Urteil des ArbG Mönchengladbach vom 06.05.2009

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Arbeitsgericht Mönchengladbach, 6 Ca 545/09
Datum:
06.05.2009
Gericht:
Arbeitsgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 Ca 545/09
Schlagworte:
Klauselkontrolle, Transparenzgebot, Freiwilligkeitsvorbehalt
Normen:
§ 307 I BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
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Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.661,18 € brutto nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem
13.02.2009 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Der Streitwert wird auf 2.661,18 € festgesetzt.
Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
T A T B E S T A N D
1
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer
Jahresabschlussleistung für das Jahr 2008.
2
Der Kläger arbeitete bei der Beklagten seit 2001 als Mechaniker zuletzt zu einem
Bruttoentgelt in Höhe von 2.661,18 €. Im Zeitraum von Oktober 2007 bis September
2008 fehlte der Kläger insgesamt an 19 Arbeitstagen aufgrund Arbeitsunfähigkeit. Im
Anstellungsvertrag vom 5. November 2002 vereinbarten die Parteien unter anderem
folgendes:
3
"§ 5
4
An Sonderzahlungen erhält der Mitarbeiter:
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a)auf Antrag vermögenswirksame Leistungen ab dem 7. Monat in Höhe von 26,59 €
monatlich.
6
b)ein zusätzliches Urlaubsgeld gemäß der betrieblichen Regelung über
Sonderzahlungen.
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c)eine Jahresabschlussleistung gemäß der betrieblichen Regelung über
Sonderzahlungen."
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§ 11 des Arbeitsvertrages lautet:
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"Der Mitarbeiter nimmt an den von Q. gewährten freiwilligen Leistungen nach Maßgabe
der hierzu erlassenen Bestimmungen teil. Auch wenn diese freiwilligen Leistungen
mehrmals und regelmäßig erbracht werden, erwirbt der Mitarbeiter dadurch keinen
Rechtsanspruch für die Zukunft."
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Bei der Beklagten gilt eine "betriebliche Regelung über Sonderzahlungen" vom
28.11.2002. Darin ist sowohl die Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes wie auch
die Zahlung einer Jahresabschlussleistung geregelt. Wegen des Inhalts dieser
betrieblichen Regelung wird auf Bl. 18 f d. Gerichtsakten verwiesen. Die Beklagte zahlte
im Jahr 2008 keinem Arbeitnehmer eine Jahresabschlussleistung. Die Beklagte
informierte ihre Mitarbeiter im November 2008 darüber, dass sie aus wirtschaftlichen
Erwägungen keine Jahresabschlussleistungen zahlen werde.
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Der Kläger hält die betriebliche Regelung bezüglich der Jahresabschlussleistung für
widersprüchlich und ist der Auffassung, dass die Regelung über die Freiwilligkeit der
Zahlung nach einer Klauselkontrolle für unwirksam angesehen werden müsste.
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Mit der am 12.02.2009 an die Beklagten zugestellte Klage beantragt der Kläger,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.661,18 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.02.2009 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
16
Insbesondere ist die Beklagte der Ansicht, dass die betrieblichen Regelungen über
Sonderzahlungen in sich klar und verständlich und widerspruchsfrei seien.
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Hilfsweise beruft sich die Beklagte auf die Kürzungsmöglichkeit der
Jahresabschlussleistung und behauptet dazu, dass bei der Berechnung des
Jahresdurchschnittsentgeltes der Zeitraum von Oktober des Vorjahres bis einschließlich
September des laufenden Jahres zugrunde liege.
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Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren sowie auf die
Sitzungsprotokolle verwiesen.
19
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
20
Die Klage ist begründet.
21
Der Kläger kann gemäß § 611 BGB i.V.m. § 5 c seines Arbeitsvertrages i.V.m. mit der
von der Beklagten erlassenen "betrieblichen Regelung über Sonderzahlungen" vom 28.
