehmenden Käuferin den unter 1.
aufgeführten Grundbesitz einschließlich aller wesentlichen Bestandteile, nachstehend
insgesamt "Grundbesitz" genannt.
12
Mitübertragen wird das gesamte Inventar der als L. genutzten baulichen Anlagen."
13
(...)
14
§ 3
15
Vereinbarungen zur Betriebsübernahme des Kindergartens
16
Der Vertrag steht im Zusammenhang mit der Übertragung der Kindertageseinrichtung
auf einen neuen Träger. Die Vertragsparteien vereinbaren hiermit, dass die Stadt O.
berechtigt und verpflichtet ist, der L. einen Träger für die Kindertageseinrichtung
vorzuschlagen, der die Einrichtung nach der ursprünglichen Planung zum 1. Januar
2008 übernehmen sollte. Die L. verpflichtet sich, die Einrichtung auf den genannten
Träger zu übertragen. Kommt dieser Trägerwechsel nicht zustande, so übernimmt die
Stadt die Einrichtung zu den genannten Bedingungen selbst.
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Die Vertragsparteien gehen davon aus, dass der Vertragsgegenstand wie bisher als
Kindertageseinrichtung verwendet wird und alle zweckgebundenen Baukosten- und
sonstige Zuschüsse nicht ganz oder zeitanteilig zurückgezahlt werden müssen.
Ungeachtet dessen stellt die Stadt O. die L. aus jedweder Rückzahlungsverpflichtung
öffentlicher Zuschüsse oder Fördermittel, die für den Vertragsgegenstand in der
Vergangenheit gewährt worden sind, im Innenverhältnis frei.
18
(...)
19
2.Besitzübergang
20
Besitz, Nutzen, Lasten und Gefahr an dem Grundbesitz gehen auf die Käuferin über am
1. Januar 2008."
21
Auf den notariellen Kaufvertrag (Bl. 81-88 d.A.) wird Bezug genommen.
22
Mit Schreiben vom 27.12.2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der
Klägerin zum 30.6.2008. Auf das Kündigungsschreiben (Bl. 12 d.A.) wird Bezug
genommen. Mit am 12.1.2008 beim Arbeitsgericht eingegangener und am 15.1.2008
zugestellter Klage wehrt sich die Klägerin gegen diese Kündigung.
23
Im Zeitraum nach Ausspruch der Kündigung erklärte die M. wieder, den Kindergarten
übernehmen zu wollen. In einem Schreiben an den Elternrat vom 2.4.2008 heißt es:
24
"Insofern haben wir das Ziel nicht aus den Augen verloren und der Vorstand ist nach wie
vor fest entschlossen, die Einrichtung zum 1.7.2008 in die Trägerschaft der M. O. zu
übernehmen."
25
Auf das Schreiben der M. vom 2.4.2008 (Bl. 103-105 d.A.) wird Bezug genommen.
26
Die Klägerin beantragt,
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festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die
ordentliche Kündigung e. Beklagten vom 27. Dezember 2007 nicht beendet worden ist.
28
Die Beklagte beantragt,
29
die Klage abzuweisen.
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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf das Sitzungsprotokoll vom
21.5.2008 sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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I. Die Klage ist zulässig, insbesondere besteht für die Kündigungsschutzklage wegen
der Gefahr der Präklusionswirkung der §§ 4, 7 KSchG ein Feststellungsinteresse.
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II. Die Klage ist auch begründet.
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1. Die Klägerin kann nach der Zahl der im Betrieb der. Beklagten beschäftigten
Arbeitnehmer sowie nach der Dauer seines Beschäftigungsverhältnisses
Kündigungsschutz nach den §§ 1 ff. KSchG in Anspruch nehmen, §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1
KSchG. Die Klägerin hat die Kündigungsschutzklage gem. § 4 KSchG auch innerhalb
von drei Wochen nach Zugang e. Kündigung erhoben.
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Es kann dahinstehen, ob die Beklagte überhaupt zum Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung noch Arbeitgeberin der Klägerin ist. Denn möglicherweise ist das
Arbeitsverhältnis längst auf die Stadt O. oder die M. übergegangen. Dagegen spricht
zwar, dass nach dem Vorbringen der Beklagten ein Betriebsübergang im Sinne der
tatsächlichen Weiterführung des Betriebs bislang nicht stattgefunden hat. Denn § 613a
BGB setzt den Übergang des Betriebs als tatsächlichen Vorgang voraus. Die Frage, ob
e. Betriebsübergang zwischenzeitlich vollzogen ist, kann aber dahinstehen. Denn für die
Kündigungsschutzklage zunächst auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung an.
Zu diesem Zeitpunkt war der Betrieb jedenfalls noch nicht übergegangen. Vielmehr
sollte dies nach dem Willen der Beklagten und der Stadt O. erst zum 1.1.2008
geschehen. Wird aber vor einem Betriebsübergang gekündigt, so ist der bisherige
Arbeitgeber, der gekündigt hat, weiterhin prozessführungsbefugt und passivlegitimiert
und zwar unabhängig davon, ob die Klage vor oder nach dem Betriebsübergang
erhoben wird (KR/Friedrich, § 4 KSchG Rn. 96a).
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2. Die Kündigung ist sozial nicht gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 1 u. 2 KSchG.
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a) Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG
liegen vor, wenn sich e. Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt,
bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines
oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt (ständige Rechtsprechung, BAG, Urt. v. 7.12.1978 -
2 AZR 155/77, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG, Urt. v.
29.3.1990 - 2 AZR 369/89, AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung;
BAG, Urt. v. 21.9.2000 - 2 AZR 385/99, AP Nr. 111 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte
Kündigung). Vom Arbeitsgericht nachzuprüfen ist, ob eine derartige unternehmerische
Entscheidung tatsächlich vorliegt und durch ihre Umsetzung das
Beschäftigungsbedürfnis für die gekündigten Arbeitnehmer entfallen ist. Dagegen ist die
unternehmerische Entscheidung nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre
Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich,
unvernünftig oder willkürlich ist (BAG, Urt. v. 17.6.1999 - 2 AZR 522/98, AP Nr. 102 zu §
1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).
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b) Nach diesen Maßstäben liegen keine dringenden betrieblichen Erfordernisse vor.
Denn bereits nach dem Vorbringen der Beklagten war von dieser keinesfalls
beabsichtigt, den Kindergarten stillzulegen. Das Verhältnis von Betriebsstilllegung und
Betriebsübergang einerseits und von § 1 Abs. 1 u. 2 KSchG zu § 613a Abs. 4 BGB ist
spätestens seit e. Entscheidung des BAG vom 27.9.1984 (BAG, Urt. v. 27.9.1984 - 2
AZR 309/83, AP Nr. 39 zu § 613a BGB) geklärt. Dort hat das BAG ausgeführt:
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"Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung e. zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre
Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass e.
Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in e. ernstlichen Absicht einstellt,
die Weiterverfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer
nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne aufzuheben
(herrschende Meinung: vgl. statt aller Senatsurteil vom 14. Oktober 1982, aaO, zu B I 1
e. Gründe, m.w.N.; ferner Herschel/Löwisch, aaO, § 15 Rz 44). Entscheidend ist somit
zunächst die auf einem ernstlichen Willensentschluss des Arbeitgebers beruhende
Aufgabe des Betriebszwecks, die nach außen in e. Auflösung e. Betriebsorganisation
zum Ausdruck kommt (Senatsurteil vom 16. September 1982 - 2 AZR 271/80 - EzA § 1
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KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 18, zu B I 1 a e. Gründe). Der Arbeitgeber muss
endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen (BAG 30, 86 = AP Nr. 60 zu Art. 9
GG Arbeitskampf, zu 6 e. Gründe; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 111 Rz 29). Die
Stilllegung muss ferner für eine unbestimmte, nicht unerhebliche Zeitspanne erfolgen,
weil andernfalls nur eine unerhebliche Betriebspause oder Betriebsunterbrechung
vorliegt (KR-Etzel, 2. Aufl., § 15 KSchG Rz 88). Deshalb spricht bei alsbaldiger
Wiedereröffnung des Betriebes eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte
Stillegungsabsicht (Hueck, aaO, § 15 Rz 69; KR-Etzel, wie vorstehend).