November 2002 eine Jahresabschlussleistung für das Jahr 2008 in rechnerisch
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unstreitiger Höhe von 2.661,18 € verlangen.
1.
23
In einem parallelen Rechtsstreit hat die 3. Kammer des Arbeitsgerichts
Mönchengladbach durch Urteil vom 2. April 2009 im Verfahren 3 Ca. 186/09 folgendes
ausgeführt:
24
"Der Freiwilligkeitsvorbehalt der in § 5 des Arbeitsvertrages in Bezug genommenen
betrieblichen Regelung über Sonderzahlung ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB
unwirksam, weil er gegen das Transparentgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstößt.
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Der Wortlaut des die Jahresabschlussleistung betreffenden Freiwilligkeitsvorbehalts in
der Regelung vom 28.11.2002 ist für sich genommen zwar eindeutig. Er schließt einen
Rechtsanspruch auf eine Jahresabschlussleistung aus. Diese Regelung ist jedoch
deshalb nicht klar und verständlich im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil sie zu
den vorherigen Regelungen in der betrieblichen Regelung über Sonderzahlungen in
Widerspruch steht.
26
Der Freiwilligkeitsvorbehalt steht einmal im Widerspruch zu den unter der Überschrift
"Geltungsbereich" enthaltenen Bestimmungen. Danach erhalten alle Arbeitnehmer
Sonderzahlungen, die keine Jahresbezüge beziehen und deren Arbeitsverhältnis auf
unbestimmte Zeit abgeschlossen ist. Eine Formulierung, nach der Arbeitnehmer
Sonderleistungen "erhalten", lässt auf die Begründung eines Entgeltanspruchs
schließen. Aus dem Aufbau der Zusage ergibt sich, dass die den Geltungsbereich
betreffende Regelung nicht nur für das zusätzliche Urlaubsgeld, sondern auch für die
Jahresabschlussleistung gilt.
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Für die Begründung eines Rechtsanspruchs spricht auch, dass in der Zusage der
Beklagten vom 28.11.2002 die von der jeweiligen Dauer der Betriebszugehörigkeit
abhängige Höhe Leistung ebenso genau bestimmt ist wie die Kürzungsmöglichkeit
(unter Ziffer 3). Durch diese Regelungen ist die Höhe der Leistung präzise bestimmt.
Festgelegt ist auch, unter welchen Voraussetzungen eine Zahlung erfolgt
(ungekündigtes Arbeitsverhältnis am 31.12. des Jahres, kein Ruhen des
Arbeitsverhältnisses). Auch soweit geregelt ist, dass mit der Abrechnung für November
eine Auszahlung erfolgt, lässt sich diese Abrede vom Wortlaut her nur dahingehend
verstehen, dass die Arbeitnehmer in jedem Jahr, damit auch im Jahr 2008, eine
Jahresabschlussleistung beanspruchen können. Sagt ein Arbeitgeber einem
Arbeitnehmer in einer von ihm formulierten Zusage ausdrücklich zu, jedes Jahr eine
Sonderleistung in bestimmter Höhe zu zahlen, ist es widersprüchlich, wenn er die
Zahlung in einer anderen Klausel - wie hier unter Ziffer 5 - an einen
Freiwilligkeitsvorbehalt bindet (BAG 30.07.2008, 10 AZR 606/07; BAG vom 10.12.2008,
10 AZR 1/08).
28
Die widersprüchliche Klausel in der im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen
betrieblichen Regelung ist nicht klar und verständlich im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2
BGB. In der Gefahr, dass der Kläger wegen der unklar abgefassten Regelungen seine
Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des §
307 Abs. 1 BGB. Da der Freiwilligkeitsvorbehalt nicht rechtswirksam ist, hat der Kläger
für das Jahr 2008 einen Anspruch auf die im Vertrag zugesagte Abschlussleistung."
29
2.
30
Den Ausführungen schließt sich die Kammer mit folgender Ergänzung an: Der
Freiwilligkeitsvorbehalt steht auch im Widerspruch zu dem sonstigen Wortlaut der
betrieblichen Regelung über Sonderzahlungen. Unter 1. der Regelungen zur
Jahresabschlussleistung wird erkennbar ein Anspruch normiert. So beginnt der erste
Satz bereits damit, dass Arbeitnehmer "anspruchsberechtigt sind". Auch der folgende
Satz regelt das sich "der Anspruch für jeden Monat des Ruhens um 1/12" reduziert.
Ferner ist auch der genaue Auszahlungszeitpunkt festgelegt. Insofern ist die betriebliche
Regelung zugeschnitten auf einen konkret bestimmbaren Anspruch. Dazu passt weder
der Freiwilligkeitsvorbehalt in der betrieblichen Regelung über Sonderzahlungen, noch
der allgemeine Freiwilligkeitsvorbehalt gemäß § 11 des Arbeitsvertrages vom 5.
November 2002.
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Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.
32
3.
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Der Anspruch auf Jahresabschlussleistung wird auch nicht gemäß Ziffer 3. der
betrieblichen Regelungen über die Jahresabschlussleistung entsprechend gekürzt.
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Diese Regelung erlaubt dem Arbeitgeber, die Abschlussleistung für jeden Fehltag um ¼
des im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfallenden Arbeitsentgeltes zu kürzen.
Diese Regelung ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, da die Bestimmung
nicht klar und verständlich ist.
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Grundsätzlich ist eine Vereinbarung über die Kürzung von Sonderzahlungen gemäß § 4
a EntgeltFZG möglich, allerdings ist die Bestimmung mehrdeutig. Insbesondere kann
der Jahresdurchschnitt nicht errechnet werden. So geht die Beklagte - aus welchem
Grunde auch immer - von einem zu berücksichtigen Zeitraum von Oktober des Vorjahres
bis September des aktuellen Jahres aus. Genauso könnte man den Jahresdurchschnitt
aber auch bilden aus den Monaten November des Vorjahres bis Oktober des laufenden
Jahres oder auch von Oktober des Vorjahres bis November des laufenden Jahres (da
mit dem Auszahlungsmonat November auch das Entgelt für November feststeht).
Durchaus denkbar wäre ebenfalls, dass der Jahresdurchschnitt auf das Kalenderjahr
begrenzt wäre, so dass sich ein Abrechnungszeitraum von Januar bis Oktober des
gleichen Jahres oder von Januar bis November des gleichen Jahres ergeben könnte.
Eine Bestimmung der Berechnungsgrößen für den Jahresdurchschnitt ist jedoch
zwingend erforderlich, da nicht nur das monatliche Entgelt Schwankungen unterworfen
sein kann, sondern auch durch Urlaub oder Krankheit (insbesondere bei Krankheit
außerhalb des Entgeltfortzahlungszeitraumes) sich je nach Gegebenheit
unterschiedliche monatliche Vergütungen ergeben. Damit wäre nach der Berechnung
von Ziffer 3. der Regelungen über die Jahresabschlussleistungen auch unmittelbar die
Höhe des Kürzungsbetrages betroffen.
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Auch eine ergänzende Vertragsauslegung führt zu keinem eindeutigen Ergebnis, da
nicht zu ermitteln ist und es diesbezüglich keine näheren Anhaltspunkte gibt, wie der
Jahresdurchschnitt nach dem Willen der Parteien berechnet werden sollte.
37
4.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG.
39
Die Streitwertentscheidung folgt aus den §§ 61 ArbGG.
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Gründe für die besondere Zulassung der Berufung gemäß § 64 Abs. 3 i.V.m. Abs. 3 a
ArbGG lagen nicht vor.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
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B e r u f u n g
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eingelegt werden, soweit ein Betrag in Höhe von 600,00 € überschritten wird.
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Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
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beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
0211 7770 2199 eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
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Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
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1.Rechtsanwälte,
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2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich
die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder
eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung
entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der
Bevollmächtigten haftet.
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Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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gez. C.
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