Wie sich aus e. Wertung des § 613 a BGB ergibt, ist die Veräußerung des Betriebs
allein keine Betriebsstilllegung, weil die Identität des Betriebes gewahrt bleibt und
lediglich ein Betriebsinhaberwechsel stattfindet. Führt e. Erwerber den Betrieb nicht fort,
wozu er auch nicht verpflichtet ist, so liegt erst in diesem Entschluss und nicht schon in
e. Betriebsveräußerung die Stilllegung (allg. M.: BAG Urteil vom 23. März 1984, aaO;
Berkowsky, aaO, Rz 99; Dietz/Richardi, aaO, § 111 Rz 33, 84 ff.; Fitting/Auffarth/Kaiser,
BetrVG, 14. Aufl., § 103 Rz 13; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., §
103 Rz 5; Herschel/Löwisch, aaO, § 15 Rz 49; Hueck, aaO, § 15 Rz 68 a; KR-Etzel,
aaO, § 15 KSchG Rz 86).
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3. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vom Berufungsgericht im Streitfall
festgestellten Sachverhalt ergibt, dass die Beklagte sich zur sozialen Rechtfertigung e.
Kündigung nicht auf eine Betriebsstilllegung als dringendes betriebliches Erfordernis im
Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG berufen kann" (BAG, Urt. v. 27.9.1984 - 2 AZR 309/83, AP
Nr. 39 zu § 613a BGB).
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Dem folgt die Kammer im vorliegenden Fall. Daher kann dahinstehen, ob die Kündigung
bereits wegen § 613a Abs. 4 BGB unwirksam ist. Denn diese Vorschrift entfaltet in
einem derartigen Fall nur für diejenigen Arbeitnehmer Wirkung, für die das KSchG keine
Anwendung findet.
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Ein Betriebsübergang - und damit keine Betriebsstilllegung - liegt hier vor.
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Ein Betriebsübergang nach § 613a BGB liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger die
wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Ob ein im Wesentlichen
unveränderter Fortbestand e. organisierten Gesamtheit "Betrieb" bei dem neuen Inhaber
anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falles. Zu den
maßgeblichen Tatsachen zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebs, e.
Übergang e. materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter sowie deren
Wert und Bedeutung, die Übernahme e. immateriellen Betriebsmittel und e.
vorhandenen Organisation, e. Grad e. Ähnlichkeit mit e. Betriebstätigkeit des bisherigen
Inhabers, die Weiterbeschäftigung e. Hauptbelegschaft, e. Übergang von Kundschaft
und Lieferantenbeziehungen sowie die Dauer einer eventuellen Unterbrechung e.
Betriebstätigkeit (st. Rspr. BAG im Anschluss an EuGH, Urt. v. 11.3.1997 - Rs C-13/95,
Slg. I 1997, 1259 (Ayse Süzen): BAG, Urt. v. 25.5.2000 - 8 AZR 416/99, AP Nr. 209 zu §
613a BGB; BAG, Urt. v. 16.5.2002 - 8 AZR 319/01, AP Nr. 237 zu § 613a BGB; BAG,
Urt. v. 8.8.2002 - 8 AZR 583/01, NZA 2003, 315; BAG, Urt. v. 18.12.2003 - 8 AZR
621/02, AP Nr. 263 zu § 613a BGB). Dabei darf eine Einheit nicht als bloße Tätigkeit
verstanden werden. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen
ergeben, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren
Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden
Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt
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je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden
unterschiedliche Bedeutung zu (BAG, Urt. v. 18.12.2003 - 8 AZR 621/02, AP Nr. 263 zu
§ 613a BGB). In Branchen, in denen es primär auf die menschliche Arbeitskraft
ankommt, kann auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame
Tätigkeit dauerhaft verbunden sind, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung
ihrer Identität ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende
Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil
des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt
hat. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen Auftragnehmer
(Funktionsnachfolger) ohne Übernahme der wesentlichen Betriebsmittel oder - in
betriebsmittelarmen Betrieben - der Hauptbelegschaft keinen Betriebsübergang dar
(BAG, Urt. v. 11.12.1997 - 8 AZR 426/94, AP Nr. 171 zu § 613a BGB; vgl.
zusammenfassend BAG, Urt. v. 18.12.2003 - 8 AZR 621/02, AP Nr. 263 zu § 613a BGB).
Nach diesen Maßstäben ist offensichtlich, dass von der Beklagten ein Betriebsübergang
gewollt war und offenbar zwischen ihr und der Stadt O. bzw. der M. auch durchgeführt
wurde oder zum 1.7.2008 durchgeführt werden wird. Der Kindergarten ist durch
Rechtsgeschäft auf die Stadt einschließlich sämtlicher Betriebsmittel auf die Stadt O.
übergegangen. Aus dem notariellen Kaufvertrag ergibt sich zusätzlich die eindeutige
Absicht, den Kindergarten als Kindergarten weiter zu betreiben.
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Da eine Stilllegung von der Beklagten somit nicht beabsichtigt war, sondern vielmehr
von Anfang an Betriebsübergang gewollt war, liegt kein dringendes betriebliches
Erfordernis zur Kündigung der Klägerin vor.
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Die Kündigung ist somit nicht sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 1 u. 2 KSchG,
sodass die Kündigungsschutzklage Erfolg hatte.
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III. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die Kündigung auch wegen
fehlerhafter Anhörung e. Mitarbeitervertretung unwirksam ist.
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Zur Frage der Anhörung der Mitarbeitervertretung gelten dieselben Grundsätze wie für
die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG (vgl. BAG, Urt. v. 10.12.1992 - 2 AZR
271/92, AP Nr. 41 zu Art. 140 GG). Nach § 30 RahmenMAVO ist die
Mitarbeitervertretung bei einer Kündigung nach Ablauf der Probezeit zu beteiligen. Nach
§ 30 Abs. 5 RahmenMAVO ist eine ohne Anhörung des Betriebsrats erfolgte Kündigung
unwirksam. Das BAG vertritt in ständiger Rechtsprechung zu § 102 BetrVG, dass eine
fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats einer nicht erfolgten Beteiligung gleichzustellen
ist (BAG, Urt. v. 29.1.1997 - 2 AZR 292/96, AP Nr. 131 zu § 626 BGB; BAG, Urt. v.
16.9.1993 - 2 AZR 267/93, AP Nr. 62 zu § 102 BetrVG 1972). Diese Rechtsprechung ist
auf den hier vorliegenden Fall zu übertragen (vgl. auch BAG, Urt. v. 21.2.2001 - 2 AZR
139/00, AP Nr. 29 zu § 611 BGB Kirchendienst).
51
Zweifel an der ordnungsgemäßen Anhörung der Mitarbeitervertretung resultieren im
vorliegenden Fall vor allem aus dem Umstand, dass die Beklagte gegenüber ihrer
Mitarbeitervertretung keinerlei Angaben über ihre Absicht gemacht hat, den
Kindergarten im Wege eines Betriebsübergangs zu veräußern. Gegenüber der
Mitarbeitervertretung wurde lediglich eine Schließungsabsicht kundgetan, die -
zumindest im rechtlichen Sinne - nicht existierte. Da die Kündigung aber ohnehin bereits
wegen § 1 Abs. 1 u. 2 KSchG unwirksam war, konnte dahinstehen, ob die Anhörung der
Mitarbeitervertretung nach dem Maßstab der subjektiven Determination (vgl. hierzu
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BAG, Urt. v. 11.7.1991 - 2 AZR 119/91, AP Nr. 57 zu § 102 BetrVG 1972) noch
ausreichend war, weil die Beklagte möglicherweise die Übertragung des Kindergartens
im Wege des Betriebsübergangs selbst als "Schließung" desselben verstanden haben
könnte.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO. Die
gem. § 61 Abs. 1 ArbGG erforderliche Streitwertentscheidung folgt aus § 3 ZPO in
Anlehnung an § 42 Abs. 4 GKG. Die Kammer hat das dreifache Gehalt der Klägerin in
Ansatz gebracht.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
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B e r u f u n g
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eingelegt werden, weil es sich um eine Bestandsschutzstreitigkeit handelt.
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Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t * von einem Monat
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beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
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Die Berufungsschrift muss von einem Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle
können Vertreter einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von
Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht
zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren
Mitglieder Partei sind. Die gleiche Befugnis haben Angestellte juristischer Personen,
deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten
Organisationen stehen, solange die juristische Person ausschließlich die
Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend
deren Satzung durchführt.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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gez. Dr. D.
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